in der Diskussion über die "Allmacht" Gottes führte @Pluto Josua 10:13 an, in der sogar für biblische Verhältnisse ein außergewöhnliches Wunder geschildert wird, welches für viele kontroverse Diskussionen sorgte.
Wie kam es zu dieser wundersamen Begebenheit? Nach Moses führt Josua das Volk Israel im Land Kanaan. Eines Tages werden die Gibeoniter von fünf amoritischen Königen angegriffen, daher bitten sie ihn um Hilfe. Doch wie sollten Josua die Amoriter im Dunkeln bekämpfen? Daher sprach er ein Gebet, doch schauen wir uns diese Begebenheit in der Bibel an:
Der letzte Vers bestätigt, dass dieses Wunder sogar für biblische Verhältnisse herausragend ist. Dieses uralte hebräische Loblied über den Sieg führte unglücklicherweise in der Zeit der Reformation, in der [vermutlich] stärker noch als im Mittelalter „sola scriptura“ angestrebt wurde, zu einer antiwissenschaftlichen Religionsdogmatik.Zitat aus Jos 10:12-14:
12 Damals redete Josua zum HERRN, und zwar an dem Tag, als der HERR die Amoriter vor den Söhnen Israel dahingab, und sagte vor den Augen Israels: Sonne, stehe still zu Gibeon, und Mond, im Tal Ajalon! 13 Da stand die Sonne still, und der Mond blieb stehen, bis das Volk sich an seinen Feinden gerächt hatte. Ist das nicht geschrieben im Buch Jaschar*? Die Sonne blieb stehen mitten am Himmel und beeilte sich nicht unterzugehen, ungefähr einen ganzen Tag lang. 14 Und es war kein Tag wie dieser, weder vorher noch danach, dass der HERR so auf die Stimme eines Menschen gehört hätte; denn der HERR kämpfte für Israel.
In dem Artikel Das kopernikanische Weltbild und die Probleme, es im christlichen Europa durchzusetzen wird die Problematik historisch dargestellt.
Martin Luther vertrat die Ansicht, dass die kopernikanische Astronomie im Widerspruch zum Buch Josua steht und griff Nikolaus Kopernikus scharf an:
Hatte Luther recht und steht das Buch Josua wirklich im Konflikt mit der Naturwissenschaft? Muss der aufgeklärte Mensch die josuanische Glaubenserfahrung von sich weisen? Viele würden diese Fragen vermutlich bejahen und ich bin auf Eure Anworten gespannt. Vor drei Tagen hatte ich meine bescheidene Sichtweise gepostet.Zitat von Martin Luther:
"Es ward gedacht eines neuen Atrologi, der wollte beweisen, daß die Erde bewegt würde und umginge, nicht der Himmel oder das Firmament, Sonne und Monde; gleich als wenn einer auf einem Wagen oder einem Schiffe sitzt und bewegt wird, meinete, er säße still und ruhete, das Erdreich und die Bäume gingen um und bewegten sich ... Der Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren. Aber wie die heilige Schrift anzeigt, so hieß Josua die Sonne still stehen, und nicht das Erdreich."
Laut der historischen Erörterung der Astronomischen Vereinigung Augsburg e.V. bezog sich Luther auf Josua 10:13, wo uns berichtet wird:
Mir ist aufgefallen das gem. Jos 10:13 diese Worte im סֶפֶר הַיָּשָ×ר (Buch Jaschar*) geschrieben standen. In einer biblischen Fussnote fand ich hierzu folgende Erklärung:"Und die Sonne blieb stehen, und der Mond stand still, bis das Volk an seinen Feinden Rache genommen hatte ..."
Dieses „Buch der Redlichen“ enthielt vermutlich Heldenlieder, von denen uns in der Bibel nur ein Zitat aus einem Heldenlied über Josua und ein Klagelied („Der Bogen“) über Saul und Jonathan überliefert sind.Zitat aus Fussnote der NeÜ zu Jos 10:13 und dem Begriff "Heldenlieder":
(a) Hebräisch: Buch Jaschar. Wörtlich: Buch des Redlichen, vermutlich eine Sammlung von Liedern auf die Helden Israels.
Recht aufschlussreich finde ich hier die Erklärung im Einsichtenbuch:
(Bitte nicht über die Quelle meckern. - Okay, Kritik ist natürlich legitim.)Zitat aus Einsichten über die Heilige Schrift, Band 1 / BUCH:
Das Buch Jaschar. Dieses Buch wird in Josua 10:12, 13 angeführt. In den Versen wird beschrieben, wie Josua die Sonne und den Mond aufforderte, während seines Kampfes mit den Amoritern stillzustehen. Noch einmal wird es in 2. Samuel 1:18-27 erwähnt, wo das Gedicht „Der Bogen“ aufgezeichnet ist, ein Klagelied über Saul und Jonathan. Man glaubt daher, daß das Buch eine Sammlung von Gedichten, Liedern und anderen Schriften war. Sie waren zweifellos von großem geschichtlichen Interesse und waren unter den Hebräern weit verbreitet.
Ferner ist mir aufgefallen, dass Josua lokale, geographische Bezüge in seinem Gebet an JHWH benennt, und zwar Gibeon und das Tal von Ajalon, welches wohl im Gebiet von Gibeon gut 20 km nordwestlich von Jerusalem liegt (s. hierzu auch Latrun).
Dies deutet für mich darauf hin, dass hier von einem lokalen Wunderereignis die Rede ist, welches nicht global beobachtbar war. Ein allweiser Gott hätte sich nicht alle Völker der Erde mit so einer verstörenden Sache konfrontiert, weil er das Gebet eines sehr gläubigen Mannes in Kanaan erhört, zumal die Annahme, Gott hätte buchstäblich Himmelskörper gestoppt, ohnehin extrem unglaubwürdig ist.
Da das Anhalten der Sonne offenkundig als Lösung nicht in betracht kommt, gibt es keinen Grund stattdessen das Stoppen der Erde zu unterstellen, da man sich von der lutherischen Interpretation ohnehin verabschieden muss.
An dieser Stelle scheint mir ein Zitat eines Philosophen aus dem 14 Jh. passend zu sein, welcher auf das helozentrische Weltbild mit der josuanischen Schilderung für vereinbar hielt:
Zitat von Nikolaus von Oresme:
"Auf das Argument aus der heiligen Schrift das besagt, daß sich die Sonne um die Erde dreht, würde man sagen, daß sie hier dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht ..."
Doch was ist mit dem Bibelkommentar von Johannes Calvin zu Psalm 93?
² תבל (tevél, Welt); LXX: οἰκουμÎνην (oikoumenÄ“ ), „Die bewohnte Erde“; Vg orbem terræ, „Der Erdkreis“
Nun, ich denke, dass in diesem Lied auch der damals übliche Sprachgebrauch verwandt wurde. Lies doch bitte die ersten beiden Verse dieses kurzen Liedes:
Die Psalmen sind Lieder und Gebete; ich persönlich empfinde sie als das "Herz der Bibel", in denen Gefühle zum Ausdruck kommen. Diese Lieder wurden in einer bildhaften Sprache des altertümlichen, nahen Ostens komponiert und dürfen nicht wie moderne Sachtexte gelesen werden. Im 93. Pslam lesen wir in der deutschen Übersetzung nach der Elberfelder Bibel auch Wendungen wie, „Er hat sich bekleidet mit Hoheit“ und „mit Stärke hat er sich umgürtet“, die offenkundig bildhaft zu verstehen sind. Wenn es heißt, sein „Thron steht fest“, so ist damit nach meinem Verständnis kein buchstäblicher Thron gemeint, sondern dass Gottes Herrschaft, welche durch den Thron symbolisiert wird, fest steht.Zitat aus Ps 93:1-2:
1 Der HERR ist König! Er hat sich bekleidet mit Hoheit! Der HERR hat sich bekleidet, mit Stärke hat er sich umgürtet! Ja, fest steht die Welt, sie wird nicht wanken. 2 Dein Thron steht fest von alters her, von Ewigkeit her bist du.
Philipp Melanchton, ein Mitarbeiter Martin Luthers, bezog sich allerdings nicht auf eine biblische Liedersammlung, auch nicht auf ein uraltes Heldenlied, sondern auf salomonische Philosophie:
³ ×¢×•×œ× (ʽÅlám) leitet sich von einer Wurzel her, die den Gedanken von verhüllen enhält. Es geht hier um "verborgene Zeiten".Zitat aus Pre 1:4-5:
... die Erde aber bleibt immer³ bestehen. 5 Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort, dass sie dort wieder aufgehe.
Salomo ging es um die Eitelkeit des vergänglichen Menschen. Dazu gebrauchte er im 5. Vers einfach den üblichen Sprachgebrauch (Oresme). Nun mag jemand einwenden, dass er sich aber darin irrte, dass die Erde für immer bestehen bliebe, da wir doch wissen, dass sie laut der Astrophysik in sehr ferner Zukunft vergehen wird. Nun, im althebräischen Grundtext steht anstelle von "immer" (Luth) bzw. "Ewigkeit" (ELB) das Wort ʽÅlám. Bedenkt man die Zeitspannen, mit denen Naturwissenschaftler häufig arbeiten, so weisen so gewaltige Zeitspannen aus damaliger Sicht weit über den erfassbaren Zeithorizont hinaus ins Verhüllte, Unergründliche. Unsere Übersetzung abstrahiert Salomos Worte und verzerrt sie daher, sein hebräischer Sprachgebrauch ist, soweit ich das bei aller Bescheidenheit sehen kann, korrekt.