Gottes Langmut

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sven23
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#131 Re: Gottes Langmut

Beitrag von sven23 » Mo 22. Dez 2014, 12:40

closs hat geschrieben:Intellektuelle Köpfe gibt es genug - ich sprach von geistigen Köpfen.

Siehst du da einen Widerspruch? :lol:


closs hat geschrieben: Bereits in den nächsten Generationen sehe ich via "Schwarm-Intelligenz" Tendenzen, die Gegengewicht zu reduktionistischen/materialistischen Weltbildern werden könnten - geistiger Instinkt wächst immer wieder nach. - Insofern Zustimmung zu Deinem Optimismus.

Ich sehe eher Tendenzen zu immer mehr Esoterik. Das macht mir Sorge.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#132 Re: Gottes Langmut

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 12:43

sven23 hat geschrieben:Siehst du da einen Widerspruch?
Du etwa nicht?

sven23 hat geschrieben:Ich sehe eher Tendenzen zu immer mehr Esoterik.
Beim "normalen" Volk gibt es das so gut wie nicht - ich meine etwas anderes. - Lass Dich nicht von irgendwelchen Hartz-Sendern täuschen.

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sven23
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#133 Re: Gottes Langmut

Beitrag von sven23 » Mo 22. Dez 2014, 13:00

closs hat geschrieben:Du etwa nicht?

Du meinst, Intellekt und Spiritualität schließen sich aus?


closs hat geschrieben: Beim "normalen" Volk gibt es das so gut wie nicht - ich meine etwas anderes. - Lass Dich nicht von irgendwelchen Hartz-Sendern täuschen.

Wer ist das "normale" Volk. Ich sehe die Esoterik eher in einer saturierten Mittelschicht, daneben aber auch viel Aberglaube in allen Schichten.
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Rembremerding
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#134 Re: Gottes Langmut

Beitrag von Rembremerding » Mo 22. Dez 2014, 13:19

closs hat geschrieben: In Deinem Sprachgebrauch KÖNNTE man jetzt sagen: "Aha - da hat sich jemand für Liebe entschieden". - Dann würde ich antworten: "Jein - eigentlich habe ich mich für einen göttlichen Sinn entschieden, und damit kann man sich auch für Leid entscheiden". - Dann fragt der Nächste: "Was hat das mit 'Liebe' zu tun?" - Und schon sind wir wieder im Sprach-Ragout.

Aus meiner Sicht ist man begnadet oder nicht, einen göttlichen Sinn zu erkennen und folgt dem, so weit man es kann (man kann es erfahrungsgemäß nicht immer). Das Entscheidende dabei scheint mir zu sein, dass man merkt, wenn man es nicht schafft und somit überhaupt in der Lage ist, darunter zu leiden. - Dieses Leid wiederum hilft, den Weg zum göttlichen Sinn leichter wiederzufinden, weil dann das Leiden weniger wird.

Insofern ist MEINE entscheidende heilsgeschichtliche Frage: Wann ist der Mensch (ontogenetisch) so weit, dass er die Liebe Gottes erkennen und dadurch wollen KANN.
In der Tat bin ich weitaus optimistischer, was die Eigenschaften und Vorzüge des Menschen betreffen. Gott machte ihn sehr gut und alles nur darauf zu schieben, dass der Mensch nicht fähig ist zu erkennen, wirkt für mich als Ent-Schuldigung auf Kosten Gottes.
Im übrigen: Zustimmung, Leid und Liebe gehören zusammen. Der Herr hat dies uns am Kreuz eindrücklich in aller Radikalität gezeigt und bewiesen.
Ich will mal den Atheisten Satre mit einem Zitat aus dem Theaterstück Barjona (übrigens für eine Weinachtsfeier geschrieben) zu Wort kommen lassen:
"Wenn Gott Mensch würde für mich, dann würde ich ihn lieben, ihn ganz allein. Dann wären Bande zwischen ihm und mir, und für das Danken reichten alle Wege meines Lebens nicht; ein Gott, der Mensch würde aus unserem liebenswerten, elenden Fleisch, ein Gott, der das Leid auf sich nähme, das ich heute leide. Ja, wenn Gott Mensch würde für mich, dann würde ich ihn lieben."
Die Antwort, die Sartre zwar im Konjunktiv gibt, hat das Eigentliche erfasst, denn wenn Gott Mensch wird, wenn das ewige Wort des Vaters Fleisch wird, dann wäre menschliche Liebe richtig eigentlich nur dies eine, Gottesliebe. Die Pflicht des Menschen wäre dann Hoffnung. Selbst unser Tod, das Leid und unsere Dunkelheit wären von der Freude und dem Licht überstrahlt.
Du wirst sagen: Satre hat dies nicht erkannt, weshalb er Atheist blieb. Ich sage: Er hat die Wahrheit erkannt, aber nicht gewollt, bewusst nieder gehalten, denn sein Fleisch war ihm näher als sein Geist. Er hat bewusst das Ewige verschmäht, um das Begrenzte zu leben.

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#135 Re: Gottes Langmut

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 13:19

sven23 hat geschrieben:Du meinst, Intellekt und Spiritualität schließen sich aus?
Das nicht - aber sie sind kategorial unterschiedlich.

sven23 hat geschrieben: viel Aberglaube in allen Schichten.
Klar gibt es irgendwelche Leute, die Amulette oder Sterne glauben - aber ich halte das für eine kleine Gruppe.

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#136 Re: Gottes Langmut

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 13:53

Rembremerding hat geschrieben:Gott machte ihn sehr gut
Durchaus Zustimmung - aber eben im Potentialis.

Für Dich scheint Adam als fertiger bewusster Mensch geschaffen worden sein - für mich ist er geschaffen als "Bewusstseins-Embryo", dessen geistige Anlagen erst entwickelt werden müssen - und das geht eben erst NACH dem "Sündenfall".

Rembremerding hat geschrieben: Sartre ... hat das Eigentliche erfasst
Bei genialen Atheisten findet man das öfter - sie begreifen das Christentum substantieller als die meisten Christen.

Rembremerding hat geschrieben: Ich sage: Er hat die Wahrheit erkannt, aber nicht gewollt
Einspruch: Er hat ein "Was-wäre-wenn" erkannt, das sich ihm nicht so offenbart, dass er es glauben könnte.

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#137 Re: Gottes Langmut

Beitrag von Rembremerding » Mo 22. Dez 2014, 14:19

closs hat geschrieben: Für Dich scheint Adam als fertiger bewusster Mensch geschaffen worden sein - für mich ist er geschaffen als "Bewusstseins-Embryo", dessen geistige Anlagen erst entwickelt werden müssen - und das geht eben erst NACH dem "Sündenfall".

Einspruch: Sartre hat ein "Was-wäre-wenn" erkannt, das sich ihm nicht so offenbart, dass er es glauben könnte.
Adam ist als bewusster Mensch geschaffen worden, der in der Welt der Dialektik einüben muss, dass die von Gott gegebene Liebe nicht ihm allein gehört.
Für Dich ist Adam ein umbewusster Embryo (eine Sockenpuppe Gottes), der erst erkennen muss um zu lieben. Dadurch wird ihm alles entschuldbar, selbst die Sünde. In diesem Sinn ist die AV für Dich tatsächlich folgerichtig.

Man sollte Menschen nicht unterschätzen. Ihr Verstand (siehe Satre) ist durchaus fähig die Wahrheit zu erkennen, aber ihr Fleisch hält diese Wahrheit nieder.
Das erkenne ich an weitaus dümmeren Menschen wie mich ebenso: Man handelt, spricht oder denkt, obwohl man weiß (erkannt hat), dass es falsch ist.
Merke: Weisheit ist zur Erkenntnis nicht nötig, aber die Liebe zur Wahrheit!

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Andreas
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#138 Re: Gottes Langmut

Beitrag von Andreas » Mo 22. Dez 2014, 14:58

closs hat geschrieben:Insofern ist MEINE entscheidende heilsgeschichtliche Frage: Wann ist der Mensch (ontogenetisch) so weit, dass er die Liebe Gottes erkennen und dadurch wollen KANN.
Am siebten Tag. Ich denke, dass erst da die Schöpfung des Menschen abgeschlossen sein wird. Wenn man Gen 2 und 3 als am sechsten Tag stattfindend auffasst, geht es in Gen 4 direkt weiter. Gott ist im ganzen Rest der Bibel am werkeln, für den 7. Tag ist da nirgends eine passende Lücke zu finden. Außerdem halte ich es für unwahrscheinlich, dass es für Gott "mehrere Wochen" geben sollte - in seiner Überzeitlichkeit.

Hinweise aus dem NT:
Da ist mir kürzlich etwas Erstaunliches im Evangelium nach Markus aufgefallen:
mk 9,1-2 hat geschrieben:Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie gesehen haben, dass das Reich Gottes in (seiner ganzen) Macht gekommen ist.

Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt;
Bei Matthäus ist es das selbe und bei Lukas steht:
Etwa acht Tage nach diesen Reden nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten.
Also 6 Tage danach und "etwa 8 Tage nach" - da drängt sich einem doch "der 7. Tag" geradezu auf! Vor allem wenn man bedenkt, dass an allen Stellen im Kontext kein anderer zeitlicher Fixpunkt auszumachen ist, als das Sehen des Reiches Gottes.

Könnte das so eine Stelle sein?
closs hat geschrieben:Ich auch - aber auch das ist ein Motiv, das mir in der Bibel schon oft begegnet ist: Ein Akteur/ein Verfasser sagt etwas und beweist einen Satz oder einige Absätze später, dass er selbst nicht kapiert hat, was er da gerade gesagt hat. - Das ist übrigens der Punkt, an dem ich konkret von "göttlicher Inspiration" sprechen würde: Dem Menschen wird etwas in den Mund gelegt, was dieser selber nicht kapiert.
Oder meinst du, dass das bewusste Absicht ist?

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#139 Re: Gottes Langmut

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 15:00

Rembremerding hat geschrieben:Für Dich ist Adam ein umbewusster Embryo (eine Sockenpuppe Gottes), der erst erkennen muss um zu lieben.
Bis auf die "Sockenpuppe" sehe ich das so - "Sockenpuppe" deshalb nicht, weil diese im Gegensatz zu Adam kein Erkenntnis-Potential hat.

Rembremerding hat geschrieben: Dadurch wird ihm alles entschuldbar, selbst die Sünde.
Nein - auch Adam ist schuldig. - Hier liegt der Unterschied zwischen uns darin, dass Du "Schuld" als delikt-fähige Handlung des Menschen zu verstehen scheinst, währenddessen ich darin ein objektives Attribut des Menschen sehe - dasselbe gilt dann natürlich auch für Sünde.

Überm Daumen habe ich das Gefühl. dass die Menschen (nicht Gott!) die Delikt-Fähigkeit eingeführt haben zur Pflege ihres Ichs - und gegen das gott-gewollte Wesen des Menschen. - Da scheint mir der eigentliche Hund begraben zu sein.

Rembremerding hat geschrieben: Ihr Verstand (siehe Satre) ist durchaus fähig die Wahrheit zu erkennen, aber ihr Fleisch hält diese Wahrheit nieder.
Das würde aus meiner Sicht zum nächsten Thema führen - nämlich zu dem, was man "Besetztheit" oder "BEsessenheit" nennen könnte - die Überlagerung des gottgewollten Wesens durch "das Andere" - das was "hindert" (der "Hinderer"!!!).

Ich glaube nach wie vor, dass man masochistisch sein müsste (was ja auch eine Be-"Hinderung" wäre), um sich gegen etwas zu entscheiden, was man erkannt hat. - Dass dann immer noch das Fleisch ab und zu schwach sein kann, räumst Du ja auch ein - aber darum geht es hier ja nicht, hier geht es um den Grundsatz.

Rembremerding hat geschrieben:Weisheit ist zur Erkenntnis nicht nötig, aber die Liebe zur Wahrheit!
Die hatten, wie ich fest glaube, auch Sarte und Nietzsche - aber je mehr der Mensch sieht, desto bedrohter ist er.

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#140 Re: Gottes Langmut

Beitrag von Rembremerding » Mo 22. Dez 2014, 15:21

closs hat geschrieben: Überm Daumen habe ich das Gefühl. dass die Menschen (nicht Gott!) die Delikt-Fähigkeit eingeführt haben zur Pflege ihres Ichs - und gegen das gott-gewollte Wesen des Menschen. - Da scheint mir der eigentliche Hund begraben zu sein.
Und da sehe ich Deine objektive Schuldfähigkeit des Menschen erst als menschliches Konstrukt: Das klingt schon fast wie Dawkins: "We're all Dancing to our DNA". Demnach wäre eine Gesetzgebung im Grunde zutiefst ungerecht.
Und eigentlich wird dieses von Dir postulierte objektive Attribut des Menschen von Schuld und Sünde ihm auch zum Hindernis zur Heiligkeit werden, gerade in unserer Zeit: Eine subjektive, persönliche Schuld und Sünde gibt es nicht, alles kann durch die von Gott dem Menschen gegebene Kreativität wegerklärt werden, meinst Du nicht?.

Objektive Erkenntnis wird so zu einem subjektiven beliebigen Vorgang, dessen Ausgang im Grunde irrelevant ist, denn niemand ist schuldig.

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