Kann Gott schuldig sein?

Rund um Bibel und Glaube
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sven23
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#211 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von sven23 » Sa 22. Nov 2014, 20:10

Andreas hat geschrieben:Aber gerade das tust doch hier fortwährend. Das mit dem Glauben funktionert doch in der Regel nur "voraus eilend". Hast du in der Zeit, dann hast du in der Not. Wir sind doch alle potentiell Leidende. Jeder kann in diese Situation kommen. Wenn wir mal davon ausgehen, dass es tatsächlich keinen Gott gibt: Ich frage mich, ob die "Wahrheit" wirklich das höhere Gut ist.

Das wäre aber nicht meine Absicht. Ich gehe eigentlich davon aus, daß man hier nicht mit extem leidenden Menschen diskutiert. Zukünftiges Leid kann man natürlich nicht vorhersehen, aber da ist was dran: wenn der Placebo Effekt wirken soll, muß man dran glauben.
Wenn man aber mal zu der Erkenntnis gelangt ist, daß Gott eine Projektion des Menschen ist, also nur in dessen Vorstellung existiert, dann gibt es kein zurück mehr. Man kann diese Erkenntnis gegenüber sich selbst nicht zurücknehmen, das wäre Selbstbetrug. Auch um den Preis, daß man sich eines Heilsversprechens beraubt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Bastler
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#212 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von Bastler » Sa 22. Nov 2014, 20:14

sven23 hat geschrieben:Marx, Feuerbach und Freud erkannten in Gott eine Projektionsfläche für den ersehnten Schutz des Menschen vor dem Leid.
Man könnte fast denken, dass Marx, Feuerbach und Freud tatsächlich dieses Sehnen nach Schutz anerkannten.
Und dann fängt der Mensch eben an zu projizieren.
Das kann man als Fehlleistung interpretieren. Wenn man will.
Ich halte diese Projektionsneigung dagegen für einen der wichtigsten Hinweise auf Gott.
Da hat uns Gott eine Neigung eingebaut, damit wir nach ihm suchen. Energiespender dieser Neigung ist das Sehnen nach einem Schutz, den die Welt nicht in der erwünschten Qualität geben kann.

Dieses "Einbauen" geschah meiner Meinung nach 100% mit natürlichen Mitteln - evolutiv.
Je mehr sich ein Lebewesen bewusst wird, dass es diesen Schutz durch weltliche Mechanismen nicht geben kann (weil der Wunsch nach Schutz über alles irdisch realisierbare Maß hinausgeht), desto mehr wird so ein Lebewesen dann in eine andere Richtung suchen. Die Natur zwingt sich sozusagen selbst, über sich hinauszudenken. Phänomenal!

Gewiss. Man kann das als Fehlleistung interpretieren. Als Fehlleistung erbrächte sie dann eben nur irreale Vorstellungen, die es gar nicht wirklich gibt.
Betrachtet man es aber nicht als Fehlleistung, dann erkennt man, dass man auf die Suche nach etwas geschickt ist, das über die Welt (mit ihren begrenzten Möglichkeiten) hinausgeht.

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Münek
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#213 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von Münek » Sa 22. Nov 2014, 20:15

Catholic hat geschrieben:Gott war auch zur Zeit Luthers nicht grausam,sondern allenfalls das Gottesbild,das manche Zeitgenossen hatten.

Wieso GottesBILD mancher Zeitgenossen Luthers?

Die unmenschlichen Gräueltaten Gottes sind im "Alten Testament", d.h.
im "Wort Gottes" selbst mehr als hinreichend dokumentiert worden. Wie-
so blendest Du das aus?

Ignoriere nicht die unmissverständliche Eigenaussage Jahwes in Jesa-
ja 45,7:

"...der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden
gebe und schaffe UNHEIL. Ich bin der Herr, der dies alles bewirkt."


Nix Gottesbild von Luthers Zeitgenossen! Gottesbild der Bibel selbst! Im
Verdrängen unliebsamer Tatsachen seid Ihr Gottesgläubigen WELTMEISTER,
einsame Spitze... :clap: :clap: :clap:

closs
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#214 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von closs » Sa 22. Nov 2014, 20:45

Münek hat geschrieben:Jesaja 45,7:"...der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe UNHEIL. Ich bin der Herr, der dies alles bewirkt."
Das korrespondiert mit Deut. 8,3f/Buber:

"Er beugte Dich, er hungerte Dich ab,
Er ließ Dich das Manna essen, dass Du nicht kanntest ...
Damit er Dir zu kennen gebe:
Nicht vom Brot allein lebt der Mensch"

Not ("Unheil") wird hier als Katalysator verstanden zur geistigen -Heils-Erkenntnis. - Das muss man nicht gut finden, aber es erklärt die Hintergründe.

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Münek
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#215 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von Münek » Sa 22. Nov 2014, 21:22

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Diese Bibelstelle hat doch nix mit der Evolution zu tun.
Sie ist aber ein Hinweis darauf, dass die Natur sich selber schafft, nachdem sie primär geschaffen wurde. - Mit anderen Worten: Es gibt sogar biblisch den Hinweis, dass Natur-Entwicklung autonom ist. - Babys werden von der Natur geboren - Babys werden NICHT nach Bestellung und 10 Vaterunser vom Storch gebracht.

Es wäre auch äußerst merkwürdig gewesen, wenn dem Verfasser des Schöpfungs-
berichts
die Tatsache entgangen wäre, dass sich Lebewesen fortpflanzen.

Dass es "sogar" einen "biblischen Hinweis" darüber gibt, ist etwas, was eigentlich
nicht besonders betont werden müsste, wie Du es seltsamerweise tust.

Eine besondere "göttliche Offenbarung" liegt im Genesisbericht gewiss nicht vor - im Gegenteil.

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#216 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von Hemul » Sa 22. Nov 2014, 21:29

Münek hat geschrieben: Wieso GottesBILD mancher Zeitgenossen Luthers?
Die unmenschlichen Gräueltaten Gottes sind im "Alten Testament", d.h.
im "Wort Gottes" selbst mehr als hinreichend dokumentiert worden. Wie-
so blendest Du das aus?
Ignoriere nicht die unmissverständliche Eigenaussage Jahwes in Jesa-
ja 45,7:
"...der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden
gebe und schaffe UNHEIL. Ich bin der Herr, der dies alles bewirkt."

Was willste damit denn beweisen? :roll: Schau wie eine andere Bibelübersetzung Jesaja 45:7 wiedergibt:
7 Ich bilde das Licht und schaffe die Finsternis; ich wirke den Frieden, und auch das Unglück lasse ich kommen. Ich bin der Herr, dies alles vollbringe ich.
Klar lässt Gott das Unglück über Unbelehrbare kommen, was hättest du denn anderes gedacht? :roll: Friede Freude Eierkuchen musste ganz wo anders suchen. ;)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

closs
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#217 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von closs » Sa 22. Nov 2014, 21:51

Münek hat geschrieben:Dass es "sogar" einen "biblischen Hinweis" darüber gibt, ist etwas, was eig
Münek hat geschrieben:Dass es "sogar" einen "biblischen Hinweis" darüber gibt, ist etwas, was eigentlich nicht besonders betont werden müsste, wie Du es seltsamerweise tust.
Das war eine Replik auf eine Bemerkung von Dir - als wüsste die Bibel nicht, dass die Natur nach gegebenen Gesetzen autonom funktioniert. - Insofern ist das eine Grundlage, die mit dem, was sich später ET nennt, kompatibel ist - was ja gerne bestritten wird.

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Münek
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#218 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von Münek » Sa 22. Nov 2014, 22:02

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jesaja 45,7:"...der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe UNHEIL. Ich bin der Herr, der dies alles bewirkt."
Das korrespondiert mit Deut. 8,3f/Buber:

"Er beugte Dich, er hungerte Dich ab,
Er ließ Dich das Manna essen, dass Du nicht kanntest ...
Damit er Dir zu kennen gebe:
Nicht vom Brot allein lebt der Mensch"

Not ("Unheil") wird hier als Katalysator verstanden zur geistigen -Heils-Erkenntnis. - Das muss man nicht gut finden, aber es erklärt die Hintergründe.

Nee Kurt, da korrespondiert nichts.

Wir sprechen hier gerade vom "grausamen Gottesbild", welches Milliarden Menschen
durch das "Alte Testament" zwar vermittelt, in den Predigten aber immer verschwie-
gen
wird. Warum wohl? Darüber solltest Du mal ernsthaft nachdenken!

Im Übrigen ist mit dem im Jesajatext gebrauchten Wort "UNHEIL" nicht nur "schnöde
Not", sondern Gottes despotische Macht gemeint, willkürlich Böses zu bewirken. Gott
selbst brüstet sich damit. Und dass er in alter Zeit von seiner Macht willkürlich und un-
heilvoll
Gebrauch machte, ist doch nun wirklich hinreichend in der "Hebräischen Bibel"
dokumentiert.

Da gibt es nichts schönzureden. Da ist einfach mal Ehrlichkeit angesagt! Aber mit die-
ser eigentlich selbstverständlichen Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit tun sich viele
Gläubige sehr, sehr schwer.

Unglaublich, dieses verbale Herumgeeiere!

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#219 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von closs » Sa 22. Nov 2014, 22:23

Münek hat geschrieben: Da ist einfach mal Ehrlichkeit angesagt!
Es ist in der Tat richtig, dass man in der Bibel nicht immer sicher sein kann, wer spricht, wenn es heisst: "Und Gott sprach". - Das wird besonders deutlich in den Büchern der Geschichte, bei denen oft genug Interessen des Auftraggebers des Textverfassers durchblinken. - Insofern komme ich AUCH nicht mit jedem Bibelzitat zurecht.

Allerdings deute ich jedes Bibelzitat so, als wäre es göttlich gemeint - WAS also könnte im Namen der Wahrheit/des Geistes gemeint sein, wenn ein Vers x dasteht.

Der von Dir zitierte Vers erinnert mich in der Tat an das Grundmotiv des AT, dass der Mensch nur durch Not zur Besinnung kommen kann - das von mir gebrachte Zitat Deut. 8,3f, Babel, Noah - und jetzt Deines. - Dein Zitat würde ich interpretieren mit:

"So wie ich, Gott, bei Babel und Noah den Reset-Knopf gedrückt habe, wenn es wieder einmal zu tolle war, so werde ich auch in Zukunft Finsternis schaffen, damit Ihr mal kapiert, was überhaupt Licht ist".

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Bastler
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#220 Re: Kann Gott schuldig sein?

Beitrag von Bastler » Sa 22. Nov 2014, 22:50

Münek hat geschrieben:Wir sprechen hier gerade vom "grausamen Gottesbild", welches Milliarden Menschen
durch das "Alte Testament" zwar vermittelt, in den Predigten aber immer verschwie-
gen
wird. Warum wohl? Darüber solltest Du mal ernsthaft nachdenken!

Ein Vivat den Predigern!
Und auch noch von Dir, lieber Münek!

Diese Prediger haben da offensichtlich was verstanden.
Denn in der Tat: In der Bibel (und keineswegs nur im AT) gibt es grausame Gottesbilder zu Hauf.
Aber zum einen differieren natürlich die Ansichten darüber, welche dieser Gottesbilder wirklich grausam sind, und welche nicht.
Wir zwei beide sind da wohl auch nicht immer einer Meinung.

Zum anderen ist die Bibel ein Buch mit tausend Gottesbildern.
Tausend Menschen haben nach einem Gottesbild gesucht, an dem sie sich ausrichten können.
Die weisen Prediger sortieren da anscheinend:
Einige dieser Gottesbilder halten sie weder für sich gut, noch für die Gemeinde, der sie predigen.
Und da es in der Bibel zu fast jedem Gottesbild auch ein gegenteiliges Gegenstück gibt,
klappt das mit dem Sortieren doch ganz gut.

Diese Prediger verschweigen den Mist (ihrer Ansicht nach),
den die Menschen heute nicht mehr brauchen,
der sie womöglich sogar schädigen oder verführen oder sinnlos beängstigen würde.

Ich frage mich, ob das in jedem Falle gut ist.
Vielleicht hängt es von dem Einschätzungsvermögen des jeweiligen Predigers ab.

Zu rosarote Predigten mit lauter niedlichen Gottesbildern wären ja auch schlecht.
Sie würden nicht zu unserer Welt und zu unserem Leben passen -
denn in unserer Welt und in unserem Leben gibt es doch genug Grausamkeit.
Mit einem allzu lieblichen Gottesbild
steht man dann fassungslos vor den Katastrophen dieser Welt
und kann sich nur noch fragen,
wie ein lieber, lieber Gott
so was zulassen kann.
Und mit dem allzu lieblichen Gottesbild
kann man solche Fragen nicht einmal angehen.
Am Besten: Man lässt nicht nur alles Furchtbare an Gott weg,
sondern auch noch alles Furchtbare, was in der Welt geschieht.

Aber diese Friede-, Freude- und Eierkuchentaktik
ist langweilig und wenig glaubwürdig.

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