Tja, ein Proton müsste man sein...

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Pluto
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#11 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von Pluto » Do 7. Jan 2016, 14:36

ThomasM hat geschrieben:Auch der Kollaps selber ist ein Vorgang, der sich sehr "unnatürlich" anfühlt, d.h. es ist etwas, was sich nicht mit einer dynamischen Gleichung beschreiben läßt. Mathematisch geht bei diesem Vorgang die Unitarität verloren, eines der ganz grundlegenden Eigenschaften physikalischer Gleichungen.Sehe ich genauso.
Man nennt es einfach "Kollaps". Aber was ist eigentlich der "Kollaps"?
So weit ich weiß, gibt es kein Modell dafür.

Dass die Unitatität verloren geht, ist nicht weiter schlimm. So lange die anderen beiden Axiome der Physik erhalten bleiben: (a) Information und (b) die Monogamie der Verschränkung.

ThomasM hat geschrieben:Eine alternative Interpretation ist die der Dissoziation ins Wärmebad.
Kommt ein mikroskopisches System mit einem Makroskopischen in Kontakt (Wechselwirkung), dann kollabiert die Wellenfunktion nicht, sondern sie dissoziiert, d.h. die einzelnen Verschränkungen vermischen sich mit der großen Menge der Atome der Umgebung, wie sich Wärme in einem Wärmebad verteilt. Dadurch werden die Verschränkungen zwar nicht aufgehoben, aber bis in die Unkenntlichkeit und Unmessbarkeit im "Universum" verteilt. Betrachtet man das ursprüngliche System wieder isoliert, dann haben sich dessen Verschränkungen in Luft aufgelöst und die entsprechende Wellenfunktion zeigt die "kollabierte" Form.
Was heißt "dissoziiert"?
Der Begriff ist mir aus der Chemie vertraut, aber in der Physik höre/lese ich ihn zum ersten Mal.

ThomasM hat geschrieben:Der Nachteil dieser Alternative ist, dass die Unentscheidbarkeit der Zukunft praktisch auf das Universum gehoben wird. Jetzt geht zwar alles seinen unitären Gang, aber wir wissen immer noch nicht, wie sich der Zustand des Universums als Ganzes entwickelt.
Der Laplace'sche Dämon lässt grüßen. :mrgreen:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#12 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von ThomasM » Do 7. Jan 2016, 16:47

Pluto hat geschrieben: Man nennt es einfach "Kollaps". Aber was ist eigentlich der "Kollaps"?
So weit ich weiß, gibt es kein Modell dafür.
Wie ich betonte, es gibt keine dynamische Gleichung dafür. Was das ist, ist schon klar.
Betrachtet man ein mikroskopisches System in Beziehung zu einer Observablen (z.B. den Spin), dann kann man das System so präparieren, dass die Messung der Observablen ein eindeutiges Ergebnis ergibt (Der Spin des Systems zeigt in eine Richtung). Mathematisch ist das System gleich einem Term für dieses Ergebnis der Observablen.

Nun wartet man einfach, d.h. das System entwickelt sich nach der Schrödinger Gleichung weiter. Nach einer Weile fragt man, wie das System in Bezug auf die Observable aussieht.
Man findet in der Regel keine eindeutige Antwort mehr. Das System befindet sich in Bezug auf diese Observable in einem verschränkten Zustand (mit der Wahrscheinlichkeit zeigt das System nach oben, mit der nach unten). Mathematisch ist das die Summe aus mehreren Termen, jeder stellt ein mögliches Ergebnis dar.

Messe ich aber nach, finde ich wieder eine eindeutige Antwort. Nach der Messung ist das System also wieder durch einen einzigen Term beschreibbar. Die anderen Terme sind verloren gegangen. Das nennt man den Kollaps.

Pluto hat geschrieben: Dass die Unitatität verloren geht, ist nicht weiter schlimm. So lange die anderen beiden Axiome der Physik erhalten bleiben: (a) Information und (b) die Monogamie der Verschränkung.
Oh, die Unitarität spiegelt die Vollständigkeit einer physikalischen Beschreibung wieder. Schaffst du die ab, dann sagst du also: Es gibt Dinge, die durch meine Theorie nicht beschrieben wird. Die Theorie ist gar kein richtiges physikalisches Modell.
Das ist für eine grundlegende Modellierung also eine fundamentale Forderung. Nur eben mathematisch recht komplex.

Pluto hat geschrieben: Was heißt "dissoziiert"?
Der Begriff ist mir aus der Chemie vertraut, aber in der Physik höre/lese ich ihn zum ersten Mal.
Ich habe ihn hier gebraucht, um anschaulich zu machen, was passiert.
Das Problem ist ja, dass ich aufgrund der Gleichungen eine Summe von Termen bekomme, bei einer Messung aber nur einen Term herausbekomme. Wo sind die anderen Terme hin?
Der Trick hier ist, dass ich gleich mit zwei Termen starte, einen, der das Mikrosystem darstellt, und der andere, der die Umgebung darstellt. Solange die beiden nicht miteinander in Kontakt stehen, kann man das ganz einfach als Summe unabhängig schreiben.

Jetzt lasse ich meine Schrödinger Gleichung wirken. Ich bekomme für mein Mikrosystem mehrere Terme, die die Verschränkungen darstellen. Davon bleibt einer übrig, die anderen werden von der Umgebung aufgenommen.
Da die Umgebung "unendlich" groß ist, verändert sich die Umgebung nicht oder nur so wenig, dass ich keine Chance habe, das zu merken.

Das ist so ähnlich, als würde eine glühende Herdplatte abkühlen und die Wärme wird von der Atmosphäre aufgenommen. Die Atmosphäre erwärmt sich, aber so wenig, dass ich davon nix merke.

Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Der Nachteil dieser Alternative ist, dass die Unentscheidbarkeit der Zukunft praktisch auf das Universum gehoben wird. Jetzt geht zwar alles seinen unitären Gang, aber wir wissen immer noch nicht, wie sich der Zustand des Universums als Ganzes entwickelt.
Der Laplace'sche Dämon lässt grüßen. :mrgreen:
Meines Erachtens hatte der Laplacesche Dämon nur die Aufgabe, das Entropiegesetz zu unterlaufen, aber nicht, die zukünftige Entwicklung des Systems in Frage zu stellen. Klassisch war die Zukunft immer für alle Zeiten festgelegt.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#13 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von closs » Do 7. Jan 2016, 17:32

Pluto hat geschrieben:Suchst du in dem kleinsten und leichtesten Teilchen der Welt vielleicht Gott?
Nein - Gott, wenn es ihn gibt, ist in seinem Wesen weder im Makrokosmos noch im Mikromosmos beheimatet.

Pluto hat geschrieben:Nichts, denn das Photon ist Zeitlos.
Eben. - Und weil Du erfreulicher diesen Thread eröffnet hast: Was "sieht" ein "Ding", wenn es ohne Zeit ist, von dem, was wir "Zeit" (und somit Abläufe) nennen? (MIt "Ding" kann auch eine Welle gemeint sein - Hauptsache, es ist naturwissenschaftliche Realität). - Worauf würde man kommen, wenn man sich auf dieses Gedanken-Experiment einlässt?

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#14 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von Pluto » Do 7. Jan 2016, 19:53

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nichts, denn das Photon ist Zeitlos.
Eben. - Und weil Du erfreulicher diesen Thread eröffnet hast: Was "sieht" ein "Ding", wenn es ohne Zeit ist, von dem, was wir "Zeit" (und somit Abläufe) nennen?
Ich habe keine Ahnung.
Darüber zu spekulieren ist nicht Meins.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#15 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von closs » Do 7. Jan 2016, 20:06

Pluto hat geschrieben:Ich habe keine Ahnung. Darüber zu spekulieren ist nicht Meins.
Wir reden ja nicht von naturwissenschaftlichen Aussagen, sondern davon
* dass ein Photon "ein Ding" ist (egal ob als Korpuskel oder als Welle)
* und somit physikalisch existiert
* und somit etwas "tut"
* und somit aus UNSERER Sicht etwas in der Zeit tut.

Wenn es aus UNSERER Sicht der Zeit etwas "tut", heisst das nicht unbedingt, dass es selbst etwas aus SEINER Sicht in der Zeit tut. - Aber "tun" tut es etwas. :lol: - Somit müsste theoretisch beschreibbar sein, was es aus seiner physikalischen Position "tut".

Tatü - tata - tut-tut. :oops:

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#16 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von Pluto » Do 7. Jan 2016, 20:16

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich habe keine Ahnung. Darüber zu spekulieren ist nicht Meins.
Wir reden ja nicht von naturwissenschaftlichen Aussagen, sondern davon
* dass ein Photon "ein Ding" ist (egal ob als Korpuskel oder als Welle)
* und somit physikalisch existiert
* und somit etwas "tut"
* und somit aus UNSERER Sicht etwas in der Zeit tut.
Wie gesagt, das Photon ist ein Energieträger ohne Masse.

Da es mit normaler Materie (Protonen/Elektronen) wechselwirkt, ist es Teil des Universums. Trotzdem ist Zeit für ein Photon ohne jegliche Bedeutung.

Du hattest Recht, die Welt des Photons ist nicht Gottes Welt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#17 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von closs » Do 7. Jan 2016, 20:30

Pluto hat geschrieben:Wie gesagt, das Photon ist ein Energieträger ohne Masse.
Aber es ist eine definierbare Größe, also nicht Nichts und nicht unendlich. - Da es so ist, "ist" es etwas. - Nochmals: Wir reden nicht von Messproblemen, sondern SEINE ontologische Qualität und dessen Beschreibbarkeit aus SEINER Sicht. - Wenn man im geistigen Experiment die Welt aus Sicht des Protons ermitteln will (das war DEIN Ansatz), müsste es doch auch aus Sicht des Photons gehen - beide "SIND" - bei aller Unterschiedlichkeit.

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#18 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von Halman » Do 7. Jan 2016, 20:47

ThomasM hat geschrieben:Eine alternative Interpretation ist die der Dissoziation ins Wärmebad.
Kommt ein mikroskopisches System mit einem Makroskopischen in Kontakt (Wechselwirkung), dann kollabiert die Wellenfunktion nicht, sondern sie dissoziiert, d.h. die einzelnen Verschränkungen vermischen sich mit der großen Menge der Atome der Umgebung, wie sich Wärme in einem Wärmebad verteilt. Dadurch werden die Verschränkungen zwar nicht aufgehoben, aber bis in die Unkenntlichkeit und Unmessbarkeit im "Universum" verteilt. Betrachtet man das ursprüngliche System wieder isoliert, dann haben sich dessen Verschränkungen in Luft aufgelöst und die entsprechende Wellenfunktion zeigt die "kollabierte" Form

Der Nachteil dieser Alternative ist, dass die Unentscheidbarkeit der Zukunft praktisch auf das Universum gehoben wird. Jetzt geht zwar alles seinen unitären Gang, aber wir wissen immer noch nicht, wie sich der Zustand des Universums als Ganzes entwickelt.
Danke für Deinen hochinteressanten Beitrag. :thumbup:

Zurzeit habe ich mein Philosophiebuch beseite gelegt und lese stattdessen in Deinem Buch. :thumbup: :thumbup: :thumbup:
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#19 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von Halman » Do 7. Jan 2016, 21:05

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie sähe wohl die Welt aus Sicht eines Protons aus?
Mich würde extrem interessieren, wie die Welt aus Sicht eines Photons aussieht!!! - Was "sieht" man, wenn man keine Ruhemasse hat und mit c "unterwegs"ist? - Was würde die Uhr eines Photons anzeigen?
Wenn ein Objekt sich der Lichtgeschwindigkeit nähert, erscheint aus Sicht des Objektes der Abstand zwischen Start-Ereignis und Ankunfts-Ereignis verkürzt.
Wären wir an Bord eines extrem schnellen Raumschiffes, so würden wir Distanzen, die von der Erde aus gesehen astronomisch erscheinen, relativ schnell überwinden. Wenn wir zur Erde zurückkehren, wären dort viel mehr Zeit verstrichen als bei uns an Bord.

Je mehr man sich der Lichtgeschwindigkeit annähert, umso stärker werden die relativistischen Effekte.
Bei einem Photon ist die Zeit unendlich "gedehnt" und die Entfernung zwischen Sende- und Ankunfserereignis erscheint auf null kontrahiert. Da nur eine Raumdimension betroffen ist (nämlich in Bewegungrichtung), erscheint der Raum meiner Meinung nach zweidimensional. Angenommen ein Photon könnte sich umschauen, so könnte er nur seitwärts (nenne wir es östlich-westlich) in die Tiefe blicken, oder nach oben und unten.

Das Intervall des Lichtes, sein Abstand in der Raumzeit, ist null.

Mehr zum Thema Intervall kannst Du in meinen Beiträgen vom 10. Apr 2014, 15:40, 10. Apr 2014, 22:01, 11. Apr 2014 und 30. Jun 2014 nachlssen.
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#20 Re: Tja, ein Proton müsste man sein...

Beitrag von closs » Do 7. Jan 2016, 21:32

Halman hat geschrieben:Bei einem Photon ist die Zeit unendlich "gedehnt" und die Entfernung zwischen Sende- und Ankunfserereignis erscheint auf null kontrahiert.
Danke für Deinen wie immer sehr sorgfältgen Post. :thumbup:

Ja- darauf wollte ich hinaus. Gehen wir in diesem Gedanken-Experiment weiter:

Für das Photon wäre als "Abfahrts-Zeit" und "Ankunfts-Zeit" zeitlich identisch - nicht wahr? - Aber der Beschauer würde zwischen "Abfahrts-Zeit" und "Ankunfts-Zeit" eine Zeit messen können, weil beide NICHT identisch sind - nicht wahr?

Das hieße doch, dass ein und dasselbe Phänomen aus der einen Perspektive ein zeitliches Phänomen wäre und aus der anderen Perspektive NICHT - nicht wahr? - Hieße das nicht auch, dass das Photon die Phänomene zwischen "Abfahrt" und "Ankunft" als "gleichzeitig" wahrnehmen würde, und der Betrachter dieselben Phänomene als zeit-versetzt wahrnehmen würde?

Mich interessiert jetzt nicht, WIE man dies physikalisch darstellen könnte - mir geht es ausschließlich um logische Schlussfolgerungen aus Deinen Aussagen.

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