Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

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closs
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#111 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Do 22. Jan 2015, 01:08

Pluto hat geschrieben:Eben das ist aber für die Revisoren sichtbar.
Dann habe ich mich ungenau ausgedrückt: "Stornieren" wäre richtig gewesen. - Aber das ändert nichts am Punkt, dass man damit ein altes Jahr schlechter machen kann, als es ist - und ein neues besser als es ist. - "Gestaltung" eben.

Pluto hat geschrieben:Warum sollten da andere Regeln gelten als in kleinere AG oder GmbH Firmen?
Da ist die Praxis anders. - In einem "Institut für angewandte Betriebswirtschaft" wurde uns immer gesagt: Stellt nie jemanden ein, der von Großkonzernen kommt, weil die anders ticken (verstehe das getrost wertfrei) - bei uns war das unmittelbar Unternehmerische, oft die schnelle Entscheidung wichtig, weil man am Ende des Monats sein Gehalt gebraucht hat. ;)

Pluto hat geschrieben:Außerdem hattest du die kapitalistischen Großkonzerne angeprangert.
Nicht dafür, dass sie groß sind, sondern dass sie weit weniger kontrollierbar sind wie mittelständische Betriebe. - Einige Großkonzerne wie etwa Volkswagen sind aufgrund ihrer Aktionärs-Struktur super (da zählt die Belegschaft noch was) - andere sind verkommene Beispiele für Raubtier-Kapitalismus. - Insofern kann man da nicht alle Konzerne über den selben Kamm scheren.

ThomasM
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#112 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von ThomasM » Do 22. Jan 2015, 09:09

Hallo closs und Pluto

Hat eure Diskussion eigentlich noch mit dem Glaubensbild des Kapitalismus Hasses zu tun, das ich ansprechen wollte?

Mein Punkt war die Engstirnigkeit der Leute, die Kapitalismus auf fundamentaler Ebene ablehnen (im Detail ließe sich beim Kapitalismus viel kritisieren), aber weder in der Lage noch willens sind, eine nachweisbar funktionierende Alternative zu bieten. Alle bislang erdachten Alternativen haben sich als extrem viel schädlicher erwiesen.

closs, hast du denn eine Alternative?
Warum ist in unserer Gesellschaft das Bild "reich ist schlecht" so weit verbreitet?

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#113 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Do 22. Jan 2015, 11:10

ThomasM hat geschrieben:, hast du denn eine Alternative?
Zum Kapitalismus (im Sinne von "Marktwirtschaft") gibt es aus meiner Sicht KEINE Alternative, die besser wäre. - Allerdings müsste die Marktwirtschaft gesellschaftlich beherrschbar gemacht werden - in unseren Nordländern scheint sie das zu sein, obwohl man SChweden & Co nicht unterwerfen kann, sie seien postkommunistische Planwirtschaftler. - Auch Deutschland ist diesbezüglich leidlich gut aufgestellt. - Das Problem ist die grenzenlose internationale Wirtschaftswelt, die es erlaubt, Länder mit schwacher sozialer Struktur auszu nehmen wie eine Weihnachtsganz - nochmal das Beispielt Griechenland:

Würden alle reichen Griechen ihr Geld im Ausland zurückholen und (samt Straf-Geldern) versteuern wie auch ihren inner-griechischen Besitz angemessen versteuern, gäbe es keine Griechenland-Krise - die Staatsschulden wären statt bei ca. 500 Milliarden sofort oder in wenigen Jahren bei Null - es gäbe keine verreckenden Menschen, weil die Apotheken nur gegen Bares Medikamente ausgeben können. - Das kommt davon, wenn man dem Kapitalismus keine starke Gesellschaft (also entsprechende Gesetze des Souveräns entgegensetzen kann bzw. wenn die Welt-Gemeinschaft nicht an einem Strang zieht - der Kapitalismus ist an sich ein zügelloses Tier, das nur durch Domestizierung zum Nutztier wird.

ThomasM hat geschrieben:Warum ist in unserer Gesellschaft das Bild "reich ist schlecht" so weit verbreitet?
Weil "reich" mit "erschlichen" gleichgesetzt wird bzw. "auf Kosten der Allgemeinheit" - ein Beispiel: In Deutschland darf man sich als Besserverdienender aus der Sozialverantwortung herausstehlen, indem man keine Sozialabgaben zahlen muss - die rumedum 100 Milliarden Folgekosten der deutschen Einheit (verpackt in Rentenzuschuss & Co) muss "das Volk" allein bezahlen. - Gäbe es eine sogenannte "Bürgerversicherung", die auch Besserverdienende oder wohlhabende Privatiers hinzuzieht, würde das Bild des "bösen Reichen" schlagartig besser werden.

Zum Ende ein positives Beispiel: Wir kennen die Inhaberin eines großen mittelständischen Betriebs mit einigen 100 Millionen Euro Umsatz pa. - Diese Frau ist auch alleinige Geschäftsführerin und macht folgendes:
* übertarifliche Bezahlung - in Erwartung freiwilliger Flexibilität, wenn_s nötig ist
* eigene KiTa in der Firma mit Fachpersonal - damit bewährte Mitarbeiter/innen möglichst schnell re-integriert werden können
* Anerkenntnis von Kinderkrankheiten als Krankheitstage des Mitarbeiters
* Sport-Events wie "Firmen-Marathon" und Trainings-Einheiten während der Arbeitszeit - damit hat sie fittere Mitarbeiter

Das hat überhaupt nichts mit Tätschelei zu tun, sondern ist auf kluge Weise kalkuliert: Die Leute bleiben motiviert, sind gesündern, kontrollieren sich gegenseitig ("was, Du machst blau?") - das Unternehmen hat sehr wenig Fehltage und keine Streiks - das Unternehmen ist sehr erfolgreich und inzwischen europäischer Marktführer.

Ist diese Frau "Kapitalistin"? - Ja - denn: Ihr gehört der Betrieb, sie ist CEO, sie entscheidet, sie ist reich, sie hat zwei ziemlich heftige Luxus-Autos. - Wird sie als "Kapitalistin" vom Volk angesehen? Nein - eher als Matriarchin.

Würden Verantwortungs-Träger der Wirtschaft und des Finanzwesens durchschnittlich soviel Anstand und Moral zeigen wie diese Frau unter dem Fingernagel hat,
* hätte der Kapitalismus einen besseren Ruf,
* es gäbe viel, viel weniger Arme,
* es gäbe noch genug Leute, die reich genug sind

Der Kapitalismus muss nur weltweit seine Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen, und wir haben einen Paradigmenwechsel. - Den kriegen wir aber nicht, weil Dir jeder CEO sagen wird: "Ich bin nicht dem Unternehmen, sondern den Aktionären verpflichtet". - Und wenn man ihm dann sagt "Das ist aber eine Schweinerei", dann wird er Dir antworten "Dann müsst Ihr mich mit Gesetzen dazu zwingen - ohne das DARF ich es nicht" (Fast-Original-Ton von Gesprächen, die ich bei entsprechenden gesellschaftlichen Anlässen im halb-privaten Umfeld führen konnte).

Pluto
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#114 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Pluto » Do 22. Jan 2015, 12:12

closs hat geschrieben:Zum Ende ein positives Beispiel: Wir kennen die Inhaberin eines großen mittelständischen Betriebs mit einigen 100 Millionen Euro Umsatz pa. - Diese Frau ist auch alleinige Geschäftsführerin und macht folgendes:
Was du da beschreibst, KiTa, Sportplätze, Fitnessprogramme usw, gehören heute zum Standard der allermeisten Großunternehmen in der westlichen Welt. Nun haben einige (Apple) sogar damit begonnen, die Kosten für Familienplanung zu übernehmen (Das Einfrieren der Eizellen von Mitarbeiterinnen wird bezahlt).
Selbst in China gibt es Mittagessen (eine Schale Reis) und eine von der Geschäftsleitung angeordnete Ruhepause danach. Gemiensames "Frühturnen" gehört oft auch dazu.

Ist diese Frau "Kapitalistin"? - Ja - denn: Ihr gehört der Betrieb, sie ist CEO, sie entscheidet, sie ist reich, sie hat zwei ziemlich heftige Luxus-Autos. - Wird sie als "Kapitalistin" vom Volk angesehen? Nein - eher als Matriarchin.
Sie ist klar Beides. Solche "Soft Benefits" zahlen sich in der Motivation der Mitarbeiter schnell aus.

Aber wie du schon sagst, diese Programme werden nicht aus Gefühlsduselei gemacht, sondern sind Kalkül. Das Ergebnis sind motivierte Mitarbeiter.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#115 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Do 22. Jan 2015, 12:22

Pluto hat geschrieben: Nun haben einige (Apple) sogar damit begonnen, die Kosten für Familienplanung zu übernehmen (Das Einfrieren der Eizellen von Mitarbeiterinnen wird bezahlt).
Das dient aber einem anderen Ziel: Der Mensch soll in seiner Privatheit in die berufliche "Mission" miteinbezogen werden - das halte ich wiederum für gefährlich, weil damit der Mensch nur noch zum "Human-Kapital" wird.

Das Einfrieren von Eizellen halte ich für einen Ausdruck höchstmöglicher Menschenverachtung - hier wird das Menschsein dem beruflichen Zweck komplett untergeordnet.

Pluto hat geschrieben:diese Programme werden nicht aus Gefühlsduselei gemacht, sondern sind Kalkül
Aus beidem: Es geschieht aus einem anspruchsvollen Menschenbild heraus, das sich auch wirtschaftlich auszahlt. - Würde sich dieses Menschenbild wirtschaftlich NICHT auszahlen, würde man diese Maßnahmen irgendwann abbrechen müssen - schon richtig. - Aber die Motivation ist andersrum: "Kann ich ein anständiger Chef sein und trotzdem erfolgreich sein" - bisher ist dieses Projekt erfolgreich.

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#116 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Pluto » Do 22. Jan 2015, 12:37

closs hat geschrieben:Das Einfrieren von Eizellen halte ich für einen Ausdruck höchstmöglicher Menschenverachtung - hier wird das Menschsein dem beruflichen Zweck komplett untergeordnet.
Wie DU das siehst, ist mit Verlaub, irrelevant. Es geht darum, wie die Mitarbeiter/innen von Apple das sehen, und das ist fast durchweg positiv. Das Programm ist freiwillig, und wirkt so motiverend.

closs hat geschrieben:Aus beidem: Es geschieht aus einem anspruchsvollen Menschenbild heraus, das sich auch wirtschaftlich auszahlt.
Es ist ein klassisches "Henne/Ei" Problem.
closs hat geschrieben:Aber die Motivation ist andersrum: "Kann ich ein anständiger Chef sein und trotzdem erfolgreich sein" - bisher ist dieses Projekt erfolgreich.
So was kann man anhand von Einzelfällen nicht sagen. Das müsste man statistisch erfassen und auswerten. So wie ich die Menschen kenne, vermute ich, es wird fast immer aus Kalkül gemacht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#117 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Do 22. Jan 2015, 17:07

Pluto hat geschrieben:Es geht darum, wie die Mitarbeiter/innen von Apple das sehen, und das ist fast durchweg positiv.
Das kann sich auch durchsetzen - unsere Zeit ist so.

Pluto hat geschrieben:So wie ich die Menschen kenne, vermute ich, es wird fast immer aus Kalkül gemacht.
Es gibt auch Fälle, in denen man austestet, wieviel Gutes man sich als Unternehmer leisten kann, ohne unterzugehen - und dann feststellt, dass es sogar unternehmerisch nützlich ist.

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#118 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Scrypt0n » Do 22. Jan 2015, 17:24

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Das Einfrieren von Eizellen halte ich für einen Ausdruck höchstmöglicher Menschenverachtung - hier wird das Menschsein dem beruflichen Zweck komplett untergeordnet.
Wie DU das siehst, ist mit Verlaub, irrelevant.
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#119 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von closs » Do 22. Jan 2015, 17:30

Scrypt0n hat geschrieben:Dito
Es ist tatsächlich irrelevant, da nicht durchsetzbar - gesagt werden muss es trotzdem.

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#120 Re: Der Kapitalismus ist das Böse, die armen Leute sind lieb

Beitrag von Scrypt0n » Do 22. Jan 2015, 17:32

closs hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben:Dito
Es ist tatsächlich irrelevant, da nicht durchsetzbar - gesagt werden muss es trotzdem.
Was?
Deine irrelevante Aussage, in welcher du dieses freiwillige Angebot als "Menschenverachtend" bezeichnest?

Nein, muss es nicht... :)

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