Die Bibel- ein inhumanes Buch?

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#21 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von closs » Mi 15. Jul 2015, 20:36

sven23 hat geschrieben:Von einer Religion sollte man mehr erwarten dürfen, egal wie alt die Texte sind, zumal ja Gott überzeitlich sein soll.
Da müsste man darüber reden, was eigentlich Heilsgeschichte ist. - Nur kurz (weil es sehr weit führen würde):

Das AT ist ein Terrain der Dunkelheit, in dem es immer wieder mal Licht gibt. - Man weiss nie genau, ob eine Aussage göttlich ist, Interessen des Schreibers repräsentiert oder den Geistes-Status einer handelnden Person beschreibt - manchmal kann man es spüren (also wieder nix für HKM).

Deine Aussagen sind so ähnlich, als würde man mit einer Taschenlampe durch eine große Höhle stolpern und es der Lampe anlasten, wenn's einen mal hinbrettert. - Heilsgeschichte ist natürlich NICHT überzeitlich - sie ist das zähe Entwickeln zu geistiger Erkenntnis - egal ob ontogenetisch oder phylogenetisch.

sven23 hat geschrieben:Das gab es ja sogar mal, aber die Zeiten sind zum Glück vorbei.
Warum "zum Glück"? - Natürlich soll man nichts verbieten - aber was bringt es, wenn Hinz und Kunz dummes Zeug über das AT erzählen, weil wir eine Meinungs-Gesellschaft sind. - Diesbezüglich stehe ich auf der Seite von 2Lena - auch wenn ich auch manchmal nicht blicke, was sie sagt.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#22 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von sven23 » Mi 15. Jul 2015, 20:54

closs hat geschrieben: Diesbezüglich stehe ich auf der Seite von 2Lena - auch wenn ich auch manchmal nicht blicke, was sie sagt.
Da bist du nicht der Einzige. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#23 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von 2Lena » Do 16. Jul 2015, 23:32

closs hat geschrieben:Diesbezüglich stehe ich auf der Seite von 2Lena - auch wenn ich auch manchmal nicht blicke, was sie sagt.
Sagt doch bitte - WAS - ihr nicht erblickt.
(Einzelheiten)
Es wurde nie über so ein Thema geschrieben. Man braucht Erfahrung. Die kommt natürlich auch durch weit mehr Rückmelung.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#24 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von closs » Do 16. Jul 2015, 23:50

2Lena hat geschrieben:Sagt doch bitte - WAS - ihr nicht erblickt.
Deinen Detail-Erläuterungen kann ich folgen (indem ich sie mangels eigener Kompetenz glaube). - Im Großen jedoch ist mir jedoch die Beziehung zwischen äußerer Handlung (was übersetzt erscheint) und innerer Handlung (was Du erläuterst) nicht verständlich.

Was haben die Leute damals gehört, wenn ihnen Bibel-Texte vorgelesen wurde? - Doch mindestens AUCH die äußere Handlung - oder nicht? - Wenn ja (was ich vermuten möchte), müsste Deine innere Handlung eine konnotative Unterlegung der äußeren Handlung gewesen sein. - ODER: Die innere Handlung war keine Konnotation und wurde von den Leuten simultan als eigene Handlungs-SChiene verstanden. - Oder gar nicht verstanden, weil es nur Schriftgelehrte verstanden. - Da blicke ich bei Dir nicht durch.

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#25 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von 2Lena » Fr 17. Jul 2015, 00:38

Hallo closs,

danke dir für deinen Hinweis.
closs hat geschrieben:Was haben die Leute damals gehört, wenn ihnen Bibel-Texte vorgelesen wurde? - Doch mindestens AUCH die äußere Handlung - oder nicht?
Beobachte mal in einer Synagoge. Dazu müstest du aber den einen oder anderen Text in Auslegung kennen, dass du die "Körpersprache" interpretieren kannst, wo unbewusst die Mehrfachbedeutung wahrgenommen wird - (falls sie erfasst wurde) und trotzdem auch die historischen Daten als felsenfeste Überzeugung vorliegen.

Einer der Kirchenväter (ich muss die Zitate erst suchen) beschreibt es passend, dass jedem die Bibeltexte zu verschiedenen Zeiten und Stimmungen etwas Besonderes in den Sinn geben. Das ist ein bisschen wie ein Liebeslied. Verliebt wirst du es besonders intensiv wahrnehmen, sonst vielleicht nur auf irgenwelche Kombination in den Tönen achten, wenn du musikalisch bist. In diesem Sinn nehmen alle die Bibel "persönlich" unterschiedlich und gar nicht mehr absolut wörtlich.

Es gab schon in den Anfängen in Judäa bei den Schriftgelehrten verschiedene Auslegungen. Die eine etwas "schwache", die nur grad bei wirklich handgreiflichen Schrägheiten die andere Wortvariante überlegte. Damit werden die ärgsten Dummheiten, die entstehen könnten, etwas abgemildert. Man hat eine Begründung für das Andersdenken. An Wissen fehlte bereits viel.

Die genauere Konstruktion geht allen Regeln des Auflösens nach, der im Text beschrieben wird. Wenn z. B. bei Kain die Rede ist von siebenfach gerächt, so weiß man: Das Wort "jekum" hat sieben Verbformen. Die nimmt man in den beschriebenen sieben Varianten und bekommt im Primitivfall sieben Sätze (was an Erfahrung kommen soll oder was sich rächen würde). Das wird im deutschen Text nicht erschlossen, weil es die Verbformen nicht gibt. Wer genauer arbeitet, der vervielfacht die Aussagen. Die Konstruktion der Analysen in der Grammatik und in der Philosophie kann er erschließen, hat dann 32 Sätze. Wer sich in der Historik auskennen würde, könnte die äußere Erzählung dann noch mit Gesetzen, der Philosophie sowie mit den historischen Daten zusätzlich erschließen.

In einfachster Art bekommt man bereits eine Ahnung durch - Abel heißt Idol oder Nichtigkeit, Kain aber "man gewinnt". Da kann einer im praktischen Fall bei jeder Gelegenheit mit Überlegungen Nutzen herausziehen, was sich rächen wird und was entwickelt werden solle. Wie in einer Gleichung werden eigene "Idole" und eigenes "ich gewinne" auf viele Arten ermittelt.

In der übersetzten Erzählung kommt die historische Sicht, aber das Erschrecken über Brudermord und seltsame Reden. Damit geht nichts weiter - außer vergeblicher Diskussion. vergeblich.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#26 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 00:46

2Lena hat geschrieben: Das wird im deutschen Text nicht erschlossen, weil es die Verbformen nicht gibt.
Das glaube ich Dir unbesehen - es fällt einfach bei der Übesetzung eine Ebene weg.

2Lena hat geschrieben:In der übersetzten Erzählung kommt die historische Sicht, aber das Erschrecken über Brudermord und seltsame Reden.
Auch hier sind wir uns einig. - Meine Frage aber war:

Wenn man in Gehirn und Bauch eines Juden hinausschauen würde, wenn der Text gesprochen wurde: Was würde man dann erkennen? - Würden die Leute
a) erkennen, dass Kain Abel erschlägt?
b) erkennt er die vervielfachten Aussagen
b1) bewusst
b2) unbewusst?

Ich möchte mir Deine Ausführungen in der Praxis damals vorstellen können - oder heute bei jüdischen Schriftgelehrten.

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#27 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von 2Lena » Fr 17. Jul 2015, 00:57

Durch die Bibelübersetzung (weltweit "anerkannt") wird Punkt a) genommen.
Nach mehrmaligem Studieren und darüber reden Punkt b) wahrgenommen.

Weil in Familien unterschiedlich geredet wird gibt es b1 und b2.
Richtig wäre eine offizielle "Leitlinie".

Die ist (fast überall) im Katechismus zu finden, aber weil Punkt b) nicht gelehrt wird - statt dessen historische Kritik aufgebauscht als "Wissen", geht die Schieflage in der Religion.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#28 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 01:29

2Lena hat geschrieben:aber weil Punkt b) nicht gelehrt wird - statt dessen historische Kritik aufgebauscht als "Wissen", geht die Schieflage in der Religion.
Da sind wir einer Meinung.

Trotzdem beantwortet es nicht die Frage, wie die Menschen damals ganz praktisch mit a) und b) umgegangen sind.

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#29 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von 2Lena » Fr 17. Jul 2015, 14:02

closs hat geschrieben:Trotzdem beantwortet es nicht die Frage, wie die Menschen damals ganz praktisch mit a) und b) umgegangen sind.
Die Fortsetzung des gleichen Stils beim Schreiben - bis zum NT - müsste die Frage eigentlich ausreichend beantworten können.

Mit den Heiligenlegenden - bei dem Fehlen der Übernahme der hebräischen Schreibweise - hörte das Verständnis auf. Ein Teil ist noch im alten Stil, das andere wie es scheint übertrieben erzählt. Man konnte da nicht genau unterscheiden.

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#30 Re: Die Bibel- ein inhumanes Buch?

Beitrag von Halman » Do 31. Dez 2015, 00:02

Zurzeit wird Thread Wird die Philosophie unterschätzt? u.a. kontrovers über die "Gewalt in der Bibel" diskutiert. Da meine Stellungsname dazu nicht philosophischer Art ist, sondern religiöser, habe ich mich entschlossen, mich hier zu dieser kontroversen Thematik zu äußern.
Als Christ verstehe ich meinen Glauben als eine Religion, welche die Liebe und Nächstenliebe ins Zentrum rückt und ich bin davon überzeugt, dass hier im Forum und darüber hinaus viele Christen diese Überzeugung teilen.
Die Christenheit präsentiert sich in der Welt nicht als monolithischer Block, sondern in der Vielschichtigkeit verwandter Strömungen, welches sich teilweise kontrovers begegnen. So ist auch der Umgang mit den »Gewaltversen« des Alten Testaments verschieden.
Vielleicht finden sich hier einige im ersten zitierten Satz aus dem Buch Der Atheismus-Wahn von Alister McGrath und Joanna Collicutt McGrath wieder, der auf Seite 114 unter dem Kapitel "Wie man das Alte Testmant lesen sollte" zu finden ist:
Natürlich finden viele moderne, jüdische und nicht-jüdische Leser aufgrund ihrer kulturellen Distanz zu der längst vergangenen Ära viele Teile des Alten Testaments merkwürdig, vielleicht sogar entsetzlich.
Auch ich räume ein, dass mich zumindest manche biblische Textstellen befremden. Doch schauen wir weiter, was McGrath hierzu auf den Seiten 114-115 sagt:
Historisch betrachtet ist es wichtig anzuerkennen, dass diese antiken Texte inmitten eines Volkes entstanden, das darum rang, eine Art von Gruppen- oder Nationalidentität zu bewahren, während es von allen Seiten angegriffen wurde. Es versuchte, sich seine menschliche Situation in Beziehung zu einem Gott zu erklären, über dessen Wesen es im Laufe der Zeit immer mehr lernte. Während der zirka 1.000-jährigen Entwicklung seines Gottesverständnisses entstand das Material, aus dem die Schriften des Alten Testaments bestehen, und zwar sowohl mündlich als auch schriftlich.

Auch Sabatina James äußerst sich in ihrem Buch Scharia in Deutschland zu diesem Thema:
... Auch andere, vergleichbare Geschichten, in denen Gott hart mit den Menschen umgeht, sind historische Parabeln, keine Kampfaufrufe an uns. Der Gott des Alten Testaments sprach durch sündige Menschen, durch Propheten und Lehrer. Abraham und Moses vorzuwerfen, dass sie sich nicht an die Kultur und Normen des 21. Jahrhunderts gehalten haben, wäre ein geradezu absurder Anachronismus. Wer wissen will, wie der Gott des Christentums ist, muss dagegen auf Jesus von Nazareth schauen. Er ist die vollkommene Selbstoffenbarung Gottes.

... Oft wird der Zusammenhang bestimmter Textstellen ignoriert, um alttestamentarische Gewalt mit der islamistischen Gewalt gleichzusetzen und letztere zu relativieren. Doch das ist theologischer Analphabetismus. Die so gerne zitierten »Gewaltverse« aus dem Alten Testament sind auch kein neues Problem für die Kirche. Ebenso wenig sind sie eine Entdeckung von von Muslimen oder Atheisten, mit der sich Christen nun endlich befassen müssten. Bereits in den ersten Jahrhunderten des Christentums lehrten christliche Theologen wie Origenes aus Alexandrien (ca. 185–254 n. Chr.), dass das Alte Testament nur vom Neuen Testament her zu interpretieren ist, sprich vom Standpunkt Christi aus. Und dieser hat weder Gewalt gelehrt noch Gewalt ausgeübt. Er war vielmehr Opfer der Gewalt durch andere.
Barino Barsoum thematisierte dies in Gegenüberstellung zum Islam im Video Muslime & Bibel:

Zitat von Al Hayat TV Net:
Zusammenfassend können wir sagen, dass die Gewalt im Alten Testament ein zeitlich und geografisch begrenztes Mittel war damit sich das Volk Israel in einer kriegerischen Zeit gegen seine Feinde behaupten konnte.
Der Tanach (AT) enthält nicht nur normative Texte, wie den Dekalog, sondern auch narrativ-deskriptive Texte, in denen einfach berichtet wird, z.B. über Lot und seine Töchter. Auch dies dient gläubigen Bibellesern zur "Belehrung" und "Unterweisung" (s. 2 Tim 3:16), aber nicht als Vorbild, es genau so nachzuahmen.

Alister McGrath führte dazu auf Seite 116 seines Buches aus:
Zitat aus Der Atheismus-Wahn:
Jesus hat den Wein des Evangeliums nicht de novo geschaffen, sondern das Wasser des jüdisches Gesetzes genommen und es in etwas Besseres umgewandelt. Die Schriften des Alten Testaments werden durch einen christologischen Filter oder ein christologisches Prisma gelesen und interpretiert. Aus diesem Grund wird das kultische Regelwerk, das auf den Seiten des Alten Testaments ausbreitet wird, nicht von Christen angewandt - noch wurde dies jemals zuvor von ihnen getan.
Welche Botschaft hatte Jesus? Als Jesus befragt wurde, wer unser Nächster sei, antwortete er mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samarither. Demnach ist jeder unser Nächster. Wir sollten handeln, wie der barmherzige Samarither.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Antworten