Hallo zusammen
Ich hatte ja versprochen, einmal einen Blick in Wilbers Gedanken zu werfen und hier sind die ersten Ergebnisse:
1.) Ziele - Was will man mit der integralen Methode erreichen?
Im Rahmen der Verwendung des "Integralen Forums" beziehen wir uns dabei auf eine Weltsicht und Methodik, die den Anspruch hat auf der Höhe des jeweiligen Wissens- und Erkenntnisstandes ein dynamisches, und mit dem Wissensfortschritt wachsendes Erklärungsmodell für die Wirklichkeit, das Leben, den Menschen, das Sein und die Welt zu liefern.
Eine starke Behauptung. Ein hoher Anspruch. Schauen wir uns mal die Begriffe an, mit denen die interale Methode hantiert:
Bewusstsein, Entwicklung, Sein, Selbst, Haltung usw.
Alle diese Begriffe stammen bestenfalls aus der Psychologie. Sie beschäftigen sich mit dem Menschen und wie er die Welt und sich wahrnimmt. Da ich kein Psychologe bin, kann ich nicht sagen, ob diese Begriffe genuin verwendet werden und auch aus Sicht eines studierten Psychologen standhalten können.
Das wenige, was ich über Psychologie weiß, entspricht durchaus solchen Darstellungen.
Aber vor allem ist das Ganze (dazu gleich mehr) eine BESCHREIBUNG, keine Erklärung. Und schon gar keine Beschreibung der Wirklichkeit, sondern lediglich eine Beschreibung von Wahrnehmung, wie das durchaus in der Psychologie üblich ist.
Konsequenz:
Der Anspruch wird nicht nur verfehlt, es wird erst gar nicht versucht, ihn zu erreichen. Also
1.) Eine umfassende Erklärung wird erst gar nicht versucht, es wird sich alleine auf menschliche Psychologie konzentriert. Naturwissenschaft kommt gar nicht vor, andere Methodiken aus anderen Wissenschaftsbereichen werden ignoriert (auch die Philosophie), Integral ist das nicht.
2.) Es wird keine Erklärung versucht. Höchstens eine Klassifizierung, Beschreibung. Erklärungen haben etwas mit Logik zu tun, die findet sich nirgendwo.
3.) Es wird behauptet, dass dies ein wachsendes Modell ist, das auch mit zukünftigen (unbekannten) Wissenschaftsfortschritt mithalten kann. Davon kann aber keine Rede sein. Es wird so getan als kenne man alles Entwicklungen schon, als wäre nichts unbekannt. Die Theorie behauptet, genau zu wissen, wohin es geht.
Quintessenz: In der Schule würde es heißen: "6, Thema verfehlt"
2.) Begriffe und Methoden
Die integrale Methode verwendet verschiedene Ansätze, die in dem Übersichtsartikel von Fred Kofmann beschrieben sind und auch in dieser Grafik zum Ausdruck kommen.
Quadranteneinteilung:
Die Welt, die Wahrnehmung wird in zwei Gegensatzpaare aufgeteilt, so dass man vier Begriffe zur Beschreibung hat. Wilber benutzt dazu die Begriffe Innen / Außen, Individuell / Kollektiv.
Diese Art der Klassifikation ist sehr verbreitet in der Psychologie, z.B. in der Kommunikationstheorie und in der Typ-Psychologie. So ein Schema ist natürlich viel zu einfach, um alles zu beschreiben, aber komplex genug, um wesentliche Aspekte zu nennen
Allerdings wird mit dieser Methode Schindluder getrieben, wie folgendes Zitat zeigt:
Auf der Entwicklungsstufe des 2nd tier kann man alle diese Perspektiven einnehmen, weil man nicht in einer von ihnen „steckt“, d.h. mit einer von ihnen identifiziert ist.
Es ist typisch für diese Art der Quandrantenbeschreibung, dass ein Mensch IMMER eine Mischung aller dieser Aspekte ha, normalerweise mit bestimmten Schwerpunkten. In dem Zitat wird so eine - völlige Selbstverständlichkeit aller Menschen - als eine Art "Entwicklungsschritt" beschrieben, was so tut, als wäre es bereits eine Leistung, alle diese Aspekte bei sich zu finden.
Das ist nichts als Bauernfängerei, die der Verkaufsmethode "mach ihm eine Selbstverständlichkeit schmackhaft, um dann Geld für die Folgeseminare zu kassieren" entspricht. Eine Methode, die z.B. auch bei der Scientology weit verbreitet ist.
Entwicklungslinien:
Es wird ohne weitere Begründung oder Nachweis angenommen, dass Menschen sich gradlinig entwickeln. Diese gradlinige Entwicklung wird mit Farben identifiziert, damit diese behauptung eingängiger verständlich ist. Eine Visualisierung, die gut ist für den Verkauf, aber keinerlei inhaltliche Bedeutung hat.
Die Entwicklungslinien werden in verschiedene Typen klassifiziert (Ethisch, kogniotiv, spirituell, psychodynamisch,...) wieder ohne jegliche Definition oder Erklärung.
Es wird behauptet, dass egoistische Sichtweisen jeweils eine niedrige Entwicklungsstufe darstellen, während kollektive Sichtweisen eine "höheren" Entwicklungsstufe darstellen.
Begründet wird das nicht.
Es wird mit Behauptungen gearbeitet, die Implikationen sind frei erfunden und die Klassifzierung in "niedrig" und "hoch" ist willkürlich.
Bewusstseinszustände:
Wieder ohne Erklärung wird mit verschiedenen Bewusstseinszuständen gespielt, die auch wieder in Entwicklungslinien eingeteilt sind.
Ziel aller Behauptungen ist es, auf ein östliches Meditationsschema abzuzielen, d.h. dem leser weiß zu machen, dass man meditieren muss, um in die verschiedenen bewusstseinsebenen zu gelangen und sie zu kontrollieren.
Eine typische Methode der Selbsterlösung, die nebenbei noch Geld in die Taschen des Meditationsmeisters spült.
Ich will es hierbei mal belassen. Methodik und Begrifflichkeit ist typisch für diese Art der fernöstlich angehauchten Meditationspraxis, die auch bei Mun, Baghwan oder Scientologie zum Ausdruck kommen.
Es werden teilweise sinnvolle Begrifflichkeiten in sinnlosen Kontexten verwendet, um die Leute zu motivieren, sich darauf einzulassen und mit Meditationen anzufangen.
Typisch ist die Begriffsvielfalt, die bunt aufbereitet für Leute gedacht sind, die Probleme in ihrer Psyche haben. Ob das billiger oder erfolgreicher ist als das Aufsuchen eines echten Psychologen wage ich zu bezweifeln.
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.