Der letzte Auschwitz-Prozess

Politik und Weltgeschehen
closs
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#11 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von closs » Do 16. Jul 2015, 15:54

piscator hat geschrieben:aber das mit den KZs und Vernichtungslagern der Nazis zu vergleichen, ist m.E. doch gewagt.
Würde ich nie tun - im Gegenteil: Es ärgert mich sogar, wenn bspw. DIE LINKE auf dieselbe Stufe gestellt wird wie die NSDAP.

Mein Vergleich war ein psychologischer - um es unzulässig verkürzt zu sagen: Die Menschen sind immer gleich und werden nur durch die Gnade der richtigen Geografie oder richtigen Zeit dafür bewahrt, genauso zu sein wie die Wachleute in KZs.

piscator hat geschrieben:Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in Ausschwitz arbeiten konnte, ohne mitzubekommen, was da genau vorging.
Kann ich mit auch nicht vorstellen - aber dafür ist ja Verdrängung da. - Man "ist" eigentlich kein Nazi, weiss, dass man erschossen wird, wenn man Befehle nicht durchführt, richtet sich ein - viele hatte übrigens auch echte Depressionen. - Da wissen Psychologen ein Lied zu singen.

Nun erfordert aber die politische Hygiene, dies NICHT so zu sehen (dafür gibt es auch gute Gründe) - also nimmt man Prozesse wie der hier diskutierte zum Anlass, das Thema an sich comme il faut zu kommentieren. - Ein Psychologe sieht das anders - es sei denn, er tritt im Sinne der öffentlichen Rituale auf.

piscator hat geschrieben:Die Verurteilung dieses Mannes war richtig, um ein Zeichen zu setzen, dass die NS Vergangenheit nicht vergessen und vergeben ist.
qed

piscator hat geschrieben:Ins Gefängnis muss man den alten Mann m.E. allerdings nicht mehr stecken, das wäre wiederum ein Zeichen dafür, dass unsere Gesellschaft keine Rache anstrebt.
Deine Meinung finde ich gut.

Mal ganz nebenbei: Deine beiden letzten Sätze zeigen (im übertragenen Sinne) sehr schön den Unterschied zwischen Fundamental-Theologe und Pastorale/Seelsorge. :)

piscator
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#12 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von piscator » Do 16. Jul 2015, 16:04

closs hat geschrieben:Mal ganz nebenbei: Deine beiden letzten Sätze zeigen (im übertragenen Sinne) sehr schön den Unterschied zwischen Fundamental-Theologe und Pastorale/Seelsorge. :)
Das geht noch besser. Meine Frau sagt immer: Mein Gott! zu mir, wenn ich aus ihrer Sicht etwa angestellt habe. :lol:
Meine Beiträge als Moderator schreibe ich in grün.

closs
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#13 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von closs » Do 16. Jul 2015, 16:15

piscator hat geschrieben:Mein Gott! zu mir, wenn ich aus ihrer Sicht etwa angestellt habe.
Meine Frau sagt immer "Mein Kurt", selbst wenn ich nichts angestellt habe.

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sven23
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#14 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von sven23 » Do 16. Jul 2015, 18:24

closs hat geschrieben:Kann ich mit auch nicht vorstellen - aber dafür ist ja Verdrängung da. - Man "ist" eigentlich kein Nazi, weiss, dass man erschossen wird, wenn man Befehle nicht durchführt, richtet sich ein -
Der sog. Befehlsnotstand scheint aber ein Mythos zu sein. Historiker können von keinem dokumentierten Fall berichten, wo jemand verurteilt wurde, weil er sich geweigert hat, Frauen und Kinder zu ermorden.
Wie das berühmt-berüchtigte hamburger Reserve-Polizeibatallion 101 zeigte, mangelte es nie an Freiwilligen, die bereit waren zu morden. Ca. 38000 Morde gingen allein auf ihr Konto und die Deportierung von 45000 in Vernichtungslager.
Hat die Kirche sich eigentlich je dafür entschuldigt, daß sie Nazi-Verbrechern nach dem Krieg die Flucht ermöglichte?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#15 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von Martinus » Do 16. Jul 2015, 18:33

sven23 hat geschrieben: Hat die Kirche sich eigentlich je dafür entschuldigt, daß sie Nazi-Verbrechern nach dem Krieg die Flucht ermöglichte?

Wieso entschuldigen ? Bedanken wäre notwendig gewesen!! Wir waren doch froh das wir sie los waren.
Angelas Zeugen wissen was!

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sven23
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#16 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von sven23 » Do 16. Jul 2015, 18:39

Martinus hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Hat die Kirche sich eigentlich je dafür entschuldigt, daß sie Nazi-Verbrechern nach dem Krieg die Flucht ermöglichte?

Wieso entschuldigen ? Bedanken wäre notwendig gewesen!! Wir waren doch froh das wir sie los waren.
Warum denken Gläubige nie zu Ende?
In den faschistischen Diktaturen Südamerikas konnten einige noch viel Unheil anrichten. Im Foltern von Menschen hatten sich manche Expertenfähigkeiten angeeignet.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#17 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von closs » Do 16. Jul 2015, 22:17

sven23 hat geschrieben:Der sog. Befehlsnotstand scheint aber ein Mythos zu sein.
Nee - ist er nicht. - Das Problem ist ein anderes: Diejenigen, die sich nach dem Krieg auf Befehlsnotstand berufen haben, waren die dicken Fische, die auch ohne Befehlsnotstand so gehandelt hätten.

sven23 hat geschrieben:Historiker können von keinem dokumentierten Fall berichten, wo jemand verurteilt wurde, weil er sich geweigert hat, Frauen und Kinder zu ermorden.
Üblicherweise wurde man nicht verurteilt, sondern erschossen.

sven23 hat geschrieben:Wie das berühmt-berüchtigte hamburger Reserve-Polizeibatallion 101 zeigte, mangelte es nie an Freiwilligen, die bereit waren zu morden.
Natürlich - so ist der Mensch. - Da muss nur ein Dämon in der Luft hängen und schon folgt man ihm. - Psychologisch hat man das in einem ganz, ganz kleinem Fall bei Wulff gesehen: In dem Moment, wo die Luft brennt, verliert der Mensch seine Selbstkontrolle - schon ist eine Pogromstimmung da. - Bevor jetzt wieder unsinnige historische Vergleiche zwischen Holocaust und Wulff aufkommen: Dies ist eine rein psychologische Aussage.

sven23 hat geschrieben:Hat die Kirche sich eigentlich je dafür entschuldigt, daß sie Nazi-Verbrechern nach dem Krieg die Flucht ermöglichte?
Ich weiss es nicht - für den kroatischen (?) Nazi-Bischof hätte sie sich schon entschuldigen können - zumal seine Linie bis in den Vatikan reichte.

Im übrigen: Es ist nicht die Aufgabe von Geistlichen, Menschen der weltlichen Gerichtsbarkeit zu übergeben. - LEtztlich ist jeder Mensch irgendwann eine arme Sau.

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#18 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von Pluto » Do 16. Jul 2015, 23:34

closs hat geschrieben:Im übrigen: Es ist nicht die Aufgabe von Geistlichen, Menschen der weltlichen Gerichtsbarkeit zu übergeben. -
Tja... da scheiden sich die Geister, lieber closs.

Wir leben in einer Demokratie. Auch Geistliche sind Bürger, die sich den Gesetzen ihres Landes unterordnen sollen.
Ich würde es deshalb sogar als Pflicht eines Bürgers (auch eines Geistlichen) betrachten, Nazi-Verbrecher der Gerichtsbarkeit zu übergeben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#19 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von closs » Do 16. Jul 2015, 23:44

Pluto hat geschrieben:. Auch Geistliche sind Bürger, die sich den Gesetzen ihres Landes unterordnen sollen.
Natürlich ist das so. - Wenn man nicht moralisch, sondern im Sinne des staatlichen Souveränitäts-Gedankens spricht, wäre zu prüfen, wer gegen ein Gesetz verstößt - konkret:

Wo hat Draganovic gegen Gesetze seines Staates verstoßen? - Wo hat der Vatikan gegen Gesetze seines Staates verstoßen? - Wo wurde gegen Völkerrecht verstoßen? - Wo hat Franco gegen Gesetze seines Staates verstoßen? - Wo hat die CIA gegen Gesetze ihres Landes verstoßen?

Daneben gibt es die moralische Ebene - diese Ebene ist immer schwierig mit staatlichen Belangen zu vermischen.

Pluto hat geschrieben:Ich würde es deshalb sogar als Pflicht eines Bürgers (auch eines Geistlichen) betrachten, Nazi-Verbrecher der Gerichtsbarkeit zu übergeben.
Auf welcher Rechts-Grundlage?

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#20 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von Pluto » Do 16. Jul 2015, 23:56

Du lenkst wieder mal ab.

closs hat geschrieben:Wo hat Draganovic gegen Gesetze seines Staates verstoßen? - Wo hat der Vatikan gegen Gesetze seines Staates verstoßen? - Wo wurde gegen Völkerrecht verstoßen? - Wo hat Franco gegen Gesetze seines Staates verstoßen? - Wo hat die CIA gegen Gesetze ihres Landes verstoßen?
Das mag alles richtig sein, aber die Rede ist hier von Nazi-Verbrechen im Holocaust, und nicht von Franco oder der CIA.

closs hat geschrieben:Daneben gibt es die moralische Ebene - diese Ebene ist immer schwierig mit staatlichen Belangen zu vermischen.
Im Fall der Nazis waren es Verbrechen gegen die Würde des Menschen. Hier decken sich die moralische und die staatliche Ebene, also ist es wurscht, aus welche Perspektive man die Schergen der Nazis betrachten will.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich würde es deshalb sogar als Pflicht eines Bürgers (auch eines Geistlichen) betrachten, Nazi-Verbrecher der Gerichtsbarkeit zu übergeben.
Auf welcher Rechts-Grundlage?
Verbrechen gegen die Menschlichkeit... siehe oben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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