Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

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Pluto
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#11 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Pluto » Do 20. Aug 2015, 20:10

Hemul hat geschrieben:Na klar denn es gibt gem. Johannes 1:16-34 Augen u. Ohrenzeugen:
Ohrenzeugen aber keine Augenzeugen, gell?

Kennst du das Telefonspiel, welches die Kinder spielen. Wie viele Weitergaben des Textes braucht es, bis der ursprüngliche Sinn verloren geht?
Drei bis vier, oder?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Hemul
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#12 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Hemul » Do 20. Aug 2015, 20:26

Pluto hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:Na klar denn es gibt gem. Johannes 1:16-34 Augen u. Ohrenzeugen:
Ohrenzeugen aber keine Augenzeugen, gell?
Wieso das denn? :roll: Ich glaube nicht, dass Johannes der Täufer wie Du das gelbe Blindenabzeichen mit den drei Punkten damals benötigte. ;)
http://www.sehhelfer.de/Fuer-Blinde/Bli ... tueck.html
Blindenabzeichen Gelb mit 3 schwarzen Punkten Anstecknadel (3 Stück)
:Smiley popcorn:
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2Lena
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#13 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von 2Lena » Do 20. Aug 2015, 21:07

closs hat geschrieben:Wie vertrauenswürdig ist die Fähigkeit des Menschen, geistige Texte auszulegen?
Wer sich die Mühe macht, auch nur zu einem Thema der Bibel im Internet zu recherchieren, weiß nach etlichen Stunden oder dem ganzen Tag nicht mehr weiter. Hunderte Bücher, zahllose Links gehen durch die oft gegenteilig erklärenden oder behaupteten Meinungen.

Heute ist viel weniger mit einem katholischen Religionsbüchlein vor Jahrzehnten anzufangen, das schlüssig und ziemlich einfach (als gäbe es kein Wässerchen zu trüben) erzählen konnte, Mose führte seine Leute durch das Meer. "Von den verfolgenden Ägyptern blieb kein Mann übrig." Bei den kurzen Sätzen ist alles klar. Schwierig wird es mit genaueren Hinschauen, rechts und links soll eine Mauer aus Wasser gewesen sein. Das weggeronnene Meer könnte einer noch verstehen als Wunder. An solchen Formulierung stoßen sich manche und fragen, warum so umständlich erzählt wurde. vieles was man wissen will, wurde ausgelassen.

Wer dem Mechanismus der Dichtkunst folgt, findet in den genau so merkwürdigen Formulierungen jedoch ein abstraktes Gesetz von "Mose", vom Herausziehen. Masa (Last) oder Vision? Eine Seite, rechts, jamin, wird viele Arten ergeben. Rechts rum geht es weiter in der Sonnenbahn. Links aber, smola, da wird überlegt was abgeschnitten wird und rückwärts geht. Ein praktischer Mensch wird sich das gleich mit rechts und links vom Schraubgewinde merken, hat dann aber eine ganz andere Konstruktion.

Ein Feldherr überlegt die Geographie und denkt an den Überraschungseffekt des Entkommens in so einer schwierigen Situation. Ein Historiker wird die seltenen Möglichkeiten des Durchgangs durch ein Meer erkunden. Er wird die Gründe für die Unterdrückung ausfindig machen. Ein gefühlvoller Mensch denkt an die Dramatik. Ein humorvoller überlegt: die Ägypter sind abgesoffen - das macht überhaupt nichts, die Beschränkungen sind hin. Ägypten heißt gleichzeitig Begrenzung.

Rein "geistig" wird es wieder, wenn im Religionsbüchlein steht: "Moses aber und die Israeliten sangen dem Herrn ein Loblied." ... und die Ägypter :-( was haben die falsch getan, wenn sie auf Befehl gehorchten und dran glauben mussten?

Ich hoffe, ich konnte klar machen, woran es im ganzen Umfeld des Bibellesens zwickt ...
Für mich war es eine Erleichterung zu erfahren, dass Mose eine große Lehre von "Entwicklung" ist. Damit hatte ich kein bisheriges philosophisches Gezerre ohne Antwort, bei dem die Maßnahmen Gottes hin- und hergeschoben wurden. Es gibt Gesetze für die Entwicklung, ähnlich den Naturgesetzen. Man kann sie überprüfen, hat dann in allen Fällen ein handfestes Ergebnis.

Die zweite Aspekt: Ein Volk wurde mehr als andere mit diesen Gesetzen betraut und gefördert. Zu sehen ist die Weiterentwicklung aus den Gesetzen Abraham, die andere wenig kannten. Andere Völker gaben nicht acht auf so was, machten nur irgendwelche Feste. Der dritte Aspekt, die historischen Unterlagen werden vollständiger mit dem Erreichen der weiteren Inhalte. Die Theologie setzt woanders an, wenn man begreift und sie wird begreifbar.

closs
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#14 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von closs » Do 20. Aug 2015, 21:17

Pluto hat geschrieben:Also sollte gar keine Interpretation zugelassen werden
Doch - schon. Wie kommst Du darauf? - Wer die Prämissen seiner Interpretation offenlegt und innerhalb dieser Prämissen schlüssig interpretiert, interpretiert unabhängig von der inhaltlichen Substanz gut im Sinne der Rahmenbedingungen - da habe ich überhaupt keine Probleme.

Pluto hat geschrieben:Weiterhin ist es aus meiner Sicht ein fataler Irrtum, zwischen historisch Verbürgtem und Mythologischem zu unterscheiden, wenn es um das geht, was da steht.
Das sind ja meine Worte.

Pluto hat geschrieben:Was meinst du mit "geistigen Kern" und wieso sollte ein historische Auslegung in eine Falle führen?
Die historische Auslegung führt nicht an sich in die Falle - die Falle besteht darin, dass man die Substanz der Auslegung davon abhängig macht, ob sie historisch ist oder nicht.

Pluto hat geschrieben:Welche Gründe hast du eine andere Auslegung der historischen vorzuziehen?
"Historisch" KANN gut sein, muss aber nicht. - Der Kern einer geistigen Auslegung liegt in dem, was da steht, und nicht, ob das, was da steht, historisch verbürgt ist oder nicht. - Das sind "Nebenkriegsschauplätze".

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#15 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von closs » Do 20. Aug 2015, 21:20

2Lena hat geschrieben:Die Theologie setzt woanders an, wenn man begreift, und sie wird begreifbar.
Das ist genau mein Punkt - übrigens auch Ratzingers und Bergers Punkt (selbst wenn deren Ansatz ein anderer als Deiner wäre).

Es scheint in unseren Zeiten sehr schwer vermittelbar zu sein, dass geistiges Verstehen zwar an Historizität der Vorlage interessiert ist, ihrer aber nicht bedarf.

Hemul
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#16 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Hemul » Do 20. Aug 2015, 21:25

2Lena hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Wie vertrauenswürdig ist die Fähigkeit des Menschen, geistige Texte auszulegen?
Wer sich die Mühe macht, auch nur zu einem Thema der Bibel im Internet zu recherchieren, weiß nach etlichen Stunden oder dem ganzen Tag nicht mehr weiter.
Nicht verzagen Hemul fragen. ;) Der eiert nicht wie cl... herum sondern kommt sofort zum Punkt. :lol:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#17 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Münek » Do 20. Aug 2015, 22:04

closs hat geschrieben: Dieser Irrtum jedoch führt gelegentlich in die Falle, textliche Aussagen nicht aus ihrem geistigen Kern, sondern in der Peripherie der Frage "Historizität - ja oder nein" zu evaluieren. - Umgekehrt kann dies bedeuten, dass man nur das akzeptiert, was historisch gesichert ist - Katastrophe.

Das ist doch keine Katastrophe. :o

Im Gegenteil. Das ist Freiheit. Dass ich in eigener Entscheidungsfreiheit entscheide, nur das zu akzeptieren, was wissenschaftlich-historisch gesichert ist, ist mein gutes Recht. Jedermann steht es frei, aus den Ergebnissen der "historisch-kritischen Forschung" die Konsequenzen zu ziehen, die er allein persönlich für richtig hält. Die Konsequenz kann natürlich sein, sich vom bisherigen Gottesglauben zu verabschieden oder diesen als empfundenem Aberglauben erst gar nicht in Betracht zu ziehen. Dies geschieht ja auch ständig.

Im Übrigen: Gegenstand der wissenschaftlich-theologischen Analyse biblischer Texte kann und darf nicht nicht deren "geistiger Kern" sein (was immer das sein mag); denn das hätte mit ergebnisoffen forschender Wissenschaft nichts mehr zu tun. Im Zentrum - nicht an ihrer Peripherie - ihrer Forschungstätigkeit steht allein die Annäherung an die historische Wahrheit. Mit den die Wissenschaft nicht interessierenden Glaubensbehauptungen und -konstruktionen "übernatürlicher Art" sollen und können sich die Kirchen mit ihren Dogmatikern beschäftigen.
Das ist allein deren Bier. Und auch hier steht es jedermann frei zu entscheiden, ob er deren "Glaubenswahrheiten" akzeptieren möchte oder nicht.

Zwischen beiden Bereichen (Exegese und Dogmatik) herrscht zu Recht eine scharfe Trennung wie etwa zwischen Astronomie (Wissenschaft) und Astrologie (Glauben).

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#18 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Catholic » Do 20. Aug 2015, 22:17

Münek hat geschrieben: ...Glaubensbehauptungen und -konstruktionen "übernatürlicher Art" sollen und können sich die Kirchen mit ihren Dogmatikern beschäftigen.
Das ist allein deren Bier.....

Mal abgesehen davon,dass Du gerade - für Dich - eine Entscheidung getroffen hast("Glaubens...konstruktionen "übernatürlicher Art" ") kann sich die historisch-kritische Methode durchaus mit der Frage befassen,ob und inwieweit die Aussagen Jesu,dass er göttlich war,historisch belegbar sind.

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#19 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von closs » Do 20. Aug 2015, 22:17

Münek hat geschrieben:Dass ich in eigener Entscheidungsfreiheit entscheide, nur das zu akzeptieren, was wissenschaftlich-historisch gesichert ist, ist mein gutes Recht. J
Natürlich ist es das - das steht doch gar nicht in Abrede.

Münek hat geschrieben:Die Konsequenz kann natürlich sein, sich vom bisherigen Gottesglauben zu verabschieden oder diesen als empfundenem Aberglauben erst gar nicht in Betracht zu ziehen.
Wenn man sich daran orientiert, ist dies naheliegend - das muss jeder selbst mit sich ausmachen. - Auch hierin haben wir beide keine Probleme.

Münek hat geschrieben:Im Zentrum - nicht an ihrer Peripherie - ihrer Forschungstätigkeit steht allein die Annäherung an die historische Wahrheit.
Wenn sich ein Erkenntnis-System dementsprechend positioniert, ist auch hier nichts einzuwenden.

Aber spätestens hier stellt sich die Frage, ob man den Evangelien
a) historisch oder
b) geistig
vertrauen soll. - Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Geht es um a), ist Historisch-Kritisches die einzig akzeptable Methodik. - Geht es um b), ist Historisch-Kritisches von peripherer Bedeutung. - Man muss sich also entscheiden, welchen Aspekt man im Auge hat, wenn es um Vertrauen oder Misstrauen in die Evangelien geht.

Münek hat geschrieben:Zwischen beiden Bereichen (Exegese und Dogmatik) herrscht zu Recht eine scharfe Trennung wie etwa zwischen Astronomie (Wissenschaft) und Astrologie (Glauben).
Das hieße, dass die Exegese nichts mit dem Wesen des Christentums zu tun hätte - ich denke nicht, dass dies so gemeint ist. - WENN es so gemeint wäre, wäre es trotzdem sinnvoll - aber nicht innerhalb der Theologie.

Meinst Du ernsthaft, dass der HKM-Befürworter Ratzinger die HKM als theologie-fremdes Gebilde versteht?

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#20 Re: Können wir den Evangelien vertrauen oder sollten wir ihnen misstrauen?

Beitrag von Savonlinna » Do 20. Aug 2015, 22:47

closs hat geschrieben: Es scheint in unseren Zeiten sehr schwer vermittelbar zu sein, dass geistiges Verstehen zwar an Historizität der Vorlage interessiert ist, ihrer aber nicht bedarf.
Na, jedenfalls DA kannst Du sicher sein, dass ich zumindest DAS verstehe.
Nur ist der Begriff "geistiges Verstehen" da irgendwie für mich zu, wie soll ich sagen, esoterisch?

Dabei ist es doch etwas ganz Einfaches und Natürliches:
Ob Hamlet je gelebt hat, spielt keine Rolle, um von dem Satz - angesichts des Selbstmordwunsches - "Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage" getroffen zu werden.
Denn das ist eine existentielle Frage, die jeder Mensch haben kann, wenn er vor der Frage des Selbstmordes steht.
Dazu muss Hamlet nicht gelebt haben.

Dass die biblischen Aussagen auch ganz frei von historischen Überprüfungen einem Leitfaden sein können, verstehe ich wirklich mühelos. Ich kenn das von anderen Büchern.

Ich bin aber der Meinung, dass die historisch-kritische Forschung dazu beigetragen hat, dass man sich von dem Gedanken der Historizität leichter lösen kann. Man weiß nun, dass die Texte auf nichts historisch Verbürgtes verweisen, sondern Glaubenszeugnisse sind.
Umso leichter fällt es - sag ich mal kitschig und plump -, das als innere Lebenshilfe zu nutzen.
Man muss sich keinen Kopp darüber machen, ob Jesus wirklich über Wasser laufen konnte, sondern man versteht die Intention der Evangelienschreiber leichter:
es sind nur Bilder, um die Göttlichkeit Jesu anschaubar zu machen.

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