Magdalena61 hat geschrieben:Was hat denn DSDS mit "Obrigkeitsgläubigkeit" zu tun?
Ein willkürliches Beispiel, wie über Regeln Hierarchien geschaffen werden. - Ob der vorne dann "Dieter" heißt oder "Heidi Klum", ist egal. - Würde man ein Känguruh hinsetzen, das hinreichend offiziell autorisiert wäre, würde man es auch als Autorität ansehen. - Eigenes Urteilsvermögen wird über Regel-Strukturen ersetzt durch Hierarchien - früher im Dorf haben diese Rolle der Pfarrer, der Lehrer und der Apotheker gespielt. - Heute sind es drei andere.
Magdalena61 hat geschrieben:Abends möchte man halt ein wenig abspannen... und nicht ständig auf Hochleistungsniveau laufen
Ich kann nicht abspannen, wenn ich sehe, dass da (meist) junge Leute auf gesellschaftlichem Hochleistungsniveau regelkonform eine gute Figur abgeben müssen. - Abspannung ist für mich eher "Mr. Bean" oder "Loriot".
Magdalena61 hat geschrieben:Unterhältst du dich noch mit "einfachen Leuten"?
Ja - sehr gerne sogar. - Weil viele davon noch am wenigsten abhängig sind von der Droge "Meinungs-Gesellschaft" - zumindest auf dem Dorf. - Auch das ist Erholung: Man will überhaupt nicht in Sachen mitmischen, die man nicht versteht - man ist bei einfachen Leuten eher authentisch. - Man weiß, was man kann, und tut, was man kann. - Gilt insbesondere übrigens für geistig Behinderte, mit denen ich manchmal zu tun habe - pure Erholung. Man muss nichts erklären.
Magdalena61 hat geschrieben:Dieser Artikel Tittytainment... wirkt auf mich reichlich zynisch bis menschenverachtend.
Fand ich nicht. - Was da beschrieben wird, entspricht meines Erachtens in großem Ausmaß der nackten Realität. - Ich habe lange im Marketing gearbeitet - da hat man vor 20 Jahren schon so gedacht. - Das ist Marken-Philosophie: Panem et Circenses.
Magdalena61 hat geschrieben:Kann mir mal bitte jemand verraten, was unter "aufgeklärt" zu verstehen ist?
Kurze Antwort: inzwischen eher das Gegenteil als das, wie es einmal gemeint war.
Die Aufklärung war ja ursprünglich ein christliches Gewächs (zumindest in Europa) und sollte (vereinfacht gesagt) dazu dienen, Gott besser zu verstehen. - Aus dem "Ich glaube, also denke ich" wurde ein "Ich denke, also glaube ich". - Insofern hat auch Descartes sein Werk verstanden als "Ad maiorem Gloriam Dei" - alles zum größeren Lob Gottes. - Nun führte die Aufklärung unwillkürlich zu einer stärkeren Betonung des Ich - was durchaus ok ist (man denke an christlich-aufgeklärte Größen wie Lessing und Herder). - Aber schon vorher hat Luther erkannt, dass Aufklärung zu einer Abkopplung von Gott führen kann - deshalb seine erbitterten Briefwechsel mit Erasmus von Rotterdam und Melanchthon.
Genau dies Abkopplung ist im 19. Jh. passiert und hat sich bis in den Existenzialismus eines Jean-Paul Sartre (Gott ist tot/Erfinde Dich selbst) hineinentwickelt. - Heute gilt Aufklärung als rein säkulare Errungenschaft als Gegenmodell zum Christentum.
Noch schlimmer ist, dass unter "Aufklärung" auch das übelste Massen-Meinungs-Geschwätz subsummiert wird - spontanes Beispiel: Die gelegentlich stattfindenden Pogrome gegen herausragende Personen der Gesellschaft (wertungsfrei gemeint) laufen heute unter "Aufklärung". - Man übersieht, dass etwa die (für die Medien einträgliche!) Wulff-Kampagne psychologisch (!) nichts anderes war als eine Reichskristallnacht im Miniformat. Historisch passt dieser Vergleich nicht, aber eben psychologisch. - Aufklärung als Opium fürs Volk. - Da gehören auch demokratie-faschistische Dinge dazu wie etwa das Nichtraucher-Schutz-Gesetz in Bayern, das deshalb durchkam, weil die Menschen gemeint haben, es ginge ausschließlich um den Schutz der Nichtraucher - bis man danach gemerkt hat, dass auch nichtraucher-freie Räume wie ausgewiesene Raucherkneipen davon betroffen waren.
Insofern ist die Frage, was "Aufklärung" ist, nur nach Beantwortung der Gegenfrage beantwortbar: Wie es ursprünglich gemeint war? Oder was zum Existentenzialismus geführt hat? Oder in der Vulgata-Form der Gegenwart? - Die Antworten werden jeweils unterschiedlich sein.
Magdalena61 hat geschrieben:Die Weisheit der Alten zu verwerfen und sich im Supermarkt der Möglichkeiten ein eigenes Weltbild zusammen zu stellen, mit neuen, noch nicht bewährten Göttern, deren einseitige, unausgereifte bis kranke Lehren man übernimmt, und denen man in ihre aufgeklärte Hoffnungslosigkeit nachfolgt ... das nenne ich nicht "aufgeklärt", sondern -- unüberlegt, unklug.
Da sind wir ganz arg auf derselben Linie.