"Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Politik und Weltgeschehen
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Magdalena61
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#1 "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von Magdalena61 » Sa 16. Aug 2014, 03:07

Wie man sich profitable Kunden vom Hals schafft und erfolgreich die eigene Agrarindustrie runiniert.
:?
Seit vergangener Woche Mittwoch verbietet Russland den Import von Lebensmitteln. Neben Milchprodukten, Fleisch und Fisch darf auch kein Obst und Gemüse mehr aus der EU und den USA importiert werden.
DAS hätten die Könige der EU wohl nicht erwartet? Rußland probt den Ernstfall.
Medwedjew erklärte, ab sofort dürften Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch sowie Milch und Molkereiprodukte nicht mehr importiert werden. Die Einfuhrverbote gelten für Produkte aus den USA, Kanada, Norwegen, Australien und der EU. Das "komplette Embargo" gelte für ein Jahr.
tagesschau.de
Dieser Zeitraum ist lang genug für das Anbahnen und Vertiefen neuer Handelsbeziehungen.
Die Früchte bleiben somit innerhalb der EU-Grenzen. „Unser Markt ist bereits ausgelastet - wenn jetzt noch die Waren hinzukommen, die nicht nach Russland verkauft werden dürfen, ist das höchstproblematisch. Das wird zu einem massiven Preisverfall führen“, so Brügger.
handelsblatt.com
"Therapieren" will man den zu erwartenden Preisverfall, in dem die EU die Vernichtung der mangels Nachfrage nicht absatzfähigen Lebensmittel bezahlt bzw. das europäische Volk dazu aufruft, die in den EU-Ländern erzeugten Produkte bitteschön selbst zu essen. Einige Obst- und Gemüsebauern in den Niederlanden beschenken mit ihren Produkten Bedürftige (wer bezahlt das?)
Russland erschließt sich derweil neue Importwege, um an Obst und Gemüse zu kommen. Insbesondere China profitiert von den Sanktionen gegenüber der EU und den USA, das Land exportiert deutlich mehr Agrarprodukte nach Russland als vorher. Daneben gelten Brasilien und die Türkei als die neuen Früchtelieferanten. Damit macht sich Russland unabhängig vom europäischen Früchtemarkt - auch für die Zeit nach dem Importstopp.

In den Drittländern ist Russland hingegen ein neuer Wettbewerber für die Händler aus der EU. Diese fordern hohe Lebensmittelstandards, zum Beispiel im Hinblick auf Anbaubedingungen. Die russischen Händler verlangen diese nicht, zahlen aber den gleichen Preis. Die Konsequenz: Die Drittländer bevorzugen Russland. Europäische Importeure kommen deshalb in Schwierigkeiten, sie können damit nicht konkurrieren. So fordert auch Verbandschef Brügger: „Der Handelskrieg muss sofort aufhören. Das ist Wirtschaftspolitik mit der Machete.
handelsblatt.com
Die Namen der Gewinner lauten: Rußland, Brasilien, China, Türkei.
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closs
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#2 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von closs » Sa 16. Aug 2014, 09:49

Magdalena61 hat geschrieben:Die Namen der Gewinner lauten: Rußland, Brasilien, China, Türkei.
Tja - da ist es den Kräften, die wollen, dass Europa geteilt ist, gelungen, sich durchzusetzen.

Abischai
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#3 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von Abischai » Sa 16. Aug 2014, 20:53

Ich habe früher nicht viel auf die Russen gehalten, das liegt in meiner Geschichte begründet, aber die werden mir immer sympatischer.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

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Magdalena61
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#4 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von Magdalena61 » Sa 16. Aug 2014, 21:53

Hatten unsere Könige wirklich gedacht, wenn die Russen keine Pfirsiche und keine Nektarinen aus Europa mehr kriegen, werden sie weich? --
Die Nachkommen der Kommunisten sind einiges gewöhnt an Verzicht auf Konsum und auf Vitamine; viele von ihnen sind damit aufgewachsen. Die halten das aus und behelfen sich irgendwie.
Abischai hat geschrieben:Ich habe früher nicht viel auf die Russen gehalten, das liegt in meiner Geschichte begründet,
Sind denn nur noch jugendliche Politiker im Amt, die sich nicht weiter als bis zur Ära Gorbatschow zurückerinnern können?
Man sollte die Russen nicht unterschätzen.

Mir tut es leid für die Produzenten, die jetzt einen Teil der im Schweiße ihres Angesichts erarbeiteten Ware nicht mehr loswerden und möglicherweise ihren finanziellen Verpflichtunen nicht mehr nachkommen können und Mitarbeiter entlassen oder den Betrieb aufgeben müssen.
:x
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closs
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#5 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von closs » Sa 16. Aug 2014, 22:17

Magdalena61 hat geschrieben:Hatten unsere Könige wirklich gedacht, wenn die Russen keine Pfirsiche und keine Nektarinen aus Europa mehr kriegen, werden sie weich?
Gut gesagt. :thumbup:

Im Grunde bricht in Europa jetzt durch, dass verschiedene Teile davon unterschiedlich orientiert sind. - Die Briten sind historisch genauso eng verbunden mit den USA wie die Deutschen mit Russland.

Der Friede wäre schnell da, wenn die Ukraine eine Verfassung verabschieden würde,

* die dem russisch-kulturellen Ostteil der Ukraine weitgehende INNEN-politische Autonomie gewähren würde,
* die eine Mitgliedschaft in der NATO per Verfassungrang ausschließt,
* die die Ukraine als nicht NUR EU-angebundenes, sondern auch als Russland-angebundenes Land definiert.

Mehr will Russland nicht - aber es wird in Kiew nicht gemacht, weil es aus dem Interesse der Kontinenten-Spaltung nicht sein SOLL. - Der USA wäre ein freier Markt von Lissabon bis Wladiwostok ein Gräuel - man braucht die transatlantische Freihandels-Zone.

Das wird nicht nur in Berlin gesagt und in anspruchsvollen Kommentaren geschrieben - man kann auch selber draufkommen, weil es sowas von naheliegend ist. - Aber nein - unser Mainstream-Presse-Kartell von Spiegel bis BILD ist wieder mal gleichgeschaltet.

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Magdalena61
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#6 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von Magdalena61 » Sa 16. Aug 2014, 22:32

closs hat geschrieben:Der Friede wäre schnell da, wenn die Ukraine eine Verfassung verabschieden würde,

* die dem russisch-kulturellen Ostteil der Ukraine weitgehende INNEN-politische Autonomie gewähren würde,
* die eine Mitgliedschaft in der NATO per Verfassungrang ausschließt,
* die die Ukraine als nicht NUR EU-angebundenes, sondern auch als Russland-angebundenes Land definiert.
Weiß nicht, ob das funktionieren würde.

Das Gebrummel in der Ukraine geht doch schon einige Tage lang. Das ist innerpolitisch. Die Ukraine sollte daran arbeiten, ihre Probleme selbst in den Griff kriegen und-- weder der Westen noch der Osten sollten sich da einmischen.
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#7 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von closs » Sa 16. Aug 2014, 22:50

Magdalena61 hat geschrieben:Die Ukraine sollte daran arbeiten, ihre Probleme selbst in den Griff kriegen
Das wollen und dürfen sie aber nicht - sie machen sich zum Werkzeug transatlantischer Interessen und werden dazu gemacht.

Pluto
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#8 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von Pluto » Sa 16. Aug 2014, 22:55

closs hat geschrieben:Der Friede wäre schnell da, wenn die Ukraine eine Verfassung verabschieden würde,
Ja. Es wäre an der Zeit, dass die Ukrainer endlich eine neue Verfassung bekämen.
closs hat geschrieben:* die dem russisch-kulturellen Ostteil der Ukraine weitgehende INNEN-politische Autonomie gewähren würde,
Gute Idee!
Ob die russische Minderheit das akzeptiert wäre aber fraglich. Besser wäre vllt. eine Volksbefragung. wie man sie früher den Elsäßern und Saarländern gewährte.
Aber ob die Ukrainer nach einer Jahrhunderte dauernden russischer Unterdrückung dazu fähig sind, ist fraglich.
* die eine Mitgliedschaft in der NATO per Verfassungrang ausschließt,
Warum sollte ein dem Westen freundlich gesinntes Land sowas verfassungsmäßig festlegen? Das kann man mit bilateralen Verträgen genausogut regeln.
* die die Ukraine als nicht NUR EU-angebundenes, sondern auch als Russland-angebundenes Land definiert.
Das wäre weder mit der EU-Verfassung konform, noch mit dem "Wunsch" der russischen Regierung im Einklang.
Eine Neutralität nach Schweizer Muster wäre da wohl eher annehmbar.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#9 Re: "Wirtschaftspolitik mit der Machete" oder:

Beitrag von closs » Sa 16. Aug 2014, 23:46

Pluto hat geschrieben:Aber ob die Ukrainer nach einer Jahrhunderte dauernden russischer Unterdrückung dazu fähig sind, ist fraglich.
Warum "russische Unterdrückung"? - Chrustschow war Ukrainer und hat seinen Landsleuten die Krim geschenkt. Stress gibt's erst seit der West-Orientierung der Ukraine nach 1990 - was ja deren gutes Recht ist.

Pluto hat geschrieben:Ob die russische Minderheit das akzeptiert wäre aber fraglich.
Denke schon - eine Süd-Tirolisierung wäre akzeptabel. - Da hat Rom damals einige Jahrzehnte gebraucht, bis es dort kapiert wurde - heute sind sie happy.

Pluto hat geschrieben: Besser wäre vllt. eine Volksbefragung. wie man sie früher den Elsäßern und Saarländern gewährte.
Ja - aber dagegen würde sich Kiew sperren.

Pluto hat geschrieben: Das kann man mit bilateralen Verträgen genausogut regeln.
Ja - welche, die nicht einseitig gekündigt werden dürfen.

Pluto hat geschrieben:Eine Neutralität nach Schweizer Muster wäre da wohl eher annehmbar.
Ja - dazu Freihandelszone mit Ost und West - besseres könnte der Ukraine nicht passieren. - Und: Sie würde an ihrer Ostgrenze nicht dauerhaft einem neuen Rüstungswall gegenüberstehen - welcher kommen wird, wenn die Falken gewinnen.

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