Ken Wilber: Plädoyer fuer eine zweite Aufklärung

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#71 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Sa 17. Jan 2015, 22:57

JackSparrow hat geschrieben:So ein Quatsch. Solange du nicht sagen kannst, wie viel Bier ich im Kühlschrank habe, durchdringst du offensichtlich nicht das gesamte Universum.
Er sagt nur, dass das physische Herz von der selben Kraft belebt wird, die alles Lebendige erfüllt. Es gibt für ihn - wie das alle Weisheitslehren lehren - keine Trennung. Die Lebensenergie, Qi - oder wie auch immer wir sie nennen wollen - , so heißt es, bildet das innere Energiefeld des Körpers und verbindet uns mit allem. Das wird insbesondere mit dem Herzen assoziiert.

„Bis heute haben die Wissenschaftler nicht herausgefunden, was das Herz zum Schlagen bringt. Da haben wir diesen erstaunlichen Teil unsres Körpers, der den Beginn des Lebens markiert, und doch können uns die Wissenschaftler bis heute nicht genau sagen, warum das Herz eigentlich anfängt zu schlagen.“(Howard Martin)


ThomasM
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#72 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von ThomasM » So 18. Jan 2015, 19:11

Hallo zusammen

Ich hatte ja versprochen, einmal einen Blick in Wilbers Gedanken zu werfen und hier sind die ersten Ergebnisse:

1.) Ziele - Was will man mit der integralen Methode erreichen?

Im Rahmen der Verwendung des "Integralen Forums" beziehen wir uns dabei auf eine Weltsicht und Methodik, die den Anspruch hat auf der Höhe des jeweiligen Wissens- und Erkenntnisstandes ein dynamisches, und mit dem Wissensfortschritt wachsendes Erklärungsmodell für die Wirklichkeit, das Leben, den Menschen, das Sein und die Welt zu liefern.
Eine starke Behauptung. Ein hoher Anspruch. Schauen wir uns mal die Begriffe an, mit denen die interale Methode hantiert:
Bewusstsein, Entwicklung, Sein, Selbst, Haltung usw.

Alle diese Begriffe stammen bestenfalls aus der Psychologie. Sie beschäftigen sich mit dem Menschen und wie er die Welt und sich wahrnimmt. Da ich kein Psychologe bin, kann ich nicht sagen, ob diese Begriffe genuin verwendet werden und auch aus Sicht eines studierten Psychologen standhalten können.
Das wenige, was ich über Psychologie weiß, entspricht durchaus solchen Darstellungen.

Aber vor allem ist das Ganze (dazu gleich mehr) eine BESCHREIBUNG, keine Erklärung. Und schon gar keine Beschreibung der Wirklichkeit, sondern lediglich eine Beschreibung von Wahrnehmung, wie das durchaus in der Psychologie üblich ist.

Konsequenz:
Der Anspruch wird nicht nur verfehlt, es wird erst gar nicht versucht, ihn zu erreichen. Also
1.) Eine umfassende Erklärung wird erst gar nicht versucht, es wird sich alleine auf menschliche Psychologie konzentriert. Naturwissenschaft kommt gar nicht vor, andere Methodiken aus anderen Wissenschaftsbereichen werden ignoriert (auch die Philosophie), Integral ist das nicht.

2.) Es wird keine Erklärung versucht. Höchstens eine Klassifizierung, Beschreibung. Erklärungen haben etwas mit Logik zu tun, die findet sich nirgendwo.

3.) Es wird behauptet, dass dies ein wachsendes Modell ist, das auch mit zukünftigen (unbekannten) Wissenschaftsfortschritt mithalten kann. Davon kann aber keine Rede sein. Es wird so getan als kenne man alles Entwicklungen schon, als wäre nichts unbekannt. Die Theorie behauptet, genau zu wissen, wohin es geht.

Quintessenz: In der Schule würde es heißen: "6, Thema verfehlt"

2.) Begriffe und Methoden
Die integrale Methode verwendet verschiedene Ansätze, die in dem Übersichtsartikel von Fred Kofmann beschrieben sind und auch in dieser Grafik zum Ausdruck kommen.

Quadranteneinteilung:
Die Welt, die Wahrnehmung wird in zwei Gegensatzpaare aufgeteilt, so dass man vier Begriffe zur Beschreibung hat. Wilber benutzt dazu die Begriffe Innen / Außen, Individuell / Kollektiv.
Diese Art der Klassifikation ist sehr verbreitet in der Psychologie, z.B. in der Kommunikationstheorie und in der Typ-Psychologie. So ein Schema ist natürlich viel zu einfach, um alles zu beschreiben, aber komplex genug, um wesentliche Aspekte zu nennen

Allerdings wird mit dieser Methode Schindluder getrieben, wie folgendes Zitat zeigt:
Auf der Entwicklungsstufe des 2nd tier kann man alle diese Perspektiven einnehmen, weil man nicht in einer von ihnen „steckt“, d.h. mit einer von ihnen identifiziert ist.
Es ist typisch für diese Art der Quandrantenbeschreibung, dass ein Mensch IMMER eine Mischung aller dieser Aspekte ha, normalerweise mit bestimmten Schwerpunkten. In dem Zitat wird so eine - völlige Selbstverständlichkeit aller Menschen - als eine Art "Entwicklungsschritt" beschrieben, was so tut, als wäre es bereits eine Leistung, alle diese Aspekte bei sich zu finden.
Das ist nichts als Bauernfängerei, die der Verkaufsmethode "mach ihm eine Selbstverständlichkeit schmackhaft, um dann Geld für die Folgeseminare zu kassieren" entspricht. Eine Methode, die z.B. auch bei der Scientology weit verbreitet ist.

Entwicklungslinien:
Es wird ohne weitere Begründung oder Nachweis angenommen, dass Menschen sich gradlinig entwickeln. Diese gradlinige Entwicklung wird mit Farben identifiziert, damit diese behauptung eingängiger verständlich ist. Eine Visualisierung, die gut ist für den Verkauf, aber keinerlei inhaltliche Bedeutung hat.
Die Entwicklungslinien werden in verschiedene Typen klassifiziert (Ethisch, kogniotiv, spirituell, psychodynamisch,...) wieder ohne jegliche Definition oder Erklärung.
Es wird behauptet, dass egoistische Sichtweisen jeweils eine niedrige Entwicklungsstufe darstellen, während kollektive Sichtweisen eine "höheren" Entwicklungsstufe darstellen.

Begründet wird das nicht.

Es wird mit Behauptungen gearbeitet, die Implikationen sind frei erfunden und die Klassifzierung in "niedrig" und "hoch" ist willkürlich.

Bewusstseinszustände:
Wieder ohne Erklärung wird mit verschiedenen Bewusstseinszuständen gespielt, die auch wieder in Entwicklungslinien eingeteilt sind.
Ziel aller Behauptungen ist es, auf ein östliches Meditationsschema abzuzielen, d.h. dem leser weiß zu machen, dass man meditieren muss, um in die verschiedenen bewusstseinsebenen zu gelangen und sie zu kontrollieren.

Eine typische Methode der Selbsterlösung, die nebenbei noch Geld in die Taschen des Meditationsmeisters spült.

Ich will es hierbei mal belassen. Methodik und Begrifflichkeit ist typisch für diese Art der fernöstlich angehauchten Meditationspraxis, die auch bei Mun, Baghwan oder Scientologie zum Ausdruck kommen.
Es werden teilweise sinnvolle Begrifflichkeiten in sinnlosen Kontexten verwendet, um die Leute zu motivieren, sich darauf einzulassen und mit Meditationen anzufangen.

Typisch ist die Begriffsvielfalt, die bunt aufbereitet für Leute gedacht sind, die Probleme in ihrer Psyche haben. Ob das billiger oder erfolgreicher ist als das Aufsuchen eines echten Psychologen wage ich zu bezweifeln.

Thomas
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Novas
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#73 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » So 18. Jan 2015, 20:46

Hallo Thomas,ich danke Dir für deine Gedanken. Zum ersten mal in der Geschichte stehen uns das Wissen und die Einsichten der gesamten Welt zur Verfügung. Das integrale Weltbild hilft uns dabei die Essenz heraus zu schälen. So etwas gab es noch nie. Jeder, der es versucht, ist somit ein Pionier und kann einen Beitrag leisten. Das Modell hilft uns die verschiedenen Dimensionen zu erkennen und in Beziehung zu setzen.

Es bewirkt aber auch keine Wunder. Viel bringt es Dir nicht, wenn Du dich ihm nur kritisch näherst, anstatt es praktisch im Leben anzuwenden. Dafür ist es gemacht und dann macht es wirklich Sinn und Freude. Wir können spielerisch die Ich-, die Wir- und die Es-Dimension sehen und schätzen lernen. Während das Schöne "im Auge des Betrachters liegt" (eher dem Ich zugeordnet), beschäftigt sich die objektive Wissenschaft mit dem Es, den Objekten. Die Wir-Dimension thematisiert schließlich die Moral u. Ethik, das Gute. Das Ich, das Wir und das Es können wir somit der Kunst (dem Schönen), der Moral(dem Guten) und der Wissenschaft (dem Wahren) zuordnen. Das beschreibt das Quadranten Modell grundsätzlich.

Mit diesen verschiedenen Perspektiven können wir eine Entität betrachten, einen Fokus setzen. Moralisch, künstlerisch und wissenschaftlich. Der integrale Ansatz versucht keine Seite zu vernachlässigen. Sehr wesentlich ist aber auch das "Spektrum des Bewusstseins" , wie es Wilber nennt. Durch dieses können wir die verschiedenen Zustandsformen oder Ebenen des Bewusstseins anschauen.Beispielsweise der Wachzustand, der Traumzustand oder der formlose Zustand des Bewusstseins im Tiefschlaf.

Mit jedem Bewusstseinszustand erleben wir die Welt anders, gewissermaßen verschiedene Welten innerhalb der Welt. Wir kennen auch meditative, intuitive oder ekstatische Zustände. So können wir eine "Landkarte des Bewusstseins" erstellen. Künstlerisch-Kreative, spirituelle oder auch wissenschaftliche Zustände. Sie alle können uns etwas Wichtiges über das Wesen der Wirklichkeit aussagen. "All levels" .... "all states of consciousness" ... Das ganze Spektrum des Bewusstseins können wir heute durch das integrale Modell erforschen.

1. Subjektiv - in Begriffen der Ästhetik, des individuellen Selbst-Ausdrucks.
2. Im Hinblick auf die moralische Dimension.
3. Als auch wissenschaftlich-systematisch.

Das nennt Wilber AQAL ( ALL QUADRANTS ALL LEVELS). Damit haben wir ein offenes, lernfähiges Modell an der Hand, welches uns zugleich eine Gesamtschau aller wichtigen Bereiche ermöglicht. Jeder Typus menschlicher Erfahrung kann darin eingeordnet werden ...und auch gewürdigt... Auf diese Weise können wir sehr leicht die Beziehungen der verschiedenen Wissensdisziplinen sehen. Auf diese Weise dienen und inspirieren sie einander, anstatt sich gegeneinander zu richten. Wir können uns Einseitigkeit und Ignoranz nicht mehr leisten.
Wir brauchen die gesamte Aus- und Einsicht.

Die integrale Bewegung eint der Glaube, dass dies eine gute Sache ist. Danach streben wir. Wir können uns jedem Thema integral annähern, es in den größeren Horizont einweben. Jeder dieser Wege ist wahr, aber teilweise, jeder ist spezifisch wichtig und im Ganzen unerlässlich. Der integrale Rahmen zeigt uns das über geordnete Ganze ohne die Einzelheiten zu ignorieren. So kommen wir einem wirklichen Verständnis der Welt besonders nahe.

Novas
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#74 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » So 18. Jan 2015, 21:03

ThomasM hat geschrieben: Wieder ohne Erklärung wird mit verschiedenen Bewusstseinszuständen gespielt, die auch wieder in Entwicklungslinien eingeteilt sind.
Ziel aller Behauptungen ist es, auf ein östliches Meditationsschema abzuzielen, d.h. dem leser weiß zu machen, dass man meditieren muss, um in die verschiedenen bewusstseinsebenen zu gelangen und sie zu kontrollieren.

Die verschiedenen Bewusstseinszustände gibt es eben und sie lassen sich sachlich – wertneutral – unterscheiden. Ebenso gab und gibt es Meditation in allen Kulturen und Epochen. Die gesamte WEST-ÖSTLICHE WEISHEIT kennt verschiedenste Formen der Meditation und des Gebetes. Auf die gesammelte Weisheit können wir heute zurückgreifen, wenn wir das wollen.


Eine typische Methode der Selbsterlösung, die nebenbei noch Geld in die Taschen des Meditationsmeisters spült.

Auch spirituelle Menschen müssen und dürfen Geld verdienen - und was meinst Du mit "Selbsterlösung"? Wir leben, um uns selbst umfassend zu verwirklichen. Wir leben, um zu leben, und wenn wir mit mehr Bewusstheit leben, umso besser. Was spricht dagegen? Auch im Christentum gibt es den Weg der geistigen Übung, die Kontemplation. Wie die Exerzitien des Ignatius von Loyola... http://www.mystik-im-christentum.de/

Wenn das Christentum diese aber vergisst, für unwichtig hält, dann stillen die Menschen ihren spirituellen Durst eben an anderen Quellen.

Ich will es hierbei mal belassen. Methodik und Begrifflichkeit ist typisch für diese Art der fernöstlich angehauchten Meditationspraxis, die auch bei Mun, Baghwan oder Scientologie zum Ausdruck kommen.
Osho hat die Menschen zu selbstständigem Nachdenken, freier Sexualität und individueller Bewusstwerdung angeregt. Das ist wirklich eine böse Sache :lol:

JackSparrow
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#75 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von JackSparrow » Mo 19. Jan 2015, 12:27

Novalis hat geschrieben:Die verschiedenen Bewusstseinszustände gibt es eben und sie lassen sich sachlich – wertneutral – unterscheiden.
Nur nennen wir es nicht "Bewusstseinszustände", sondern "Vigilanz". Das klingt seriöser.

Auf die gesammelte Weisheit können wir heute zurückgreifen, wenn wir das wollen.
Wir nutzen aber lieber ein EEG, weil das vertrauenswürdiger ist als die Aussagen irgendwelcher indischen Esoteriker.

und wenn wir mit mehr Bewusstheit leben, umso besser. Was spricht dagegen?
Der zu erwartende Nutzen in Relation zum dafür geforderten Aufwand.

Wenn das Christentum diese aber vergisst, für unwichtig hält
Man hat es vergessen, weil es unwichtig ist und keinerlei erkennbaren Vorteil bringt, dafür aber den Nachteil von kostbarer verlorener Lebenszeit, die man woanders (Sport, Reisen, Weiterbildung, Diskothek, Bordell) sehr viel sinnvoller hätte investieren können.

ThomasM
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#76 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von ThomasM » Mo 19. Jan 2015, 12:32

Novalis hat geschrieben: Die verschiedenen Bewusstseinszustände gibt es eben und sie lassen sich sachlich – wertneutral – unterscheiden. Ebenso gab und gibt es Meditation in allen Kulturen und Epochen. Die gesamte WEST-ÖSTLICHE WEISHEIT kennt verschiedenste Formen der Meditation und des Gebetes. Auf die gesammelte Weisheit können wir heute zurückgreifen, wenn wir das wollen.
Ich bezweifle, dass es verschiedene Bewusstseinszustände gibt.
Es gibt das Bewusstsein (was schon nicht einfach festzustellen ist. Ist jemand im Koma bei Bewusstsein? Manchmal ja, manchmal nein). Es gibt Gefühle und Wahrnehmungen, es gibt die innere Vorstellungswelt.
Aber verschiedene Bewusstseinszustände? Eher nicht.

Meditation ist eine Methode, um mit sich etwas zu erreichen, zum Beispiel zur Ruhe kommen, sich auf innere Gedanken konzentrieren, Gefühle aktivieren. Meditation ist eine Methode. Diese wird in verschiedensten Zusammenhängen angewendet.
Was sie bewirkt oder bewirken kann, ist für jeden Menschen anders.

Novalis hat geschrieben: Auch spirituelle Menschen müssen und dürfen Geld verdienen
Auch Betrüger müssen und wollen Geld verdienen. Es kommt eben darauf an, was man macht und ob das ehrlich ist.

Novalis hat geschrieben: - und was meinst Du mit "Selbsterlösung"? Wir leben, um uns selbst umfassend zu verwirklichen.
Christen können sich nicht selbst erlösen, egal wie viel sie meditieren. Egal wie ihre Weltsicht ist. Weil sie wissen, dass nur Gott Erlösung bewirken kann und die wird verschenkt und kann nicht verdient werden.
Selbsterlösung ist genau das Gegenteil. Wenn ich das und das mache, dann gewinne ich das Nirwana / ewiges Glück / Erfüllung / Abwesenheit von Schmerz usw. usw. Immer muss der Mensch die Leistung vollbringen.

Novalis hat geschrieben: Wir leben, um zu leben, und wenn wir mit mehr Bewusstheit leben, umso besser. Was spricht dagegen? Auch im Christentum gibt es den Weg der geistigen Übung, die Kontemplation.
Wir leben, um zu sterben
Wir leben für andere
Wir leben...

Im Christentum ist die Kontemplation eine Möglichkeit, um Gott nahe zu sein. Es gibt viele andere Formen, eben für jeden Menschen anders. So ist die Kontemplation nicht so mein Ding, ich bin aber Gott trotzdem nahe und sein Kind.

Novalis hat geschrieben: Osho hat die Menschen zu selbstständigem Nachdenken, freier Sexualität und individueller Bewusstwerdung angeregt. Das ist wirklich eine böse Sache :lol:
Vor allem hat er sich auf Kosten anderer selbst verwirklicht. Das WAR tatsächlich eine böse Sache.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

barbara
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#77 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von barbara » Mo 19. Jan 2015, 13:23

ThomasM hat geschrieben:Ich bezweifle, dass es verschiedene Bewusstseinszustände gibt.
Es gibt das Bewusstsein (was schon nicht einfach festzustellen ist. Ist jemand im Koma bei Bewusstsein? Manchmal ja, manchmal nein). Es gibt Gefühle und Wahrnehmungen, es gibt die innere Vorstellungswelt.
Aber verschiedene Bewusstseinszustände? Eher nicht.

Natürlich gibt es unterschiedliche Bewusstseinszustände Schlafen und Wachen, um mal die alltäglichsten zu nehmen. Und dann gibt es innerhalb von Schlafen und Wachen unterschiedliche Zustände, REM-Schlaf und Tiefschlaf, oder im Wachen von gespannter voller Konzentration bis zum verträumten zum Fenster-Hinaus-Gucken, von Änderungen des Bewusstseins durch Chemikalien gar nicht zu reden. Alkohol führt zu einem andern Bewusstseinszustand als Kaffee.

Was sie bewirkt oder bewirken kann, ist für jeden Menschen anders.

jein. Nur in dem Sinne, wie eine massgeschneiderte Hose für jeden Menschen leicht anders ist, aber prinzipiell dann doch immer gleich.


Christen können sich nicht selbst erlösen, egal wie viel sie meditieren. Egal wie ihre Weltsicht ist. Weil sie wissen, dass nur Gott Erlösung bewirken kann und die wird verschenkt und kann nicht verdient werden.

Christen vergessen gelegentlich, zwischen "Ego" und "Selbst" zu unterscheiden, bzw zwischen dem, was bei Paulus "fleischlicher Mensch" und "geistiger Mensch" heisst.

ja, der fleischliche Mensch ist nicht fähig, über die Fleischlichkeit hinauszugehen, in dem Sinne ist Selbsterlösung nicht möglich.
Aber auch im Christlichen gibt es Übungen und Aktivitäten, die dabei helfen, den Fokus vom fleischlichen zum geistigen Menschen zu lenken, und das ist dann die Erlösung, und ja, dafür muss man durchaus selbst und höchstpersönlich was tun, auch wenn man noch in Fleischlichkeit steckt.

gruss, barbara

ThomasM
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#78 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von ThomasM » Mo 19. Jan 2015, 14:12

barbara hat geschrieben: Natürlich gibt es unterschiedliche Bewusstseinszustände Schlafen und Wachen, um mal die alltäglichsten zu nehmen. Und dann gibt es innerhalb von Schlafen und Wachen unterschiedliche Zustände, REM-Schlaf und Tiefschlaf, oder im Wachen von gespannter voller Konzentration bis zum verträumten zum Fenster-Hinaus-Gucken, von Änderungen des Bewusstseins durch Chemikalien gar nicht zu reden. Alkohol führt zu einem andern Bewusstseinszustand als Kaffee.
Dadurch wird der Begriff wertlos, denn dann ich bin dann in jeder Sekunde in einem anderen Zustand. Und ob mein Fenster-Hinaus-Gucken Zustand gestern derselbe ist wie heute, ist auch nicht gesagt.

Solange du Dinge wie REM Schlaf oder Tiefschlaf oder Wachsein als Bewusstseinszustand definierst, kann ich mitgehen, hier gibt es klare Messvorschriften. Also ok.

Aber der Rest ist nicht weiterführend, denn in jedem Augenblick bin ich ich und doch ein anderer als in der letzten Sekunde. Das was du dann als Bewusstseinszustand siehst ist lediglich die Momentaufnahme meines arbeitenden Gehirns.

barbara hat geschrieben: Christen vergessen gelegentlich, zwischen "Ego" und "Selbst" zu unterscheiden, bzw zwischen dem, was bei Paulus "fleischlicher Mensch" und "geistiger Mensch" heisst.

ja, der fleischliche Mensch ist nicht fähig, über die Fleischlichkeit hinauszugehen, in dem Sinne ist Selbsterlösung nicht möglich.
Aber auch im Christlichen gibt es Übungen und Aktivitäten, die dabei helfen, den Fokus vom fleischlichen zum geistigen Menschen zu lenken, und das ist dann die Erlösung, und ja, dafür muss man durchaus selbst und höchstpersönlich was tun, auch wenn man noch in Fleischlichkeit steckt.
Die Gedanken des Paulus für die fernöstliche Gedankenwelt zu vereinnahmen ist gewagt.

Paulus hing der Vorstellung an, dass die Begierden (Bedürfnisse) des Körpers einen zur Sünde führen, also zur Übertretung von Gesetzen. Die korrekte Analogie wäre also eher die des Ich und Über-Ich von Freud.
In diesem Zusammenhang merkte er, dass er zwar etwas wollte (nämlich die Gesetze einhalten), das aber nicht schaffte. Dazu kommentierte er:
"Was soll mich in dieser Situation retten, ich armseliger Mensch. Es ist das Opfer Jesu, das mich reinigt".

Er hat also mitnichten sagen wollen, dass es da einen geistlichen Menschen gäbe, auf den man sich konzentrieren müsse. Im Gegenteil. Er hat betont, dass man aus dem Dilemma nicht herauskommt, außer durch die Gnade Jesu.

Ich gebe zu, dass gerade in den Varianten des Christentums, in denen Gesetzlichkeit groß geschrieben wird, die Empfehlung besteht, bestimmte Übungen durchzuführen, um weniger dazu zu kommen, Gesetze zu brechen.
Ist ja auch ok, wer das will, darf das tun.

Nur nützen, nützen tut das nichts.

Gruß
Thomas
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#79 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von barbara » Mo 19. Jan 2015, 14:31

ThomasM hat geschrieben:Dadurch wird der Begriff wertlos, denn dann ich bin dann in jeder Sekunde in einem anderen Zustand. Und ob mein Fenster-Hinaus-Gucken Zustand gestern derselbe ist wie heute, ist auch nicht gesagt.

Schubladen werden nicht darum wertlos, weil es gewisse Beispiele gibt, die sich nicht eindeutig kategorisieren lassen, oder weil die Ränder unscharf sind.

Aber der Rest ist nicht weiterführend, denn in jedem Augenblick bin ich ich und doch ein anderer als in der letzten Sekunde. Das was du dann als Bewusstseinszustand siehst ist lediglich die Momentaufnahme meines arbeitenden Gehirns.

Man kann auch im Wachzustand einiges messen, zB die Gehirnströme (alpha, beta, delta, theta, glaub ich - warum auch immer die Buchstaben so seltsam gewählt wurden), es gibt Korrelationen mit Hormonen (zB der berühmte Adrenalinstoss), da gibt es schon sinnvolle Kategorisierungen, die für praktische Zwecke durchaus genau genug sind und brauchbar sind.

Jeder Lehrer kennt den Unterschied zwischen "konzentriertem Arbeiten" und "aus dem Fenster rausschauen" bei Schülern.


Die Gedanken des Paulus für die fernöstliche Gedankenwelt zu vereinnahmen ist gewagt.


ich vereinnahme nicht, ich lege lediglich aus, was in der Bibel steht und was Paulus immer wieder mal sagte.



Paulus hing der Vorstellung an, dass die Begierden (Bedürfnisse) des Körpers einen zur Sünde führen, also zur Übertretung von Gesetzen. Die korrekte Analogie wäre also eher die des Ich und Über-Ich von Freud.

Begierden währen wenn schon das Es, nicht das Ich.

Er hat also mitnichten sagen wollen, dass es da einen geistlichen Menschen gäbe, auf den man sich konzentrieren müsse. Im Gegenteil. Er hat betont, dass man aus dem Dilemma nicht herauskommt, außer durch die Gnade Jesu.

Er hat aber auch zahlreiche praktische Ratschläge gegeben, wie zum Beispiel, dass man heiraten soll, wenn man zu sehr sexuell brennt, oder dass Übeltäter aus der Gemeinde entfernt werden sollen, oder dass Leute, die noch schwach im Glauben sind, kein heidnisches Opferfleisch essen sollen, während jene, die im Glauben stark sind, das unbesorgt tun können, etc etc etc. Das sind alles Massnahmen, um den geistlichen Menschen hervorzulocken und dem fleischlichen Menschen Grenzen zu setzen.

Da ist er nicht anders als ein moderner Psychologe, und auch einig mit allen grossen spirituellen Traditionen der Welt, egal woher sie stammen.

Ich gebe zu, dass gerade in den Varianten des Christentums, in denen Gesetzlichkeit groß geschrieben wird, die Empfehlung besteht, bestimmte Übungen durchzuführen, um weniger dazu zu kommen, Gesetze zu brechen.
Ist ja auch ok, wer das will, darf das tun.

Nur nützen, nützen tut das nichts.

natürlich nützt es.

Wer zB nach der Regel des Benedikt in einem Kloster lebt, hat nur schon durch seine Lebensweise deutlich weniger Versuchungen, vom Fokus auf den Geist wegzugehen, als zum Beispiel der Besitzer eines Bordells, der Fleischlichkeit in allen Farben und Formen ständig um sich hat. Wobei es durchaus Leute gibt, deren Weg es ist, in die Fleischlichkeit so tief und gründlich einzutauchen, bis sie ihrer völlig überdrüssig werden, das gibt's natürlich auch.

gruss, barbara

Novas
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#80 Re: Ken Wilber: Plaedoyer fuer eine zweite Aufklärung

Beitrag von Novas » Mo 19. Jan 2015, 14:38

JackSparrow hat geschrieben:
Auf die gesammelte Weisheit können wir heute zurückgreifen, wenn wir das wollen.
Wir nutzen aber lieber ein EEG, weil das vertrauenswürdiger ist als die Aussagen irgendwelcher indischen Esoteriker.
Weisheit ist nicht „indisch“, sondern ein universell menschlicher Erfahrungsschatz. Doch es stimmt, dass die indische Kultur sehr große Verdienste in diesem Bereich gesammelt hat.

Man hat es vergessen, weil es unwichtig ist und keinerlei erkennbaren Vorteil bringt
Das ist ein blödsinniger Kommentar von Dir. Die Menschheit zerstört aus Unbewusstheit, emotionaler Negativität und Ignoranz den Planeten. All das aufgrund fehlender Weisheit.

Ich will meinen Kindern keine Wüste, sondern fruchtbare Erde hinterlassen - und natürlich höhere Werte oder Tugenden lehren. Das ist die Basis eines glücklichen Lebens und geistiger Gesundheit.

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