JackSparrow hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:"Wenn kein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann"
und seine Negation: ("Wenn |nicht-kein| [= ein] Ich existiert, dann existiert |nicht-nichts| [=etwas], das getäuscht werden kann") ... sind tatsächlich logisch äquivalent.
Eine Aussage kann nicht mit ihrer eigenen Negation äquivalent sein.
A <=> ¬A ?
Lieber JackSparrow, auf der rein formal-logischen Ebene, habe ich recht (wie ich meine), auf der materialen, also inhaltlich-semantischen Ebene, hast du recht! Leider ist es mal wieder etwas aufwändiger, zu zeigen, warum das so ist. Die Belohnung für das Lesen des folgenden anstrengenden Abschnitts ist also, dass ich dir am Ende inhaltlich durchaus zustimme ...

Ich will nur einfach sauber erklären, warum ich dir zustimmen kann.
Eine Aussage kann nicht mit ihrer eigenen Negation
identisch sein, und eine Aussage kann auch nicht aus ihrer eigenen Negation folgen:
¬(¬A → A) ist also falsch.
Eine Aussage kann rein formal aber mit ihrer Negation
logisch äquivalent sein. Dies liegt daran, weil die
„Äquivalenz eine Relation ist und zwar eine Relation zwischen zwei Aussagen, die inhaltlich nicht gleich sind, aber stets gemeinsam entweder wahr oder falsch sind.“ (
Wiki)
Ich komme gleich hierauf zurück.
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Zunächst will ich Halman an dieser Stelle ausdrücklich recht geben, dass man sich nicht mit von der eigentlichen Frage ablenkenden Firlefanz aufhalten sollte, wie wir es hier gerade tun. Deine ursprüngliche und auch interessante These ist ja, dass es kein Ich gibt (welches getäuscht werden könnte) bzw. es eine Illusion ist. Meine Gegenthese ist, dass diese These unmittelbar widersprüchlich ist. Es ist viel spannender, hierüber zu diskutieren ...
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Meine Ausgangsaussage war:
Thaddäus hat geschrieben:Und damit sagst du immer noch dasselbe wie ich oben, denn der Ausdruck: "Wenn kein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann" ist logisch äquivalent mit dem Ausdruck: "Wenn ein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann."
Es sei ...
(A → B) = "
Wenn ein Ich existiert,
dann existiert etwas, das getäuscht werden kann."
¬(¬A → ¬B) = "Es ist nicht der Fall, dass,
wenn kein Ich existiert,
dann nichts existiert, das getäuscht werden kann."
Nun zur logischen Äquivalenz (Symbol: "<=>"). Um zu zeigen, warum ...
(A → B) <=> ¬(¬A → ¬B) logisch äquivalent sind ...
... müssen wir die
möglichen Wahrheitswerte der Ausdrücke (A → B) und ¬(¬A → ¬B) bestimmen. Hierfür benötigen wir die Wahrheitswerttabelle für die
Implikation (Symbol: "→").
Denn für die logische Äquivalenz gilt:
Eine logische Äquivalenz liegt vor, wenn zwei logische Ausdrücke den gleichen Wahrheitswert besitzen, gleichwertig sind, die gleichen Wahrheitswerte-Eintragungen in einer Wahrheitstabelle haben, „wenn sie dieselben Wahrheitsfunktionen beinhalten, d. h. dieselben möglichen Werte ein- bzw. ausschließen“, wenn der Werteverlauf (Wahrheitstabelle) der beiden Aussagen gleich ist.
Allgemeiner formuliert – d. h. nicht auf Aussagenlogik beschränkt – sind zwei Aussagen P und Q der klassischen, zweiwertigen Logik genau dann äquivalent, wenn beide Aussagen unter jeder möglichen Interpretation denselben Wahrheitswert annehmen. (Wiki)
Setzt man für die Variablen "a" und "b" die Wahrheitswerte "w" und "f" ein, ergeben sich folgende vier Möglichkeiten für die Wahrheitswerttabelle der logischen Implikation.
Die Implikation ist die rein logische Folgerungsbeziehung "wenn ... dann". :
Also, wie in der Wahrheitswerttabelle zu sehen:
1)
a b|....|A → B
f f..........
w |Wenn a falsch, dann b falsch: ist insgesamt
w
f w.........
w |Wenn a falsch, dann b wahr: ist insgesamt
w (Weil aus einer falschen Prämisse dennoch etwas Wahres folgen kann.)
w f.........
f |Wenn a wahr, dann b falsch: ist insgesamt
f (Weil aus einer wahren Prämisse, nichts Falsches folgen kann.)
w w........
w |Wenn a wahr, dann b wahr: ist insgesamt
w
Zur Erinnerung: die Variablen A und B lauteten:
(A) es existiert mindestens ein Ich
(B) es existiert etwas, das getäuscht werden kann
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also: Wenn mindestens ein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann (A → B)
Rein formallogisch ergeben sich damit folgende Wahrheitswerte:
1)
Wenn kein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann = w
Wenn kein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann = w
Wenn ein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann = f
Wenn ein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann = w
Nun steht vor A und B jeweils ein Negationszeichen (¬A → ¬B). Damit dreht sich die Wahrheitswerttabelle einfach um:
2)
¬a ¬b|....|¬a → ¬b
w w.............
w
w f..............
f
f w.............
w
f f..............
w
Wenn du jetzt vor die Klammer ein weiteres Negationszeichen setzt ¬(¬A → ¬B), dann drehen sich die Werte wiederum um und sie sind exakt so wie unter 1).
A → B |...| (¬A → ¬B) |...|
¬(¬A → ¬B)
...
w ............. f ...................
w
...
w ............. f ...................
w
...
f .............. w ...................
f
...
w ............. f ...................
w
Du siehst, egal welche Interpretation w oder f wir für A oder B einsetzen, erhalten wir identische Werte für die Wahrheitswerttabellen für
A → B und für
¬(¬A → ¬B).
Dies entspricht der formalen Bedingung für die Äquivalenz:
Eine logische Äquivalenz liegt vor, wenn zwei logische Ausdrücke den gleichen Wahrheitswert besitzen, gleichwertig sind, die gleichen Wahrheitswerte-Eintragungen in einer Wahrheitstabelle haben, „wenn sie dieselben Wahrheitsfunktionen beinhalten, d. h. dieselben möglichen Werte ein- bzw. ausschließen“, wenn der Werteverlauf (Wahrheitstabelle) der beiden Aussagen gleich ist.
Rein formallogisch gesehen ist (A → B) <=> ¬(¬A → ¬B) also korrekt.
Dennoch stimme ich dir auf der materialen, inhaltlichen Ebene zu, denn du willst ja inhaltlich sagen, dass auch dann, wenn ein Ich nicht existiert, daraus nicht geschlossen werden darf, dass überhaupt nichts existiert, was getäuscht werden könnte.
Du führst als Beispiel an:
"Wenn es regnet, dann ist die Erde nass" ist eine wahre Schlussfolgerung
aber ...
"Wenn es nicht regnet, dann ist die Erde nicht nass" ist eine falsche Schlussfolgerung (was ja auch richtig ist).
Du fasst die Implikationen in
"Wenn es regnet, dann ist die Erde nass" und
"Wenn es nicht regnet, dann ist die Erde nicht nass" ...
hier als
kausal-inhaltliche Beziehung auf.
Rein formallogisch ist die Implikation aber keine kausale inhaltliche Beziehung, sondern nur eine logische. Und die Äquivalenz ergibt sich oben aus der rein formallogischen Implikation, nicht aus einem Kausalzusammenhang.
Beispiel:
"Wenn es regnet, dann ist die Erde nass" ist eine korrekte Schlussfolgerung (weil intuitiv inhaltlich ja richtig).
Rein formallogisch ist aber auch die Implikation ...
"Wenn es regnet, dann ist 1+2=3" völlig korrekt (weil es für die rein logische Korrektheit der Implikation gar nicht darauf ankommt, welche Inhalte A und B haben. Wichtig ist nur, dass A=w ist und B=w ist, dann ist der ganze Ausdruck wahr!
Nur deshalb ergibt sich die Verwirrung und darum kann ich dir letztlich durchaus zustimmen.
Rein formal ist (A → B) <=> ¬(¬A → ¬B) zwar äquivalent, aber inhaltlich kann aus der Tatsache, dass kein Ich existiert nicht inhaltlich korrekt
geschlossen werden, dass es überhaupt nichts gibt, das getäuscht werden könnte. Ursprünglich (siehe ganz oben) ging es mir um die Äquivalenz, nicht um die Schlussfolgerung.
Vielleicht können wir uns ja jetzt wieder deiner eigentlichen Ausgangsthese zuwenden ...