Ist Philosophie aus Deiner Sicht in diesem Sinne eine Wissenschaft?Thaddäus hat geschrieben:Nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern für jede Wissenschaft ist es keine Option, transzendente Entitäten oder einen objektiven Geist etc. einfach zu setzen.
Es müsste hinzugefügt werden: Wenn es um mehrere Erklärungen auf identischer Erklärungs-Ebene geht - konkret:Thaddäus hat geschrieben:Es besagt, dass eine Erklärung um so erklärungsmächtiger ist, je weniger Variablen, Hypothesen und ontologische Annahmen sie enthält.
Wenn man eine mathematische Lösung sucht und bekommt Lösung A mit wenig Variablen und Lösung B mit vielen Variablen, ist Ockham selbstverständlich zuzustimmen.
Wenn man philosophisch fragt, was "Geist" sei, ist es dagegen ein kategorialer Unterschied, ob man "Geist" aus Materie versteht ("ohne Gehirn = kein Geist") oder aus "Gott". - Legt man Deinen wissenschaftlichen Ansatz zugrunde, KANN man nur untersuchen auf der Basis von "ohne Gehirn = kein Geist", weil man "Geist" als menschlichen Geist im Dasein begreifen muss und nicht fragen kann, ob es einen göttlichen Geist gibt, aus dem menschlicher Geist ist. - Mit anderen Worten: Der Ansatz, dass das Gehirn lediglich ein Überträger des Geistes in die materielle Welt ist, ist von vorne herein gar nicht verfolgbar.
Insofern ist ein philosophisch-transzendenter-theologischer Ansatz kein komplizierterer als der (in Deinem Sinne) "wissenschaftlicher" Ansatz, sondern ein kategorial anderer, der gar nicht in Vergleich genommen werden kann.
Widerspruch - "vorziehen" kann man nur dann, wenn man Alternativen auf EINER Bezugsebene hat. - Dies ist hier nicht der Fall.Thaddäus hat geschrieben:Eine Erklärung des Körper-Geist Problems, welche ohne die Annahme eines objektiven Geistes, eines Gottes oder eines teleologischen Zweckprinzips auskommt, um mentale Zustände des Menschen und seine geistigen Aktivitäten erklären zu können, ist stets einer Erklärung vorzuziehen, die solche ontologisch inhaltsreichen Annahmen macht.
Wurst ist eine Alternative zu Käse, wenn es um das Pausebrot geht. - Porzellan ist KEINE Alternative zu Wurst.
Denkfehler von Ockham: Gerade weil dies Annahme ontologisch (im Sinne von: nicht wahrnehmungs-mäßig überprüfbar) ist, KANN er sie nicht beweisen. - Es war sein Irrtum zu glauben, es zu können, gar zu müssen.Thaddäus hat geschrieben:Ockham war klar, dass er, wenn er als Theologe Gott in seine Philosophie einbauen will, er ihn beweisen muss, damit eine so starke ontologische Annahme auch gerechtfertigt ist.
Wäre Gott mit menschlichen Mitteln intersubjektiv nachweisbar, wäre es nicht Gott (in christlicher Definition).
Es kann aber auch die einzige Möglichkeit sein, wenn man den menschlichen Geist wesens-mäßig begreifen will.Thaddäus hat geschrieben:Das ist vermutlich das stärkste Argument gegen den Versuch, einen objektiven Geist zu setzen, um den Geist des Menschen zu erklären.
Möglicherweise mit katastrophalen Folgen, wenn man dieses Prinzip über verschiedene Ebenen/Kategorien hinweg anwendet.Thaddäus hat geschrieben:Die Philosophie hat dieses Sparsamkeitsprinzip überhaupt erst erfunden bzw. gefunden!
Aus dem Forum hier zum Teil dumpf und jetzt in Gesprächen mit Dir auf hohem intellektuellen Niveau wird mir der Paradigmen-Wechsel der Philosophie im Schlepptau des Naturalismus/des kritischen Rationalismus immer deutlicher.
Wenn ich Dich recht verstehe - korrigiere mich - , ist Philosophie folgendermaßen zu verstehen:
Philosophie ist eine Wissenschaft, die sich der kritisch-rationalen Methodik bedient, was bedeutet, dass man nur Fragen behandelt, deren Antworten prinzipiell falsifizierbar sind.
Daraus folgt, dass man nur Fragen SO stellen kann, dass die Antworten dieser Prämisse (Popper-Methodik) entsprechen. - Für Fragen, deren Antworten auf dieser methodischen Ebene stattfinden können, ist dies naheliegend und auch aus meiner Sicht "Mittel der Wahl". - Warum spirituell rumspinnen, wenn es drum geht, wie der Nippel durch die Lasche geht.
Konkret: Wenn man auf neurowissenschaftlicher Basis zum Ergebnis kommt, dass "Qualia" o.ä. daraus nicht hinreichend erklärt werden können und - wie eigentlich? - eine andere Quelle dafür postuliert. - Wenn es nicht Neuro- oder Kognitions-Wissenschaften sind, muss es ja irgendetwas davon Unabhängiges sein. - Dies könnte zum Gedanken führen, dass das Gehirn vielleicht doch nur ein Umsetzer von Geist in die materielle Welt ist. - Aber darauf DARF man nicht kommen, weil man sich - naja, jetzt halt doch wieder - zur Ancilla Scientiae gemacht hat - denn wie sonst wäre es erklärbar, dass man Philosophie als Wissenschaft und nichts als Wissenschaft bezeichnen würde?
Deshalb komme ich zum Schluss, dass Philosophie (wenn ich Dich recht verstehe) keine Philosophie bzw. ein Teilbereich dessen ist, was man früher als Philosophie verstanden hat - nämlich als Versuch "die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen, zu deuten und zu verstehen" - und zwar OHNE methodischen Prämissen, weil man Problemstellungen nicht beliebig ignorieren kann, nur weil das Methodik-Werk dafür nicht vorgesehen ist. - Wo simmer denn?
Ich bin sehr überzeugt, dass Du genau verstehst, was ich sage und meine.