Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Rund um Bibel und Glaube
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Savonlinna
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#51 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Savonlinna » So 9. Nov 2014, 22:05

closs hat geschrieben:Kant hat etwas ähnliches gesagt - er habe die Vernunft an ihr Ende getrieben, um Platz für den Glauben zu haben.
Möglicherweise - oder vielleicht wahrscheinlich - hat Goethe mit "Glaube" etwas anderes gemeint als Kant. Aus dem Brief wird das nicht so deutlich.

Pluto
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#52 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Pluto » So 9. Nov 2014, 23:32

closs hat geschrieben:Kant hat etwas ähnliches gesagt - er habe die Vernunft an ihr Ende getrieben, um Platz für den Glauben zu haben.
In seiner "Kritik der reinen Vernunft" schrieb Kant: Ich mußte also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen...
[ Quelle ]

Damit meinte er vermutlich den Glauben an die Vernunft. Sein Glaube an Gott wird davon nicht berührt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#53 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von closs » Mo 10. Nov 2014, 00:48

Pluto hat geschrieben:Damit meinte er vermutlich den Glauben an die Vernunft.
Würde dieser Satz dann noch Sinn machen? - Man hebt Wissen auf, um Platz für (seinen Glauben an die) Vernunft zu haben?

Was oft übersehen wird: Kant hat sich immer als Metaphysiker verstanden. - Wenn man so will, hat er als Aufklärer erst mal Ordnung gebracht in die Gegenstände der Vernunft (also das, womit sich Vernunft beschäftigt), war sich aber auch darüber klar, dass die Vernunft selbst NICHT Gegenstand der Venunft ist - wenn man so will, hat er auf diese Weise die Begriffe von "Res cogitans" und "Res extensa" aufgenommen.

Noch mehr: In seiner Schrift "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" (Achtung: Er bezieht Nicht-Falsifizierbares ausdrücklich innerhalb der reinen Vernunft ein!!) sagt Kant, dass das Christentum die einzige moralisch vollkommene Religion sei - UND dass es einen Sieg des guten Prinzips (also nix da mit "gut = subjektiv") über das böse Prinzip gäbe und die Gründung eines Reichs Gottes auf Erden - was ich jetzt persönlich wieder anders sehe - aber egal, es geht hier um Kant, den man aus meiner Sicht nicht mit Einzelzitaten in den Vernunft-Entwurf des agnostisch-materialistischen 21. Jh. einspannen kann. - Oder kürzer: Der holistische Vernunft-Entwurf Kants ist trotz aller Autonomie des Menschen theozentrisch, während der heutige Vernunft-Entwurf anthropozentrisch ist.

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Savonlinna
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#54 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Savonlinna » Mo 10. Nov 2014, 09:28

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Kant hat etwas ähnliches gesagt - er habe die Vernunft an ihr Ende getrieben, um Platz für den Glauben zu haben.
In seiner "Kritik der reinen Vernunft" schrieb Kant: Ich mußte also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen...
[ Quelle ]
Das Zitat befindet sich bei Deiner verlinkten Ausgabe auf Seite 24 unten. Es gehört in die "Vorrede zur Zweiten Auflage", die mit Seite 5 beginnt.

Da Kant sehr verzahnt schreibt, also Satz 2 aus Satz 1 ableitet und weiterführt, Satz 3 aus Satz 2 ableitet und weiterführt usw., müsste man, um den Sinn dieses Zitates zu verstehen, die ganze Vorrede bis zum Zitat hin durchlesen, wie ich das sehe.

Im Studium habe ich "Die Reine Vernunft" komplett zweimal durchgelesen und war begeistert, dass man, wenn man sich erst einmal an Kants Schreibmethode gewöhnt hat, das Ganze wie einen spannenden Roman durchlesen kann.

Aber das Studium liegt lange zurück, und ich müsste wieder von vorne anfangen, wollte ich das genannte Zitat innerhalb seiner Ableitungen richtig verstehen.

Hier eine Kurzfassung und Deutung der Zweiten Auflage, die aber so transparent dann auch wieder nicht ist:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kritik_der ... 2._Auflage

Vielleicht lese ich am Wochenende die Zweite Auflage durch, das lockt mich jetzt etwas, um das herausgerissene Zitat kontextentsprechend verstehen zu können.

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sven23
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#55 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von sven23 » Mo 10. Nov 2014, 09:51

closs hat geschrieben: Lieber Sven - das ist eines der vielen Beispiele, bei dem ein Einzelzitat das Gegenteil dessen suggeriert, was gemeint war.

Wieso das Gegenteil?
Der Satz lautet: "Denn das Einfache verbirgt sich im Mannigfaltigen, und das ists, wo bei mir der Glaube eintritt, der nicht der Anfang, sondern das Ende allen Wissens ist"

Der Gegensatz von Glauben und Wissen bleibt hier doch bestehen. Ob er hier relgiösen Glauben oder Glaube an Naturphänome meint, ist mir nicht ganz klar. Aber wie auch immer, mit Glaube allein kommt man in der Naturwissenschaft nicht weit. Sein Streit mit Newton war ja auch eher glaubensbasiert als durch Vernunft und Fakten begründet.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#56 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von closs » Mo 10. Nov 2014, 12:03

sven23 hat geschrieben:Wieso das Gegenteil?
Er sagt (ähnlich wie Kant), dass der Glaube das Ende allen Wissens ist - also der Glaube die weiterreichende Instanz ist - also Wissen per definitionem ein beschränktes Wesen hat. - Deshalb st er ja nicht gegen Wissen - aber er weiss um dessen Beschränktheit. - Siehe auch Sokrates und Descartes.

Pluto
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#57 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Pluto » Mo 10. Nov 2014, 12:40

Savonlinna hat geschrieben:Da Kant sehr verzahnt schreibt, also Satz 2 aus Satz 1 ableitet und weiterführt, Satz 3 aus Satz 2 ableitet und weiterführt usw., müsste man, um den Sinn dieses Zitates zu verstehen, die ganze Vorrede bis zum Zitat hin durchlesen, wie ich das sehe.
Das stimmt, seine Sätze sind wirklich "ellenlang".
Bei Kant bekommt die Rekursion in der Grammatik einen ganz neuen Sinn. :lol:

Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht lese ich am Wochenende die Zweite Auflage durch, das lockt mich jetzt etwas, um das herausgerissene Zitat kontextentsprechend verstehen zu können.
Da bin ich gespannt auf deine Meinung. :)
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Hemul
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#58 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Hemul » Mo 10. Nov 2014, 12:57

sven23 hat geschrieben: Der Gegensatz von Glauben und Wissen bleibt hier doch bestehen.
Hi sveni, sei gegrüßt - :wave:
Deine obige Behauptung kann ich aber so nicht stehen lassen. ;) Bei meinem "warum nicht" stütze ich mich aber nicht auf Kunz oder Kant-sondern allein auf die Logik. Ich bin zwar davon überzeugt, dass du genau weißt wie der Glaube gem. der Bibel definiert wird. Wenn aber nicht kannst du es in Hebräer 11:1 wie folgt nachlesen:
Der Glaube: sein Wesen und seine Wirkungen
1 Der Glaube aber ist eine Wirklichkeit dessen, was man hofft, ein Überführtsein von Dingen, die man nicht sieht.

Man hofft auf Dinge die man nicht sieht. Der Glaubende ist fest davon überzeugt, dass die Dinge die Gott verheißen hat sich auch einmal erfüllen werden-was du ja laufend in Frage stellst. Folgendes Beispiel soll dir aufzeigen, dass der Wissende dem Glaubenden nicht im Vorteil ist, dass sich also Glauben und Wissen nicht wie von dir o. behauptet widersprechen, sondern alles relativ ist.
Du befindest dich bei der morgendlichen Toilette im Bad und beschaust dein herrliches Antlitz bei voller Beleuchtung im Spiegel.
Da es draußen noch dunkel ist hast du die Beleuchtung voll aufgedreht. (um dein herrliches Antlitz besser sehen zu können)
Da wirst du nach draußen gerufen-lässt aber die Beleuchtung an. Nach einem längeren Gespräch erinnerst du dich daran, dass du vergessen hast das Licht im Bad auszumachen, weil du ja "GANZ GENAU WEIßT" also fest davon überzeugt bist, dass es immer noch brennt. Du machst die Badezimmertür auf und stellst fest, dass Licht brennt nicht mehr, obwohl du ja ganz genau "WEIßT" und überzeugt bist, dass du es nicht ausgemacht hattest. Was war geschehen? Deine Frau, Bruder, Oma oder wer weiß wer hatte es in der Zwischenzeit ausgemacht. Wie du siehst dein Wissen hat sich hier tatsächlich als falscher Glaube erwiesen-gell? Wo liegt also der Gegensatz zwischen Glauben u. Wissen? Ich sehe hier keinen-du etwa? :roll:
Zuletzt geändert von Hemul am Mo 10. Nov 2014, 15:33, insgesamt 1-mal geändert.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

Pluto
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#59 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Pluto » Mo 10. Nov 2014, 13:16

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Damit meinte er vermutlich den Glauben an die Vernunft.
Würde dieser Satz dann noch Sinn machen? - Man hebt Wissen auf, um Platz für (seinen Glauben an die) Vernunft zu haben?
Und was soll an dieser Denkart so falsch sein? Schau dir doch den Kontext noch einal an.

Was oft übersehen wird: Kant hat sich immer als Metaphysiker verstanden.
Dazu kann ich nicht viel sagen. Dafür kenne ich Kants Werke zu wenig gut.
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Münek
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#60 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Münek » Mo 10. Nov 2014, 13:29

Fakt ist, Kant hat den Glauben an einen persönlichen Gott strikt abgelehnt.
Und selbstverständlich war Jesus für ihn kein "Sohn Gottes" oder sonstige ü-
bernatürliche Erlösergestalt.

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