closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Nur unterscheide ich: ob letzteres der Fall ist, oder ob ich einem Autor gerecht werden will.
Das ist oft schwierig.
Nein, das ist nicht schwierig. Du hast nur meine Unterscheidung nicht genau genug gelesen.

Wer nicht unterscheiden kann, ob er a. den Text nur nutzt, um selber weiter zu kommen oder ob er b. dem Autor gerecht werden will, der hat eh nichts in der Wissenschaft zu suchen.
Was Du dann schreibst, ist ein anderes Problem. Deine Unterscheidung betrifft nur Punkt b.
Dass Autoren sich im Laufe ihres Lebens bezüglich ihrer Ansicht ändern, ist eigentlich normal.
Das dürfte einem Interpreten eigentlich keine Probleme bereiten, das in seiner Analyse zu berücksichtigen.
Er teilt seinen Essay in mehrere Teile, und in Teil 1 kommt die früheste Phase, in Teil 2 die nächste und so weiter, bis man alle durch ist.
Die werden alle gesondert behandelt, und am Ende kommt ein Resumee, was sich verändert hat und was sich vielleicht durchgehend gehalten hat.
closs hat geschrieben:Das heisst: Man kann HEUTE etwas in 1927 hinein interpretieren, was für 1927 eine Fehl-Interpretation ist
Kann passieren, wenn man nicht aufpasst, bestimmt. Aber für die Regel halte ich das nicht.
Man spricht zum Beispiel ganz selbstverständlich von dem "frühen Marx" und dem "späten Marx". Das ist Standard. Karl Marx hat sich stark verändert, auch falls man etwas Durchgehendes beobachten und fixieren kann.
Man sieht beide den jungen und den späten - gesondert.
closs hat geschrieben:
aber in der Vogel-Perspektive keine Fehl-Interpretation für den gesamten H. sein muss. -
Warum sollte man denn eine Vogel-Perspektive für den gesamten Heidegger einnehmen? Wer sollte das tun?
Außer wenn man eben Unterschiede und Gleichbleibendes in den verschiedenen Lebensetappen feststellt. Dann hat man ein differenziertes Bild von dem Autor in seinen verschiedenen Lebensphasen.
Wir können auch den frühen Brecht von dem späten Brecht unterscheiden, und ich wüsste nicht, warum man das auf einen Nenner bringen sollte.
Der frühe Ludwig Tieck war Frühromantiker, der späte Tieck war schon nahe dem Realismus. Die kann man auch nicht auf einen Nemmer bringen.
Der junge Goethe war Stürmer und Dränger, der späte Goethe lehnte seine Frühzeit ab.