Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

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closs
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#131 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Fr 23. Jan 2015, 11:33

ThomasM hat geschrieben:Das Problem ist, dass mit "Kapitalisten" immer irgendwelche Leute bezeichnet werden, die viel Geld haben, nicht wirklich arbeiten, anderen etwas wegnehmen usw. usw.
So ist dieses Wort in der Tat semantisch in dern Alltagssprache besetzt.

ThomasM hat geschrieben:Tatsächlich sind wir alles Kapitalisten. Wir wollen leben und arbeiten dafür. Das ist Kapitalismus!
Dann wäre der fleißige Facharbeiter, der sich über vermögende Sozialabgaben-Flüchtige, Steuer-Hinterzieher und Nichts-Tuer mokiert, ebenfalls ein Kapitalist - das versteht so keiner.

Volkswirtschaftlich magst Du recht haben - aber was nützt das, wenn es vollkommen am Sprachgebrauch vorbeigeht? - Folgt man Deinem Weg, wäre jeder Gewerkschafter ein Kapitalist - wie würde man dann die nennen, die man heute als "Kapitalisten" beschimpft? Ein ganz neues Wort müsste her. Um so etwas umzusetzen, braucht man viel Geld und viel Zeit - bestehende Begriffe auf breiter Ebene semantisch auf breiter Ebene umzudeuten, ist echter Aufwand. - Eine konzertierte Aktion der Medien könnte es schaffen - aber die wird es wohl nicht geben.

ThomasM hat geschrieben:Ich frage mich nur immer wieder, wie es zu der aktuellen politischen Meinung kommen konnte
Durch den Missbrauch des Kapitalismus durch böse Menschen, die nicht einmal wissen, dass sie böse sind:

a) auseinandergehende Schere von arm und reich - bestimmt NICHT deshalb, weil die Reichen mehr und die Armen weniger arbeiten
b) privatisierte Gewinne und sozialisierte Verluste - die Reichen stecken ein, wenn was nicht klappt, zahlen die Armen
c) Bankenkrise generell - die Bankenkrise war von denen verursacht, die daran verdient haben - das waren die Reichen
d) Auseinanderdriften von Management- und Facharbeiter-Bezügen - es gibt keinen Grund, einem 100x soviel zu geben wie dem anderen (vor allem, wenn man nicht persönlich haftend ist)

Kapitalismus wird als die Kraft verstanden, die das Gemeinwesen als Selbstbedienungsladen versteht. - Das ist von der Idee her (hier ausdrückliche Zustimmung zu Deiner Version) ein großes Missverständnis. - Aber wenn dominante Kräfte des Kapitalismus die Gesellschaft zwangs-prostituieren, braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Kapitalismus vom Volk wie eine unehrbare Frau verstanden wird.

closs
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#132 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Fr 23. Jan 2015, 11:51

ThomasM hat geschrieben:Wo wird die Allgemeinheit geschädigt, wenn ein Reicher sein Geld arbeiten lässt?
Wenn es nur so wäre. Du sprichst aus vergangenen Zeiten - heute wird immer weniger Geld investiv eingesetzt - man spekuliert lieber darauf, ob eine Firma eingeht - mit solchen Spielchen kann man mehr Rendite erzielen.

Im übrigen sind die Leute nicht dumm und wissen natürlich, dass der eine mehr und der andere wenig hat - das nimmt man hin, weil es halt so ist. - Gefährlich wird es, wenn der Reiche tönt, er sei aus Leistungs-Gründen reich - da sollte er lieber sein Maul halten. Denn das wird als Verhöhnung verstanden.

Nimm einfach mal das mediale Bild, mit dem das Volk konfrontiert wird: Medial wird das kinderlose Paar (schwul oder hetero) favorisiert, das mit zwei Gehältern ein schönes materielles Leben führt und sich - da über der Bemessungsgrundlage - der sozialen Solidarität entzieht. Solche Leute sitzen dann in Talk-Runden neben einem Handwerks-Meister mit Familie und quatschen dann etwas von "Leistungs-Gesellschaft" - im Sinne von: "Hättest Du, Du dumm-kleiner Handwerksmeister, einen Geld-Beruf ergriffen, statt frühs um 5 Uhr aufzustehen und Heizungen einzubauen, und hättest Du rückwärtsgewendeter Familien-Depp auf Kinder verzichtet, würdest Du so sein können wie wir - nämlich erfolgreicher Vertreter der Leistungs-Gesellschaft".

Das war jetzt pointiert formuliert - aber merkst Du, was da in unserer modernen Gesellschaft von oben her alles verdreht wird? - Der geilste Fall aus einer Talkshow war die Mutter mit 6 minderjährigen Kindern, der irgend so ein - sorry, ich muss jetzt mal hart werden - saudummes Arschloch erklärt hat, die Gesellschaft erwarte von ihr, dass sie im Arbeitsmarkt aktiv wäre, damit sie Anteil an der Gesellschaft nehme (also pädagogisch gemeint). - Und keiner steht auf und verprügelt diese dumme Sau. :devil: :lol:

Ich hatte persönlich das Glück, genug zu verdienen, dass meine Frau nicht arbeiten musste und unsere 4 Kinder durchziehen konnte - diese 4 Kinder zahlen zur Zeit an Rentenbeiträgen das Doppelte dessen, was ich (von der Rentenanstalt) bekomme. - Mit anderen Worten: Meine Frau hat einen volkswirtschaftlich eminent wichtigen Beruf ausgeübt. - War sie Kapitalistin?

ThomasM
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#133 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von ThomasM » Fr 23. Jan 2015, 12:42

closs hat geschrieben: Wenn es nur so wäre. Du sprichst aus vergangenen Zeiten - heute wird immer weniger Geld investiv eingesetzt - man spekuliert lieber darauf, ob eine Firma eingeht - mit solchen Spielchen kann man mehr Rendite erzielen.
Na und?
Wenn wir solche Spekulationen so gestalten, dass sie keine Instabilitäten im Markt insgesamt erzeugen (wozu diese Hebelgeschäfte tatsächlich neigen), sehe ich keine Probleme in so etwas.
Wo ist das Problem in diesem Fall?

closs hat geschrieben: Nimm einfach mal das mediale Bild, mit dem das Volk konfrontiert wird: Medial wird das kinderlose Paar (schwul oder hetero) favorisiert, das mit zwei Gehältern ein schönes materielles Leben führt und sich - da über der Bemessungsgrundlage - der sozialen Solidarität entzieht. Solche Leute sitzen dann in Talk-Runden neben einem Handwerks-Meister mit Familie und quatschen dann etwas von "Leistungs-Gesellschaft" - im Sinne von: "Hättest Du, Du dumm-kleiner Handwerksmeister, einen Geld-Beruf ergriffen, statt frühs um 5 Uhr aufzustehen und Heizungen einzubauen, und hättest Du rückwärtsgewendeter Familien-Depp auf Kinder verzichtet, würdest Du so sein können wie wir - nämlich erfolgreicher Vertreter der Leistungs-Gesellschaft".
Glaubst du wirklich, dass die Leute früher so viele Kinder bekommen haben, weil sie gerne Kinder haben (abgesehen davon, dass die Mittel zur Verhütung nicht gut entwickelt waren)?
Nein, sie taten ist, weil Kinder der einzige Weg waren, sich abzusichern und ein groß genügendes Einkommen zu erzeugen.
Es war und ist im wesentlichen ein kapitalistischer Grund.

Seitdem man im Alter vom Staat versorgt wird (bzw. den anderen Arbeitnehmern) und man Kinder effektiv verhüten kann, ist die Geburtenrate in den Keller gegangen. Weil jetzt die Nutzen einer Kindererziehung den Aufwand nicht mehr rechtfertigt, es sei denn, man hat andere Motivationen, Kinder zu bekommen oder Verhütung zu verweigern.

closs hat geschrieben: Ich hatte persönlich das Glück, genug zu verdienen, dass meine Frau nicht arbeiten musste und unsere 4 Kinder durchziehen konnte - diese 4 Kinder zahlen zur Zeit an Rentenbeiträgen das Doppelte dessen, was ich (von der Rentenanstalt) bekomme. - Mit anderen Worten: Meine Frau hat einen volkswirtschaftlich eminent wichtigen Beruf ausgeübt. - War sie Kapitalistin?
Nein, weil sie die Vorteile nicht hat.
Kapitalismus ist, wenn ich etwas für mich tue. Deine Frau hat wohl etwas für die Gesellschaft getan, aber das ist und bleibt bei einer Mehrheit der Menschen ein sehr schwaches Kriterium.
Wobei: Hat deine Frau nicht gearbeitet, weil sie der Gesellschaft etwas Gutes tun wollte?

Ich wusste immer, dass meine Frau nicht glücklich wird, wenn sie allein im Haushalt bleibt. Damit wäre ich auch nicht glücklich geworden.
Also war ich immer dafür, dass sie auch arbeitet. Fast wäre das schief gegangen, aber als ich eine Zeit lang arbeitslos war, hat sie angefangen zu arbeiten und ich habe das Kind gehütet. Später bin ich in den Beruf zurückgekehrt und wir haben das zusätzliche Geld benutzt, um unseren Sohn betreuen zu lassen.
Das wäre schwieriger geworden, wenn unser Wunsch nach einem zweiten Kind wahr geworden wäre, aber wir hätten es auch dann so belassen. Die Ausbildung meiner Frau ist ebenso gut wie meine und ihre Fähigkeiten liegen in dem, was sie beruflich tut.

Du siehst:
Menschliche Entscheidungen beruhen praktisch immer auf persönlichen Erwägungen, auf individuellen Punkten. Ich kenne niemand, der etwas tut, weil es für Volk und Vaterland wichtig wäre. Es kann zwar sein, dass ein Gruppendruck persönliche Wünsche überschreibt, aber das ist eher negativ zu bewerten. So wie der Einfluss der Kirche oder der DDR Staatsführung negativ zu bewerten war.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#134 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Pluto » Fr 23. Jan 2015, 13:56

ThomasM hat geschrieben:
closs hat geschrieben: heute wird immer weniger Geld investiv eingesetzt - man spekuliert lieber darauf, ob eine Firma eingeht - mit solchen Spielchen kann man mehr Rendite erzielen.
Na und?
Ich weiß nicht... closs zeichnet ein falsches, nihilistisches Bild unserer Kapitalwirtschaft.

Es ist in Wirklichkeit gar nicht so, wie er es hier schildert. Die Spekulation auf "Baisse" (wie es die Börsianer nennen) ist winzig im Vergleich zum ganz normalen Aktienhandel (>95%), wo man auf Erfolg setzt, und nicht darauf aus ist auf Verluste zu spekulieren.

ThomasM hat geschrieben:Wenn wir solche Spekulationen so gestalten, dass sie keine Instabilitäten im Markt insgesamt erzeugen (wozu diese Hebelgeschäfte tatsächlich neigen), sehe ich keine Probleme in so etwas.
Das Gegenteil ist doch der Fall: Spekulationen wirken erwiesenermaßen Marktstbilisierend.
Denn sollte bekannt werden, dass eine Firma Pleite geht, will kein "normaler" Mensch die Anteile daran haben. Die einzigen Käufer sind in einem solchen Fall diejenigen die bereits vorher darauf gesetzt haben, und ihre "Leerverkäufe" eindecken.

Wo ist das Problem in diesem Fall?
Das Problem besteht darin, dass oft solche Spekulationen auf Grund von "Insider" Wissen getätigt werden, wobei man dann tatsächlich von illegalen (unlauteren) Geschäften reden kann.
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#135 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von sven23 » Fr 23. Jan 2015, 15:02

ThomasM hat geschrieben: Das ist nicht anders als der Reiche, der mit seinem Geld arbeiten will und es eben dorthin steckt, wo er etwas dafür bekommt, notfalls auch im Ausland.

Auch da muß man unbedingt differenzieren. Ein Wanderarbeiter, der für 1-2 € am Tag schuftet oder ein Slumbewohner, der auf der Müllhalde und von der Müllhalde lebt, wird sich verhöhnt vorkommen, wenn man ihn als Kapitalist bezeichnet.

ThomasM hat geschrieben: Wie mißbrauchen die wenigen etwas auf Kosten der Allgemeinheit?
Wo wird die Allgemeinheit geschädigt, wenn ein Reicher sein Geld arbeiten lässt?

Also zunächst mal ist es erwünscht, wenn ein Unternehmer sein Geld wieder reinvestiert. Kommt halt auf die Art des Investments an. Man muß immer bedenken, daß es Menschen sind, die die Rendite erwirtschaften müssen. Einen 100 € Schein hat man noch nie zur Arbeit marschieren sehen.

ThomasM hat geschrieben: Das Problem ist hier das Wort Mißbrauch. Ähnlich wie das Wort Gerechtigkeit ist das extrem problematisch.

Man muß es aber als Mißbrauch bezeichnen, wenn Reiche ihr Vermögen illegalerweise am Fiskus vorbei in Steueroasen verbringen. Es ist sogar eine Straftat und der Staat wird immer mehr zum Lohnsteuerstaat.

ThomasM hat geschrieben: Ist es bereits Mißbrauch, wenn ein anderer mehr Geld hat als ich?

Nein, das allein noch nicht, wobei man über das Ausmaß der Ungleichheit durchaus diskutieren kann.


ThomasM hat geschrieben: Oder setzt der Mißbrauch erst ein, wenn der Reiche sich eine Armee kauft, um Meinungen zu unterdrücken, die er nicht mag?

Das ginge dann in Richtung Oligarchien und korrupten Staaten nach afrikanischem Vorbild. Das ist definitiv Mißbrauch an der gesamten Gesellschaft (siehe Nigeria)

Volker Pispers hat auch ein paar Vorschläge, die Ungleichheit etwas abzumildern.

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#136 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von sven23 » Fr 23. Jan 2015, 15:20

closs hat geschrieben: d) Auseinanderdriften von Management- und Facharbeiter-Bezügen - es gibt keinen Grund, einem 100x soviel zu geben wie dem anderen (vor allem, wenn man nicht persönlich haftend ist)

Es ist sogar so, daß in den sog. Leistungseliten Versagen zusätzlich mit dem goldenen Handschlag honoriert wird (siehe Schremp von Daimler).

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Kapitalismus und Sozialismus?
Volker Pispers weiß wie immer Rat.

Zuletzt geändert von sven23 am Fr 23. Jan 2015, 16:07, insgesamt 1-mal geändert.
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#137 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Fr 23. Jan 2015, 16:05

ThomasM hat geschrieben:Wo ist das Problem in diesem Fall?
Wenn die Real-Wirtschaft dabei nicht beschädigt wird (was immer öfter der Fall ist), gibt es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kein Problem. - Das Problem ist ein gesellschaftliches, solange medial Geld und Leistung wesensmäßig verknüpft werden.

Wenn Leute mit viel übrigem Geld ins Kasino gehen oder an die Börse und für die Erträge anständig Steuern bezahlen (und zwar im Land, von dem sie einen Pass haben), ist dies sogar volkswirtschaftlich nützlich - aber es hat nichts mit Leistung zu tun. - Das arbeitende Volk hat auch nichts dagegen, wenn es Menschen mit unerarbeitetem Geld gibt - das war immer so (ob Fürsten oder die RKK oder Spekulanten oder Erben). - Aber es hat was dagegen, wenn solche Menschen mit glänzenden Augen von der "Leistungs-Gesellschaft" sprechen, die es in den oberen 2% der Bevölkerung nur sehr, sehr bedingt gibt. Das eigentlich Skandalöse ist dabei, dass unsere Politicla-Correctness-benebelten Mainstream-Medien bei diesem Spiel botmäßig mit dem Kopf nicken.

ThomasM hat geschrieben:Glaubst du wirklich, dass die Leute früher so viele Kinder bekommen haben, weil sie gerne Kinder haben
Bei entsprechenden Verhütungs-Möglichkeiten hätten die Menschen damals lieber weniger Kinder bekommen - denke ich. - Natürlich waren Kinder nötig zur Alterssicherung - aber Kinder wurden auch als geistiger Segen verstanden und nicht wie heute im un-geistigen Mainstream als "zusätzliche Herausforderung zur Karriere". - Die Reihenfolge "Gott - Familie - Beruf" ist heute total auf den Kopf gestellt und lautet "Beruf - Familie - Gott".

ThomasM hat geschrieben:Seitdem man im Alter vom Staat versorgt wird
Auch das ist einer diesen unreflektierten Mainstream-Märchen. -Der durchschnittliche heutige (ehemalige BRD-) Rentner hat Kapital in der Rentenkasse angespart, das er sich in der Rentenzeit abruft. Dabei bekommt er durchschnittlich weniger zurück (auch wenn er 80 Jahre alt wird), als er an Kapital gebildet wird. - Dass die Liquidität dafür von denen kommt, die heute ihr Kapital anlegen, ist normal - das ist auch bei jeder Bank so. - Der durchschnittliche Rentner/West wird nicht vom Staat "versorgt" - oder würdest Du sagen, dass die Bank Dich "versorgt", wenn Du etwas von Deinem Konto abhebst?

ThomasM hat geschrieben:Hat deine Frau nicht gearbeitet, weil sie der Gesellschaft etwas Gutes tun wollte?
Ja - weil sie ihre geistige Identität über die materielle Identität gestellt hat. - Aber sie hätte gerne dafür Geld bekommen - denn ein (volkswirtschaftlicher) Beruf ist es allemal. - Stell Dir mal vor, man würde in der Wissenschaft nur diejenigen bezahlen, die unmittelbar produktiv sind, aber denen in der Abteilung F(orschung) + E(ntwicklung) nichts geben, weil sie nicht unmittelbar produktiv sind? Natürlich bekommen die F+E-Kollegen ihr Geld - warum ist das bei Müttern nicht so, die die Produktivität der Zukunft sichern?

ThomasM hat geschrieben:Ich wusste immer, dass meine Frau nicht glücklich wird, wenn sie allein im Haushalt bleibt. Damit wäre ich auch nicht glücklich geworden.
Deshalb sollten Frauen WIRKLICH frei entscheiden können dürfen, ob sie (volkswirtschaftliche) F+E oder (betriebswirtschaftliche) Arbeit machen. - Diese Wahlfreiheit haben Frauen heute NICHT, da Mutterschaft in aller Regel mit sozialem Absteig verbunden ist - es sei denn, man ent-eltert die Kinder frühzeitig und züchtet sich damit die Psychopathen von morgen.

ThomasM hat geschrieben:Die Ausbildung meiner Frau ist ebenso gut wie meine und ihre Fähigkeiten liegen in dem, was sie beruflich tut.
Da wird zukünftig einiges besser werden - die KiTa am Arbeitsplatz (ich erwähnte einen solchen Fall) ist der richtige Weg, wenn die Mutter während der Arbeit öfter mal vorbeischauen kann. - Die Kibuzzim sind dafür nach meinem Verständnis ein Modell, das es auch schon früher gab.

ThomasM hat geschrieben: Ich kenne niemand, der etwas tut, weil es für Volk und Vaterland wichtig wäre.
Es gibt sehr wohl Menschen, die primär-motiviert etwas Gutes tun wollen und erst dann nach dem Geld gucken.

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#138 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Fr 23. Jan 2015, 16:19

Pluto hat geschrieben: Die Spekulation auf "Baisse" (wie es die Börsianer nennen) ist winzig im Vergleich zum ganz normalen Aktienhandel (>95%), wo man auf Erfolg setzt
Aber wie ist dieser Erfolg möglich? - Indem man Ferrero-Aktion (beliebiges Beispiel) kauft, weil man hört, dass Kinderarbeit in der Türkei ab sofort ab 6 Jahren erlaubt ist (erfundenes, aber realistisches Beispiel). - Mit anderen Worten: Man partizipiert von gewollter Armut von Leistungs-Trägern - also von denen, die die Arbeit machen. - Siehe Volker Pispers: Wieviel Geld bleibt im Betrieb und bei dessen Erfolgs-Machern - wieviel Geld geht an stille Profiteure, die nichts dafür tun.

Pluto hat geschrieben: Die einzigen Käufer sind in einem solchen Fall diejenigen die bereits vorher darauf gesetzt haben, und ihre "Leerverkäufe" eindecken.
Das sollte eh verboten werden - Paragraphen zum Thema "Sittenwidrigkeit" gibt es bereits, sind aber nicht anwendbar.

Pluto hat geschrieben: Spekulationen wirken erwiesenermaßen Marktstbilisierend.
Natürlich - in der Logik des Marktes ist es tatsächlich so. Aber Marktgesetze sind eben nihilistisch. - Prof. Sinn hat es nüchtern auf den Punkt gebracht: "Wir sind keine Leistungs-Gesellschaft, sondern eine Markt-Gesellschaft".

Andererseits will ich gar nicht wehleidig wirken - ich habe ebenfalls von der Markt-Gesellschaft profitiert - und ich kenne auch nichts Besseres bei den gegeben Rahmenbedingungen. - Deshalb soll ja gar nicht das Ziel sein, die Marktgesellschaft durch Kommunismus zu ersetzen (funktioniert nicht im Dasein) - aber es sollte selbstverständliche Erkenntnis einer reifen Zivil-Gesellschaft sein, dass Ungerechtigkeit ein Markenzeichen der Marktgesellschaft ist - und nicht bewusstlos von "Selbst-Verantwortung" und "Chancen-Gleichheit" und "Leistungs-Gesellschaft" rum-stammeln. - Das ist bei gehobenem Anspruch nicht satisfaktionsfähig.

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#139 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Pluto » Fr 23. Jan 2015, 21:34

closs hat geschrieben:Aber wie ist dieser Erfolg möglich? - Indem man Ferrero-Aktion (beliebiges Beispiel) kauft, weil man hört, dass Kinderarbeit in der Türkei ab sofort ab 6 Jahren erlaubt ist (erfundenes, aber realistisches Beispiel).
Quatsch! Das sind Vorurteile.
Zudem entsteht der Beigeschmack von "Insider-Trading", was verboten ist.

Ein realistisches Beispiel:
Hättest du 1985 Aktien von Microsoft im Wert von 10'000 Dollar gekauft, wärst du heute Millionär. Der Preis der Micosoft Aktie hat sich in dem Zeitraum mehr als verhundertfacht.

Warren Buffett hat genau das gemacht, Er hat als junger Mann unter anderem in CocaCola Aktien investiert, und ein Vermögen gemacht, was er heute den Ärmsten der Welt zur Verfügung stellt. Das macht ihn zum größten Philanthropen der Welt. Er ist übrigens überzeugter Materialist und Humanist.

Voraussetzung in beiden Fällen ist, die "Gewinner" im Markt rechtzeitig zu erkennen, und geduldig das Geld arbeiten zu lassen. Das ist eine sehr seltene Gabe, die nur wenige Menschen besitzen. Ich weiß ich kann es nicht, umso mehr steigt meine Achtung vor Leuten wie Buffett.

Das ist Börsenrealität, nicht die paar wenigen Leute die mit Hedgefonds versuchen ihr Vermögen vor dem Absturz zu bewahren.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#140 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Sa 24. Jan 2015, 00:44

Pluto hat geschrieben:Quatsch! Das sind Vorurteile.
Dass ein Betrieb Gewinn machen muss, ist klar. - Aber hier geht es darum, dass zu Lasten der Arbeitenden hohe Gewinne erzielt und an Nicht-Arbeitende verteilt werden - das ist das Grundsatzproblem. - Vielleicht ist es unvermeidbar - aber wir sollten uns einfach vom Begriff "Leistungs-Gesellschaft" verabschieden. - Wären wir eine Leistungs-Gesellscahft, würde 50% des weltweiten Besitzes nicht auf 1% der Bevölkerung verteilt sein.

Pluto hat geschrieben: Das ist eine sehr seltene Gabe, die nur wenige Menschen besitzen.
Kann ja sein - aber man setzt seine Gabe dazu ein, selbst nicht erarbeitetes Geld für sich zu sichern.

Pluto hat geschrieben:Warren Buffett hat genau das gemacht, Er hat als junger Mann unter anderem in CocaCola Aktien investiert, und ein Vermögen gemacht, was er heute den Ärmsten der Welt zur Verfügung stellt.
Das ist erfreulich, aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Wenn es so wäre, dass Börsenprodukte in etwa im Maßstab des Wertes der Real-Wirtschaft gehandelt werden würden, wäre es ja ok (Börsen haben auch aus meiner Sicht prinzipiell sehr wohl eine positive Funktion) - aber wir reden ja vom 100 Fachen Handels-Volumen im Vergleich zur Real-Wirtschaft. - Und kommt wieder eine Blase, werden diese Unsummen wieder sozialisiert - muss also vom Arbeitenden getragen werden. - Soll das ok sein?

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