Parusieverzögerung

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sven23
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#271 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 25. Apr 2015, 07:33

Samantha hat geschrieben: Jesus hatte aber niemals ein Datum oder eine bestimmte Zeit genannt.
Das stimmt, auf ein bestimmtes Datum hat er sich nicht festgelegt. Das Ende sollte überraschend kommen, aber innerhalb einer definierten Zeitspanne.
"So ist es auch, wenn ihr dies alles geschehen seht:7 Dann wisst ihr, dass das Ende unmittelbar bevorsteht.
Ich versichere euch: Diese Generation wird das alles noch erleben."
Markus 13,29-30

Jesus wendet sich also unmittelbar an seine Zuhörer und stellt ihnen das Reich Gottes noch zu Lebzeiten in Aussicht.
Ein exaktes Datum innerhalb der Zeitspanne nennt er nicht, was aber nichts an der Grundaussage ändert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#272 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 25. Apr 2015, 08:01

Savonlinna hat geschrieben: Nicht unbedingt. Sie kann ebenfalls erst nachträglich entwickelt worden sein. Das ist am Text selber ja so erst mal nicht erkennbar.
Wenn man die Aussagen von Jesus selbst berücksichtigt und die seiner Jünger (auch Paulus), dann ist die Naherwartung sehr wohl ein zentrales Thema. Zumal Jesus nicht der einzige Wanderprediger und Endzeitprophet war.
Eine Quelle spricht sinngemäß und überspitzt davon, daß es damals fast unmmöglich war, keinem Propheten über den Weg zu laufen, so viele gab es. Es war Ausdruck einer allgemeinen Endzeitstimmung.

Savonlinna hat geschrieben: Hier habe ich Eure Argumentation nie begriffen. Da Jesus ja neben den Jüngern stand - wieso sollten sie da das Kommen Jesu stündlich erwarten?
Sie erwarteten das Reich Gottes. Daß der Sohn Gottes bei der Party dabei sein würde, versteht sich doch von selbst.

Savonlinna hat geschrieben: Das alles wurde doch erst vierzig, fünfzig Jahre später niedergeschrieben. Und bezog sich also nicht auf die Zeit, wo Jesus noch lebte.
Das ist richtig und zugleich auch Teil des Problems. Es gibt keine Originalmanuskripte, keine Texte von Jesus selbst, nur Abschriften von Abschriften, immer verbunden mit der Gefahr der Verfälschung.
Ein Zeitzeuge beklagt ja auch, daß Jesus von Anfang an verfälscht wurde.

Savonlinna hat geschrieben: Inwiefern kann er als Zeuge angeführt werden?

sven23 hat geschrieben: „Sie werden sich über euch lustig machen und sagen: Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist noch so, wie es seit Beginn der Welt war... "
Wo stammt dieses Zitat her?
Dieses Zitat stammt von Petrus aus dem 2. Petrusbrief.
Wie gesagt: einen Zeugen, der näher dran war, findet man in der Bibel nicht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Samantha

#273 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Samantha » Sa 25. Apr 2015, 08:06

sven23 hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben: Jesus hatte aber niemals ein Datum oder eine bestimmte Zeit genannt.
Das stimmt, auf ein bestimmtes Datum hat er sich nicht festgelegt. Das Ende sollte überraschend kommen, aber innerhalb einer definierten Zeitspanne.
"So ist es auch, wenn ihr dies alles geschehen seht:7 Dann wisst ihr, dass das Ende unmittelbar bevorsteht.
Ich versichere euch: Diese Generation wird das alles noch erleben."
Markus 13,29-30
Dieses ... "wenn ihr all dies geschehen seht" ... sollte man nicht außen vor lassen. Das "ihr" gilt damit sicherlich für alle Menschen. "Generation" kann man verschieden übersetzen.


Jesus wendet sich also unmittelbar an seine Zuhörer und stellt ihnen das Reich Gottes noch zu Lebzeiten in Aussicht.
Ein exaktes Datum innerhalb der Zeitspanne nennt er nicht, was aber nichts an der Grundaussage ändert.
Das Reich Gottes ist die Parusie?

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sven23
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#274 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 25. Apr 2015, 08:24

Samantha hat geschrieben: Dieses ... "wenn ihr all dies geschehen seht" ... sollte man nicht außen vor lassen. Das "ihr" gilt damit sicherlich für alle Menschen. "Generation" kann man verschieden übersetzen.
Jesus spricht im Gleichnis vom Feigenbaum direkt zu seinen Jüngern. Der Abschnitt zuvor behandelt das Thema: Das Kommen des Menschensohnes. "Wenn ihr all dies geschehen seht", bezieht sich auf diesen Abschnitt.
Ob man jetzt mit Geschlecht oder Generation übersetzt, ist eigentlich egal. Wichtig ist, daß Jesus seinen Jüngern das Kommen des Reiches Gottes noch zu ihren eigenen Lebzeiten in Aussicht stellt.


Samantha hat geschrieben: Das Reich Gottes ist die Parusie?
Guckst du hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Naherwartung
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Ziska_Deleted

#275 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Ziska_Deleted » Sa 25. Apr 2015, 09:08

sven23 hat geschrieben:Jesus wendet sich also unmittelbar an seine Zuhörer und stellt ihnen das Reich Gottes noch zu Lebzeiten in Aussicht.
Ein exaktes Datum innerhalb der Zeitspanne nennt er nicht, was aber nichts an der Grundaussage ändert.

Hallo!
Das kann nicht sein. Die Jünger nahmen das zwar, dass zu ihrer Zeit Jesus wiederkommen würde und seine Regierung, das Königreich Gottes aufrichten würde. Verständlich, denn die Römer bedrückten das Volk...

(Apostelgeschichte 1:6, 7 NWÜ) 6 Als sie nun zusammengekommen waren, gingen sie daran, ihn zu fragen: „Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Königreich wieder her?“ 7 Er sprach zu ihnen: „Es ist nicht eure Sache, über die Zeiten oder Zeitabschnitte Kenntnis zu erlangen, die der Vater in seine eigene Rechtsgewalt gesetzt hat;

Die Jünger stellten die gleiche Frage schon einmal.
Und Jesus erklärte ihnen anhand von Gleichnissen oder Veranschaulichungen, dass erst eine sehr lange zeit vergehen müsse, bevor er wieder käme um ins Weltgeschehen einzugreifen und das Reich Gottes aufzurichten.
(Lukas 19:11, 12) 11 Während sie diesen Dingen lauschten, redete er außerdem in einem Gleichnis,
weil er nahe bei Jerusalem war und sie meinten, das Königreich Gottes werde sich augenblicklich zeigen. 
12 Daher sprach er: „Ein gewisser Mensch von vornehmer Geburt reiste in ein fernes Land,
um Königsmacht für sich zu erlangen und zurückzukehren.

Anhand eines weiteren Gleichnisses konnten die Jünger auch erkennen, dass eine sehr lange Zeit vergehen mußte.

Das Gleichnis vom Weizen und Unkraut

(Matthäus 13:24-30) 24 Ein weiteres Gleichnis legte er ihnen vor, indem er sprach: „Das Königreich der Himmel ist einem Menschen gleich geworden, der vortrefflichen Samen auf sein Feld säte. 25 Während die Menschen schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut hinzu, mitten unter den Weizen, und ging weg. 26 Als die Saat sproßte und Frucht brachte, da erschien auch das Unkraut. 27 Da traten die Sklaven des Hausherrn herzu und sagten zu ihm: ‚Herr, hast du nicht vortrefflichen Samen auf dein Feld gesät? Woher hat es denn Unkraut?‘ 28 Er sprach zu ihnen: ‚Ein Feind, ein Mensch, hat das getan.‘ Sie sagten zu ihm: ‚Willst du denn, daß wir hingehen und es zusammenlesen?‘ 29 Er sprach: ‚Nein, damit ihr nicht etwa beim Zusammenlesen des Unkrauts den Weizen mit ihm ausreißt. 30 Laßt beides zusammen wachsen bis zur Ernte; und zur Erntezeit will ich den Schnittern sagen: Lest zuerst das Unkraut zusammen, und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen, dann geht und sammelt den Weizen in mein Vorratshaus.‘ “
(Matthäus 13:36-43) 36 Nachdem er dann die Volksmengen entlassen hatte, begab er sich in das Haus. Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten: „Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Feld.“ 37 Er gab darauf zur Antwort: „Der den vortrefflichen Samen sät, ist der Menschensohn; 38 das Feld ist die Welt; was den vortrefflichen Samen betrifft, dies sind die Söhne des Königreiches; das Unkraut aber sind die Söhne dessen, der böse ist, 39 und der Feind, der es säte, ist der Teufel. Die Ernte ist ein Abschluß eines Systems der Dinge, und die Schnitter sind Engel. 40 So, wie nun das Unkraut zusammengelesen und im Feuer verbrannt wird, so wird es beim Abschluß des Systems der Dinge sein. 41 Der Menschensohn wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Königreich alle Dinge herauslesen, die Anlaß zum Straucheln geben, und Personen, die gesetzlos handeln, 42 und sie werden sie in den Feuerofen werfen. Dort wird [ihr] Weinen und [ihr] Zähneknirschen sein. 
43 Zu jener Zeit werden die Gerechten so hell leuchten wie die Sonne im Königreich ihres Vaters. Wer Ohren hat, höre zu!


Jesus sagte, dass Weizen ausgesät wurde, von den echten Christen. Satan würde einen Scheinweizen dazwischen aussäen.
Echter Weizen stellen die echten Anbeter Gottes dar.
Daneben würde der Scheinweizen wachsen. Diese Christen würden nicht die echte Frucht hervorbringen...

Die Schnitter sollten so lange warten, bis der echte Weizen vom falschen Weizen deutlich zu erkennen sei.
Und so kam es auch. Nach dem Tode der Apostel drangen falsche Lehrer ein und verwässerten die wahre Lehre Jesu.

Heidnische Bräuche wurden übernommen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele Kirchen und Abspaltungen gegründet, die nur dem Schein nach Gott anbeteten. Ihre Taten, ihre Früchte waren mehr als deutlich. Sie nun einzeln aufzuführen wäre zuviel.

Nun würde aber auch echter Weizen zu erkennen sein. Nur wo war dieser zu finden? Wer betet Gott so an, wie es Jesus gesagt hatte? Wer bringt als Gesamtheit diese gute Frucht hervor?

Jesus sagte, dass jeder sie erkennen könnte. Sie würden sich deutlich vom Scheinweizen unterscheiden...

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sven23
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#276 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 25. Apr 2015, 10:00

Ziska hat geschrieben: Das kann nicht sein. Die Jünger nahmen das zwar, dass zu ihrer Zeit Jesus wiederkommen würde und seine Regierung, das Königreich Gottes aufrichten würde. Verständlich, denn die Römer bedrückten das Volk...
Eben, und aus dieser Bedrängung heraus ist der Zulauf für Endzeitpropheten nachvollziehbar.
Man will aber keine 2000 Jahre warten, bis sich die Lebensumstände verbessern, sondern man will es jetzt. Und Jesus bestärkte diese Hoffnung, wie auch Petrus als Zeuge bestätigt.

Ziska hat geschrieben: Jesus sagte, dass Weizen ausgesät wurde, von den echten Christen. .
Na ja, Weizen wächst in innerhalb einer Saison. 2000 Jahre benötigt er nicht dafür. :lol:
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Salome23
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#277 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Salome23 » Sa 25. Apr 2015, 10:11

Samantha hat geschrieben: Das Reich Gottes ist die Parusie?
Ich denk, das Reich Gottes ist Jesus(Erlöser) selber
Oder wie würdest du jene Aussage deuten?
Lk 11,20 Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.
Lukas 11,20 / Matthäus 12,28


In Bezug auf eine andere Aussage in Lukas 10,9
Lk 10,9... und heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.
10 Wenn ihr aber in eine Stadt kommt und sie euch nicht aufnehmen, so geht hinaus auf ihre Straßen
..könnte er gemeint haben, dass wer "das Evangelium annimmt" , und umkehrt- zu dem ist das Reich Gottes(Befreiung) bereits gekommen

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Savonlinna
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#278 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » Sa 25. Apr 2015, 10:22

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Nicht unbedingt. Sie kann ebenfalls erst nachträglich entwickelt worden sein. Das ist am Text selber ja so erst mal nicht erkennbar.
Wenn man die Aussagen von Jesus selbst berücksichtigt
Wir haben keine Mitteilungen "von Jesus selbst".


sven23 hat geschrieben: und die seiner Jünger (auch Paulus)
Paulus war kein Jünger Jesu, hat Jesus nie kennengelernt. Und von den Jüngern haben wir ebenfalls keinerlei Dokumente.


sven23 hat geschrieben:Eine Quelle spricht sinngemäß und überspitzt davon, daß es damals fast unmmöglich war, keinem Propheten über den Weg zu laufen, so viele gab es. Es war Ausdruck einer allgemeinen Endzeitstimmung.
Das ist alles sehr vage. Das müsste sorgfältig belegt werden - bisher sehe ich in diesem Thread nur Behauptungen.


sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Hier habe ich Eure Argumentation nie begriffen. Da Jesus ja neben den Jüngern stand - wieso sollten sie da das Kommen Jesu stündlich erwarten?
Sie erwarteten das Reich Gottes. Daß der Sohn Gottes bei der Party dabei sein würde, versteht sich doch von selbst.
Wo ist nachgewiesen, dass er sich selber als Sohn Gottes verstanden hat?
Und was genau war für die Jünger "das Reich Gottes"?
Das wird in diesem Thread nie beantwortet, und darum sehe ich hier nur Vermutungen, die meist von der Forschung schon lange widerlegt wurden.


sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Das alles wurde doch erst vierzig, fünfzig Jahre später niedergeschrieben. Und bezog sich also nicht auf die Zeit, wo Jesus noch lebte.
Das ist richtig und zugleich auch Teil des Problems. Es gibt keine Originalmanuskripte, keine Texte von Jesus selbst, nur Abschriften von Abschriften, immer verbunden mit der Gefahr der Verfälschung.
Eben. Darum bin ich so überrascht, dass man hier die Bibel so unkritisch liest.


sven23 hat geschrieben:Ein Zeitzeuge beklagt ja auch, daß Jesus von Anfang an verfälscht wurde.
Welcher Zeitzeuge, und wo beklagt er sich?


sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Inwiefern kann er als Zeuge angeführt werden?
sven23 hat geschrieben: „Sie werden sich über euch lustig machen und sagen: Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist noch so, wie es seit Beginn der Welt war... "
Wo stammt dieses Zitat her?
Dieses Zitat stammt von Petrus aus dem 2. Petrusbrief.
Das hatte ich fast vermutet.
Der Zweite Petrusbrief stammt aber nach der Meinung fast aller Forscher nicht von dem Jünger Petrus. ->
Wikipedia hat geschrieben:In der historisch-kritischen Theologie wird praktisch einhellig angenommen, dass der in Vers 1,1 als Verfasser angegebene Symeon Petrus, Knecht und Apostel Christi, nicht der Verfasser ist
http://de.wikipedia.org/wiki/2._Brief_des_Petrus

Falls die Variante stimmt, dass die Jünger erwartet haben, dass die Herrschaft Roms durch Jesus beseitigt wurde, dann ist diese Erwartung mit dem Tod Jesu hinfällig geworden. Das war die Enttäuschung.
Nach seinem Tod dann hat man - nach dieser Variante - die Ankündigung Jesu "vergeistigt" und aus Jesus einen Sohn Gottes gemacht, dessen Wiederkunft noch anstehe.

Diese Variante hat den Vorzug, dass sie in sich Sinn macht.
Das jüdische Volk wird ja kaum das Reich Gottes mit Jesus identifiziert haben.
Wer genau diese Identifikation vorgenommen hat, und ab welchem Zeitpunkt - das ist die große Frage.

Meine mich hier mehr oder weniger einzig interessierende Frage:
Wie das Reich Gottes in den verschiedenen Etappen der Entwicklung verstanden wurde, wird hier leider immer umgangen.
Und wie man feststellen könnte, ob dieses Reich "da sei" und in welcher Form.

Auch wird nicht ins Auge gefasst, was die historisch-kritische Forschung bereits seit langem freigelegt hat:
dass die Nähe des Reiches Gottes wahrscheinlich nicht "zeitlich" gemeint sei, sondern existentiell.

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sven23
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#279 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Sa 25. Apr 2015, 10:55

Savonlinna hat geschrieben: Wir haben keine Mitteilungen "von Jesus selbst".
Einverstanden, dann muß man aber die Bibel als Ganzes in Frage stellen.
Wir müssen zunächst ja mal so tun, als ob es Jesus gegeben hätte, sonst erübrigt sich jegliche Diskussion von selbst.


Savonlinna hat geschrieben: Paulus war kein Jünger Jesu, hat Jesus nie kennengelernt. Und von den Jüngern haben wir ebenfalls keinerlei Dokumente.
dito

Savonlinna hat geschrieben: Wo ist nachgewiesen, dass er sich selber als Sohn Gottes verstanden hat?
Das wollen uns zumindest die Bibelschreiber Glauben machen. Das alles können natürlich auch Erfindungen der Schreiber sein, das will ich gerne eingestehen, wie das übrigens auch die historische kritische Forschung tut.


Savonlinna hat geschrieben: Eben. Darum bin ich so überrascht, dass man hier die Bibel so unkritisch liest.
Da bin ich ganz auf deiner Seite. Aber das Problem ist halt, daß es außer der Bibel kaum andere Quellen gibt.



Savonlinna hat geschrieben: Das hatte ich fast vermutet.
Der Zweite Petrusbrief stammt aber nach der Meinung fast aller Forscher nicht von dem Jünger Petrus. ->
Wikipedia hat geschrieben:In der historisch-kritischen Theologie wird praktisch einhellig angenommen, dass der in Vers 1,1 als Verfasser angegebene Symeon Petrus, Knecht und Apostel Christi, nicht der Verfasser ist
http://de.wikipedia.org/wiki/2._Brief_des_Petrus

Auch das ist richtig, wiewohl alle Schreiber der Evangelien höchstwahrscheinlich nicht mit den Aposteln identisch sind.
Große Teile des 2. Petrusbriefes wurden als Fälschung entlarvt. Trotzdem bleibt die Frage, warum sich die Fälscher so ungeschickt verhielten und die Naherwartung praktisch indirekt damit bestätigten?
Meine Vermutung: die Naherwartung war so allgegenwärtig und präsent, daß man sie nicht verschweigen oder leugnen konnte. Der einzige Ausweg war: man mußte sie umdeuten.

Savonlinna hat geschrieben: Falls die Variante stimmt, dass die Jünger erwartet haben, dass die Herrschaft Roms durch Jesus beseitigt wurde, dann ist diese Erwartung mit dem Tod Jesu hinfällig geworden. Das war die Enttäuschung.
Nach seinem Tod dann hat man - nach dieser Variante - die Ankündigung Jesu "vergeistigt" und aus Jesus einen Sohn Gottes gemacht, dessen Wiederkunft noch anstehe.
Das sehe ich genau so :thumbup:
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#280 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » Sa 25. Apr 2015, 12:12

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wir haben keine Mitteilungen "von Jesus selbst".
Einverstanden, dann muß man aber die Bibel als Ganzes in Frage stellen.
Nein, auch das nicht unbedingt.
Man muss nur das moderne Lesen in Frage stellen. Die Evangelisten hatten teilweise ja überhaupt nicht vor, historisch Genaues zu referieren.
Das ist doch das Spannende. Ihnen war doch deutlich bewusst, dass sie ihren Glauben in literarischer Form darstellten.
Das war eine uralte Tradition, die man auch im Alten Testament vorfindet.
Die "historisch-kritische Forschung" will ja gerade das wieder ins Bewusstsein rufen.


sven23 hat geschrieben:Wir müssen zunächst ja mal so tun, als ob es Jesus gegeben hätte, sonst erübrigt sich jegliche Diskussion von selbst.
Wir müssen eigentlich gar nicht "zunächst" irgendetwas Falsches tun.
Wir können aber verschiedene Modelle entwerfen.
Die Wahrscheinlichkeit mag hoch sein, dass es einen realen Jesus gegeben hat.
Dennoch wäre ein Modell, das den realen Jesus abbildet, nicht zu identifizieren mit dem, was spätere Leser aus Unkenntnis damaliger literarischer Vorgehensweise herauszulesen meinen.

Auch die Forscher, die einen realen Jesus annehmen, trennen den zu postulierenden "wirklich historischen" Jesus von dem, der in den Evangelien geschildert wird.


sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wo ist nachgewiesen, dass er sich selber als Sohn Gottes verstanden hat?
Das wollen uns zumindest die Bibelschreiber Glauben machen. Das alles können natürlich auch Erfindungen der Schreiber sein, das will ich gerne eingestehen, wie das übrigens auch die historische kritische Forschung tut.
Die historisch-kritische Forschung spricht nicht von "Erfindungen".

Die Bibelschreiber wollten keineswegs etwas "glauben machen" - sie konnten doch nicht ahnen, dass eine andere Kultur - die unsere zum Beispiel - und eine andere Zeit - auch die unsere als Beispiel - nicht mehr erfassen können, was "Dichtung" bedeutet.
Das ist so offensichtlich, dass hier hohe Dichtung vorliegt, dass das abwertende Wort "Erfindung" nicht greift.

Ich bin ja nun leider auch relativ allergisch gegen biblische Erzählungen wegen meiner Vergangenheit und so und komme dagegen fast nicht an - aber wenn ich diese Erzählungen mal nicht im Luther-Deutsch lese, sondern zum Beispiel in der lateinischen Sprache oder in einer Interlinear-Übersetzung aus dem Griechischen - dann kann ich in Begeisterung geraten ob dieses hohen literarischen Niveaus. Zum Beispiel bei der Erzählung, wie die zwei oder drei Frauen das leere Grab in der Felsenhöhle vorfinden:

das ist dermaßen perfekt in Aufbau, Knappheit und Stimmung erzählt, dass das für mich offensichtlich ist, dass hier hohe Kunst vorliegt und keineswegs ein historischer Bericht.

Und Kunst hat eine eigene Art von "Wahrheit". Sie schildert keine historische Wahrheit, aber sie schildert dennoch eine Form der Wahrheit, die jenseits aller Historizität bis heute etwas vermitteln kann. Ein plumpes Wort dafür wäre "symbolisch", aber ich mag dieses Wort eigentlich auch nicht.
Wer "Wahrheit" nur an Historischem festmachen kann, wird Kunst nicht verstehen können.

Ich habe zum Beispiel mal mittels Interlinearversion - wo also die ganz wörtliche Übersetzung aus dem Original Wort für Wort unter dem Original steht - die Erzählung von der Versuchung Jesu in der Wüste verfolgt:
und war vollkommen verblüfft, dass da sonnenklar ist, dass der Verfasser nur ein inneres Geschehen dargestellt hat und kein historisches. Das wird aus der normalen Bibelübersetzung überhaupt nicht klar, oder wurde mir nie klar.

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