1) - Im AT die direkte Rede Gottes bzw. eines beauftragten Propheten.
2) - Im NT die direkte Rede des Herrn Jesus.
Diese Kennzeichnungen erachte ich für selbstevident.
3) - Im AT spricht der Erzähler über historische Geschehnisse in Gottes Autorität.
Kein negativer Einwand zu dieser Kennzeichnung.
4) - Wenn Menschen Gottes Wort zitieren, muss es an anderer Stelle geschrieben stehen.
Zu Kennzeichnung 4 scheint es entweder kein Interesse zu geben oder aber es gibt dazu keinen Einwand. Dann wenden wir uns Kennzeichnung 5 zu:
5) - Im NT müssen Aussagen durch zwei bzw. drei anerkannte Zeugen bestätigt sein.
Die Grundlage dazu liefert uns Jesus selbst, die ich nochmals kurz anführe:
Johannes 8,17 hat geschrieben: Aber auch in eurem Gesetz steht geschrieben, dass das Zeugnis zweier Menschen wahr ist.
Gottes Worte bestätigen sich also dadurch, dass sie sich im AT als Worte Gottes bereits wiederfinden bzw. dass Jesu oder die Apsotel sich damit gegenseitig in ihren Aussagen abstützen.
Was Jesu Aussagen betrifft besteht weitgehender Konsens unter den Evangelisten. Ihre Berichte weichen nur in geringfügigen Details voneinander ab. Darum ist die Zeugenregel unentbehrlich, um die Relevanz einer Aussage zu erkennen.
Das NT ist anders entstanden. Das AT wurde mehrfach überarbeitet und steht uns in einer finalen Endfassung vor. Deshalb kann Jesus auch den Rechtsgrundsatz aufstellen und erklärt die Schrift für unumstößlich bzw unauflöslich.
Im NT verlief der Prozess der Kanonisierung anders. Hauptgrund ist, dass er nicht in einem einheitlichen Volk in einem geschlossenen Umfeld erfolgte sondern unter Heiden unterschiedlicher Nationalität an unterschiedlichen Orten. Das Schrifttum hat sich überdies erst später und dann unkontrolliert verbreitet. Die erste Überlieferung war nach einhelliger Forschungsauffassung mündlich.
Es gibt viele parallele Berichte und das Material musste gesammelt und geprüft werden. Ganz anders also, als z.B. das zweite Buch Mose entstand, wo Gott das Volk direkt führte und es keine Zersplitterung gab. Es gab für die erste Schriftsetzung nur einen, Mose und nach ihm Josua. Ganz anders also als im NT.
Dies fällt in den Evangelien dadruch auf, dass die Schreiber nicht alles lückelos einheitlich darstellen, und die historische Sicht nicht mehr rekonstruiert werden konnte bzw. gibt es Unterscheidungen auch in den konkreten Wortlauten. Lukas legte darauf mehr Wert, aber gerade er war Heide. Umso wertvoller sind seine Werke aus historischer Sicht der Überlieferung.
Man wendet das Verfahren der Übereinstimmung der Zeugenaussagen an, wie es jedes Gericht durchführt, das aus der Rechtsprechung selbst kommt. Gott hatte seinerzeit Mose dieses Prinzip bereits gegeben. Das Ziel ist die Wahrheitsfindung.
Da die Erzähler der Evangelien nicht den Status haben, wie es uns im AT vorliegt, kann ich insofern nicht diese Regel des Erzählers als absolute Autorität anwenden. Eine noch größere Diskrepanz ergibt sich in den Briefen. Hier geben die Schreiber insbesondere Paulus an, ob sie sich in ihren Aussagen auf das Gesetz berufen oder ihre eigene Auffassung wiedergeben.
Sie haben aber Anweisungscharakter, weil sie die apostolischen Vorstände der ersten Gemeinden waren. Insofern muss man nun nachsehen, ob ihre Anordnungen eine lokale Gemeindesache betreffen oder ob Anweisungen nach Gottes Wort erfolgen und allgemeingültiger und damit für jedermann verbindlicher Natur sind.
Die Zeugenregel wird nicht alles sein, aber sie erweist sich als ungemein nützlich in der Wahrheitsfindung, da sich ja etliche Aussagen auf das AT abstützen können bzw. sich die Schreiber damit gegenseitig bezeugen.