Parusieverzögerung

Themen des Neuen Testaments
Hemul
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#791 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Hemul » Sa 2. Mai 2015, 00:31

Münek hat geschrieben: Mensch Hemul,
der 2. Brief an die Gemeinde von Thessalonisch stammt NICHT von Paulus. Diese Erkenntnis ist nicht auf
meinem Mist gewachsen, sondern (mal wieder) Ergebnis neutestamentlicher Forschung.
Dieser Brief versucht, den 1. (echten) Brief, in welchem Paulus die Naherwartung dokumentierte, als Fäl-
schung
darzustellen (siehe meine obige Hervorhebung in Deinem zitierten Bibeltext).
Ich verfüge über entsprechende theologische Fachliteratur; Du kannst aber auch googeln...
Habe ich gemacht:
http://bitflow.dyndns.org/german/JohnMa ... nicher.pdf

Titel
Im gr. NT ist der 2. Thessalonicherbrief als »An (die) Thessalonicher« angeführt. Er repräsentiert den zweiten kanonischen Brief des Apostels Paulus an die Gemeinschaft von Gläubigen in der Stadt Thessalonich (vgl. 1,1).
Autor und Abfassungszeit
Paulus nennt sich wie im 1. Thessalonicherbrief zweimal als Autor dieses Briefes (1,1; 3,17). Silvanus (Silas) und Timotheus, Paulus’ Mitarbeiter bei der Gemeindegründung, waren bei ihm, als er diesen Brief schrieb. Indizien aus dem Inhalt des Briefes sowie der Wortschatz, der Stil und der lehrmäßige Inhalt bestätigen eindeutig, dass Paulus als einziger Autor in Frage kommt. Er schrieb diesen Brief sicherlich einige Monate nach dem ersten Brief an die Thessalonicher, als er noch mit Silas und Timotheus in Korinth war (1,1; Apg 18,5), d.
2,2 schnell … erschüttern. Dieser Begriff wurde für ein Erdbeben verwendet (Apg 16,26) sowie für ein Schiff vor Anker, das bei einem heftigen Sturm von seinem Anlegeplatz weggerissen wird. Zusammen mit dem Begriff »in Schrecken jagen« beschreibt es einen Zustand des Aufruhrs und der Angst, der die Gemeinde erfasst hatte. Die Gläubigen waren in großer Sorge, weil sie erwartet hatten, dass die Entrückung, das Versammeltwerden zum Herrn, vor dem Tag des Herrn stattfindet. Sie hatten erwartet, in die Herrlichkeit und himmlische Ruhe aufgenommen und nicht der Verfolgung und dem Zorn Gottes überlassen zu werden. Paulus muss ihnen offenbar gesagt haben, dass sie den Tag des Herrn nicht miterleben werden (1Th 5,2-5; vgl. Offb 3,10), doch sie waren verwirrt durch die Verfolgung, die sie erfuhren, und dachten, der Tag des Herrn sei bereits da. In diesem Irrtum waren sie noch bestärkt worden, als einige ihnen weismachen wollten, der Tag des Herrn sei tatsächlich gekommen. Paulus bezeichnete die Quelle dieser Behauptungen als »Geist«, »Wort« und »Brief«. Ein »Geist« bezieht sich höchstwahrscheinlich auf einen falschen Propheten, der behauptet, eine Offenbarung von Gott zu haben, so z.B. in 1Joh 4,1-3. Ein »Wort« könnte eine Predigt oder einen Vortrag bedeuten und ein »Brief« eine schriftliche Mitteilung. Diese Fehlinformation konnte deshalb so einflussreich und schädigend sein, weil behauptet wurde, sie stamme vom Apostel Paulus (»angeblich von uns«). Wer auch immer es war, der den Thessalonichern weismachen wollte, der Tag des Herrn sei schon da, diese Lügner behaupteten jedenfalls, es sei eine Botschaft von Paulus, der sie gehört, verkündet und geschrieben habe. Damit verliehen sie ihrer Lüge eine angeblich apostolische Autorität und erzeugten Angst und Schrecken. Offenbar hatten sie die Entrückung vor dem Tag des Herrn erwartet. Denn wenn sie davon ausgegangen wären, dass die Entrückung erst nach dem Tag des Herrn geschähe, dann hätten sie sich gefreut, dass Christi Wiederkunft nahe sei. In diesem Brief war apostolische Authentizität wichtig; denn nur sie konnte diesen Irrtum richtig stellen. Deshalb war Paulus darauf bedacht, am Ende des Briefes seine typische Handschrift anzufügen (3,17; vgl. Gal 6,11). der Tag des Christus. Die besseren Textquellen schreiben nicht »des Christus«, sondern »des Herrn« (s. Anm. zu 1Th 5,2 zu einer Diskussion dieses »Tages«). Die Vorstellung, der Tag des Herrn sei bereits gekommen, widersprach dem, was Paulus zuvor über die Entrückung gelehrt hatte. Diesen Irrtum, der die Thessalonicher so sehr in Aufruhr versetzte, korrigierte Paulus in V. 3-12 Dort zeigte er, dass dieser Tag noch nicht gekommen ist und nicht kommen kann,
ehe nicht bestimmte Tatsachen geschehen sind, insbesondere der »Mensch der Sünde« die Weltbühne betreten hat (V. 3).
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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sven23
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#792 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 07:36

closs hat geschrieben: Damit fragt man aber nicht, was Jesus im Kontext der Bibel (incl. AT) gemeint hat, sondern man fragt, was Jesus unter den Bedingungen des eigenen Modells gemeint hätte, wäre dieses Modell ausreichend, um Jesus im Kontext von AT und NT zu verstehen. - Sorry - das ist eine Trockenübung und hat nichts damit zu tun, was Jesus WIRKLICH gemeint hat.
Im Gegensatz zu deinem Wunschdenkenmodell habe ich gar kein Modell, sondern gehe von dem aus, was vorliegt und plausibel ist.
Beispiel: Wenn sich herausstellt, daß der Geburtsort Jesu mal flugs nach Bethlehem verlegt wurde, nur damit sich eine alte Prophezeiung erfüllt, dann muß man diese Fälschung zur Kenntnis nehmen. "Geistige" Gründe spielen dabei keine Rolle. Eine Fälschung bleibt eine Fälschung und wird aus bestimmten Motiven vorgenommen.

closs hat geschrieben: Wieso denn das? - Wenn Jesus etwas sagt und er nicht verstanden wird, heisst das doch nicht, dass er sich selber nicht verstanden hat. :o
Du sagst ja selber, daß eine Naherwartung nicht bestritten wird. Strittig sei lediglich, ob Jesus selbst eine Naherwartung hatte.
Wir sollen also glauben, daß die Anhängerschaft Jesu incl. seiner engsten Vertrauten eine Naherwartung hatten, aber der Anführer der Bewegung nicht.
Der Normalfall ist doch wohl der: der Sektenführer gibt die Message vor und seine Anhänger beten sie nach. Hier soll es aber quasi umgekehrt sein. Die Anhänger geben die Richtung vor und ihr Anführer merkt das noch nicht mal. Dann wäre Jesus fast ein Autist, der von seiner Umgebung nichts mehr mitbekommt.
Hat er dagegen den Irrtum bemerkt, unterstellt man ihm quasi, daß er diesen Irrtum nicht aufklärt und das Mißverständnis zu seinen Gunsten nutzt, er wäre quasi ein "passiver" Lügner.
Merkst du nicht, wie unplausibel das ist?
Und warum soll eine Naherwartung nicht ins geistige Konzept passen? Da Zeit ja angeblich bei Gott keine Rolle spielt, ist ein naher Zeitpunkt genau so gut oder schlecht wie einer in ferner Zukunft. Die Zukunftsverwartung wurde doch erst erfunden, als die Naherwartung scheiterte.
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#793 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 07:39

Hemul hat geschrieben: Wie kann Jesus eine Naherwartung gehabt haben wenn er gem. Matthäus 24:36 u. Apostelgeschichte 1:6+7 selbst nicht wusste wann seine Parusie beginnt? :roll:
Das mußt du schon ihn selber fragen. :lol:
Auch wenn er den genauen Zeitpunkt nicht kannte, spricht das nicht gegen eine Naherwartung.
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#794 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 07:54

closs hat geschrieben: Aber sag Du doch mal, wie dieses biblische Kernmotiv "Ohren, ohne zu hören"/"Und sie verstanden ihn nicht" zu verstehen ist.
Kernmotiv ist mal wieder maßlos übertrieben. Es wird verwendet bei der Ankündigung der Leiden und der Wiederauferstehung. Und da sich Jesus hier äußerst maulfaul zeigt, ist das Unverständnis der Jünger verständlich.
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Savonlinna
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#795 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » Sa 2. Mai 2015, 08:14

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Unser Thema ist: Hat Jesus eine Naherwartung gepredigt und selbst an sie geglaubt.

Ja, hat er.

Das steht so klipp und klar in den Evangelien. :)
Dann ist das Thema ja durch. Was brauchen wir da noch historisch-kritische Analyse? Bibelzitate reichen doch. ;)
Wozu überhaupt noch das Denken "sämtlicher universitärer Professoren der Theologie" zu verfälschen? Das ist doch viel zu viel Mühe und könnte auffliegen.
Bleiben wir also beim wörtlichen Lesen und schlagen uns Bibelzitate um die Uhren, sorry, Ohren.

Im übrigen, closs, mein Thema war nicht, ob Jesus eine solche Naherwartung gepredigt hat, sondern welche Möglichkeiten man herausgefunden hat, das aus dem Geiste der damaligen verschiedenen Zeitschichten heraus zu verstehen.
Und da ist mein momentanes Ergebnis auf der Basis der von mir verlinkten Essays: nimmt man die Zeit, in der die Evangelien geschrieben wurden und die "Naherwartung" neu zu verstehen gesucht wurde, dann finden wir unter anderem die - von mir schon woanders zitierte - Variante:

Jesus selbst verbindet die Proklamation der Gottesherrschaft mit dem Aufruf zur Umkehr und zum Glauben „an das Evangelium“ (Mk 1,15 / Mt 4,17). Dabei rückt das Kommen Gottes jedoch in ein völlig neues Licht. Aus der „Nähe Gottes“, von der auch die Apokalyptiker schon ausgingen, wird nun im Auftreten Jesu „Gegenwart“: Die Gottesherrschaft ist „mitten unter euch“ (ἐντὸς ὑμῶν entos hymōn) (Lk 17,21). Im Ganzen bleiben die Aussagen allerdings in der Schwebe: Die Grenzen zwischen Zukünftigkeit, andrängender Nähe und unmittelbare Gegenwart der Gottesherrschaft sind fließend und lassen sich am besten in der Formel von „schon und noch nicht“ erfassen. Doch der Hauptakzent ist dabei deutlich auf das „schon“ gerückt. Das entscheidende Heilsereignis ist mit → Tod und → Auferweckung Jesu bereits erfolgt. Von diesem neuen Gravitationszentrum aus erhalten auch alle anderen Motive ihr neues, „christliches“ Profil.
http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex ... 513826f38/

Dieses Zitat soll unter anderem folgenden Disput beleuchten, der noch im Thread "Aberglauben im 21. Jahrhundert" steht:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Indem sie undogmatisch, streng wissenschaftlich die neutestamentlichen Schriften historisch erforscht
Aber auch das tut sie doch nur auf Basis von Setzungen - die da sein könnten:

1 Jesus wird korrekt zitiert
2 Paulus repräsentiert mit seiner Auffassung die Meinung Jesu
3 "Nah" ist rein zeitlich zu verstehen
4 Die "Verklärung" spielt im Kontext keine Rolle
5 Die Möglichkeit einer Kontaminierung der Jünger-Rezeption (zwar gehört, aber nicht verstanden) bleibt unberücksichtigt

Das sind 5 spontane Punkte - man kann sicherlich mehr finden. - Und auf Basis dieser Setzungen sagt die "wissenschaftlich forschende Theologie", sie sei undogmatisch UND dürfe zum ERgebnis kommen, "dass im Zentrum der Botschaft Jesu (Evangelium = frohe Botschaft) das unmittelbar bevorstehende Reich Gottes stand, das direkte Eingreifen Gottes in den Lauf der Geschichte durch Aufrichtung einer nicht jenseitig gedachten, sondern einer irdischen Königsherrschaft" - eine Version, die unter geistigen Gesichtspunkten komplett absurd ist ("mein Reich ist nicht von dieser Welt").

Und DAS soll der Maßstab für Bibel-Exegese sein UND der Standard der heutigen universitären Bibel-Forschun? - Das wäre Horror pur.
Münek hat geschrieben:@ Kurt3. Setzung: "Nah" ist rein zeitlich zu verstehen.
Wie denn sonst? Dein merkwürdiges Gegenbeispiel mit "meine Freundin ist mir nah", passt doch hinten und vorne nicht.
Dein Gespür, closs, zumindest in diesem Fall, dafür, dass die historisch-kritische Forschung nicht reduziert werden kann auf wörtliches und rein zeitliches Verstehen der Parusie durch heutige User, hat Dich nicht getrogen.

Daran war mir sehr gelegen, das herauszuarbeiten, denn davon hing ja auch die Ehre der historisch-kritischen Forschung ab.

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sven23
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#796 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 2. Mai 2015, 08:44

Savonlinna hat geschrieben: Dein Gespür, closs, zumindest in diesem Fall, dafür, dass die historisch-kritische Forschung nicht reduziert werden kann auf wörtliches und rein zeitliches Verstehen der Parusie durch heutige User, hat Dich nicht getrogen.
Die Parusieverzögerung führte zu einer Glaubenskrise, da ja die Naherwartung unstrittig weit verbreitet war.
http://de.wikipedia.org/wiki/Parusie#Di ... ensproblem

Wir sollen also wirklich glauben-das habe ich auch closs schon gefragt- daß es eine völlige Entkoppelung von der Lehre des Sektengurus und seiner Anhängerschaft gegeben hat? Und das in dieser elementaren Frage?
Ist das nicht völlig unglaubwürdig?
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#797 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Sa 2. Mai 2015, 08:44

Münek hat geschrieben:anstatt permanent gegen Windmühlen anzurennen?
Ja - da habe ich was unterschätzt. - Die Widerstandskräfte scheinen sehr hoch zu sein.

Münek hat geschrieben:Es geht hier doch nur um die authentische Weitergabe der jesuanischen Botschaft durch die Jünger an andere, die Du offensichtlich in Zweifel ziehst...
Ja - tue ich. - Erstens weil es ein Kernmotiv der gesamten Bibel ist, zweitens weil man damit inhaltlich alles erklären kann.

sven23 hat geschrieben: Wenn sich herausstellt, daß der Geburtsort Jesu mal flugs nach Bethlehem verlegt wurde, nur damit sich eine alte Prophezeiung erfüllt, dann muß man diese Fälschung zur Kenntnis nehmen.
In den ersten Jahrhunderten nach Christus wurde einiges gefälscht - da sind wir uns einig.

sven23 hat geschrieben:Wir sollen also glauben, daß die Anhängerschaft Jesu incl. seiner engsten Vertrauten eine Naherwartung hatten, aber der Anführer der Bewegung nicht.
Das ist naheliegend, wenn man die ganze Bibel kennt. - Der Mensch ist (auch heute) in seiner Materialität verhaftet und muss lernen, geistige Aussagen nicht materiell, sondern eben geistig zu verstehen. - Das ist ein Prozess, an dem auch viele Urchristen gescheitert sind.

Guck mal die Bibel durch nach dem Motiv "Und sie verstanden ihn nicht"/"Er aber antwortete nicht"/"Sie haben Ohren, hören aber nicht" sowie "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" - das ist EIN immer wiederkehrender Gedanke, der zeigt, dass die Jünger lernen mussten, Jesu Aussagen geistig zu verstehen. - Eigentlich ist der heutige Materialismus ein Beleg dafür, dass es immer noch nicht verstanden wurde.

sven23 hat geschrieben:Hat er dagegen den Irrtum bemerkt, unterstellt man ihm quasi, daß er diesen Irrtum nicht aufklärt
Er hätte ihn nicht aufklären können, weil ihn die Leute nicht verstanden haben, weil ihre Eigen-Erkenntnis es nicht zugelassen hat.

Das ist doch heute dasselbe - wenn man heute von geistiger Realität spricht, hört man, dies sei Illusion bzw. ein psychologischer Ableger materieller Realität. Da kann man sich den Mund fusselig reden: Das Geistige wird erst verstanden, wenn man dazu reif ist. - Und wenn man dann reif dazu ist, kann man sich dessen erinnern, was man vorher darüber gehört, aber nicht verstanden hat - und dann erst trägt es Frucht.

sven23 hat geschrieben: Da Zeit ja angeblich bei Gott keine Rolle spielt, ist ein naher Zeitpunkt genau so gut oder schlecht wie einer in ferner Zukunft.
Stimmt - es wäre unter geistigen Gesichtspunkten möglich gewesen, dass Jesus nicht nach 2 oder 3000 Jahren, sondern nach 2 oder 3 Jahren wiederkommt. - Aber es wäre NICHT möglich gewesen, dass Jesus sich darin geirrt hätte - wenn man den Jesus zugrundelegt, der in Nachfolge des AT steht.

sven23 hat geschrieben:Kernmotiv ist mal wieder maßlos übertrieben.
Nee - nee ---- das gibt es schon in 4. Mose - und auch in obengenannten Stellen. - Guck mal nach dem Motiv "halsstarrig" - das wird oft über die Israeliten gesagt.

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#798 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von 2Lena » Sa 2. Mai 2015, 08:46

@savonlinna

Zu - "Das entscheidende Heilsereignis ist mit → Tod und → Auferweckung Jesu bereits erfolgt." aus Bibelwissenschaft.de
Jeder Punkt braucht mehrere "Fixierungen", damit der nicht im Raum schwebt.
Gefühlsmäßig kann man das sagen.
Mathematisch gesehen, braucht man die Vorgänge davor, rechts und links, oben und unten.

Literarisch also Politik, Gesetze vorher - nacher, Nachbarstaaten, Vorzeit, etc.

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#799 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von 2Lena » Sa 2. Mai 2015, 08:51

@Hemul

Wer auch immer es war, der den Thessalonichern weismachen wollte, der Tag des Herrn sei schon da, diese Lügner behaupteten jedenfalls, es sei eine Botschaft von Paulus, der sie gehört, verkündet und geschrieben habe.

Das war einerseits das tatsächlich hoffnungsvolle Wort, vorgebracht von einer Person ... Andererseits genauso die Philosophie des Abwegens (paulus, peles = Waage, mit pal us, richte nun)

Kalkullier die Schreibweise mit ein, die ich (nicht nur im AT, sondern sogar im NT) zeige.
Das ergibt: "Der Tag" kommt, wenn Bedingungen erfüllt werden ...

Dein Auszug:
Dort zeigte er, dass dieser Tag noch nicht gekommen ist und nicht kommen kann,
ehe nicht bestimmte Tatsachen geschehen sind,
Erschüttert?

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#800 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Sa 2. Mai 2015, 09:01

Savonlinna hat geschrieben: nimmt man die Zeit, in der die Evangelien geschrieben wurden und die "Naherwartung" neu zu verstehen gesucht wurde, dann finden wir unter anderem die - von mir schon woanders zitierte - Variante
Genau so sehe ich es auch - aber das wurde damals weitgehend nicht und wird heute weitgehend nicht verstanden - obwohl es dasselbe auch im AT gibt (Stichwort "Tempel"):

1. Kön. 6,13 Und ich werde inmitten der Israeliten wohnen und mein Volk Israel nicht verlassen

Diese Aussage Gottes, die sich auf den Tempelbau (vgl. 6,1 – 38) Salomos bezieht, ist daseins-orientiert dahingehend deutbar, dass durch die physische Anwesenheit des Tempels ein fester Platz für Gott innerhalb seines Volkes gefunden ist – Gott ist dadurch sichtbar ansässig innerhalb seines inzwischen auch ansässigen Volks. – Seins-orientiert erhöht weist dies auf die wesensmäßige Verbindung zwischen Gott und Mensch hin – Gott wohnt inmitten der Seinen.

Nun lautet der Text nicht, Gott wohne inmitten des Landes Israel, sondern „inmitten der Israeliten“, also ohne geografische Festlegung. Des Menschen „Blut … <kann somit gar> nicht fern vom Herrn zur Erde fließen“ (1Sam. 26,20), wie noch David befürchtet hat, sondern Gott wird, „selbst wenn sie <die Israeliten> im Land ihrer Feinde sind, … sie nicht missachten. … Denn ich bin der Herr, ihr Gott“ (Lev. 26,44) - eben weil er in ihrer Mitte wohnt, egal wo sie sind.

Volks-göttisch und somit daseins-orientiert ist diese Omnipräsenz Gottes wiederum dahingehend einschränkend deutbar, dass Gott ausschließlich sein Stammesvolk nicht verlassen würde – im Sinne des universalen Gottes des Holon gilt dies jedoch für den Menschen schlechthin. – Insofern ist die hier zugrundegelegte Textstelle spirituell gesehen ein Hinweis auf das „Pilotprojekt Israel“, in dem exemplarisch vorgeführt wird, wie Gott mit allen Menschen umgeht, dass er also in ihnen („inmitten“ (6,13)) ist, egal wo sie sind.

Daseins-orientiert kann der physische Tempelbau Salomos hinwiederum als geografisch und volksgöttisch eingeschränkt verstanden werden, also die Idee der göttlichen Omnipräsenz gerade auf den Kopf gestellt werden. Dann würde die Botschaft lauten: ‚Nur im physischen Tempel Israels wohne ich, Gott, und werde diesen nicht verlassen‘. Die Folge davon könnte sein, dass nur die Menschenpräsenz um diesen Tempel Gottnähe sichern würde. – Dies zeigt, wie dieselbe Aussage je nach Orientierungssystem diametral interpretiert werden kann, und verweist auf das Motiv der diabolischen Sinnbrechung (vgl. zu Gen. 3,4f).

In diesem Sinne haben in puncto "Naherwartung" Jesus und seine Jünger unterschiedliche Orientierungs-Systeme - und genau das ist der Lernprozess, den die Jünger gehen müssen: Jesu Orienterungs-System ("Mein Reich ist nicht von dieser Welt") zu verstehen.

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