Aberglaube im 21. Jahrhundert

Alternative Heilmethoden, Astrologie, Numerologie, Tarot...
barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#401 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von barbara » So 12. Apr 2015, 10:08

sven23 hat geschrieben: Sicher, aber die Menschenjagd ist ja eine unmittelbare Folge des Aberglaubens, gleich ob es sich um Hexenjagd in Afrika, Jagd auf Albinos oder HIV-Vergewaltigungen handelt.

Nochmals von vorne!

Menschenjagd kommt dort vor, wo soziale Strukturen zerstört wurden (zB durch Krieg, Verschleppen in Sklaverei, top-down-Regimes mit viel Geld... trifft alles auf Afrika zu!), sprich wo sich das Recht des Stärkeren durchsetzen kann.

Die Begründung und Legitimierung ist dabei völlig beliebig. Muss man denn die Wissenschaft abschaffen, weil Mengele & Co ihre Experimente an Menschen wissenschaftlich begründet hatten, und dabei wohl tatsächlich auch eine ganze Menge wissenschaftlicher Erkenntnisse gewonnen haben? - nein, muss man natürlich nicht - aber die Wissenschaft muss von einer Ethik begrenzt werden, so wie auch Glaubenspraktiken durch Ethik begrenzt werden müssen, was wiederum stabile, von allen anerkannte soziale Strukturen erfordert.

Was genau ist daran eigentlich so schwer zu verstehen, dass du mir erst zustimmst und dann einen Tag später wieder auf die genau gleiche Schiene kommst, die schon längst widerlegt wurde?



Ausgangspunkt ist der Aberglaube. War übrigens im Mittelalter in Europa auch nicht viel anders, wobei die europäische Hexenjagd unter dem Dach der Kirche stattfand.

gleich zwei Irrtümer:
- Hexenverfolgungen waren in erster Linie ein Phänomen der Neuzeit, nicht des Mittelalters
- entgegen dem weit verbreiteten Vorurteil war die Kirche und Inquisition oft mässigend, nicht aufhetzend.

Aufgearbeitet hier einem vierteiligen ausführlichen Artikel auf einer Seite, die keineswegs im Verdacht steht, dem Christentum besonders positiv gegenüber zu stehen, sondern von Frauen und Männern, die sich ideell als NachfolgerInnen eben dieser getöteten Hexen und Hexeriche verstehen:
http://www.wurzelwerk.at/thema/noreiadieeule40.php

gruss, barbara

Rembremerding
Beiträge: 2984
Registriert: So 18. Aug 2013, 16:16

#402 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Rembremerding » So 12. Apr 2015, 10:16

sven23 hat geschrieben:
Es wäre aber eine Geschichtsglitterung allererster Güte, wenn man behaupten würde, Kirche und Bibel hätten nichts mit der Hexenverfolgung und Inquisition zu tun.
Das ist genau Deine und die Methode vieler anderer: Zuerst etwas falsches behaupten, um den Beifall seiner Glaubensgenossen zu erhalten. Wenn es Gegenwind gibt, rudert man dann so weit zurück, dass man sich hinter der Relativität verstecken kann und damit immer recht behalten wird, aber immer noch seine Vorurteile bedienen kann.
Irgendwer wird es schon glauben und man ist wieder einer mehr zur Bestätigung seiner eigenen Vorurteile.

Das sei aber nur ein ungehöriger Zwischenruf von mir.
Atheisten sollten sich in diesem Forum ungestört von gläubigen Christen über Glaubensfragen austauschen können.

Also Servus :wave:
und ganz ehrlich: Einen schönen Sonntag Dir und allen Foristen. :)

Edit:
barbara hat geschrieben: gleich zwei Irrtümer:
- Hexenverfolgungen waren in erster Linie ein Phänomen der Neuzeit, nicht des Mittelalters
- entgegen dem weit verbreiteten Vorurteil war die Kirche und Inquisition oft mässigend, nicht aufhetzend.
Richtig, danke. :thumbup:
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#403 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Savonlinna » So 12. Apr 2015, 10:27

2Lena hat geschrieben:Eine der großten "Aberglauben" ist, die christliche Staatsreligion wäre so was wie ein Kult, wie man es heute meint, wenn von Merkur, Jupiter oder Mythren die Rede ist. Aus dem Grundstock der alten Lehren kamen die Staatsgesetze. Das Verbindungsglied, die Ideale, konnte man nicht "vorschreiben". Die sind nicht fixiert und gehen in die Unendlichkeit ...

Savonlinna hat geschrieben:Eine Lösung also sehe ich nicht darin, dass beide Kirchen gemeinsam das Abendmahl begehen, sondern dass beide auf Assoziationen an Leichnam und Menschenblut konsequent verzichten.
Merkwürdigerweise stellte ich fest, dass auch innerkirchlich diese Empfindlichkeiten mitunter existieren und manche das Gedenken ganz anders gestalten, fernab allen ekligen Kultes.
Sowas kommt leider raus, wenn man die Worte des Abendmahls nicht verstehen kann (in beiden Kirchen kommt das häufig vor) und daraus wurde im "Negativ" regaiert.

Wenn sie es verstehen könnten, wären sie sich längst einig geworden, denn es ist der Stamm des Lebens.

Paß auf, Savonlinna, dass deine Tastatur tastet, deine Maus dir nicht den Zeigefinger annagt!
Du verurteilst gerne andere, die Du kaum kennst, oder?

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#404 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 10:27

barbara hat geschrieben: Was genau ist daran eigentlich so schwer zu verstehen, dass du mir erst zustimmst und dann einen Tag später wieder auf die genau gleiche Schiene kommst, die schon längst widerlegt wurde?
Mag ja sein, daß in "Unrechtsstaaten" mit verfallenden sozialen Strukturen der Aberglaube besonders gut gedeiht. Das ändert aber nichts am Phänomen des Aberglaubens.
Denn es ist Aberglaube, wenn man meint, daß
- Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau einen HIV Infizierten heilen könne
- Leichenteile von Albinos den Menchen Glück bringen
- oder man Menschen verfolgen müsse, weil sie Hexen seien etc., etc...


barbara hat geschrieben: gleich zwei Irrtümer:
- Hexenverfolgungen waren in erster Linie ein Phänomen der Neuzeit, nicht des Mittelalters

Die ersten Hexenverfolgungen begannen im 13. Jahrhundert, die meisten in der frühen Neuzeit. Das ändert aber nichts an der Schrecklichkeit der Geschehnisse, die auch mit dem alttestamentarischen "Die Zauberin sollst du nicht leben lassen" begründet wurde.
Auch das war ein Aberglaube mit tödlichen Folgen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#405 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von closs » So 12. Apr 2015, 10:45

sven23 hat geschrieben:Denn es ist Aberglaube, wenn man meint, daß ...
Natürlich ist es das. - Es ist auch Aberglaube, dass wir eine Leistungs-Gesellschaft haben. - Es ist Aberglaube, dass nur das "Realität" ist, was man wahrnehmungsmäßig objektivieren kann. - Es ist Aberglaube, dass das westliche Gesellschaftsmodell das allein seilgmachende ist. - Die Parameter ändern sich halt mit der Zeit - der Aberglaube verschwindet dadurch nicht.

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#406 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von barbara » So 12. Apr 2015, 10:46

sven23 hat geschrieben: Mag ja sein, daß in "Unrechtsstaaten" mit verfallenden sozialen Strukturen der Aberglaube besonders gut gedeiht. Das ändert aber nichts am Phänomen des Aberglaubens.
Denn es ist Aberglaube, wenn man meint, daß
- Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau einen HIV Infizierten heilen könne
- Leichenteile von Albinos den Menchen Glück bringen
- oder man Menschen verfolgen müsse, weil sie Hexen seien etc., etc...

eben, das sind die Rationalisierungen, also die im Nachhinein drauf geklebten Begründungen.

Wichtig ist aber die Tat.

Ich bin hundert mal lieber mit einem völlig abergläubischen, aber herzensguten und liebenswürdigen Menschen zusammen, als mit einem gar nicht abergläubischen, aber grausamen und gewissenlosen Psychopathen.

Oder würdest du es in Ordnung finden, wenn junge Frauen im Namen der Wissenschaft vergewaltigt werden, wenn im Namen der Wissenschaft Körperteile von Albinos hoch gehandelt und begehrt werden, oder im Namen von Wissenschaft Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden? - ist ja dann nicht mehr Aberglaube, ist Wissenschaft...


Die ersten Hexenverfolgungen begannen im 13. Jahrhundert, die meisten in der frühen Neuzeit. Das ändert aber nichts an der Schrecklichkeit der Geschehnisse, die auch mit dem alttestamentarischen "Die Zauberin sollst du nicht leben lassen" begründet wurde.
Auch das war ein Aberglaube mit tödlichen Folgen.

Natürlich war es schrecklich, aber die Hintergründe waren auch dort in der Regel materialistisch: eine Kuh, die keine Milch mehr gab, Missernten, ein Garten, der deutlich weniger Ertrag liefert als auch schon - also wurde ein Sündenbock gesucht. Auch hier sind sehr fassbare, materielle, existenzielle Nöte der Hintergrund, und die Rechtfertigung dafür - halt einfach nachträglich draufgepappt.

hier nochmal zum Nachlesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Rationalis ... hologie%29
Der Begriff bezeichnet in der Psychologie kognitive Vorgänge, bei denen gemachten Erfahrungen, Erlebnissen oder Beobachtungen nachträglich (ex post) rationale Erklärungen zugeschrieben werden. Diese müssen keinesfalls wirklich ursächlich für das Erlebnis sein, sondern sind oft konstruiert und persönlich eingefärbt. Die vermeintliche Logik reduziert kognitive Dissonanzen und vermittelt der Person einen Sinn. Dies kann so weit gehen, dass Erinnerungen konstruiert werden, um den Sinn aufrechtzuerhalten.

Rationalisierung kann Symptom einer asozialen bzw. dissozialen Persönlichkeitsstörung sein.[1]
Psychoanalyse

In der Psychoanalyse ist Rationalisierung ein Abwehrmechanismus des Ichs, nämlich der Versuch, Handlungen, die durch unbewusste Motive gesteuert werden (z.B. durch verdrängte Triebimpulse), nachträglich einen rationalen Sinn zu geben.

gruss, barbara

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#407 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von Pluto » So 12. Apr 2015, 10:51

sven23 hat geschrieben:
barbara hat geschrieben:gleich zwei Irrtümer:
- Hexenverfolgungen waren in erster Linie ein Phänomen der Neuzeit, nicht des Mittelalters
Die ersten Hexenverfolgungen begannen im 13. Jahrhundert, die meisten in der frühen Neuzeit. Das ändert aber nichts an der Schrecklichkeit der Geschehnisse, die auch mit dem alttestamentarischen "Die Zauberin sollst du nicht leben lassen" begründet wurde.
Auch das war ein Aberglaube mit tödlichen Folgen.
Ja. Die Barbarei des Scheiterhaufens ist durch nichts entschuldbar.
Die Härte mit der die Kirche zu Beginn der Aufklärung mit massenhaften Verbrennungen reagierte, lässt sich symbolisch mit dem letzten Aufbäumen einer verlorenen Macht deuten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#408 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 11:00

barbara hat geschrieben: Ich bin hundert mal lieber mit einem völlig abergläubischen, aber herzensguten und liebenswürdigen Menschen zusammen, als mit einem gar nicht abergläubischen, aber grausamen und gewissenlosen Psychopathen.
Das würde wohl jeder unterschreiben. Aber es geht doch um was anderes. Es gibt, wie du schon sagtest, harmlosen Aberglauben und es gibt den mit tödlichen Folgen. Und die Beispiele aus dem Afrika des 21. Jahrhunderts gehören zu Letzerem.

barbara hat geschrieben: hier nochmal zum Nachlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Rationalis ... hologie%29
Ja, da ist was dran. Auch Aberglaube wird oft nachträgich zu "rationalisieren" versucht, indem pseudowissenschaftliche Systeme aufgebaut werden, die den Abglauben "rational" erklären sollen. So zu sehen bei Homöopathie, Wünschelrutengängern usw.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#409 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von barbara » So 12. Apr 2015, 11:04

sven23 hat geschrieben: Das würde wohl jeder unterschreiben. Aber es geht doch um was anderes. Es gibt, wie du schon sagtest, harmlosen Aberglauben und es gibt den mit tödlichen Folgen. Und die Beispiele aus dem Afrika des 21. Jahrhunderts gehören zu Letzerem.

ja, es geht um eine systematische Praxis der Vergewaltigung.

Die ganz unabhängig von der Begründung eine schlimme Sache ist.

Wenn du in Afrika was Gutes tun willst, musst du nicht Flyer verteilen auf denen steht "Aberglaube ist böse", sondern die viel schwieriger Aufgabe auf dich nehmen, solide soziale Strukturen aufzubauen, die von gegenseitigem Respekt und Gewalt nur streng reguliert (Justizwesen) geprägt ist.

Ja, da ist was dran. Auch Aberglaube wird oft nachträgich zu "rationalisieren" versucht, indem pseudowissenschaftliche Systeme aufgebaut werden, die den Abglauben "rational" erklären sollen. So zu sehen bei Homöopathie, Wünschelrutengängern usw.[/quote

nein, der (aber)Glaube IST schon die Rationalisierung.

Und mein bloss nicht, dass innerhalb des wissenschaftlichen Betriebs sowas nicht vorkäme. Tu dir einen Gefallen und schau mal jene Weltanschauung an, die dir am besten zusagt, nämlich die wissenschaftliche, und warne dort, wo nicht mehr Wissenschaft sondern Aberglaube im wissenschaftlichen Mäntelchen betrieben wird.

gruss, barbara

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#410 Re: Aberglaube im 21. Jahrhundert

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2015, 11:07

closs hat geschrieben: - Es ist auch Aberglaube, dass wir eine Leistungs-Gesellschaft haben.
Für die breite Masse der Arbeitsbienen gilt das auch. Daß sich eine gewisse Elite vom Leistungsprinzip abgekoppelt hat, ändert nichts daran. Man könnte auch sagen: es ist ein Mythos der Leistungsgesellschaft, daß jeder, der viel Geld hat, es auch "verdient" hat.
Aber mit dem klassischen Aberglaubensbegriff hat das nicht viel zu tun.
http://de.wikipedia.org/wiki/Aberglaube
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Antworten