War der Sündenfall von Gott geplant?

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closs
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#431 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » Mi 3. Feb 2016, 21:07

Thaddäus hat geschrieben:Nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern für jede Wissenschaft ist es keine Option, transzendente Entitäten oder einen objektiven Geist etc. einfach zu setzen.
Ist Philosophie aus Deiner Sicht in diesem Sinne eine Wissenschaft?

Thaddäus hat geschrieben:Es besagt, dass eine Erklärung um so erklärungsmächtiger ist, je weniger Variablen, Hypothesen und ontologische Annahmen sie enthält.
Es müsste hinzugefügt werden: Wenn es um mehrere Erklärungen auf identischer Erklärungs-Ebene geht - konkret:

Wenn man eine mathematische Lösung sucht und bekommt Lösung A mit wenig Variablen und Lösung B mit vielen Variablen, ist Ockham selbstverständlich zuzustimmen.

Wenn man philosophisch fragt, was "Geist" sei, ist es dagegen ein kategorialer Unterschied, ob man "Geist" aus Materie versteht ("ohne Gehirn = kein Geist") oder aus "Gott". - Legt man Deinen wissenschaftlichen Ansatz zugrunde, KANN man nur untersuchen auf der Basis von "ohne Gehirn = kein Geist", weil man "Geist" als menschlichen Geist im Dasein begreifen muss und nicht fragen kann, ob es einen göttlichen Geist gibt, aus dem menschlicher Geist ist. - Mit anderen Worten: Der Ansatz, dass das Gehirn lediglich ein Überträger des Geistes in die materielle Welt ist, ist von vorne herein gar nicht verfolgbar.

Insofern ist ein philosophisch-transzendenter-theologischer Ansatz kein komplizierterer als der (in Deinem Sinne) "wissenschaftlicher" Ansatz, sondern ein kategorial anderer, der gar nicht in Vergleich genommen werden kann.

Thaddäus hat geschrieben:Eine Erklärung des Körper-Geist Problems, welche ohne die Annahme eines objektiven Geistes, eines Gottes oder eines teleologischen Zweckprinzips auskommt, um mentale Zustände des Menschen und seine geistigen Aktivitäten erklären zu können, ist stets einer Erklärung vorzuziehen, die solche ontologisch inhaltsreichen Annahmen macht.
Widerspruch - "vorziehen" kann man nur dann, wenn man Alternativen auf EINER Bezugsebene hat. - Dies ist hier nicht der Fall.

Wurst ist eine Alternative zu Käse, wenn es um das Pausebrot geht. - Porzellan ist KEINE Alternative zu Wurst.

Thaddäus hat geschrieben:Ockham war klar, dass er, wenn er als Theologe Gott in seine Philosophie einbauen will, er ihn beweisen muss, damit eine so starke ontologische Annahme auch gerechtfertigt ist.
Denkfehler von Ockham: Gerade weil dies Annahme ontologisch (im Sinne von: nicht wahrnehmungs-mäßig überprüfbar) ist, KANN er sie nicht beweisen. - Es war sein Irrtum zu glauben, es zu können, gar zu müssen.

Wäre Gott mit menschlichen Mitteln intersubjektiv nachweisbar, wäre es nicht Gott (in christlicher Definition).

Thaddäus hat geschrieben:Das ist vermutlich das stärkste Argument gegen den Versuch, einen objektiven Geist zu setzen, um den Geist des Menschen zu erklären.
Es kann aber auch die einzige Möglichkeit sein, wenn man den menschlichen Geist wesens-mäßig begreifen will.

Thaddäus hat geschrieben:Die Philosophie hat dieses Sparsamkeitsprinzip überhaupt erst erfunden bzw. gefunden!
Möglicherweise mit katastrophalen Folgen, wenn man dieses Prinzip über verschiedene Ebenen/Kategorien hinweg anwendet.

Aus dem Forum hier zum Teil dumpf und jetzt in Gesprächen mit Dir auf hohem intellektuellen Niveau wird mir der Paradigmen-Wechsel der Philosophie im Schlepptau des Naturalismus/des kritischen Rationalismus immer deutlicher.

Wenn ich Dich recht verstehe - korrigiere mich - , ist Philosophie folgendermaßen zu verstehen:
Philosophie ist eine Wissenschaft, die sich der kritisch-rationalen Methodik bedient, was bedeutet, dass man nur Fragen behandelt, deren Antworten prinzipiell falsifizierbar sind.

Daraus folgt, dass man nur Fragen SO stellen kann, dass die Antworten dieser Prämisse (Popper-Methodik) entsprechen. - Für Fragen, deren Antworten auf dieser methodischen Ebene stattfinden können, ist dies naheliegend und auch aus meiner Sicht "Mittel der Wahl". - Warum spirituell rumspinnen, wenn es drum geht, wie der Nippel durch die Lasche geht.

Konkret: Wenn man auf neurowissenschaftlicher Basis zum Ergebnis kommt, dass "Qualia" o.ä. daraus nicht hinreichend erklärt werden können und - wie eigentlich? - eine andere Quelle dafür postuliert. - Wenn es nicht Neuro- oder Kognitions-Wissenschaften sind, muss es ja irgendetwas davon Unabhängiges sein. - Dies könnte zum Gedanken führen, dass das Gehirn vielleicht doch nur ein Umsetzer von Geist in die materielle Welt ist. - Aber darauf DARF man nicht kommen, weil man sich - naja, jetzt halt doch wieder - zur Ancilla Scientiae gemacht hat - denn wie sonst wäre es erklärbar, dass man Philosophie als Wissenschaft und nichts als Wissenschaft bezeichnen würde? :!:

Deshalb komme ich zum Schluss, dass Philosophie (wenn ich Dich recht verstehe) keine Philosophie bzw. ein Teilbereich dessen ist, was man früher als Philosophie verstanden hat - nämlich als Versuch "die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen, zu deuten und zu verstehen" - und zwar OHNE methodischen Prämissen, weil man Problemstellungen nicht beliebig ignorieren kann, nur weil das Methodik-Werk dafür nicht vorgesehen ist. - Wo simmer denn?

Ich bin sehr überzeugt, dass Du genau verstehst, was ich sage und meine. ;)

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#432 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Novas » Mi 3. Feb 2016, 21:28

Thaddäus hat geschrieben:Die Analyse einer komplexen Fuge Bachs sollte ohne die Annahme auskommen, dass der hl. Geist oder der Geist seines verstorbenen Vaters ihm dabei geholfen hat.

Woher kommt denn die Inspiration?

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Thaddäus
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#433 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Thaddäus » Mi 3. Feb 2016, 21:58

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern für jede Wissenschaft ist es keine Option, transzendente Entitäten oder einen objektiven Geist etc. einfach zu setzen.
Ist Philosophie aus Deiner Sicht in diesem Sinne eine Wissenschaft?
Umgekehrt: will Philosophie wissenschaftlich sein, gilt das Ockhamsche Sparsamkeitsprinzip - genau so, wie für alle Disziplinen, die Wissenschaft sein wollen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es besagt, dass eine Erklärung um so erklärungsmächtiger ist, je weniger Variablen, Hypothesen und ontologische Annahmen sie enthält.
Es müsste hinzugefügt werden: Wenn es um mehrere Erklärungen auf identischer Erklärungs-Ebene geht - konkret:
Nein, es gilt für alle Erklärungen, die wissenschaftlich sein wollen.

closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: Der Ansatz, dass das Gehirn lediglich ein Überträger des Geistes in die materielle Welt ist, ist von vorne herein gar nicht verfolgbar.
Doch, aber nur, wenn man beweisen oder sehr gut begründen kann, was man da setzt: nämlich einen objektiven Geist oder Gott.

closs hat geschrieben: Insofern ist ein philosophisch-transzendenter-theologischer Ansatz kein komplizierterer als der (in Deinem Sinne) "wissenschaftlicher" Ansatz, sondern ein kategorial anderer, der gar nicht in Vergleich genommen werden kann.
Das darfst du, nur hat deine Erklärung dann nichts mit Wissenschaft oder wissenschaftlicher Philosophie oder Theologie zu tun. Dann behauptest du einfach, dass etwas so und so sei, und machst damit unglaublich inhaltsreiche Voraussetzungen. Kategorial anders ist da gar nichts. Und behauptest du es, machst du dennoch ontologisch unglaublich inhaltsreiche unbeweisbare Voraussetzungen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Eine Erklärung des Körper-Geist Problems, welche ohne die Annahme eines objektiven Geistes, eines Gottes oder eines teleologischen Zweckprinzips auskommt, um mentale Zustände des Menschen und seine geistigen Aktivitäten erklären zu können, ist stets einer Erklärung vorzuziehen, die solche ontologisch inhaltsreichen Annahmen macht.
Widerspruch - "vorziehen" kann man nur dann, wenn man Alternativen auf EINER Bezugsebene hat. - Dies ist hier nicht der Fall.
Natürlich ist das hier der Fall. Und die allem gemeinsame Bezugsebene ist Ockhams Sparsamkeitsprinzip für wissenschaftliche Theorien.

closs hat geschrieben: Wurst ist eine Alternative zu Käse, wenn es um das Pausebrot geht. - Porzellan ist KEINE Alternative zu Wurst.
Du sprichst aber nicht von Porzellan. Jedanfalls dann nicht, wenn man dein Porzellan auf Brot streichen können soll. Wenn du wissenscahftlich arbeiten willst, dann hast du dich an das ontologische Sparsamkeitsprinzip zu halten. Legst du darauf keinen Wert, kannst du ansonsten behaupten, was du willst.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ockham war klar, dass er, wenn er als Theologe Gott in seine Philosophie einbauen will, er ihn beweisen muss, damit eine so starke ontologische Annahme auch gerechtfertigt ist.
Denkfehler von Ockham: Gerade weil dies Annahme ontologisch (im Sinne von: nicht wahrnehmungs-mäßig überprüfbar) ist, KANN er sie nicht beweisen. - Es war sein Irrtum zu glauben, es zu können, gar zu müssen.
Nein, kein Denkfehler von Ockham. Dass Gottesbeweise nicht möglich sind, ist eine moderne Entdeckung. Es ist auch nicht leicht nachzuweisen, wo genau der Fehler des ontologischen modalen Gottesbeweises Gödels liegt.

closs hat geschrieben: Wäre Gott mit menschlichen Mitteln intersubjektiv nachweisbar, wäre es nicht Gott (in christlicher Definition).
Deshalb rekurriert der Glaube auch nicht auf Vernunft, sondern ist ein Glaube.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Philosophie hat dieses Sparsamkeitsprinzip überhaupt erst erfunden bzw. gefunden!
Möglicherweise mit katastrophalen Folgen, wenn man dieses Prinzip über verschiedene Ebenen/Kategorien hinweg anwendet.
Nein, mit den segensreichsten Konsequenzen, die man sich denken kann. Denn mit Ockhams Sparsamkeitsprinzip wurde es erstmals möglich, wissenschaftliche Erklärungen von bloßer Phantasterei sicher zu unterscheiden.

closs hat geschrieben: Aus dem Forum hier zum Teil dumpf und jetzt in Gesprächen mit Dir auf hohem intellektuellen Niveau wird mir der Paradigmen-Wechsel der Philosophie im Schlepptau des Naturalismus/des kritischen Rationalismus immer deutlicher.
Na ich hoffe, du erholst dich davon wieder. :lol:

closs hat geschrieben: Wenn ich Dich recht verstehe - korrigiere mich - , ist Philosophie folgendermaßen zu verstehen:
Philosophie ist eine Wissenschaft, die sich der kritisch-rationalen Methodik bedient, was bedeutet, dass man nur Fragen behandelt, deren Antworten prinzipiell falsifizierbar sind.
Wie ich mittlerweile schon öfter schrieb: Antworten auf Fragen, von denen man grundsätzlich nicht festsellen kann, ob sie wahr oder falsch sind (und nichts anderes bedeutet Falsifikation letztlich), sind sinnlos. Welchen Sinn sollte es ergeben, Antworten zu liefern, die niemals als falsch oder wahr bestimmt werden können?

closs hat geschrieben: Deshalb komme ich zum Schluss, dass Philosophie (wenn ich Dich recht verstehe) keine Philosophie bzw. ein Teilbereich dessen ist, was man früher als Philosophie verstanden hat - nämlich als Versuch "die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen, zu deuten und zu verstehen" - und zwar OHNE methodischen Prämissen, weil man Problemstellungen nicht beliebig ignorieren kann, nur weil das Methodik-Werk dafür nicht vorgesehen ist. - Wo simmer denn?
Wo wir in der Philosophie sind, wenn wir in ihr das Sparsamkeitsprinzip anwenden? In einer wissenschaftlichen Philosophie. Die Philosophie befragt natürlich auch kritisch das Sparsamkeitsprinzip Ockhams. Aber es kann nicht mehr ignoriert werden.

closs hat geschrieben: Ich bin sehr überzeugt, dass Du genau verstehst, was ich sage und meine. ;)
Keine Ahnung. Ich vermute: Ja ... aber trotz allem, gibt es keinen Weg für die Philosophie in eine Scholastik zurück. Weil sie sich weiter entwickelt hat.

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#434 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von closs » Mi 3. Feb 2016, 22:59

Thaddäus hat geschrieben:Umgekehrt: will Philosophie wissenschaftlich sein, gilt das Ockhamsche Sparsamkeitsprinzip
Das mag sein. - Nur wird die Frage immer deutlicher: Geht es hier um wissenschaftliche Methodik oder um Philosophie?

Thaddäus hat geschrieben: es gilt für alle Erklärungen, die wissenschaftlich sein wollen.
Aber offensichtlich micht für Erklärungen, die möglicherweise zielführend sind.

Thaddäus hat geschrieben:Doch, aber nur, wenn man beweisen oder sehr gut begründen kann, was man da setzt: nämlich einen objektiven Geist oder Gott.
Begründet wurde es vermutlich schon sehr gut - beweisbar ist es nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Das darfst du, nur hat deine Erklärung dann nichts mit Wissenschaft oder wissenschaftlicher Philosophie oder Theologie zu tun.
Wenn - und so sieht es aus - Wissenschaft nicht nur als Instrument verstanden wird, das man je nach Fragestellung einsetzt oder nicht, sondern als Inhalt selbst: Was macht man dann mit Fragen, die nicht beweisbar, aber möglicherweise entscheidend sein können?

Auf Theologie: Was bleibt eigentlich noch an Kernfragen des Christentums übrig, wenn man solche Fragen aus methodischen Gründen ausschließt? - Ich sehe die Gefahr, dass nach diesem Gusto Theologie und Gott nur noch peripher etwas miteinander zu tun haben. - Soviel wie ein Schreiner mit dem Liebesleben eines Paares zu tun hat - ja, Betten sind aus Holz, und man kann nachweisen, dass solche durchschnittlich nach 17,5 Jahren ausgetauscht werden - wissenschaftlich nachgewiesen. - Puuh.

Da halte ich es mehr mit dem Wissenschafts-Begriff von Hoyingen-Hüne, wonach der Begriff "Wissenschaft" eingelöst ist, wenn (der Spur nach) etwas nach einer nachvollziehbaren Methodik bearbeitet wird, also Begründungs-Schritte intersubjektiv nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei sind. - Denn ansonsten hat am Ende aus meiner Sicht "Philosophie" nichts mehr mit "Sophia" zu tun und "Theologie" nichts mehr mit "Theos" - ein zu hoher Preis - und eigentlich ein zynischer Witz.

Thaddäus hat geschrieben: Kategorial anders ist da gar nichts.
Doch-doch: Es ist ein Unterschied, ob man das Wesen des Geistes logisch, ontologisch, dialektisch, hermeneutisch vollkommen offen zu ergründen sucht, oder ob man vorher alles rausschmeißt, was nicht kritisch-rationalistisch nachweisbar ist.

Thaddäus hat geschrieben:Dass Gottesbeweise nicht möglich sind, ist eine moderne Entdeckung.
Es ist für mich unvorstellbar, dass dies vorher keiner bemerkt haben sollte - für mich war es jedenfalls immer logisch alternativlos. - Neu mag sein, dass es nicht spirituell, sondern intersubjektiv wahrnehmbar entdeckt wurde.

Thaddäus hat geschrieben:Deshalb rekurriert der Glaube auch nicht auf Vernunft, sondern ist ein Glaube.
Und wenn Glaube eine höhere Ausgabe der Vernunft sein könnte? - Heisst "Aufklärung", wenn man innerhalb menschlicher Wahrnehmungs-Grenzen "aufgeklärt" ist oder absolut? - Wie interpretierst Du den Satz von Paulus - Achtung, ich verändere ihn: 1.Kor. 13,12: "Jetzt bin ich nur unvollkommen aufgeklärt, dann aber werde ich absolut aufgeklärt sein, so wie ich schon immer absolut aufgeklärt erkannt worden bin". - Solche Themen sollten nichts mehr mit Philosophie und Theologie zu tun haben? - "Sophia" und "Theos" als Fußabtreter menschlicher Stümper-Brillanz?

Thaddäus hat geschrieben:Denn mit Ockhams Sparsamkeitsprinzip wurde es erstmals möglich, wissenschaftliche Erklärungen von bloßer Phantasterei sicher zu unterscheiden.
Das stimmt einerseits: Man kann sicher sein, nichts falsch zu machen. - Aber wer gibt sein Erstgeburtsrecht der spirituellen Erfahrung auf für das Pflaumengericht begrenzter Sicherheit? - Den Magen kriegt man damit voll - bißchen wenig, gell?

Thaddäus hat geschrieben:Na ich hoffe, du erholst dich davon wieder.
Das wird kein Grund sein, sich vor den Zug zu werfen. - Erstaunlich ist nur, dass man an den Worten "THEO-Logie" und "Philo-SOPHIE" festhält - warum eigentlich? - Das erinnert mich an den Atheisten, der gefragt wird, warum er ein Amulett um den Hals hat - er antwortet: "Naja - für alle Fälle". :lol:

Thaddäus hat geschrieben:Antworten auf Fragen, von denen man grundsätzlich nicht festsellen kann, ob sie wahr oder falsch sind (und nichts anderes bedeutet Falsifikation letztlich), sind sinnlos.
Das ist aus meiner Sicht falsch. - Denn bei Antworten zu spirituellen Fragen geht es nicht um objektive Verifizierung im Dasein, sondern um objektive Verifizierung im Danach. - Es geht geistig darum, authentisch zu werden zu versuchen zu dem, was am Ende "ist" - und nicht, was wir davon methodisch unter die Kontrolle bringen. - Immer wieder: Hiob war vor 2.500 Jahren geistig weiter als unsere Epoche. - Man nennt dies "Fortschritt". :devil:

Thaddäus hat geschrieben:Wo wir in der Philosophie sind, wenn wir in ihr das Sparsamkeitsprinzip anwenden? In einer wissenschaftlichen Philosophie.
Als Teilbereich innerhalb der Philosophie (und con variazione in der Theologie) ist dies gut und erfreulich - substanzfähig ist es aus meiner Sicht nicht.

Thaddäus hat geschrieben: aber trotz allem, gibt es keinen Weg für die Philosophie in eine Scholastik zurück. Weil sie sich weiter entwickelt hat.
Weiter-Entwicklung kann auch Rückschritt sein.

Um es zu unterstreichen:
"Wissenschaft", vor allem Naturwissenschaft ist und bleibt das unangefochtene Mittel der Wahl für falsifizierbare Themen - ich habe wirklich nichts gegen Wissenschaft. - Meine Ratlosigkeit besteht einzig darin, dass nicht-falsifizierbare Sujets ("Gott") nicht auf dieser Schiene substantiell behandelt werden können und somit de-substantialisiert werden - es scheint keinen zu stören.

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Halman
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#435 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Halman » Mi 3. Feb 2016, 23:16

Thaddäus hat geschrieben:Dies bedeutet nicht, dass man in der Philosophie als Philosoph nicht zu festen Überzeugungen gelangen kann und darf. Es muss aber stets die prinzipielle Bereitschaft vorhanden sein, auch das vermeintlich festeste und sicherste Wissen immer wieder neu infrage zu stellen. Ist diese Bereitschaft nicht mehr vorhanden, wird aus einem Philosophen ein Ideologe und aus einer Philosophie eine Ideologie.
Diese Haltung ist meiner festen Überzeugung nach das Ethos der Philosophie: Philosophie heißt (mit Heidegger), das Leben permanent kritisch und kritisierend denkend zu durchschreiten.
Dann ist Philosophie mehr als eine Wissenschaft, sie scheint mir darüber hinaus auch eine Lebensphilosophie zu sein, in dem Sinne: Sei stehts kritisch, bleibe offen. Dieser Lebensentwurf muss natürlich mit geschlossenen Lebensentwürfen, die häufig religiös motiviert sind, im Widerspruch stehen.
Aber dies würde ja bedeuten, dass ein Philosoph stehts ein Zweifler ist, der mit dem "Boot der Philosphie" durchs Leben navigiert und Weltanschauungen, wie Christentum, Agnostizismus und Atheismus niemals selbst völlig überzeugt vertreten kann, sondern diese kritisch kommentierend betrachtet, also nicht aus der Weltanschauung heraus spricht, sondern von "außen" über sie spricht. Ist den Philosphie verwandt mit dem Skeptiszismus? Führt dies nicht zur Philosphie von Sextus Empricius?

Thaddäus hat geschrieben:Ich persönlich habe als Philosophin bestimmte Überzeugungen, manche sehr feste, manche weniger feste. Aber alle diese meine Überzeugungen bin ich bereit aufzugeben, wenn mir Argumente begegnen, von denen ich selbst einsehe, dass sie besser sind, als die, die ich gerade vertrete. Allenfalls meine eigene Eitelkeit, ein schlaues Mädchen zu sein, kann dadurch belästigt werden.
So finde ich im Augenblick die philosophischen Überlegungen Markus Gabriels sehr überzeugend. Ich schließe aber nicht aus, dass irgendwer sehr gute Argumente gegen ihn noch vorbringen wird. Überzeugen die mich, dann habe ich keinerlei Hemmungen, Gabriel kritischer zu sehen oder ihn ganz und gar zu verwerfen.
Gut möglich, dass da noch was von mir kommt.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn ich nun aber glaube - und nicht nur so lala, was mir ein Greuel wäre - sondern, wenn ich tief gläubig bin, dann kann und darf ich diesen meinen Glauben nicht mehr so radikal infrage stellen, wie wenn ich nicht gläubig bin. Als gläubiger Mensch würde ich dann schizophren.
So fühle ich mich bis zu einem gewissen Grad. Vielleicht bin ich zu sehr "Laien-Philosoph". - Was ich in einer Dekade glauben und vertreten werde, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass ich dann einen festeren Glauben habe, der mir eine festere Hoffnung gibt. Dies scheint mir bei fortschreitendem Alter tröstlich zu sein. Allerdings will ich mich nicht durch eine Wunschvorstellung trösten, denn mich in die Tasche zu lügen ist ein Selbstbetrug, den ich ich früher oder später durchschaue und dann ist die Seifenblase zerplatzt. So ein infantiler Glaube kann mich nicht durchs Leben tragen. Tragfähig ist eine begründete Überzeugung, die ich intellektuell redlich vertreten kann. Daran arbeite ich noch und verstehe mich dennoch als gläubiger Christ.

Thaddäus hat geschrieben:Man kann nun einwenden: "Aber Thaddäus, du glaubst doch tief und stark! Nämlich an genau dieses Wesen der Philosophie, die stets immer alles kritisch infrage stellen muss!"
Dann würde ich antworten: "Ja, das ist richtig. Aber dieser Glaube besteht eben darin, dass ich als aufrechte und ehrenhafte Philosophin, eben alles immer wieder infrage stellen können muss, auch meinen Glauben genau hieran!"
Das tue ich auch. Vielleicht irre ich mich nämlich in meinem Glauben daran, was das eigentliche Wesen der Philosophie ist. Aber ich warte auf die Argumente, die mir einleuchtend machen, dass das Wesen der Philosophie hierin nicht bestehen kann.
Könnte es sein, dass sich das, was man unter Philsophie versteht, im Laufe der Geschichte gewandelt hat? Ich sehe die klassischen, hellenistischen Philosophen als Menschen, welche Philosophie betrieben. Ebenso Kant und Hegel.
Thaddäus hat geschrieben:In der Geschichte der Philosophie gibt es viele Philosophen, die fest daran glaubten, ihre Philosophie sei die beste und die abschließend richtige (z.B. Hegel). Denen werfe ich vor, dass sie irgendwann aufgehört haben, wahre Philosophen zu sein.
Hmm - was meinen wir, wenn wir von Philosophen sprechen? Wenn damit im allgemeinen auch Vertreter wie Hegel subsumiert werden, so scheint mir Dein Philosophen-Begriff zu eng gefasst zu sein.

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich will Dir keineswegs fachlich widersprechen, dies steht mir als Laie nicht zu. Philosphie gem. Deiner Erklärung bedeutet eben offen zu bleiben und schließt daher eine geschlossene, hegelianische Position aus. Ich zweifel allerdings daran, dass deine Erklärung der allgemeinen Verwendung der Wörter Philosphie und Philosoph*in entspricht, es sei denn, mein Sprachgebrauch ist irrig.
Du merkst sicher, dass ich auf die Begriffsanalyse anspiele. ;)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#436 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Novas » Mi 3. Feb 2016, 23:27

Thaddäus hat geschrieben:Keine Ahnung. Ich vermute: Ja ... aber trotz allem, gibt es keinen Weg für die Philosophie in eine Scholastik zurück. Weil sie sich weiter entwickelt hat.

Es kommt darauf an, wohin du möchtest. Wohin möchtest Du? ;) Ich persönlich bin der Ansicht, dass Religion und Wissenschaft einander sinnvoll ergänzen können; das Problem „Wissenschaft versus Religion“ gibt es für mich nicht.

Es ist sonderbar zu denken, daß die Wissenschaft jemals der Religion feindlich sein könnte. Wissenschaften, wenn sie auf Ruhm ausgehen, werden aber nicht nur der Religion, sondern auch der Wahrheit feindlich; aber die wahre Wissenschaft ist der Religion nicht nur nicht feindlich, sondern bahnt ihr noch den Weg.
―John Ruskin


Oder hier ein kleiner Artikel:

Philosophie und Glauben
Robert Spaemann warnt vor einer Welt ohne Gott


Gemeinhin glauben wir ja, unsere aufgeklärte Moderne habe zu einer Weltsicht gefunden, in der für Irrationales kein Platz mehr sei. Um so erstaunlicher erscheint deshalb der Untertitel zu Robert Spaemanns neuem Buch "Das unsterbliche Gerücht". Der lautet nämlich "Die Frage nach Gott und der Aberglaube der Moderne". Der Aberglaube der Moderne? Robert Spaemann meint damit deren alleinige Ausrichtung auf naturwissenschaftliche Wahrheit, durch die Welt und Mensch vollständig erklärt werden sollen.

"Es ist die Täuschung der Moderne zu denken, dass die Naturgesetze uns die Welt erklären, während die Naturgesetze selbst zu dem gehören, was der Erklärung bedürftig ist."

[...]

Zwar denken wir, die Naturgesetze erklärten uns die Welt - doch hierin bestehe gerade der moderne Irrglaube. Die Erklärungen der Naturwissenschaften seien keineswegs falsch, allerdings verkürzt, meint Robert Spaemann. Zum Beispiel: Auf die Frage, was das Leben sei, gibt die moderne Evolutionsbiologie eine triviale Antwort: Das Leben entstand durch Zufall, entwickelte sich weiter durch spontane Mutationen. Manche Formen des Lebens, die ökologisch angepasst waren, setzten sich durch. Andere gingen zugrunde. Dass das Leben auch ein Mysterium sei, habe die moderne Wissenschaft dagegen aus dem Blick verloren. Und dies sei zugleich der Grund für die Gottesferne unserer Zeit.


"Wem das alte Gerücht vom Schöpfergott keine Ruhe lässt, den wird es nicht einschüchtern, wenn die Naturwissenschaften in der Überlebensfunktionalität die hinreichende Ursache für die Entstehung der natürlichen Arten einschließlich der Menschen zu finden hofft. [...] Er wird, wo er dem Guten, dem Schönen und dem Heiligen oder auch dem Wahrheitsanspruch einer wissenschaftlichen Theorie begegnet, [...] eine ganz anders codierte Botschaft entdecken." Robert Spaemann
http://www.deutschlandfunk.de/philosoph ... e_id=83123

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#437 Re: War der Sündenfall von Gott geplant?

Beitrag von Novas » Do 4. Feb 2016, 00:10

Halman hat geschrieben:Allerdings will ich mich nicht durch eine Wunschvorstellung trösten, denn mich in die Tasche zu lügen ist ein Selbstbetrug, den ich ich früher oder später durchschaue und dann ist die Seifenblase zerplatzt. So ein infantiler Glaube kann mich nicht durchs Leben tragen. Tragfähig ist eine begründete Überzeugung, die ich intellektuell redlich vertreten kann. Daran arbeite ich noch und verstehe mich dennoch als gläubiger Christ

Die Aussage "Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an" finde ich sehr vernünftig, wenn ich mir die Welt mal genauer anschaue. :P

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#438 Re: War der Sündenfall von Gott geplant? I

Beitrag von Thaddäus » Do 4. Feb 2016, 20:20

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Umgekehrt: will Philosophie wissenschaftlich sein, gilt das Ockhamsche Sparsamkeitsprinzip
Das mag sein. - Nur wird die Frage immer deutlicher: Geht es hier um wissenschaftliche Methodik oder um Philosophie?
Ich weiß nicht, was du unter Philosophie verstehen möchtest, aber methodisch war sie schon immer. Von den ersten Naturphilosophen, Sokrates, Platon, Aristoteles und der hellenistischen Philosophie (Stoa, Epikureismus, sogar die pyrrhonische Skepsis) bis hin zu den modernsten Ansätzen in der Philosophie. Du vermisst offenbar jene Epoche, in der die Philosophie ancilla theologieae war. Das ist sie aber schon lange nicht mehr.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: es gilt für alle Erklärungen, die wissenschaftlich sein wollen.
Aber offensichtlich nicht für Erklärungen, die möglicherweise zielführend sind.
Gerade das ontologische Sparsamkeitsprinzip Ockhams gewährleitet, dass Philosophie zielführend sein kann. Beachtet man es nicht, wachsen die spekulativen Träume schnell in den Himmel. Und da hat die Philosophie nichts verloren. So waren die Philosophie der Scholastik und die vorkantische Metaphysik.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Doch, aber nur, wenn man beweisen oder sehr gut begründen kann, was man da setzt: nämlich einen objektiven Geist oder Gott.
Begründet wurde es vermutlich schon sehr gut - beweisbar ist es nicht.
Immerhin ist Hegels Philosophie eine der besseren Begründungen.

closs hat geschrieben:Wenn - und so sieht es aus - Wissenschaft nicht nur als Instrument verstanden wird, das man je nach Fragestellung einsetzt oder nicht, sondern als Inhalt selbst: Was macht man dann mit Fragen, die nicht beweisbar, aber möglicherweise entscheidend sein können?
Die Fragen sind ohnehin nicht beweisbar, denn es sind ja Fragen, - und die stellen sich oder nicht. Entscheidend sind die Antworten.


closs hat geschrieben:Was bleibt eigentlich noch an Kernfragen des Christentums übrig, wenn man solche Fragen aus methodischen Gründen ausschließt? - Ich sehe die Gefahr, dass nach diesem Gusto Theologie und Gott nur noch peripher etwas miteinander zu tun haben.
Du verwechselst hier Philosophie mit Theologie. Die Theologie kann sich gerne mit den Kernfragen des Christentums beschäftigen. Aber warum sollten die für die Philosophie von Interesse sein? Es sei denn, man versteht die Philosophie als Hilfswissenschaft der Theologie. Dieses Ansinnen von kath. Philosophen wird vom gesamten Rest der Philosophen scharf zurückgewiesen. Leute wie Spaemann oder Plantinga werden in der Philosophie eher belächelt, - eben weil ihre Philosophie offensichtlich dem persönlichen Glauben untergeordnet wird. Ev. Systematiker oder kath. Dogmatiker werden noch weniger ernst genommen. Auch die Religionsphilosopie hat sich um den philosophischen Gottesbegriff zu kümmern, nicht aber um den christlichen.

closs hat geschrieben:Da halte ich es mehr mit dem Wissenschafts-Begriff von Hoyingen-Hüne, wonach der Begriff "Wissenschaft" eingelöst ist, wenn (der Spur nach) etwas nach einer nachvollziehbaren Methodik bearbeitet wird, also Begründungs-Schritte intersubjektiv nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei sind. - Denn ansonsten hat am Ende aus meiner Sicht "Philosophie" nichts mehr mit "Sophia" zu tun und "Theologie" nichts mehr mit "Theos" - ein zu hoher Preis - und eigentlich ein zynischer Witz.
Ha! Der antik-philosophische Begriff der sophia (= Weisheit) hat nichts mit dem Christentum zu tun und auch nichts mit einem christlichen Gottesbegriff. Der Gott der Antike ist der erste Beweger (Aristoteles) oder das oberste Vernunftprinzip (Epikur). Die Liebe zur Weisheit bedeutet ganz im Sinne des Sokrates die Liebe zur Wahrheit. Und nicht umsonst erklärt das delphische Orakel Sokrates für den weisesten aller Philosophen, wenn er erklärt, dass er eben nichts weiß. Genau diese Einsicht wird als sophia verstanden. Während Paulus den Philosophen auf der Agora Athens also vermutlich erklärte, dass sich Jesus von einem Heuschrecken essenden Apokalyptiker taufen ließ, obwohl er sündlos war, hatten die stoischen Philosophen die Aussagenlogik erfunden, mit denen sie ihre Lehrsätze logisch zu beweisen suchten und die pyrrhonischen Skeptiker hatten 10 Tropen formuliert, mit denen sie jeder Meinung nachweisen konnten, dass die Gegenmeinung im Grunde genau so glaubwürdig sei, womit eine sichere Erkenntnis der Dinge so, wie sie sind, unmöglich wird.
Paulus und seine christliche Lehre war jedem der auf der Agora anwesenden Athener Philosophen deshalb nicht nahe zu bringen, weil die auf einem philosophischen und argumentativen Niveau argumentierten, welches Paulus für sie nur lächerlich erscheinen lassen musste. So gesehen und in diesem Sinne, war die paulinische Lehre ein grausamer Unfug und nur für die Gnostiker und Neu-Platoniker interessant, die noch bizarrere Theorien entwickelt hatten als Paulus. Nur, weil sie von ägyptischer Mystik tief beeinflusst waren, sprangen sie auf seine christliche Lehre an.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Kategorial anders ist da gar nichts.
Doch-doch: Es ist ein Unterschied, ob man das Wesen des Geistes logisch, ontologisch, dialektisch, hermeneutisch vollkommen offen zu ergründen sucht, oder ob man vorher alles rausschmeißt, was nicht kritisch-rationalistisch nachweisbar ist.
Du kannst es kategorial so anders sehen, wie du willst: am Ende musst du ontologisch transzendente Entitäten setzen, die unglaublich voraussetzungsstark sind und darüber hinaus nicht einmal beweisbar sind oder logisch zwingend.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Dass Gottesbeweise nicht möglich sind, ist eine moderne Entdeckung.
Es ist für mich unvorstellbar, dass dies vorher keiner bemerkt haben sollte - für mich war es jedenfalls immer logisch alternativlos. - Neu mag sein, dass es nicht spirituell, sondern intersubjektiv wahrnehmbar entdeckt wurde.
Von der Antike bis in die Scholastik hinein musste Gott zunächst überhaupt überhaupt nicht bewiesen werden, weil er als selbstverständlich angenommen wurde. Schon in der Antike gab es zwar einzelne Philosophen, die die Götter bestritten, aber die allgemeine Volksmeinung hatte keine Zweifel an den Göttern. Auch in der Scholastik bestand eigentlich kein Zweifel an der Existenz des christlichen Gottes, nur wollte man ihn eben mit den Mitteln der Philosophie und Logik gerne auch noch als absolut notwendige Annahme beweisen.
Erst Kant hat damit Schluss gemacht, indem er die Vernunft selbst der Kritik unterwarf, was sie denn eigentlich grundsätzlich zu erkennen in der Lage ist. Er verwies damit nachhaltig Descartes (und Christian Wolff) in seine Schranken und alle metaphysischen Spekulationen über Gott.

closs hat geschrieben:Und wenn Glaube eine höhere Ausgabe der Vernunft sein könnte? - Heisst "Aufklärung", wenn man innerhalb menschlicher Wahrnehmungs-Grenzen "aufgeklärt" ist oder absolut? - Wie interpretierst Du den Satz von Paulus - Achtung, ich verändere ihn: 1.Kor. 13,12: "Jetzt bin ich nur unvollkommen aufgeklärt, dann aber werde ich absolut aufgeklärt sein, so wie ich schon immer absolut aufgeklärt erkannt worden bin". - Solche Themen sollten nichts mehr mit Philosophie und Theologie zu tun haben? - "Sophia" und "Theos" als Fußabtreter menschlicher Stümper-Brillanz?
Aufklärung durch den hl. Geist ist für die Philosophie bereits der Antike zur Zeit Pauli überhaupt keine Option. Offenbarungs- und Erleuchtungswissen kann und darf in der Philosophie keine Rolle spielen. Sonst wäre sie Theologie, was sie nicht ist. Selbst Mystiker wie Meister Eckhart berufen sich nicht allein auf Offenbarungs- und Erleuchtungswissen.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Do 4. Feb 2016, 23:46, insgesamt 9-mal geändert.

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Thaddäus
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#439 Re: War der Sündenfall von Gott geplant? II

Beitrag von Thaddäus » Do 4. Feb 2016, 20:20

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Denn mit Ockhams Sparsamkeitsprinzip wurde es erstmals möglich, wissenschaftliche Erklärungen von bloßer Phantasterei sicher zu unterscheiden.
Das stimmt einerseits: Man kann sicher sein, nichts falsch zu machen. - Aber wer gibt sein Erstgeburtsrecht der spirituellen Erfahrung auf für das Pflaumengericht begrenzter Sicherheit? - Den Magen kriegt man damit voll - bißchen wenig, gell?
Nein, kein bisschen wenig. Für die Philosophie ist das alles. Wenn du mehr willst, dann treibe Theologie. Aber gib Theologie nicht als Philosophie aus! Ich bin stolz darauf, dass Philosophie keine Theologie ist. Und ich halte genau darum die Philosophie der Theologie für überlegen und für viel zentraler menschlich. Philosophie zu treiben ist offenbar ein Grundbedürfnis des Menschen, denn sie existiert, seit Menschen kritisch reflektiert denken. Den Glauben gibt es ebenfalls seit der Mensch existiert. Aber er hat eine völlig andere Funktion als der Glaube.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Antworten auf Fragen, von denen man grundsätzlich nicht festsellen kann, ob sie wahr oder falsch sind (und nichts anderes bedeutet Falsifikation letztlich), sind sinnlos.
Das ist aus meiner Sicht falsch. - Denn bei Antworten zu spirituellen Fragen geht es nicht um objektive Verifizierung im Dasein, sondern um objektive Verifizierung im Danach. - Es geht geistig darum, authentisch zu werden zu versuchen zu dem, was am Ende "ist" - und nicht, was wir davon methodisch unter die Kontrolle bringen. - Immer wieder: Hiob war vor 2.500 Jahren geistig weiter als unsere Epoche. - Man nennt dies "Fortschritt". :devil:
Ja, aber das ist dann Theologie und keine Philosophie!
Antworten jedenfalls - von denen grundsätzlich nicht feststellbar ist, ob sie wahr oder falsch sind - sind keine Antworten! Denn eine korrekte Antwort ist eine in ihrem Wahrheitsgehalt festellbare Antwort auf eine bestimmte Frage.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wo wir in der Philosophie sind, wenn wir in ihr das Sparsamkeitsprinzip anwenden? In einer wissenschaftlichen Philosophie.
Als Teilbereich innerhalb der Philosophie (und con variazione in der Theologie) ist dies gut und erfreulich - substanzfähig ist es aus meiner Sicht nicht.
Ach was!
Das ontologische Sparsamkeitsprinzip ist doch kein Teilbereich der Philosophie. Es ist eine grundlegende Voraussetzung für Philosopie, die nicht in phantastischen Spekulationen enden will. Damit ist es eines der Prinzipien, welches aus Philosophie überhaupt erst Wissenschaft machen kann.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: aber trotz allem, gibt es keinen Weg für die Philosophie in eine Scholastik zurück. Weil sie sich undogmatisch weiter entwickelt hat.
Weiter-Entwicklung kann auch Rückschritt sein.
Die logische Stringenz und logische Sprachanalyse vieler scholastischer Diskussionen wurde überhaupt erst wieder in der modernen analytischen Philosophie und dem linguitic turn erreicht. Der Fortschritt in der analytischen Philosophie besteht aber darin, dass der christl. Gott und der christl. Glaube gerade nicht mehr, wie in der Scholastik, die alles bestimmende Grundlage des Philosophierens ist.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Do 4. Feb 2016, 20:45, insgesamt 1-mal geändert.

Novas
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#440 Re: War der Sündenfall von Gott geplant? II

Beitrag von Novas » Do 4. Feb 2016, 20:34

Thaddäus hat geschrieben:Der Fortschritt in der analytischen Philosophie besteht aber darin, dass der christl. Gott und der christl. Glaube gerade nicht mehr, wie in der Scholastik, die alles bestimmende Grundlage des Philosophierens ist.

Wenn man einen sinnvollen Dialog führen kann, genügt das schon.

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