Jenseits von Gut und Böse?

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#101 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Di 21. Mär 2017, 11:07

sven23 hat geschrieben:Deshalb sagte ich ja auch: in der Theologie läßt sich alles hermeneutisch begründen.
Das kommt auf die Qualität der Theologie an.

sven23 hat geschrieben:Also merke: wenn Jesus auf Grund der Texte eine Naherwartung hatte, dann ist das eine weltanschauliche Schlussfolgerung.
Nein: Wenn man geistige Texte säkular interpretiert, kann herauskommen, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Wenn man dieselben Texte geistig interpretiert, kann herauskommen, dass er keine Naherwartung hatte. - Die Texte selber sind unschuldig.

sven23 hat geschrieben:Eine gute Methodik bestätigt im Idealfall die Realtität oder nähert sich ihr. Derartige Methoden haben Glaubensdogmatiker nicht vorzuweisen.
Wir reden hier von "Hermeneutik" und nicht von "Dogmatik". - Und dann ist Dein Satz falsch.

Pluto
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#102 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Pluto » Di 21. Mär 2017, 12:43

closs hat geschrieben:Nein: Wenn man geistige Texte säkular interpretiert, kann herauskommen, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Wenn man dieselben Texte geistig interpretiert, kann herauskommen, dass er keine Naherwartung hatte.
Ausgeschlosen. Die Bibeltexte, vor allem die Evangelien, sind da viel zu deutlich.
Vielleicht legst du den Begriff der Naherwartung falsch aus.

Jak 5,8-9
Habt auch ihr Geduld6, stärkt eure Herzen! Denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen. 9 Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet! Siehe, der Richter steht vor der Tür.

2Petr 3,12-14
indem ihr die Ankunft des Tages Gottes erwartet und beschleunigt, um dessentwillen die Himmel in Feuer geraten und aufgelöst und die Elemente im Brand zerschmelzen werden! Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt. Deshalb, Geliebte, da ihr dies erwartet, befleißigt euch, unbefleckt und tadellos von ihm im Frieden befunden zu werden!
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sven23
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#103 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » Di 21. Mär 2017, 12:59

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb sagte ich ja auch: in der Theologie läßt sich alles hermeneutisch begründen.
Das kommt auf die Qualität der Theologie an.
Richtig, und mit sprachbegabten Theologen ließe sich auch eine Spaghettimonster-Theologie aufbauen, so wie jede andere Religion auch.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also merke: wenn Jesus auf Grund der Texte eine Naherwartung hatte, dann ist das eine weltanschauliche Schlussfolgerung.
Nein: Wenn man geistige Texte säkular interpretiert, kann herauskommen, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Wenn man dieselben Texte geistig interpretiert, kann herauskommen, dass er keine Naherwartung hatte. - Die Texte selber sind unschuldig.
Und mit geistig interpretieren meinst du natürlich, man müsse sich deren Inhalte zu eigen machen. So lassen sich natürlich alle religiösen Texte oder Legenden und Mythen zirkelreferent "bestätigen". Ob man das dann auch noch mit "Hermeneutik" bemäntelt, ändert nichts daran.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eine gute Methodik bestätigt im Idealfall die Realtität oder nähert sich ihr. Derartige Methoden haben Glaubensdogmatiker nicht vorzuweisen.
Wir reden hier von "Hermeneutik" und nicht von "Dogmatik". - Und dann ist Dein Satz falsch.
Welche objektive Methode haben denn Hermeneutiker, um sich Historie anzunähern?
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#104 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Di 21. Mär 2017, 13:16

Pluto hat geschrieben:Ausgeschlosen.
Meinst Du ernsthaft, dass die Theologie diese Stellen nicht kennt?

sven23 hat geschrieben:mit sprachbegabten Theologen ließe sich auch eine Spaghettimonster-Theologie aufbauen
Deshalb habe ich von "Qualität" gesprochen und nicht von "Sprachbegabung".

sven23 hat geschrieben:Und mit geistig interpretieren meinst du natürlich, man müsse sich deren Inhalte zu eigen machen.
Ja - die Textinhalte in ihrem geistigen Kontext.

sven23 hat geschrieben:Welche objektive Methode haben denn Hermeneutiker, um sich Historie anzunähern?
Ihre Interpretationen auf Basis der Texte sind genauso intersubjektiv nachvollziehbar wie die Interpretationen der HKM.

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#105 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Pluto » Di 21. Mär 2017, 13:38

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ausgeschlossen.
Meinst Du ernsthaft, dass die Theologie diese Stellen nicht kennt?
Es würde mich sehr wundern, wenn sie sie nicht kennen. Deshalb gibt es ja auch einen Konsens unter den Theologen, dass Jesus und seine Zeitgenossen eine Naherwartung hatten.

Wie gesagt, es sieht eher so aus, als würdest du den Begriff der Naherwartung falsch auslegen.

Warum willst du das nicht wahrhaben?
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#106 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Di 21. Mär 2017, 13:40

Pluto hat geschrieben: Deshalb gibt es ja auch einen Konsens unter den Theologen, dass Jesus und seine Zeitgenossen eine Naherwartung hatten. Warum willst du das nicht wahrhaben?
Weil es nicht stimmt. - Es gibt allenfalls bei säkular-eingestielten Exegeten diesen Konsens, aber nicht bei Theologen, die die Bibel im geistigen Kontext lesen, also auch hermeneutisch im Blick auf alle Texte seit der Genesis lesen.

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#107 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Pluto » Di 21. Mär 2017, 13:48

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Deshalb gibt es ja auch einen Konsens unter den Theologen, dass Jesus und seine Zeitgenossen eine Naherwartung hatten. Warum willst du das nicht wahrhaben?
Weil es nicht stimmt.
Es stimmt eben doch. Frag mal Ratzinger...

Zitat aus dem Wiki Artikel:
Eine starke Ausrichtung auf das Wiederkommen Jesu wird insofern leicht zu einer Naherwartung, als jedenfalls die Möglichkeit einer noch Jahrhunderte oder gar Jahrtausende währenden Wartezeit kaum in Betracht gezogen wird.

closs hat geschrieben:Es gibt allenfalls bei säkular-eingestielten Exegeten diesen Konsens, aber nicht bei Theologen...
Ich glaube darin liegt der eigentliche Stockfehler. Die Naherwartung ist NICHT säkular, sondern geht aus dem theologischen Konsens hervor.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#108 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von 1Johannes4 » Di 21. Mär 2017, 13:50

Hallo closs,

closs hat geschrieben:aber nicht bei Theologen, die die Bibel im geistigen Kontext lesen, also auch hermeneutisch im Blick auf alle Texte seit der Genesis lesen.
und konkret welche Aussagen des AT sprechen gegen diese Naherwartung?

Grüße,
Daniel.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

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sven23
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#109 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » Di 21. Mär 2017, 14:05

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ausgeschlosen.
Meinst Du ernsthaft, dass die Theologie diese Stellen nicht kennt?
Natürlich kennt sie diese. Sie werden aber einfach ingnoriert, bzw. weggeglaubt nach dem Motto: was nicht sein darf, das kann auch nicht sein.
Ich habe von Kanonikern noch nichts gelesen, was die Widersprüche zu ihrer gegenteiligen Auffassung erklären könnte. Ratzinger hat es erst gar nicht versucht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:mit sprachbegabten Theologen ließe sich auch eine Spaghettimonster-Theologie aufbauen
Deshalb habe ich von "Qualität" gesprochen und nicht von "Sprachbegabung".
Viele Theologen neigen dazu, mangelnde Substanz durch sprachliche Nebegranaten und Sprachverschwurbelung zu verschleiern. Beispiele dafür gibt es genügend.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und mit geistig interpretieren meinst du natürlich, man müsse sich deren Inhalte zu eigen machen.
Ja - die Textinhalte in ihrem geistigen Kontext.
Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Der Glaube an Inhalte belegt also die Inhalte. So kann man sich natürlich zirkelreferent selber glücklich machen. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Welche objektive Methode haben denn Hermeneutiker, um sich Historie anzunähern?
Ihre Interpretationen auf Basis der Texte sind genauso intersubjektiv nachvollziehbar wie die Interpretationen der HKM.
Nur gehen sie an der Historie völlig vorbei.
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#110 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Di 21. Mär 2017, 15:31

Pluto hat geschrieben: Frag mal Ratzinger...
Ratzinger muss man genau lesen - er schreibt: "
Pluto hat geschrieben: wird insofern leicht zu einer Naherwartung
Das heisst aus seiner Position: Es kann leicht im Sinne einer Naherwartung mißinterpretiert werden. - Ratzinger ist strikt GEGEN den Naherwartungs-Glauben.

Pluto hat geschrieben:Die Naherwartung ist NICHT säkular, sondern geht aus dem theologischen Konsens hervor.
Nein - wie kann es einen theologischen Konsens darüber geben, wenn Theologen, die in Marburg, Würzburg, Nürnberg studiert haben, einmütig sagen: "Das ist ein Ding der HKM und innerhalb der Theologie längst gegessen" ---???---

Dein Eindruck entsteht dadurch
1) dass die HKM-Vertreter in der Öffentlichkeit ziemlich lauthals auftreten.
2) dass es "in" ist, kirchen-kritisch zu sein und dahingehende Äußerungen als "aufgeklärt" gelten.
3) dass es theologische Ströme gibt, die "Theologie" als säkulare Disziplin verstehen (im Sinne von "Religions-Wissenschaft aus säkularer Sicht")

Die theologische Musik spielt woanders. - Nur hört man sie selten, weil deren Vertreter in aller Regel als inkompetent abgetan werden ("Ein Dogmatiker kann die Bibel nicht beurteilen"). Siehe Svens aktueller Post:
sven23 hat geschrieben:Sie <die einschlägigen Bibelstellen> werden aber einfach ingnoriert, bzw. weggeglaubt nach dem Motto: was nicht sein darf, das kann auch nicht sein.
Die "säkulare Fraktion" hat ein besseres Marketing (davon abgesehen, dass die "spirituell-theologische Fraktion überhaupt kein Marketing haben will - egal, ob das gut oder schlecht ist).

sven23 hat geschrieben:Sie werden aber einfach ingnoriert, bzw. weggeglaubt nach dem Motto: was nicht sein darf, das kann auch nicht sein.
Sie werden NICHT ignoriert, sondern anders verstanden - und zwar offenbar auf eine der HKM nicht nachvollziehbaren Art anders verstanden.

sven23 hat geschrieben:Viele Theologen neigen dazu, mangelnde Substanz durch sprachliche Nebegranaten und Sprachverschwurbelung zu verschleiern.
Wie willst Du das beurteilen? - Das ist alles Ad-Hominem-Gedöns aus Kompetenz-Hilflosigkeit.

sven23 hat geschrieben: Der Glaube an Inhalte belegt also die Inhalte.
Sagt doch keiner. Meine Aussage lautet:
sven23 hat geschrieben:die Textinhalte <müssen> in ihrem geistigen Kontext
... gelesen werden.

Und dieser Kontext ist in der Tat unter theologischen Setzungen ein anderer als unter methodischen Setzungen der HKM. - Auch wenn es schon vielmals gesagt wurde - letztlich läuft es hinaus auf:

1) HKM ist die richtige Methodik, wenn Jesus nichts als eine Wanderprediger war und es Gott als Entität nicht gibt.
2) Theologische Hermeneutik ist die richtige Methodik, wenn Jesus göttlich war und es Gott als Entität gibt.

Da beide Setzungs-Apparate nicht falsifizierbar sind, also auch nicht nachweisbar sind, gleichzeitig jedoch historische Realität sein können, stehen sich hier zwei mögliche Versionen gegenüber. - So gesehen hätte Ratzinger nichts dagegen, wenn eine HKM-ler sagen würde "Credo, dass es Jesus als Gott und Gott als Entität nicht gibt". - Er würde zwar sagen "Ihr irrt" (aus MEINEM Glaubensentscheid heraus), aber er würde Euren Glaubensentscheid als Ausdruck freier Entscheidung respektieren.

Aber so ist es ja nicht. - Viele HKM-Vertreter weigern sich, so weit zu denken, dass ihnen klar ist, dass sie mit Setzungen arbeiten, und rekrutieren daraus die Aussage "Wir sind Wissenschaft - Ihr nicht"/"Wir sind redlich - Ihr nicht"/"Wir sind objektiv - Ihr nicht". - Ein Triumph aus purem Unvermögen - und das wird dann "Aufklärung" genannt.

Kannst Du nun verstehen, wie düpiert man da als außenstehender intellektueller und/oder geistiger Mensch ist? - "HÄ??", sagt man da: "Haben die nicht mehr alle Tassen im Schrank?".

sven23 hat geschrieben:Nur gehen sie an der Historie völlig vorbei.
Woher willst Du das wissen? - Wenn die theologische Hermeneutik zum Ergebnis kommt, dass Jesus in einem Naherwartungs-Umfeld selber aus folgenden ... Gründen KEINE Naherwartung hatte, ist das eine Aussage zur Wirklichkeit und somit eine Aussage in Bezug auf "das, was mit guten Gründen historisch der Fall gewesen sein kann". - Was gibt den "Glaubensentscheid-Trägern 1" das Recht, "Glaubensentscheid-Trägern 2" die Möglichkeit abzusprechen, näher an der Historie zu sein als man selbst?

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