Die Früchte des Reduktionismus.

Philosophisches zum Nachdenken
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#81 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Di 23. Dez 2014, 23:26

Pluto hat geschrieben:Es sieht so aus; ist es aber nicht.
Wenn man dies zu Ende denkt, dann gibt es keine sichtbare Realität. - Nun bin ich ja auch ein Verfechter der These, dass es einen kategorialen Unterschied zwischen Wahrnehmung und Realität gibt - aber hier überholst Du mich rasant. 8-)

Pluto hat geschrieben: Wenn überhaupt dann ist der Autor der "Täter".
Moment: Aber die "Tatwaffe" ist nicht das andere Quadrat, sondern der Schatten des Zylinders - oder nicht?

Pluto hat geschrieben:Er besteht aus lauter Standbilder, die schnell hintereinander projiziert werden.
Genau das ist meine Argumentation.

Pluto hat geschrieben: der Produzent unserer Gefühle.
OK - zu Ende gedacht heisst dies: Wahrnehmungen sind prinzipiell Gefühle. - Warum wehrst Du Dich dann so gegen das Postulat der "ontologischen Differenz" zwischen Wahrnehmung und Realität?

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#82 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Mi 24. Dez 2014, 00:38

closs hat geschrieben:Nun bin ich ja auch ein Verfechter der These, dass es einen kategorialen Unterschied zwischen Wahrnehmung und Realität gibt - aber hier überholst Du mich rasant. 8-)
Es mag für dich so aussehen, weil ich mich voll als radikaler (kompromissloser) Konstruktivist sehe.
Die Realität ist da draußen. Im Normalfall bietet auch unsere Wahrnehmung ein sehr gutes Bild dieser Wirklichkeit außerhalb des Körpers. Doch bin ich mir sehr bewusst, dass unter gewissen Umständen sich unser Gehirn sehr leicht täuschen lässt (vgl. die vielen Beispiele).
Genau darum bleibe ich auch meinen Prinzipien als Skeptiker treu, und vertraue auf das was in der Realität empirisch nachvollziehbar ist.

closs hat geschrieben:Aber die "Tatwaffe" ist nicht das andere Quadrat, sondern der Schatten des Zylinders - oder nicht?
Nenne es we du willst. Der Autor hat die Zeichnung mit samt Säule und Schatten so erschaffen, um uns zu zeigen, wie leicht sich das Gehirn täuschen lässt.

closs hat geschrieben:Wahrnehmungen sind prinzipiell Gefühle. - Warum wehrst Du Dich dann so gegen das Postulat der "ontologischen Differenz" zwischen Wahrnehmung und Realität?
Wie ich schon sagte (s.o.), ich habe als Konstruktivist so wenig Vertrauen in meine eigene Wahrnehmung, dass ich (schon seit langem) nur empirisch Nachweisbares als Wissen in der Welt anerkenne.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#83 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Mi 24. Dez 2014, 00:42

Pluto hat geschrieben:Wie ich schon sagte (s.o.), ich habe als Konstruktivist so wenig Vertrauen in meine eigene Wahrnehmung, dass ich (schon seit langem) nur empirisch Nachweisbares als Wissen in der Welt anerkenne.
Da könntest Du folgendes übersehen: Wenn auch das, was Du "Realität" nennst, lediglich Instrument/Chiffre zur Erkenntnis wäre (also selbst keine Wahrheit ist), würdest Du exakt an dem Punkt aufhören, wo's eigentlich erst losgeht.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#84 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Mi 24. Dez 2014, 01:04

closs hat geschrieben:Wenn auch das, was Du "Realität" nennst, lediglich Instrument/Chiffre zur Erkenntnis wäre (also selbst keine Wahrheit ist), würdest Du exakt an dem Punkt aufhören, wo's eigentlich erst losgeht.
Genau das glaube ich nicht.

Ich höre dort auf, wo man Wahrnhemung nicht mehr veri/falsifizieren kann.
Wenn ich weiter gehe, bewege ich mich in die Welt der menschlichen Fantasie, wo zwar alles möglich ist, aber nichts mehr rational begründbar ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#85 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Mi 24. Dez 2014, 01:27

Pluto hat geschrieben:Genau das glaube ich nicht.
Das merkt man.

Pluto hat geschrieben:Ich höre dort auf, wo man Wahrnhemung nicht mehr veri/falsifizieren kann.
Genau das tust Du.

Pluto hat geschrieben:Wenn ich weiter gehe, bewege ich mich in die Welt der menschlichen Fantasie, wo zwar alles möglich ist, aber nichts mehr rational begründbar ist.
Prinzipiell richtig. - Das Wort "Fantasie" ist dabei irreführend, weil man damit nicht dem Umstand Rechnung trägt, dass man "finden" könnte (und nicht "er-finden" - Fantasie klingt zu sehr nach "er-finden" - das ist präjudizierend).

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#86 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Mi 24. Dez 2014, 06:54

closs hat geschrieben:Prinzipiell richtig. - Das Wort "Fantasie" ist dabei irreführend, weil man damit nicht dem Umstand Rechnung trägt, dass man "finden" könnte (und nicht "er-finden" - Fantasie klingt zu sehr nach "er-finden" - das ist präjudizierend).

Wie auch immer, ab dem Bereich, wo nichts mehr überprüft werden kann, kommt man sehr schnell in die Gefilde des Aberglaubens und der unbewußten Selbsttäuschung.


Im folgenden ein Beispiel, wie unser Gehirn sich weigert, das Gesehene als korrekt anzuerkennen. Denn aus Erfahrung weiß es natürlich, daß eine Kugel nicht gegen die Schwerkraft bergauf rollen kann.




Im Falle des Schachbrettes interpretiert das Gehirn Felder mit gleichem Helligkeitswert als Felder mit sehr unterschiedlichen Grauwerten.
Die Illusion funktioniert aber auch mit geometrische Figuren, die gleich sind, aber in einem anderen Kontext völlig anders wahrgenommen werden.

[youtube]02zRbi6SdXU&list=PLE96A7098BA8DC1C1&index=10[/youtube]

Fazit: das menschliche Gehirn ist eine Spitzenleistung der Evolution, aber es ist nicht perfekt und auch fehleranfällig in bestimmten Situationen. Unsere Wahrnehmung läßt sich täuschen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#87 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Mi 24. Dez 2014, 09:47

closs hat geschrieben:Das Wort "Fantasie" ist dabei irreführend, weil man damit nicht dem Umstand Rechnung trägt, dass man "finden" könnte (und nicht "er-finden" - Fantasie klingt zu sehr nach "er-finden" - das ist präjudizierend).
Wie würdest du es nennen, ohne damit nicht der Anschein erweckt wird, dass es sich auf demselben Niveau wie Nachweisbares Wissen bewegt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#88 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Mi 24. Dez 2014, 10:17

sven23 hat geschrieben:Fazit: das menschliche Gehirn ist eine Spitzenleistung der Evolution, aber es ist nicht perfekt und auch fehleranfällig in bestimmten Situationen. Unsere Wahrnehmung läßt sich täuschen.
Ja - und ich weiss jetzt möglicherweise, wo der Hase im Pfeffer liegt:

Das Gehirn ist - wie Du selbst sagst - in der Regel in der Lage, komplexe Wahrnehmungen richtig zu interpretieren - manipuliert man es bewusst im Wissen um seine Arbeitsweise, erbringt es Fehlleistungen. Das heisst: Man kann den Sinn des Gehirns situativ aushebeln - daraus schließt man dann, dass die reduktive Annäherung an das Objekt die bessere sein. - Klingt logisch.

All das fällt jedoch zusammen wie ein Kartenhaus, wenn man umgekehrt setzt, dass nicht die reduktiv fassbare Welt der Maßstab ist, sondern die eigene "con-scientia" (Mit-Wissen, Erkenntnis, etc.) - mit anderen Worten: Der Mensch ist nicht deshalb primär im Dasein, um die Natur zu erkennen, sondern um umgekehrt mithilfe der Natur sich und Gott zu erkennen. - Oder noch härter formuliert: Wäre der sogenannte "Sündenfall" nicht nötig, hätte man keine naturalistische Welt gebraucht.

Nun ist es aber so, wie ist: Wir sind im Dasein/in der naturalistischen Welt. - Nun hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man vermisst die Welt reduktiv und interessiert sich für nichts, was nicht vermessbar ist. - Oder man interessiert sich (bei anderer Setzung) für die Existenz des Menschen an sich und deren Woher und Wohin - dann wird man nur so viel vermessen, wie man braucht.

Insofern sind optische Täuschungen nur deshalb möglich, weil der Mensch etwas konstruiert, was in Bezug auf den eigentlichen Zweck des Menschen nicht vorkommt (das Gestell des Japaners ist eine brillante Menschen-Leistung, aber keine Leistung der Natur). Es handelte also um eine Täuschung den Menschen und dessen Lebenssinn gegenüber.

Wir sprechen also von zwei Weltanschauungen mit diametralen Grundlagen: Der eine versteht die Vermessung der Welt als Aufklärung - der andere versteht geistige Erkenntnis als Aufklärung. - Im ersten Fall spricht die Missinterpretation konstruierter Situationen durch das Gehirn für das Primat der Vermessung - im zweiten Fall gilt die Konstruktion von Täuschungen als brillante Ablenkung vom eigentlichen Sinn der menschlichen Existenz.

Diese Gegenüberstellung wird man sicherlich differenzieren müssen: Aber eines scheint klar zu sein - hier prallen zwei vollkommen unterschiedliche Bilder aufeinander in Bezug auf den Sinn des Menschen.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#89 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Mi 24. Dez 2014, 10:21

Pluto hat geschrieben:Wie würdest du es nennen, ohne damit nicht der Anschein erweckt wird, dass es sich auf demselben Niveau wie Nachweisbares Wissen bewegt.
Es handelt sich dabei um zwei komplett unterschiedliche Wege, das zu eschließen, was der Fall ist/sein könnte. - Auf beidem Weg findet man (und er-findet nicht - wenn man es richtig macht).

Auf die selbe Ebene würde ich es NICHT setzen - denn es ist ein Unterschied, ob man als Mann ein Frau vermisst oder erkennt.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#90 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Mi 24. Dez 2014, 11:36

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie würdest du es nennen, ohne damit nicht der Anschein erweckt wird, dass es sich auf demselben Niveau wie nachweisbares Wissen bewegt.
Es handelt sich dabei um zwei komplett unterschiedliche Wege, das zu eschließen, was der Fall ist/sein könnte.
"Was der Fall sein könnte" ist nur eine andere Bezeichnung für unerforscht oder noch unbekannt. Vielleicht werden wir eines Tages den "Fall" in dieser Welt ergünden und auch nachweisen können. Wenn nicht, dann nicht.
Was darüber hinaus geht, ist "nicht von dieser Welt". Das können wir niemals wissen. Deshalb muss Vieles von dem was sein könnte, in den Raum der menschlichen Vorstellung verbannt werden. Der Rest wird sich erforschen und nachweisen können.

Du selbst hast an anderer Stelle, etwas sehr Ähnliches geschrieben:
[u][b]closs[/b][/u] hat geschrieben:Was zwischen dem einzelnen Menschen und Gott läuft, geht eh keinen etwas an - wir wissen GAR nichts - egal, was jemand vor 2 Jahren gesagt oder nicht gesagt hat.
:thumbup:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Antworten