Karlheinz Deschner - Warum ich Agnostiker bin
"...Ich wurde katholisch erzogen. Mein Vater, Förster, Fischzüchter, aus kleinsten Verhältnissen stammend, versäumte sonntags keine Messe, verfolgte die Predigt aber mit der Uhr. Meine Mutter, in zwei Schlössern aufgewachsen, war Konvertitin, doch tolerant. Ihr Leitspruch : In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Die Verwandten: Protestanten, Freimaurer, Ungläubige, Nazis, Sozis, Juden, Sektierer. Man ließ alle gelten und sich nicht beirren. Ich schmückte im Mai einen eigenen kleinen Marienaltar. (Mein Vater lächelte «Maria zu lieben, ist allzeit mein Sinn» jeder adretten Maria ins Gesicht.) Mein Patenonkel war Pfarrer und betete für mich täglich bis zu seinem Tod.
Kaum zehnjährig, schrieb ich, verhärmt schon, verschwärmt, aus dem Franziskanerseminar: Was nützt es dem Menschen, wenn er die Welt gewinnt, aber Schaden leidet an seiner Seele - noch immer ein tiefes Wort für mich. Mit elf zu Karmelitern; mit zwölf zu Englischen Fräulein (jeden Donnerstag erglühten sie, rauschte der schwarzhaarige Pater zum Beichthören herüber); dann bei den Söhnen St. Benedikts noch.
Das Reglement der Klosterinternate, rigoros ichfeindlich, grau und hässlich wie die Mauern dort, die Säle, Hauskapellen, stieß mich ab; ich konnte, vor Heimweh nach Eltern, nach Weihern und Wäldern, nicht lernen. Fünfzehnjährig fieberte ich mir fasziniert mehr als verständnisvoll, Nietzsche in den Kopf, das Blut, die Eingeweide. Als Student beharrlich Autodidakt, las ich Schopenhauer und, besonders gründlich, Kant. Diese drei entrissen mich geistig, nicht emotional noch, dem Christentum. Deshalb erforschte ich, dreiunddreißig schon, endlich seine Ursprünge, gewann ich in freiwilliger fünfjähriger Fron Klarheit - und vermittelte sie andern in meiner Kirchengeschichte "Abermals krähte der Hahn". - Oft, wenn ich damals (und später) aus Dschungeln von Papier und Lüge, dem ganzen Wust und Wahnsinn heiliger Scheußlichkeiten, kurz nur gehetzt durch Geldnot, Arbeitswut, in die Luft der Täler Höhen, die grüne Freiheit draußen tauchte, kam ich mir wie ein Verrückter vor. So verging meine Zeit, die auf Erden mir gegeben war . . ."
Quelle