Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

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Münek
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#281 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von Münek » Sa 31. Jan 2015, 11:09

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Du kannst von Gott nichts wissen.
Im wissenschaftlich-methodischen Sinne ist das nach wie vor richtig. - Es geht hier darum, dass geistige Plausibilitäten und Erfahrungen wahr (also Realität) sein können, auch wenn man sie nicht wissenschaftlich nachweisen kann.

Nein,

das "sein können" (Konjunktiv = Möglichkeitsform] schließt sicheres Wissen
definitiv aus. Das hat auch nichts mit wissenschaftlichen Nachweisen zu tun,
sondern mit purer Logik.

Wenn Du sagst, es könnte Gott geben, aber zugleich einräumst, es könnte ihn
auch nicht geben, ist es Dir nicht möglich, Aussagen über Gott zu treffen, die
über Spekulation und Fantasie hinausgehen. Unmöglich!

closs
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#282 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von closs » Sa 31. Jan 2015, 13:49

Pluto hat geschrieben:kann man auch nicht feststellen, was plausibel ist, und was nicht
Das stimmt - und irgendwie stimmt da trotzdem was nicht. - Siehe es einfach mal praktisch: Da gibt es universal zu allen Zeiten und in allen Hochkulturen ein inneres Empfinden, dass es etwas über uns gibt. - Gestützt wird dies von Transzendental-Philosophen, die dies in eine systematische Gestalt fassen.

Die (nicht-falsifizierbare) Gretchenfrage ist nun: Hat Feuerbach recht oder haben die betroffenen Menschen recht? - Und da diese Frage nicht falsifizerbar ist, kann man nur entweder Feuerbach oder den betroffenen Menschen glauben. - Objektiv wissen kann man es nicht.

Pluto hat geschrieben:er alle diese Vielwisser in die beschwerlichste Verlegenheit versetzen würde.
Stimmt - weil es keine "Wisser" sein können. - Mein Eindruck bestätigt sich immer mehr, dass Kant insofern ein Vorläufer Poppers ist, dass er Nicht-Falsifizierbares einfach links liegen lässt - der hermeneutische Weg liegt nicht auf ihrer Strecke. - Gleichzeitig scheint Kant schon interessiert gewesen zu sein, wie man das Metaphysische in den Griff bekommen kann, wenn es schon nicht mit der "Kritik" (Popper würde sagen: mit dem Kritischen Rationalismus) geht.

Das wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Nicht-Vollendung Kants Transzendental-Philosophie (Unterschied zu "Transzendenz": Das Transzendente liegt immer jenseits der Grenzen des Erfahrbaren, während das Transzendentale innerhalb dieser Grenzen liegt): Es konnte nicht funktionieren, weil es das Transzendentale nicht gibt - was Kant ja indirekt selber sagt, wenn er meint (in eigenen Worten):
* "Die meta-physischen Methoden (meiner Zeit) kann man in der Pfeife rauchen - meine "Kritik" ist um Längen besser" - ergo:
* "Metaphysik kann man nur in der Methodik der "Kritik" untersuchen" - aber:
* "Geht jedoch nicht, deshalb sollte man es gleich sein lassen" (siehe, lieber Pluto, Dein Link zur Transzendental-Philosophie)

Also spricht Kant von Metaphysik über etwas, von dem man schweigen müsse (Wittgenstein, Husserl - eigentlich auch Popper), führt aber gleichzeitg Gott als Schlussstein ein (praktische Vernunft), weil dieser in der reinen Vernunft (die ja methodisch sauber bleiben soll), nichts zu suchen hat. - Kant hat in meta-physischen Fragen kapituliert, weil sein System diesen Bereich nicht fassen kann - und das wurde ihm ausgelegt als Überwindung der Aufklärung, weil durch Kant klar wird, dass sogar seine super ausgefeilte aufklärerische "Kritik" kapituliert. - Und damit kommen wir zu seinem oft zitierten Satz (den ich leider nicht wörtlich finden kann), dass er die Vernunft an ihr Ende gebracht hätte, um Platz für den Glauben zu haben.

Pluto hat geschrieben:Ich sehe nicht, wo man irgendetwas setzen müsste, um die Welt an sich zu erkennen.
Wenn man geboren wird, sich die Welt anschaut und handelt, braucht man das wirklich nicht. Ich stehe auch nicht früh auf und überlege mir, ob mein Frühstücksei und das, was ich von mir am Tisch sitzen sehe, Vorstellung oder Realität ist.

Erst wenn man anfängt zu philosophieren (und das tun wir hier ja - egal ob theologisch oder säkular), muss man sich darüber klar werden. - Und dann wird einem bewusst, dass man Träume haben könnte, in denen man am Frühstückstisch sitzt und ein Frühstücks-Ei isst - subjektiver Unterschied: Keiner. - Geschmack des Eis: Derselbe. - Also entweder widmen wir uns der Praxis und philosophieren gar nicht, oder wir philosophieren, dann aber nicht halb.

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#283 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von closs » Sa 31. Jan 2015, 14:12

Münek hat geschrieben:das "sein können" (Konjunktiv = Möglichkeitsform] schließt sicheres Wissen definitiv aus.
Zustimmung. - Alles, was nicht nachgewiesen ist (lassen wir einmal die Voraus-Setzungs-Diskussion beiseite), ist kein sicheres Wissen. - Das gilt für Gott genauso wie für Dunkle Materie.

Ein Mensch "weiss" auch nicht, ob ihn sein Ehepartner liebt - er hofft und glaubt es (siehe 1.Kor. 13,14). - Trotzdem hat es Wirkung. - Und das hat nichts damit zu tun, dass es den Ehepartner naturalistisch gibt - wir sprechen ja nicht von ihm, sondern von einer Eigenschaft, die wir ihm zusprechen. - Ich könnte genauso frech behaupten, dass Liebe zwische Menschen reine Projektion dessen ist, der dem anderen Liebe zuspricht - und schon sind wir wieder bei Feuerbach.

Münek hat geschrieben:Wenn Du sagst, es könnte Gott geben, aber zugleich einräumst, es könnte ihn auch nicht geben, ist es Dir nicht möglich, Aussagen über Gott zu treffen, die über Spekulation und Fantasie hinausgehen.
Natürlich - der Mensch projeziert eigene Wahrnehmung (= Feuerbach) auf ein Phänomen ("Gott"), die nur dann zutreffend sind, wenn es Gott gibt - diese Möglichkeit bedenkt Feuerbach NICHT.

Der Mensch hat NUR seine Wahrnehmung - egal ob er eine Ampel als "grün" empfindet oder eine Messreihe abliest. - Diese Wahrnehmung ist immer unter Vorbehalt:
a) Es kann eineRot-Grün-Sehschwäche Vorliegen
b) Unser gesamtes physikalische System ist falsch kalibiriert (siehe Thread: Durchmesser Universum = 1 Lichttag)
c) Spirituelle Wahrnehmung ist von vorneherein Täuschung (es gibt also keinen realen Bezugspunkt - Gott - dazu - Feuerbach)

Insofern ist strenggenommen ALLES ein Potentialis (= Möglichkeitsform).

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#284 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von Pluto » Sa 31. Jan 2015, 14:26

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:kann man auch nicht feststellen, was plausibel ist, und was nicht
Das stimmt - und irgendwie stimmt da trotzdem was nicht.
Was heißt "irgendwie"? — Kannst du deine Vermutungen dazu konkretisieren?
closs hat geschrieben:Siehe es einfach mal praktisch:
Das versuche ich immer.
closs hat geschrieben:Da gibt es universal zu allen Zeiten und in allen Hochkulturen ein inneres Empfinden, dass es etwas über uns gibt. - Gestützt wird dies von Transzendental-Philosophen, die dies in eine systematische Gestalt fassen.
Es gibt in der Evolution gute Gründe, warum das so ist.
Der Mensch ist ein Schauspieler der ständig anderen etwas vortäuscht (dafür gibt es in der modernen Pychoanalyse viele Beispiele). Aber der Mensch hat zugleich eine Aversion gegen Lügen. Täuschungen erscheinen einem nicht als Lügen, wenn man selbst daran glaubt: Das ist die Basis für Selbsttäuschung. Wie verbreitet, ja allgegenwärtig die Selbsttäuschung ist, wird erst durch die moderne Psychologie deutlich, die losgelöst ist von den Dogmen und Doktrinen unter denen viele antiken Denker standen.

Das ist der eigentliche Verdienst der von dir so verschmähten säkularen Aufklärung der letzten 500 Jahre.
closs hat geschrieben:Hat Feuerbach recht oder haben die betroffenen Menschen recht? - Und da diese Frage nicht falsifizerbar ist, kann man nur entweder Feuerbach oder den betroffenen Menschen glauben. - Objektiv wissen kann man es nicht.
Man braucht Feuerbachs berühmte Aussage nicht zu BEWEISEN; es genügt der Hinweis auf die vielen Tausend bereits untergegangenen Gottheiten der Antike, um zu sehen wie recht er hat.
closs hat geschrieben:Mein Eindruck bestätigt sich immer mehr, dass Kant insofern ein Vorläufer Poppers ist, dass er Nicht-Falsifizierbares einfach links liegen lässt - der hermeneutische Weg liegt nicht auf ihrer Strecke.
Ja. Kant und Popper sind Idealisten und Rationlisten, und die Erfahrung gibt ihnen Recht. Auch die Hermeneutik könnte sich ein Stück von ihren Erkenntnissen abschneiden.
closs hat geschrieben:Gleichzeitig scheint Kant schon interessiert gewesen zu sein, wie man das Metaphysische in den Griff bekommen kann...
Wo, in Kants Werk siehst du Belege, dass er versucht die Metaphysik "in den Griff" zu bekommen?
Das Gegenteil ist der Fall: Soweit ich erkennen kann, ist alles was er darüber schreibt vernichtend.
closs hat geschrieben:Kant hat in meta-physischen Fragen kapituliert,
Wie kommst du darauf, dass er kapituliert? Sein Urteil ist ablehnend und vernichtend.
closs hat geschrieben:Und damit kommen wir zu seinem oft zitierten Satz (den ich leider nicht wörtlich finden kann), dass er die Vernunft an ihr Ende gebracht hätte, um Platz für den Glauben zu haben.
Du musst das im Kontext verstehen. Dann erkennt man, dass Kant damit meint, neben der Verunft ließe sich KEIN Platz für den Glauben finden.
closs hat geschrieben:Ich stehe auch nicht früh auf und überlege mir, ob mein Frühstücksei und das, was ich von mir am Tisch sitzen sehe, Vorstellung oder Realität ist.
Eben meine Rede.
closs hat geschrieben:Also entweder widmen wir uns der Praxis und philosophieren gar nicht, oder wir philosophieren, dann aber nicht halb.
Auch das Philosophieren sollte immer eine Verbindung zur Realität bewahren. Wie das geht, hat Kant meisterhaft gezeigt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#285 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von closs » Sa 31. Jan 2015, 14:56

Pluto hat geschrieben: Kannst du deine Vermutungen dazu konkretisieren?
Ich meinte es, mit meinen diesbezüglichen, sehr pragmatischen Ausführungen getan zu haben. - Letztlich läuft es darauf raus, dass man nicht vor lauter Methodik den Blick auf die Realität verliert.

Pluto hat geschrieben:Das ist der eigentliche Verdienst der von dir so verschmähten säkularen Aufklärung der letzten 500 Jahre.
Ein süßes Gift. - Du versuchst allen Ernstes, spirituelle Wahrnehmungen aller Epochen und Hochkulturen als Ausdruck kollektiver Selbsttäuschung zu begreifen, aus der uns die Aufklärung befreit hat. - Wahnsinn. - Für mich ist es eher ein Beleg dafür, dass eine Weltanschauung des Materialismus kein Opfer scheut, um im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr System zu halten.

Meinst Du wirklich, dass die großen Weisen der Kulturen heute materialistische Aufklärer wären, wenn sie davon wüssten. - Aus Deiner Sicht müssten sie es ja sein, wenn materialistische Aufkläung Fortschritt ist und diese Menschen wirklich weise sind.

Pluto hat geschrieben:es genügt der Hinweis auf die vielen Tausend bereits untergegangenen Gottheiten der Antike, um zu sehen wie recht er hat.
Interessant, dass es auch mal aus Sicht des Materialismus Fälle geben kann, die man nicht beweisen muss.

Unabhängig davon: Dass sich die Wahrnehmung des Transzendenten immer wieder in neue Bilder hineinentwickelt hat, ist ganz normal - das ist eigentlich der Sinn der sog. "Heilsgeschichte". - Gestaltungs-mäßig beginnt sie mit Natur-Religionen (Sonne, Monde, etc), geht dann in einen Polytheismus über und mündet in einen Monotheismus - philosophisch absolut nachvollziehbar. - Der nächste Schritt könnte die chiffre-freie geistige Gestaltung sein - aber so weit sind wir noch nicht.

Pluto hat geschrieben:Kant und Popper sind Idealisten
Kant vielleichtjein, Popper ganz sicher nein.

Pluto hat geschrieben:und Rationlisten
Ja.

Pluto hat geschrieben: Auch die Hermeneutik könnte sich ein Stück von ihren Erkenntnissen abschneiden.
Nein - weil beide Systeme sich so gut wie nicht überlappen. - Bei Kant gibt es die Überlappung an der Stelle, wo er Meta-Physik systematisch in den Begriff bekommen will - bei Popper gibt es überhaupt keine Überlappungen, weil er reine Daseins-Methodik betreibt.

Pluto hat geschrieben:Das Gegenteil ist der Fall: Soweit ich erkennen kann, ist alles was er darüber schreibt vernichtend.
In Bezug auf meta-physische Versuche seiner Zeitgenossen stimmt das.

Pluto hat geschrieben:Wo, in Kants Werk siehst du Belege, dass er versucht die Metaphysik "in den Griff" zu bekommen?
In Deinem Link von gestern. Dort schreibt er
a) das sich die zeitgenössischen Meta-Physiker blamieren würden
b) Meta-Physik nur mit der Methode der "Kritik" angemessen behandelt werden könne
c) dies aber nicht ginge, weshalb man es grundsätzlich sein lassen sollte

Pluto hat geschrieben:Wie kommst du darauf, dass er kapituliert?
c) dies aber nicht ginge, weshalb man es grundsätzlich sein lassen sollte

Pluto hat geschrieben:Dann erkennt man, dass Kant damit meint, neben der Verunft ließe sich KEIN Platz für den Glauben finden.
Er sagt es aber anders - er sagt, dass er die Vernunft ZU ENDE geführt habe, um zu zeigen, dass es ein Darüber-Hinaus gäbe (die Vernunft also nicht unendlich zuständig sei), das Platz für den Glauben gäbe - um es zu ergänzen: weil Meta-Physik nicht mit Mitteln der "Kritik" behandelbar ist. - Was glaubst Du, warum Kant als Höhepunkt UND Überwinder der Aufklärung verstanden wird?

Pluto hat geschrieben:Auch das Philosophieren sollte immer eine Verbindung zur Realität bewahren. Wie das geht, hat Kant meisterhaft gezeigt.
Wenn man unter "Realität" ausschließlich "naturalistische Realität" meint, stimmt das. - Aber ginge es nur darum, bräuchte man nicht mehr als Popper - eine Methodik zu objektiven Erfassung der Natur.

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#286 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von Pluto » Sa 31. Jan 2015, 15:33

closs hat geschrieben:Du versuchst allen Ernstes, spirituelle Wahrnehmungen aller Epochen und Hochkulturen als Ausdruck kollektiver Selbsttäuschung zu begreifen, aus der uns die Aufklärung befreit hat. - Wahnsinn.
Ob du es glaubst oder nicht, es ist nun mal so...

Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode - [W. Shakespeare: Hamlet 2,2]
closs hat geschrieben:Meinst Du wirklich, dass die großen Weisen der Kulturen heute materialistische Aufklärer wären, wenn sie davon wüssten. - Aus Deiner Sicht müssten sie es ja sein, wenn materialistische Aufkläung Fortschritt ist und diese Menschen wirklich weise sind.
Gewiss, Ja (siehe oben).
closs hat geschrieben:Interessant, dass es auch mal aus Sicht des Materialismus Fälle geben kann, die man nicht beweisen muss.
Nein. Das liegt in der Natur der Welt: Münchhausen Trilemma
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wo, in Kants Werk siehst du Belege, dass er versucht die Metaphysik "in den Griff" zu bekommen?
In Deinem Link von gestern. Dort schreibt er
a) das sich die zeitgenössischen Meta-Physiker blamieren würden
b) Meta-Physik nur mit der Methode der "Kritik" angemessen behandelt werden könne
c) dies aber nicht ginge, weshalb man es grundsätzlich sein lassen sollte
Kant versucht die Metaphysik nicht "in den Griff" zu bekommen. Er versuch sie zu vernichten, in dem er sich über sie lustig macht.
closs hat geschrieben:Was glaubst Du, warum Kant als Höhepunkt UND Überwinder der Aufklärung verstanden wird?
Kant als Überwinder der Aufklärung? Das kann doch nicht dein Ersnt sein, oder?
Nach Kant kam die Romantik (Fichte), in der man versuchte Kants Philosophie ungeschehen zu machen.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Auch das Philosophieren sollte immer eine Verbindung zur Realität bewahren. Wie das geht, hat Kant meisterhaft gezeigt.
Wenn man unter "Realität" ausschließlich "naturalistische Realität" meint, stimmt das.
Realität ist das was prinzipiell wahrnehmbar oder messbar ist, oder durch Modelle bestätigt wird.
Was habe ich da ausgelassen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#287 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von closs » Sa 31. Jan 2015, 15:57

Pluto hat geschrieben:Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode - [W. Shakespeare: Hamlet 2,2]
Das ist genau mein Vorwurf an den Materialismus - wirklich gut organisiert, aber geistiger Wahnsinn.

Pluto hat geschrieben:Gewiss, Ja (siehe oben).
s.o.

Pluto hat geschrieben: Er versuch sie zu vernichten, in dem er sich über sie lustig macht.
Nicht die Metaphysik, sondern die Metaphysiker.

Pluto hat geschrieben:Kant als Überwinder der Aufklärung? Das kann doch nicht dein Ersnt sein, oder?
So wird Kant in mancher Tradition gesehen - warum, habe ich begründet. - Auch der an anderer Stelle erwähnte Philosoph Störig sieht das so - und er wird seinen Kant auch gelesen haben. - Es kommt immer drauf an, aus welcher Sicht man deutet.

Pluto hat geschrieben:Nach Kant kam die Romantik (Fichte)
Was ist "Romantik"?

Im übrigen stammt der Satz von Fichte, dass die Frage, ob seine Philosophie christlich sei, ihm so vorkomme, als würde man einen Mathematiker fragen, ob sein Kreis grün ist. - Fichte was gewiss kein Christ.

Pluto hat geschrieben:Was habe ich da ausgelassen?
Das, was unabhängig von Wahrnehmung der Fall ist. - Inwieweit sich Realität und Wahrnehmung decken, können wir nicht wissen, weil wir nur Wahrnehmung haben.

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#288 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von Münek » Sa 31. Jan 2015, 22:31

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn Du sagst, es könnte Gott geben, aber zugleich einräumst, es könnte ihn auch nicht geben, ist es Dir nicht möglich, Aussagen über Gott zu treffen, die über Spekulation und Fantasie hinausgehen.
Natürlich - der Mensch projeziert eigene Wahrnehmung (= Feuerbach) auf ein Phänomen ("Gott"), die nur dann zutreffend sind, wenn es Gott gibt - diese Möglichkeit bedenkt Feuerbach NICHT.

Ja, ja: Wenn...dann...Wenn es schneit, dann schneit es. Diese Tautologie ist ja gerade der
Schwachpunkt der Gotteshypothese.

Natürlich hat der Philosoph Feuerbach die Möglichkeit der Existenz Gottes bedacht. Er hat
diese selbstverständlich nicht völlig ausgeschlossen.

Er war nur (zu Recht) der Meinung, dass diese "Möglichkeit" dermaßen unwahrscheinlich ist,
dass seine "Projektionstheorie" (die Menschen erschaffen sich ihre Götter selbst und nicht um-
gekehrt) der Wahrheit sehr, sehr viel näher kommt.

Fazit:

Die Möglichkeit, dass Gott existiert, ist nicht zu 100% auszuschließen, aber nach allem was wir
wissen
doch zu 99,99%. Das werden Gläubige möglicherweise etwas anders sehen. Aber haben
sie - außer ihren Wunschvorstellungen - dafür einen einleuchtenden Grund? Ich erkenne keinen!

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#289 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von Pluto » Sa 31. Jan 2015, 22:41

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode - [W. Shakespeare: Hamlet 2,2]
Das ist genau mein Vorwurf an den Materialismus - wirklich gut organisiert, aber geistiger Wahnsinn.
Auf die Methode kommt es bei Hamlet an.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Er versucht sie zu vernichten, in dem er sich über sie lustig macht.
Nicht die Metaphysik, sondern die Metaphysiker.
Ohne Metaphysiker gäbe es auch keine Metaphysik.
closs hat geschrieben:Was ist "Romantik"?
Ein missglückter Versuch der Abkehr von der Aufklärung.
closs hat geschrieben:Fichte was gewiss kein Christ.
Dafür aber offenbar ein Mystiker. :lol:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was habe ich da ausgelassen?
Das, was unabhängig von Wahrnehmung der Fall ist. - Inwieweit sich Realität und Wahrnehmung decken, können wir nicht wissen, weil wir nur Wahrnehmung haben.
Immer wieder übersiehst du, dass der Mensch nicht überlebensfähig gewesen wäre, wenn die Wahrnehmung der Welt mit den 5 Sinnen so weit weg von der Realität wäre.
Problematischer wird es allerdings bei der Fantasie: Da scheint alles möglich zu sein, von Einhörnern, über Dämonen und Cherubims, bis hin zum siebenköpfigen Drachen der mit seinem Schwanz die Sterne vom Himmel fegt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#290 Re: Allmacht und Omnipotenz - Paradox?

Beitrag von closs » Sa 31. Jan 2015, 23:09

Pluto hat geschrieben:Auf die Methode kommt es bei Hamlet an.
Wer "Sein oder nicht Sein" sagen kann, könnte Methode über Substanz stellen?

Pluto hat geschrieben:Ohne Metaphysiker gäbe es auch keine Metaphysik.
Ohne Physiker gäbe es keine Physik?

Pluto hat geschrieben:Ein missglückter Versuch der Abkehr von der Aufklärung.
Oje - das wäre ein lange Diskussion.

Nur ganz kurz: Romantik ist die Folge davon, dass die Aufklärung der Klassik eine Sackgasse ist - deshalb zersplittert die relativ homogene Klassik in "romantische" Fetzen - es gibt keinen Orientierungspunkt mehr: Weder Gott noch Aufklärung. - Daraus entstehen verschiedene Strömungen:

a) nationale Strömungen ("Reden an die deutsche Nation" - Fichte)
b) Entdeckung der deutschen statt der antiken/italienischen Kultur (Gothik)
c) Wieder-Entdeckung von Bach (der jahrzehntelang nicht gespielt wurde)
d) politische Literatur (Büchner)
e) satirische Literatur (Grabbe)
f) "Animations-"Literatur (würde man vielleicht heute sagen - also Literatur mit Feen, Kobolden, etc - auch in der Musik - E.T.A. Hoffmann/Mendelsohn-Bartholdy)
g) atheistische Literatur (gibt es in der Klassik nicht - aber danach: Grabbe, Jean Paul)
h) Frauen-Literatur (gibt es meines Wissens in der Klassik auch nicht)
i) christliche Literatur (Eichendorff, etc.)
j) "Romantische" Literatur im Sinne dessen, was wir heute ganz und gar eingeschränkt unter "Romantik" verstehen (Mörike)
k) Biedermeier (der im Grunde ein Art Spätromantik ist - die Weltflucht aus dem geistigen Chaos in die Idylle - Spitzweg)

Das ist eine grobe Auflistung, die nur zeigen soll, wie brutal die (aufgeklärte) Klassik auseinander fliegt (von einigen Nachläufern abgesehen). - Die Romantik ist im Grunde der Beginn des geistigen Lobbyismus - man "ist" nicht mehr einer Meinung, man vertritt vielmehr eine Meinung (wie ein Rechtsanwalt einen Mandanten vertritt - keine Orientierung mehr an sich).

Insofern ist die Romantik (und eben NICHT die Klassik) der Vorbote des Materialismus, weil der Materialismus aus dem Existenzialismus entsteht, welcher hinwiederum nicht möglich wäre, würde die Klassik nicht zusammenstürzen, die keinen bedingungslosen Ich-Bezug kennt, sondern einen Ausgleich zwischen Autonomie und Heteronomie.

:o Vortrag zu Ende 8-) :oops:

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