Paßt der Islam zu Deutschland?

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Novas
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#601 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Novas » So 20. Nov 2016, 07:43

Halman hat geschrieben:Genau, bei uns. Im sunnitischen Islam gilt sie nicht und bei den Zwölfer-Schiiten Irans auch nicht

Genau, bei uns gilt die Religionsfreiheit und diese gilt universal für alle Menschen. Das deutsche Grundgesetz (GG) sichert die Religionsfreiheit in Art. 4 Absatz 1, 2: „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ „(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“

Novalis hat geschrieben:Was spricht eigentlich dagegen, auch mal nach den Berührungspunkten des christlichen und muslimischen Glaubens zu fragen, was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten?
Halman hat geschrieben:Die Unterschiede sind fundamental


Zweifellos gibt es Unterschiede, aber sie sind nicht fundamental, fundamental sind die Gemeinsamkeiten. Schon alleine deshalb, weil Muslime menschliche Wesen sind. Diese menschliche Dimension verbindet uns über alle religiösen Glaubenssysteme hinweg. Religion kann auch menschenfeindlich ausgelegt werden, aber sie enthalten auch Prinzipien der Toleranz. Der Koran bejaht Pluralität und Glaubensfreiheit beispielsweise mit der Sure 10/99: „Und wenn dein Herr es gewollt hätte, wären alle auf Erden allesamt gläubig geworden. Willst du etwa die Leute zwingen, gläubig zu werden?“ – mit anderen Worten: Glaube kann nicht erzwungen werden und basiert, vergleichbar mit einer Liebesbeziehung, auf Freiheit, auf einer freiwilligen Herzensentscheidung des ganzen Menschen.

Ich stimme diesen Worten des Philosophen Alexander Grau zu:

„Im Grunde machen unsere hoch einfühlsamen Islamversteher denselben Fehler wie die blindwütigen Islamkritiker: Sie gehen davon aus, dass es einen wahren, eigentlichen Islam gibt und einen falschen oder verfälschten. Das aber ist naiv.
Nicht der Islam gehört zu Deutschland, sondern Menschen islamischen Glaubens

Die drei monotheistischen Religionen sind bekanntermaßen Buchreligionen. Sie gründen auf heiligen Schriften. Doch Tanach, Bibel und Koran sind hoch literarische Texte. Sie haben nicht die eine, wahre Bedeutung. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist Vieldeutigkeit – anders etwa als bei Gebrauchsanweisungen – schon in ihnen angelegt, in ihren sprachlichen Bildern, ihren Metaphern, ihren mehrdeutigen Bezügen. Dass verschiedenen Autoren über einen längeren Zeitraum an ihnen gearbeitet haben – auch am Koran –, macht die Sache nicht einfacher.
Zudem liegen zwischen der Entstehungszeit und unserer Gegenwart 3000, 2000 oder 1400 Jahre. Selbst das Verständnis spätantiker Religionstexte (Koran) ist durch diese kulturelle Differenz hoch problematisch – auch für Arabisch Sprechende.
Kurz und gut: Es gibt so viele Interpretationen des Korans wie es Leser gibt. Bedeutungen von Texten, auch von religiösen Texten, entstehen im Kopf. Sie sind nicht an ein Buch, an Papier oder an Druckerschwärze gebunden.
Doch das Gerede von „dem“ Islam ist nicht nur aus textwissenschaftlichen Gründen unsinnig. Es offenbart vor allem eine zutiefst kollektivistische und antipluralistische Auffassung von Religiosität. Religionen sind keine amorphen Gebilde, in denen der Einzelne namenlos aufgeht – auch wenn Konservative oder Fundamentalisten das gerne so hätten. Eine Religion existiert und lebt immer nur in jedem Einzelnen. Nicht der Islam gehört zu Deutschland, sondern Menschen, die islamischen Glaubens sind.

Dass nun ausgerechnet die gutmeinenden Vertreter des Westens sich einer antiindividualistischen Redeweise bedienen, lässt tief blicken. Soweit also ist man den konservativen Religionswächtern schon auf den Leim gegangen. Kein gutes Zeichen.

[…] Die Integration einer Religion in eine pluralistische Gesellschaft kann nur gelingen, wenn ihre Anhänger sie als eine spirituelle Haltung auffassen, die eine Vielzahl von Deutungen und Lebensweisen zulässt
.
http://www.cicero.de/berliner-republik/ ... -mir/58740

Zur TafsÄ«r (تفسير) gehört auch die Abrogation (نسخ nasch) mekkanischer Verse durch medanesische Schwertverse (z.B. Sure 9, Verse 5, 29 u. 111).

Akzeptiere doch mal, dass es verschiedene Lesarten einer Religion geben kann, auch wenn das Fundamentalisten nicht akzeptieren wollen. Willst Du dir an diesen ein Beispiel nehmen? Im Koran finden wir auch solche Sätze: “Wenn jemand einen Menschen tötet – es sei denn für das Töten eines anderen Menschen oder für das Hervorrufen von Gewalttat im Land – so soll es für ihn sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet.“ (Al Maidah, Sure 5, Vers 33) - jemanden ohne wahren (d.h. nachvollziehbaren) Grund zu töten, ist also eine unsagbar schwere Sünde. Dennoch gibt es ein Recht auf Selbstverteidigung, wie zum Schutz von Leib und Leben. Im Koran steht dazu: „Erlaubnis (sich zu verteidigen) ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah“ (22:40)
Das ist schon mal eine klare Einschränkung.

Mohammed trat nicht nur als Prophet auf, sondern vor allem auch als Feldheer

Auch Moses war ein Prophet, Feldherr, Gesetzgeber und Führer seines Volkes. Ebenso gibt es einige Gewaltpassagen in der Bibel. Wie gehst Du damit um? So gesehen sitzen wir alle im selben Boot. Wir alle tragen die Verantwortung eine menschenfreundliche Auslegung von Religion zu bestärken. Oder eben - und das ist die andere Alternative - Religion ganz hinter uns zu lassen. Wenn Religion zur Ursache von Hass und Feindseligkeit wird, obwohl es ihre Aufgabe ist die Herzen der Menschen zu erleuchten und zu vereinen, dann wäre es eine wahrhaft religiöse Tat, sie zu lassen.

Halman hat geschrieben:Beim christlichen Glauben steht die Liebe im Zentrum, beim Islam die Unterwerfung. Genau dies bedeutet nämlich das Wort Islam

Dann zeige mal deine Liebe im Umgang mit Muslimen :)Islam“ leitet sich als Verbalsubstantiv von dem arabischen Wort „aslama“ ab, was „übergeben, sich ergeben, hingeben“ bedeutet. Manchmal wird es auch als „Unterwerfung unter Gott“ übersetzt - im Sinne einer vollkommenen Hingabe (spätestens in der Stunde unsres Todes müssen wir uns alle vollkommen hingeben, wie es das bekannte Jesuswort sagt: "Vater in deine Hände, übergebe ich meinen Geist"). Auch im Christentum gibt es die Lehre der Prädestination, die besagt, dass der göttliche Wille die höchste Richtschnur ist. Ein Wille, der in der islamischen Theologie mit der Idee verbunden ist, dass Gott ArRaḥmān (der Erbarmer) und arRaḥīm (der Barmherzige) ist. Einer der 99 Namen Gottes ist im Islam „Al-Wadud“, was übersetzt „der Liebevolle, der alles mit seiner Liebe umfassende“ bedeutet.
Liebe ist also auch für Muslime sehr wichtig :wave:

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#602 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Novas » So 20. Nov 2016, 18:01

Halman hat geschrieben:Muslim ist die Kurzform von Muislam, der Allah unterworfene. Diese Unterwerfung geschieht praktisch durch die Befolgung der "göttlichen" Richtschnur (Qurán).
Der christliche Glaube ist christozenrisch, der Islam koranzentrisch. In der praktischen Umsetzung gilt natürlich die Koranexegese auf der Basis von at-TabarÄ« (839 – 923 n. Chr.), sowie die wichtigen Werke von Al-QurtubÄ« und Ibn KathÄ«r in Verbindung mit der Sunnah (Hadithe und Prophetenbiographien)

Damit ist noch nicht wirklich viel gesagt, lieber Halman. "Unterwerfung" ist nur eine mögliche Übersetzung. Ich bevorzuge das Wort Hingabe. Hingabe an wen oder was? Hingabe an den unendlichen Schöpfer, der im Koran als "der Barmherzige" und "Erbarmer" näher charakterisiert wird. Selbst wenn Du das Wort Unterwerfung wählst, so ist damit keine Unterwerfung unter einen finsteren Tyrannen gemeint, was das eher negativ klingende Wort "Unterwerfung" jedoch suggeriert - Hingabe hat eher einen positiven Klang, meint eher eine bewusste, reflektierte, freiwillige Handlung und Beziehung, die Herz und Verstand gleichermaßen einbezieht.

Da ergibt sich schon eine ganz andere Dimension der Bedeutung :)

Wissens gilt in 56 und 58 islamischen Ländern die Scharia und wolltest Du unter solchen Bedingungen leben? Von der Geschlechter-Apartheid ganz zu schweigen.

Bei uns gelten andere Gesetze: alle Menschen sind gleichberechtigt, es gibt universelle Menschenrechte. Mit diesem Bewusstsein im Hintergrund betrachte ich den Islam und jede andere Religion.

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Halman
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#603 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Halman » Mo 21. Nov 2016, 00:54

Novalis hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Genau, bei uns. Im sunnitischen Islam gilt sie nicht und bei den Zwölfer-Schiiten Irans auch nicht

Genau, bei uns gilt die Religionsfreiheit und diese gilt universal für alle Menschen. Das deutsche Grundgesetz (GG) sichert die Religionsfreiheit in Art. 4 Absatz 1, 2: „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ „(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“
Auf das Grundgesetz bin ich vereidig und es gehört auch zu meiner Fachausbildung (das Fach nannte sich Staats- und Europarecht, wobei Europarecht kaum vorkam). Das Problem dabei ist, dass der sunnitische Islam - konsequent ausgelebt - mit der Scharia im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht.
In welchem islamischen Land wird die ungestörte Religionsausübung gewährleistet? Und in welchen nicht? In welchen islamischen Ländern ist "die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses" unverletzlich? Oder ist es auch hier leichter welche zu finden, in dem dies nicht gewährleistet ist? Woran liegt dies wohl?

Novalis hat geschrieben:Zweifellos gibt es Unterschiede, aber sie sind nicht fundamental, fundamental sind die Gemeinsamkeiten. Schon alleine deshalb, weil Muslime menschliche Wesen sind. Diese menschliche Dimension verbindet uns über alle religiösen Glaubenssysteme hinweg. Religion kann auch menschenfeindlich ausgelegt werden, aber sie enthalten auch Prinzipien der Toleranz. Der Koran bejaht Pluralität und Glaubensfreiheit beispielsweise mit der Sure 10/99: „Und wenn dein Herr es gewollt hätte, wären alle auf Erden allesamt gläubig geworden. Willst du etwa die Leute zwingen, gläubig zu werden?“ – mit anderen Worten: Glaube kann nicht erzwungen werden und basiert, vergleichbar mit einer Liebesbeziehung, auf Freiheit, auf einer freiwilligen Herzensentscheidung des ganzen Menschen.
Du zitierst aus einer mekkanischen Sure und ignorierst das Abrogations-Prinzip. Damit ignorierst Du die Tafsīr.

Novalis hat geschrieben:Ich stimme diesen Worten des Philosophen Alexander Grau zu:

„Im Grunde machen unsere hoch einfühlsamen Islamversteher denselben Fehler wie die blindwütigen Islamkritiker: Sie gehen davon aus, dass es einen wahren, eigentlichen Islam gibt und einen falschen oder verfälschten. Das aber ist naiv.
Nicht der Islam gehört zu Deutschland, sondern Menschen islamischen Glaubens

Die drei monotheistischen Religionen sind bekanntermaßen Buchreligionen. Sie gründen auf heiligen Schriften. Doch Tanach, Bibel und Koran sind hoch literarische Texte. Sie haben nicht die eine, wahre Bedeutung. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist Vieldeutigkeit – anders etwa als bei Gebrauchsanweisungen – schon in ihnen angelegt, in ihren sprachlichen Bildern, ihren Metaphern, ihren mehrdeutigen Bezügen. Dass verschiedenen Autoren über einen längeren Zeitraum an ihnen gearbeitet haben – auch am Koran –, macht die Sache nicht einfacher.
Zudem liegen zwischen der Entstehungszeit und unserer Gegenwart 3000, 2000 oder 1400 Jahre. Selbst das Verständnis spätantiker Religionstexte (Koran) ist durch diese kulturelle Differenz hoch problematisch – auch für Arabisch Sprechende.
Kurz und gut: Es gibt so viele Interpretationen des Korans wie es Leser gibt. Bedeutungen von Texten, auch von religiösen Texten, entstehen im Kopf. Sie sind nicht an ein Buch, an Papier oder an Druckerschwärze gebunden.
Doch das Gerede von „dem“ Islam ist nicht nur aus textwissenschaftlichen Gründen unsinnig. Es offenbart vor allem eine zutiefst kollektivistische und antipluralistische Auffassung von Religiosität. Religionen sind keine amorphen Gebilde, in denen der Einzelne namenlos aufgeht – auch wenn Konservative oder Fundamentalisten das gerne so hätten. Eine Religion existiert und lebt immer nur in jedem Einzelnen. Nicht der Islam gehört zu Deutschland, sondern Menschen, die islamischen Glaubens sind.

Dass nun ausgerechnet die gutmeinenden Vertreter des Westens sich einer antiindividualistischen Redeweise bedienen, lässt tief blicken. Soweit also ist man den konservativen Religionswächtern schon auf den Leim gegangen. Kein gutes Zeichen.

[…] Die Integration einer Religion in eine pluralistische Gesellschaft kann nur gelingen, wenn ihre Anhänger sie als eine spirituelle Haltung auffassen, die eine Vielzahl von Deutungen und Lebensweisen zulässt
.
http://www.cicero.de/berliner-republik/ ... -mir/58740
Alexander Grau weiß doch sicher, dass ca. 85 Prozent der Muslime Sunniten sind und dass die theologischen Differenzen zwischen den vier sunnitischen Rechsschulen eher klein und sind und weitesgehend Idschmāʿ(إجماع), Übereinkunft besteht.
Nicht Alexander Grau, noch westliche Islamwissenschaftler, noch Novalis oder ich, legen fest, wie der Islam ausgelegt wird. Leider noch nicht mal Prof. Mouhanad Khorchide.
Der sunnitische Islam wird immer noch von den Sheikhs, den Imamen und Mullahs, ausgelegt, wie z.B. von Sheikh Dr. Muhammad Al-Arifi. Was sie sagen ist richtungsweisend im sunnitischen Islam. Sehr bedeutsam ist hier die Al-Azhar-Universität in Kairo.
Im schiitischen Islam haben die Geistlichen sogar eine noch höhere Bedeutung.

Novalis hat geschrieben:
Zur TafsÄ«r (تفسير) gehört auch die Abrogation (نسخ nasch) mekkanischer Verse durch medanesische Schwertverse (z.B. Sure 9, Verse 5, 29 u. 111).

Akzeptiere doch mal, dass es verschiedene Lesarten einer Religion geben kann, auch wenn das Fundamentalisten nicht akzeptieren wollen. Willst Du dir an diesen ein Beispiel nehmen? Im Koran finden wir auch solche Sätze: “Wenn jemand einen Menschen tötet – es sei denn für das Töten eines anderen Menschen oder für das Hervorrufen von Gewalttat im Land – so soll es für ihn sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet.“ (Al Maidah, Sure 5, Vers 33) - jemanden ohne wahren (d.h. nachvollziehbaren) Grund zu töten, ist also eine unsagbar schwere Sünde. Dennoch gibt es ein Recht auf Selbstverteidigung, wie zum Schutz von Leib und Leben. Im Koran steht dazu: „Erlaubnis (sich zu verteidigen) ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah“ (22:40)
Das ist schon mal eine klare Einschränkung.
Schön, Du zitierst aus einer späten medinensischen Sure. Gem. der Verseinteilung Sure 5 Vers 33, gem. gängigerer Einteilung Sure 5 Vers 32. Bitte lies doch mal den Folgevers.
Lies doch mal Sure 8 Vers 60 (bzw. 61) und Sure 5 Vers 38 (bzw. 39).

Bitte höre, was Manfred Kleine-Hartlage hierzu zu sagen hat.

Er schrieb das Buch Das Dschihadsystem. Wie der Islam funktioniert

Hier ein kleiner Einblick in die pakistanische Praxis.

Novalis hat geschrieben:
Mohammed trat nicht nur als Prophet auf, sondern vor allem auch als Feldheer

Auch Moses war ein Prophet, Feldherr, Gesetzgeber und Führer seines Volkes. Ebenso gibt es einige Gewaltpassagen in der Bibel. Wie gehst Du damit um?
Dazu hatte ich mich u.a. schon mal HIER geäußert.

Novalis hat geschrieben:So gesehen sitzen wir alle im selben Boot.
Wenn's doch nur so wäre.

Man sollte Äpfel wirklich nicht mit Birnen vergleichen.

Was die Gewalt in der Bibel angeht, verweise ich auf einen theologisch gebildeten Freund von mir: LESENSWERT.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#604 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Halman » Mo 21. Nov 2016, 00:56

Novalis hat geschrieben:Wir alle tragen die Verantwortung eine menschenfreundliche Auslegung von Religion zu bestärken. Oder eben - und das ist die andere Alternative - Religion ganz hinter uns zu lassen. Wenn Religion zur Ursache von Hass und Feindseligkeit wird, obwohl es ihre Aufgabe ist die Herzen der Menschen zu erleuchten und zu vereinen, dann wäre es eine wahrhaft religiöse Tat, sie zu lassen.
Das erzähl dies mal den sunnitischen Rechtsgelehrten, den Mullahs, von denen einer über Sabatina James, auf Basis von Sahih al-Bukhari 4:52:260 (Isnād Ikrima), die Todesstrafe für Apostasie verhängte. Soll ich es zitieren? Geht auch auf arabisch.

Novalis hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Beim christlichen Glauben steht die Liebe im Zentrum, beim Islam die Unterwerfung. Genau dies bedeutet nämlich das Wort Islam

Dann zeige mal deine Liebe im Umgang mit Muslimen :)
Du versteht mich mich. Meine Kritik richtet sich nicht gegen Menschen, sondern gegen die Ideologie eines soziopolitischen Systems. Es wäre lieblos von mir, nicht zu warnen.
Hamed Abdel Samad äußert klare Worte.

Der (sunnitische) Islam ist eine
- Religion
- politische Kraft
- politische Ideologie
- Rechtsordnung
- Gesellschaftsordnung.

Novalis hat geschrieben:Islam“ leitet sich als Verbalsubstantiv von dem arabischen Wort „aslama“ ab, was „übergeben, sich ergeben, hingeben“ bedeutet. Manchmal wird es auch als „Unterwerfung unter Gott“ übersetzt - im Sinne einer vollkommenen Hingabe (spätestens in der Stunde unsres Todes müssen wir uns alle vollkommen hingeben, wie es das bekannte Jesuswort sagt: "Vater in deine Hände, übergebe ich meinen Geist"). Auch im Christentum gibt es die Lehre der Prädestination, die besagt, dass der göttliche Wille die höchste Richtschnur ist. Ein Wille, der in der islamischen Theologie mit der Idee verbunden ist, dass Gott ArRaḥmān (der Erbarmer) und arRaḥīm (der Barmherzige) ist. Einer der 99 Namen Gottes ist im Islam „Al-Wadud“, was übersetzt „der Liebevolle, der alles mit seiner Liebe umfassende“ bedeutet.
Liebe ist also auch für Muslime sehr wichtig :wave:
Ein sunnitischer Muslim erklärte mir, dass die Liebe nicht der Kern des Islam ist, sondern die Gottergebenheit.

Zudem soll der Quran auf Basis der anerkannten Hadithe ausgelegt werden. Der Koran selbst verweist auf die Sunnah:
Die Gebetszeiten im Quran und in der Sunna & über den rechtlich verbindlichen Charakter der Sunna

Gem. der Hadith Nr. 30 in Sahih Muslim scheint mir die Wortwohl Unterwerfung angebracht zu sein.
Zitat aus Al-Bayan:
Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete:
Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Heil auf ihm, sagte: Mir wurde der Befehl erteilt, dass ich gegen die Menschen solange kämpfe, bis sie sagen: la ilaha illal-lah (Es gibt nichts anbetungswürdigeres außer Allah). Wer dann dies sagt, der rettet sein Vermögen und sein Leben vor mir, es sei denn, dass er gegen das Recht verstößt; und seine Rechenschaft ist (letzten Endes) Allah überlassen.
Bestätigt wird dies in Sahih Al-Bucharyy Nr. 2946.

Was ist dies anderes als Unterwerfung? Ich würde es Kapitulation nennen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#605 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Halman » Mo 21. Nov 2016, 01:05

Novalis hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Muslim ist die Kurzform von Muislam, der Allah unterworfene. Diese Unterwerfung geschieht praktisch durch die Befolgung der "göttlichen" Richtschnur (Qurán).
Der christliche Glaube ist christozenrisch, der Islam koranzentrisch. In der praktischen Umsetzung gilt natürlich die Koranexegese auf der Basis von at-TabarÄ« (839 – 923 n. Chr.), sowie die wichtigen Werke von Al-QurtubÄ« und Ibn KathÄ«r in Verbindung mit der Sunnah (Hadithe und Prophetenbiographien)

Damit ist noch nicht wirklich viel gesagt, lieber Halman. "Unterwerfung" ist nur eine mögliche Übersetzung. Ich bevorzuge das Wort Hingabe. Hingabe an wen oder was? Hingabe an den unendlichen Schöpfer, der im Koran als "der Barmherzige" und "Erbarmer" näher charakterisiert wird. Selbst wenn Du das Wort Unterwerfung wählst, so ist damit keine Unterwerfung unter einen finsteren Tyrannen gemeint, was das eher negativ klingende Wort "Unterwerfung" jedoch suggeriert - Hingabe hat eher einen positiven Klang, meint eher eine bewusste, reflektierte, freiwillige Handlung und Beziehung, die Herz und Verstand gleichermaßen einbezieht.

Da ergibt sich schon eine ganz andere Dimension der Bedeutung :)
Welche im krassen Widerspruch zu Sahih Al-Bucharyy Nr. 2946 steht:
Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: „Mir wurde der Befehl erteilt, dass ich gegen die Menschen solange kämpfen soll, bis sie sagen: „la ilaha illa-llah (= kein Gott ist da außer Allah).“ Wer dann dies sagt, der rettet sein Leben und Vermögen vor mir, es sei denn, dass er gegen das Recht verstößt und die Abrechnung mit ihm ist (letzten Endes) Allah überlassen. ...“

(Vgl. dazu Hadith Nr. 0025)
[Sahih Al-Bucharyy Nr. 2946]

Novalis hat geschrieben:
Wissens gilt in 56 und 58 islamischen Ländern die Scharia und wolltest Du unter solchen Bedingungen leben? Von der Geschlechter-Apartheid ganz zu schweigen.

Bei uns gelten andere Gesetze: alle Menschen sind gleichberechtigt, es gibt universelle Menschenrechte. Mit diesem Bewusstsein im Hintergrund betrachte ich den Islam und jede andere Religion.
Hast Du dich schon mal gefragt, wie der Islam uns betrachtet? Wie der Islam zu den universeller Menschenrechten steht? Dazu lasse ich eine Frauen- und Menschenrechtlerin zu Wort kommen:
Zitat aus Epochtimes:
James kann ihre Forderungen untermauern: Die Organisation für islamische Zusammenarbeit (OIC), ein Zusammenschluss von 56 Staaten, sagt öffentlich, dass Frauen und Andersgläubige keine Menschen im rechtlichen Sinne sind. James sagt, solange die islamische Welt solche Rechtsvorstellungen vertrete, „kann eine Masseneinwanderung von dort für uns nicht sinnvoll sein.“ Sie fährt fort: „Wir sind generell nicht dafür zuständig, die undemokratische islamistische Welt zu demokratisieren.“ Sie setzt sich dafür ein, Menschen aufzunehmen, die keine Sicherheit in islamischen Ländern bekommen. Das sind insbesondere Jesiden und orientalische Christen.
Die OIC vertritt offenbar andere Ansichten bezüglich Menschenrechte als unser "Westen".
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#606 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Novas » Mo 21. Nov 2016, 07:59

Halman hat geschrieben:Hast Du dich schon mal gefragt, wie der Islam uns betrachtet? Wie der Islam zu den universeller Menschenrechten steht?

Das kommt auf die Deutung und Auslegung an. Wenn gesagt wird, dass es "den" Islam nicht gibt, müsste eigentlich präziser beigefügt werden: nicht unabhängig von einer Deutung. Besonders deutlich wird das, wenn man realisiert, dass Islam eben nicht nur eine strenge Gesetzesreligion ist, denn es gibt auch einen mystischen Islam, wie er in den Werken von Rumi und al-Ghazali gefunden werden kann.
Das ist die innere Dimension (die "Seele") dieser Religion, die eine Theologie mit menschlichem Antlitz sichtbar macht, in der die Reinigung des Herzens und der Kampf gegen die eigenen niederen Eigenschaften, das eigene Ego im Vordergrund steht, das gilt als der wahre (große) Dschihad.

Was auch inhaltlich Sinn macht, denn Dschihad bedeutet übersetzt „heilige Anstrengung“ oder „Bemühung“ auf dem spirituellen Weg und eben nicht heiliger Krieg. Wenn Islam völlige Hingabe (oder sogar Unterwerfung unter den göttlichen Willen) bedeutet, dann zeigt sich dies vor allem in Jesus in Gethsemane: "Nicht, was ich will, sondern was Du willst" (Mk 14,32) - womit er in Vollendung das verkörpert, was "iman" (Glaube) im arabischen bedeutet: "Vertrauen haben in..." die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Wenn wir die Barmherzigkeit in den Mittelpunkt rücken, kann ein Dialog gelingen (was natürlich Religionskritik an unbarmherzig-menschenfeindlichen Deutungen beinhaltet, also ich befürworte keine Schönrederei)

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#607 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Novas » Mo 21. Nov 2016, 22:20

Halman hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Islam“ leitet sich als Verbalsubstantiv von dem arabischen Wort „aslama“ ab, was „übergeben, sich ergeben, hingeben“ bedeutet. Manchmal wird es auch als „Unterwerfung unter Gott“ übersetzt - im Sinne einer vollkommenen Hingabe (spätestens in der Stunde unsres Todes müssen wir uns alle vollkommen hingeben, wie es das bekannte Jesuswort sagt: "Vater in deine Hände, übergebe ich meinen Geist"). Auch im Christentum gibt es die Lehre der Prädestination, die besagt, dass der göttliche Wille die höchste Richtschnur ist. Ein Wille, der in der islamischen Theologie mit der Idee verbunden ist, dass Gott ArRaḥmān (der Erbarmer) und arRaḥīm (der Barmherzige) ist. Einer der 99 Namen Gottes ist im Islam „Al-Wadud“, was übersetzt „der Liebevolle, der alles mit seiner Liebe umfassende“ bedeutet.
Liebe ist also auch für Muslime sehr wichtig :wave:
Ein sunnitischer Muslim erklärte mir, dass die Liebe nicht der Kern des Islam ist, sondern die Gottergebenheit

Ja, Ergebenheit an den Gott, der als der Barmherzige und Liebevolle charakterisiert wird, der mit seiner Liebe alle Dinge umfasst. In "Der Anfang der rechten Leitung" schreibt al-Ghazali: "Freue Dich nur in der Vermehrung von Wissen und guten Werken, denn sie sind deine Freunde" - das ist mit Ergebenheit gemeint. Glauben (Gott vertrauen) und den geraden Weg gehen, dessen Säulen Wissen und gute Werke sind.

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#608 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Ska'ara » Di 22. Nov 2016, 18:50

Novalis hat geschrieben: Die allermeisten Muslime sind gar nicht so fanatisch wie Manche sie hinstellen wollen.
Nicht?


Hingabe ist also das, worum es Muslimen geht: Hingabe an Gott, als einem barmherzigen Beschützer, auf den wir unser Vertrauen setzen können. Bismi llahi l-rahmani l-rahim - Im Namen Gottes des Allerbarmers, des Allbarmherzigen .


So beginnt der Koran ;) das klingt schon mal nicht nach einem finsteren Allherrscher, der die Menschen nieder hält und absoluten Gehorsam fordert.
Diese Barmherzigkeit gilt nur für Muslime. Und du willst den Koran kennen? :thumbdown:


Ich sehe das konstruktiv: die Beschäftigung mit dem Islam kann unsre christliche Glaubenspraxis und Menschsein vertiefen.
Kaum. Es gibt keine Verbindung, sondern nur Assimilierung.

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#609 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Ska'ara » Di 22. Nov 2016, 19:18

Novalis hat geschrieben: Bei uns gelten andere Gesetze: alle Menschen sind gleichberechtigt, es gibt universelle Menschenrechte. Mit diesem Bewusstsein im Hintergrund betrachte ich den Islam und jede andere Religion.
Du betrachtest den Islam mit einer verzerrten Brille. Die Menschen- und Grundrechte werden doch immer wieder verbogen. Politiker lügen, es gibt Korruption und Ungerechtigkeit, der niemand Herr wird, obwohl es ganz einfach ginge. Unsere Rechte sind leider flexibel wie die Macht, die sie zulässt. Sie sind keine Naturkonstante oder physikalische Gesetzmäßigkeit. Lass die Ausweitung einer menschlichen Macht - meinetwegen im Mantel einer Religion - zu, und wir haben Unterdrückung pur.

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#610 Re: Paßt der Islam zu Deutschland?

Beitrag von Pluto » Di 22. Nov 2016, 19:48

Ska'ara hat geschrieben:Unsere Rechte sind leider flexibel wie die Macht, die sie zulässt. Sie sind keine Naturkonstante oder physikalische Gesetzmäßigkeit. Lass die Ausweitung einer menschlichen Macht - meinetwegen im Mantel einer Religion - zu, und wir haben Unterdrückung pur.
Hast du gut formuliert.
Sehe ich sehr ähnlich.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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