Münek hat geschrieben:Münek hat geschrieben:
Sieh mal, die Offenbarung war eine an sieben namentlich genannte, kleinasiatische christliche Gemeinden gerichtete Botschaft des Trostes und der Stärkung - und damit seinerzeit zeitaktuell. In meiner alten zerfledderten Lutherbibel heißt es darum unmissverständlich in Offb. 1, 1 und 3 sowie 22, 7 und 10 :
"Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in KÜRZE
geschehen soll...,denn die Zeit ist NAHE"..."Siehe ich komme BALD"..."Versiegle NICHT die Worte der Weis-
sagung in diesem Buch: denn die Zeit ist NAHE".
Danke Münek, dass Du noch mal daran erinnerst. Bei der Länge dieser dynamischen Diskussion gehen solche Beiträge auch schnell mal unter. Falls ich Feetbacks nicht oder nicht genügend beachtet hatte, so geschah dies versehendlich.
In Deinem Eigenzitat habe ich die Worte blau makiert, die auch im griechischen Grundtext εγγÏÏ‚ (
engus, nahe) lauten.
Wenn es hingegen heißt, "in Kürze", oder "bald", dann steht im griechischen Grundtext εν ταχει (
en táchei) oder ταχυ (
takhu), beides Worte die "in Schnelligkeit" oder "schnell" bedeuten und besser mit "plötzlich" übersetzt werden sollten. Nicht zufällig sind die Worte mit dem
Tachometer (Geschwindigkeitsmesser) verwandt.
Heute sprach in der ev. Gemeinschaft mit einem
Prediger, der vier Jahre auf einer Bibelschule war. Er bestätigte, dass die Jünger und vermutlich wohl auch Paulus eine Naherwartung Christie zu ihren Lebzeiten erhofften. Diese Hoffnung mag damals in den urchristlichen Gemeinden präsent gewesen sein, wich aber mehr und mehr einer
Stehtserwartung. Jesus kommt
plötzlich und in diesem Sinne ist die Erwartung stehts präsent, weil sie zwar zeitlich unbestimmt, aber dem Glauben zufolge zuverlässig ist.
Laut dem oben erwähnten Prediger kann das hebräische Wort für Glauben/Vertrauen auch "sich verlassen auf" bedeuten. Es geht nicht darum, etwas im wissenschaftlichen Sinne zu
wissen, sondern sich auf etwas zu
verlassen - insbesondere im Bezug auf Jesus.
Zumal Petrus mit Bezug auf Jesaja daran erinnert, dass Gottes Zeitmaßstäbe andere sind. "Nahe" im göttlichen Sinne, innerhalb eines prophetischen Textes, in dem die Grenzen zwischen Gegenwart und Zukunft durchbrochen sind (
ekstatischen Zeitverständnis, Berger), nun unbedingt im Sinne von "zu meinen Lebzeiten" ausdeuten zu wollen, scheint mir doch etwas gewagt zu sein.
Hast Du dich nie gefragt, warum im prophetischen Text Briefe an die
sieben Gemeinden erwähnt werden? Warum gerade sieben? Ist die Sieben etwa keine symbolische Zeit, welche Vollständigkeit anzeigt (sechs Tage und der Sabbat, daher die sieben Lichter der Menora usw.)? Dies meint meiner Meinung nach
alle Gemeinden, für die jene sieben in der Offenbarung symbolisch stehen und dies ist nicht notwendig auf die Zeit der Abfassung der Offenbarung beschränkt.
Was Dein Vertrauen in die deutschen Übersetzungen angeht, so unterscheiden wir uns darin im Groben nicht so sehr (was bleibt uns anderes übrig), doch
Details können sehr wichtig sein. Die jüdische Religionswissenschaftlerin Prof. Ruth Lapide bemängelte häufig die deutschen Übersetzungen, insbesondere die von Luther. Ist denn nun das Reich Gottes
inwendig in euch, oder ist es
in euer Mitte usw.?
Diese Übersetzungemängel sind natürlich störend, wenn wir in Diskussionen so in die Tiefe gehen, doch sie liegen leider nun mal vor. Doch wie soll man Textkritik betreiben, wenn man die biblischen Sprachen schlicht nicht beherrscht? Sie zu lernen wäre sehr aufwendig und u.U. hätte man auch kein Erfolg (so leicht ist das schließlich nicht).
Ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig, als verschiedene Übersetzungen miteinander zu vergleichen und Fussnoten sowie Anhänge nachzulesen. Eine Hilfe ist auch die Interlinear-Übersetzung. Dies ist sicher sehr aufwändig (ich weiß, wovon ich spreche), viel zu aufwändig, um so die ganze Bibel zu studieren. Doch wenn es um bestimmte Verse geht, kann dies erhellend sein. Nicht immer ist diese "Forschung" vom Erfolg gekrönt, weil man als deutscher Laie schnell an die Grenzen stößt, aber manchmal lohnt es sich.
Hier mal drei hilfreiche Links:
http://www.obohu.cz/bible/index.php?sty ... =Da&kap=12
http://www.bibel.com/bibel/interlinear/ ... ng-22.html
http://www.bibelkommentare.de/index.php ... versiegeln
Münek hat geschrieben:Münek hat geschrieben:Versiegle nicht! In Daniel 12,4 hieß es hingegen noch (verfasst um ca. 165 v.Chr.):
"Und du, Daniel, verbirg diese Worte, und versiegle dies Buch bis auf die LETZTE ZEIT". Diese "letzte Zeit" muss dann ja wohl auch angebrochen sein, denn Jesus und seine Zeitgenossen kannten das Danielbuch. (Es war demnach entsiegelt.) Merkste was? Daniel sollte sein Buch "versiegeln" bis auf die letzte Zeit, Johannes dagegen nicht. Warum wohl? Eben: Weil es die "letzte Zeit" war, weil die Zeit der Parusie "nahe", "bald", "in Kürze" war.
Hier haben wir tatsächlich einen Gegensatz: In Daniel heißt es: "versiegle" und in der Offenbarung "versiegle nicht". Soweit ich als Laie in den Grundtexten ermitteln konnte, steht es so auch in den Grundsprachen.
In Off 22.10 steht das selbe Wort wie in Daniel 22:4 (LXX), nämlich σφÏαγίζω {
sphragizÅ} -
versiegeln, mit dem Unterschied, dass in der Offenbarung
μὴ (
mä, "nicht") vor σφÏαγισης (
versiegeln) steht.
In hebriäischen Grundtext von Daniel
(Dan 2:4b bis 7:28 ist aramäisch, der überwiegende Teil ist hebräisch, ferner enthält das Buch einige persische Begriffe) steht das Wort ×—×ª× (
châtham), welches nach meiner bescheidenen Recherche sowohl im Altgriechischen wie im Deutschen korrekt wiedergeben wurde.
Vielleicht kann @2Lena bestätigen, dass die Grundbedeutung der Gedanke von "verbergen" oder "bedecken" enthalten ist - dies ist aber nur so eine Vermutung von mir.
Eine mögliche Erklärung hatte ich in diesem
Beitrag angeboten.