Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

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Pluto
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#141 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von Pluto » So 12. Apr 2015, 17:23

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Eine durch äußer Umstände eingeschränkte Wahl, nennt man aber nicht Freiheit.
Aha - da ist also das Problem. - Das sehe ich (definitorisch) anders: Unter "Wahlfreiheit" verstehe ich die Freiheit, innerhalb eines vorgegebenen Spielraums zu entscheiden - EGAL, warum sich dieser Spielraum so ergeben hat.
Wenn man in irgendeiner Weise in seiner Wahl eingeschränkt ist, z. Bsp. eingesperrt ist, ist die Illusion eines freien Willens weg. Das liegt in unserer Natur und ist durch unsere Evolution bedingt.
Diesen Umstand nutzt auch das Rechtssystem, in dem es Leute die gegen unsere Gesetze verstoßen haben, bestraft in dem es sie einsperren lässt. Deshalb empfindet jeder normale Mensch ein Gefängnis als Beraubung eines Teils seiner Entscheidungsfreiheit.

closs hat geschrieben:Es ist also egal, ob der Wahl-Spielraum genetisch oder durch schlechtes Wetter oder durch einen Unfall oder durch "Fügung" so definiert ist, wie er ist.
Genau das ist falsch, denn es ist für einen Gefangenen oder einen Gefesselten ganz und gar nicht dasselbe, ob er in einer Zelle oder in Freiheit lebt.

closs hat geschrieben:WAS und wie groß dieser Spielraum ist, spielt dabei keine Rolle (für das Phänomen der Freiheit zu wählen) - mal hat man halt mehr Spielraum, mal weniger.
Im Gegenteil: Es spielt eine ganz gewichtige Rolle. Schon milde Formen des Entzugs werden als Bestrafung wahrgenommen. Wenn wir unseren Kindern mit Fernseh-Verbot drohen, so empfinden sie dies als Strafe.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es gibt nun mal sprachliche Konventionen, an die wir festhalten müssen.
Die theologische Konvention entspricht aber (im Großen und Ganzen) MEINER Version.
Das halte ich für eine private Behauptung von dir.
Wetten, dass du sie mit keiner Aussage eines großen Denkers der Geschichte bestätigen kannst.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#142 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 17:36

Pluto hat geschrieben:Deshalb empfindet jeder normale Mensch ein Gefängnis als Beraubung eines Teils seiner Entscheidungsfreiheit.
Das stimmt ja. - Wir hatten es aber von "Wahlfreiheit" - also die "Freiheit zu wählen" innerhalb eines gegebenen Spielraums. - Der Mensch im Gefängnis hat in diesem Sinne einen kleineren Spielraum, in dessen Rahmen er nichtsdestoweniger frei wählen kann. - Er kann natürlich NICHT wählen, mal gegenüber eine Pizza zu holen - aber das Pizza-Holen ist eben nicht Teil seines Spielraums.

Pluto hat geschrieben:es ist für einen Gefangenen oder einen Gefesselten ganz und gar nicht dasselbe, ob er in einer Zelle oder in Freiheit lebt.
Stimmt - aber das hat mit meiner Aussage rein gar nichts zu tun.

Pluto hat geschrieben:Wenn wir unseren Kindern mit Fernseh-Verbot drohen, so empfinden sie dies als Strafe.
NAtürlich ist es so - das Kind erkennt, dass der Spielraum seiner Wahlfreiheit geringer ist als gewohnt. - Während er sich vorher durch die Programme zappen konnte, kann er jetzt nur noch frei wählen, ob er auf seinem Zimmer dieses oder jenes Buch lesen möchte. - DAZU hat er nach wie vor Wahlfreiheit.

Pluto hat geschrieben:Wetten, dass du sie mit keinem Zitat eines großen Denkers der Geschichte bestätigen kannst.
Nee - auf die Schnelle nicht - aber ein Zitat aus Kathpedia:

"Die göttliche Vorsehung (lat. Divina providentia) ist die Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe, um an ihnen und durch sie seinen Schöpfungs- und Heilsplan zu verwirklichen. Sie setzt darum notwendig das sichere Voraussehen auch der freien Handlungen der Geschöpfe voraus. Sie hebt die menschliche Freiheit nicht auf, sondern nutzt sie als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele".

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sven23
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#143 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 17:41

closs hat geschrieben:Nee - auf die Schnelle nicht - aber ein Zitat aus Kathpedia:

"Die göttliche Vorsehung (lat. Divina providentia) ist die Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe, um an ihnen und durch sie seinen Schöpfungs- und Heilsplan zu verwirklichen. Sie setzt darum notwendig das sichere Voraussehen auch der freien Handlungen der Geschöpfe voraus. Sie hebt die menschliche Freiheit nicht auf, sondern nutzt sie als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele".
Ist das die gleiche Vorsehung, von der Adolf Hitler sprach und die ihn vor den zahlreichen Attentatsversuchen geschützt hat?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#144 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 17:48

sven23 hat geschrieben:Ist das die gleiche Vorsehung, von der Adolf Hitler sprach und die ihn vor den zahlreichen Attentatsversuchen geschützt hat?
Was soll das? - Es war auch dieselbe Sonne, in der man sich gesonnt hat. - Und Ebbe und Flut gab es zur Nazizeit auch, ohne dass sie nach dem Krieg eingesperrt wurden. :devil:

Es ist ein merkwürdiger Reflex, geistige Hochkaräter (Hast Du Kathpedia überhaupt verstanden?) einfach mit Adolf Hitler zu kontern - und schon hat man ein Thema los bzw. mindestens kontaminiert.

Oder um es ganz einfach zu sagen: Es ist ein Unterschied, ob Gott oder Adolf von "Vorsehung" spricht.

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sven23
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#145 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 17:59

closs hat geschrieben: Ansonsten vermischen sich hier zwei Themen:
1) Das unmittelbare Eingreifen Gottes
2) Die universale Fügung OHNE unmittelbares Eingreifen

1) mag es geben, ist aber selten. - 2) ist unser eigentliches Thema hier: Die "Fügung" des Lebens von Sven und Closs als R_E_A_K_T_I_O_N auf deren Entscheidungen. - Nochmals: "Fügung" ist im Grunde eine Sache, die vom Ende des Lebens her geschieht und nicht vom Anfang an. - Dies ist gelegentlich schwer verständlich, weil die Über-Zeitlichkeit Gottes nicht zwischen "vorher" und "nachher" unterscheidet - dies ist nur aus menschlicher Sicht aus so.
Gibt es zu 1) und 2) statistischen Erhebungen? ;)
Das "Fügen" vom Ende her ist nicht nur nicht verständlich, sondern auch nicht praktikabel. Wie soll das gehen? Wenn Fügen nicht Eingreifen bedeutet hat es auch keine Relevanz, denn was soll dann noch gefügt werden, egal ob vorher, mittendrin oder am Ende? Das paßt rein formal mit Logik nicht zusammen.
Dann mußt du Fügen ersetzen durch Beobachten/Begleiten ohne Eingreifen.
Mit deinem eigenen Fügungsbegriff sorgst du sonst nur für Begriffsverwirrung.

closs hat geschrieben: Stimmt. - Wahlfreiheit ist das, was einem als Entscheidungs-Spielraum gegeben ist. - Dieser Spielraum kann groß oder klein sein. - Egal ob er groß oder klein ist: Das, was innerhalb dieses Spielraums stattfindet, ist "Freiheit der Wahl" - mehr hat der Mensch nie.
Also dieser Freiheitsbegriff ist für einen KZ-Insassen blanker Zynismus. Ähnlich wie "Arbeit macht frei" oder "Jedem das Seine", das die Nazis am Eingangstor zu KZs anbrachten.
Konkret: Was hat Gott in Ausschwitz gefügt? Hat er für jeden das entsprechende Lager ausgesucht oder die Voltzahl für den Elektrozaun festgelegt? Was immer er "vom Ende" her gefügt haben soll, er sollte noch mal ein Fortbildungsseminar in Sachen Fügung belegen, denn es war kein Glanzstück.

closs hat geschrieben: Es ist für mich nicht erkennbar, dass der Mensch heute innerlich freier ist als vor 1000 Jahren (äußerlich ist er es sicherlich).
Was ist "innere" Freiheit?

closs hat geschrieben: Trotzdem: Kannst Du durch die Natur in Deiner Wahlfreiheit beschnitten werden? - Ich meine NEIN, weil die Wahlfreiheit nichts zu tun hat mit der Größe des Spielraums, in dem Freiheit der Wahl stattfindet.
Oh doch. Wenn du als Behinderter im Rollstuhl sitzt, bist du in deiner Wahlfreiheit enorm eingeschränkt. Egal, ob das durch Natur geschieht oder durch einen fügenden Gott.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#146 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 18:02

closs hat geschrieben: Oder um es ganz einfach zu sagen: Es ist ein Unterschied, ob Gott oder Adolf von "Vorsehung" spricht.
Woher willst du das wissen?
Denk ich an deinen Fügungsgott in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. ;)
Diesem Gott wäre auch das zu zutrauen, wenn er so fleißig vom Ende her fügt. Wurde ja auch schon mal hier gesagt, daß Gott Hitler möglicherweise für seinen Heilsplan brauchte.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#147 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 21:34

sven23 hat geschrieben:Wenn Fügen nicht Eingreifen bedeutet hat es auch keine Relevanz
"Fügen" ist kein Eingreifen in die Entscheidungs-Freiheit, sondern in die Gestaltung des Entscheidungs-Spielraums. - Beispiel:

Wenn Du zu Weihnachten am Nordpol bist, hast Du (u.a.) den Entscheidungs-Spielraum, Robben zu jagen oder es sein zu lassen - das ist Deine "Wahlfreiheit". - Du hast NICHT den Entscheidungs-Spielraum, Pinguine zu jagen oder es sein zu lassen - weil es am Nordpol keine Pinguine am Nordpol gibt. - Innerhalb Deines Entscheidungs-Spielraums bist Du mit Deinen Entscheidungen komplett autonom - Gott beeinflusst dies NICHT. - Gott beeinflusst sehr wohl, ob Du am Nordpol oder am Südpol frei entscheiden darfst. - Ist es jetzt klarer?

sven23 hat geschrieben:Mit deinem eigenen Fügungsbegriff sorgst du sonst nur für Begriffsverwirrung.
Nein - es ist offensichtlich noch nicht verstanden. - Halte Dich an die Kathepedia-Definition von "Vorsehung" - das ist in etwa die Spur.

sven23 hat geschrieben:Also dieser Freiheitsbegriff ist für einen KZ-Insassen blanker Zynismus.
Natürlich ist es das - das gilt auch für Gefängnisinsassen, auch für Mainstream-Abhängige: Die Freiheit ist reduziert auf wenig - dementsprechend ist die Wahl-Freiheit beschränkt auf wenig Spielraum.

sven23 hat geschrieben:Was ist "innere" Freiheit?
Innere Autonomie - das Ablegen äußerer Zwänge - das Schaffen großer Wahl-Freiheit im geistigen Bereich - etc.

sven23 hat geschrieben:Wenn du als Behinderter im Rollstuhl sitzt, bist du in deiner Wahlfreiheit enorm eingeschränkt.
Da haben wir ein Begriffs-Problem: Nicht die "Freiheit der Wahl INNERHALB des Entscheidungs-Spielraums" ist eingeschränkt, sondern der Entscheidungs-Spielraum - es gibt also wenig(er), was man frei entscheiden kann.

sven23 hat geschrieben:Wurde ja auch schon mal hier gesagt, daß Gott Hitler möglicherweise für seinen Heilsplan brauchte?
"Brauchen" tut Gott gar nichts. - Richtig ist, dass das Menschenwerk Nationalsozialismus in die Fügung integriert ist, weil es da ist. - Egal, was der Mensch anrichtet: Es wird berücksichtigt.

JackSparrow
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#148 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von JackSparrow » So 12. Apr 2015, 21:52

closs hat geschrieben:Wenn 250.000 Menschen durch einen Tsunami sterben, dann deshalb, weil die Naturgesetze dies möglich machen - da greift Gott nicht ein.
Alles geschieht, weil die Naturgesetze es möglich machen. Seit Bestehen des Universums hat somit kein Gott mehr irgendwo eingegriffen.

closs
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#149 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 22:15

JackSparrow hat geschrieben:Seit Bestehen des Universums hat somit kein Gott mehr irgendwo eingegriffen.
Für das Inner-Naturalistische glaube ich das ebenfalls.

ThomasM
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#150 Re: Determinismus/ persönliche Verantwortung/ Schuldfrage

Beitrag von ThomasM » Mo 13. Apr 2015, 09:21

JackSparrow hat geschrieben: Alles geschieht, weil die Naturgesetze es möglich machen. Seit Bestehen des Universums hat somit kein Gott mehr irgendwo eingegriffen.
Die Naturgesetze beinhalten das Eingreifen Gottes, sie darauf ausgelegt, nur durch das Eingreifen Gottes eine Wirkung zu erzielen.
Seit Bestehen des Universums hat Gott zu jedem Zeitquant überall eingegriffen.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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