Ohne Gott keine Moral?

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Zeus
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#311 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von Zeus » Mo 8. Jun 2015, 01:48

NIS hat geschrieben:Was ist des Pudels Kern, Zeus? :D
Meines Pudels Kern ist eine etwas freche, aber menschenfreundliche, kleine Seele. :D
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

ThomasM
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#312 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von ThomasM » Mo 8. Jun 2015, 09:21

Savonlinna hat geschrieben: Also die, die schon als Atheist beleidigt haben, tun das dann auch als Christ. Und umgekehrt.
Ob man als Christ menschenfeindlich wird oder als Atheist menschenfeindlich wird, hängt also nach meiner Beobachtung von den jeweiligen charakterlichen Voraussetzungen ab und nicht von der Weltanschauung.
Ich würde diese Beobachtung nicht bestreiten, ich halte sie nur für unvollständig.
Es gibt nämlich durchaus das Phänomen, dass jemand durch den Wechsel des Weltbildes sein Verhalten ändert.
Oft wird jemand, der durch religiöse Zwänge in einem gesetzlichen Korsett gefangen war nach dem Ablegen der Religion und der Hinwendung zum Atheistentum stark ausschweifend und zügellos.
Umgekehrt habe ich es auch schon beobachtet, wie jemand der sich im atheistisch motivierten Konkurrenzkampf oder in einer entsprechenden Ziellosigkeit nach seiner Bekehrung besonders eifrig der Nächstenliebe und dem Einhalten von Regeln verschrieben hat.

Wenn dann noch die folgende Beobachtung hinzukommt
Savonlinna hat geschrieben: Ich schrieb schon mal irgendwo, dass atheistisch gewordene Menschen mitunter strikt gegen den Krieg sind, strikt das Töten auf dem Schlachtfeld als Morden bezeichnen.
Christen hingegen eiern da manchmal rum, weil sie sich von der Bibel nicht lösen können und meinen, auf dem Schlachtfeld wird nicht gemordet, sondern "nur" getötet.
Und es gibt das Umgekehrte. Christen schließen sich der Friedensbewegung an, während Atheisten die Friedensbewegung für falsch halten.
muss man wohl zugeben, dass es zwei Phänomene gibt:
- die des persönlichen Weltbildes
- die des kulturell entwickelten Weltbildes

Beide Formen von Weltbildern beeinflussen sich stark, sind aber letztlich nicht deckungsgleich. Das kulturell entwickelte Weltbild stellt ja auch "nur" eine statistische Meinungsverteilung der entsprechenden Gesellschaft und Zeit dar. Statisik heißt dann, dass dies nur ein Mittelwert ist, wobei die persönlichen Weltbilder einer entsprechend großen Standardabweichung unterliegen.

So kann das kulturell entwickelte Weltbild z.B. eine humanistische Form annehmen und dadurch entstanden sein, dass die Mehrheit der Menschen aus christlichen Wurzeln eine enstsprechende Ausrichtung entwickeln, es aber genügend atheistisch eingestellte Menschen gibt, so dass gesellschaftlich das Weltbild von dem religiösen Beiwerk entkleidet wird. Das kulturelle Weltbild hat dann wiederum auch Auswirkungen auf atheistisch eingestellte Menschen hat, die den Humanismus übernehmen, ohne die christlichen Hintergründe gut zu heißen. Religiös eingestellte Menschen ergänzen das dann mit ihren religiösen Hintergründen sozusagen als Begründung.

Gruß
Thomas
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Pluto
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#313 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von Pluto » Mo 8. Jun 2015, 09:58

ThomasM hat geschrieben:So kann das kulturell entwickelte Weltbild z.B. eine humanistische Form annehmen und dadurch entstanden sein, dass die Mehrheit der Menschen aus christlichen Wurzeln eine enstsprechende Ausrichtung entwickeln, es aber genügend atheistisch eingestellte Menschen gibt, so dass gesellschaftlich das Weltbild von dem religiösen Beiwerk entkleidet wird. Das kulturelle Weltbild hat dann wiederum auch Auswirkungen auf atheistisch eingestellte Menschen hat, die den Humanismus übernehmen, ohne die christlichen Hintergründe gut zu heißen. Religiös eingestellte Menschen ergänzen das dann mit ihren religiösen Hintergründen sozusagen als Begründung.
Ja. Beide Weltbilder (theistisch oder a-theistisch) sind eigentlich problemlos.
Problematisch werden diese Weltbilder erst, wenn sie fundamentalistisch durch Ideologie verstärkt werden. Nicht alle Weltbilder eignen sich gleichermaßen zu einer Ideologie zu werden. Es hat sich gezeigt, dass der Hang zur Ideologie umso größer wird, umso mehr man das eigene Weltbild für das einzig richtige hält.

Für mich ist das ein Grund mehr, mich an das wissenschaftlich empirisch Feststellbare zu halten, denn nur diese führt meines Erachtens zu Wissen
:oops: — oder ist das schon wieder ideologisch gedacht?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#314 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von Samantha » Mo 8. Jun 2015, 10:09

Pluto hat geschrieben:Die Nächstenliebe ist vermutlich eine der ältesten Regeln der Ethik die wir Menschen haben, und sie geht weit zurück in die vorbiblische Zeit (lange bevor die Menschen sesshaft wurden), wo sie aus dem Altruismus innerhalb der Sippschaft der Sammler und Jäger entstand.
Die Menschen vor über 2000 Jahren waren recht barbarisch, und Du meinst, sie kannten Nächstenliebe?


ThomasM hat geschrieben:Oft wird jemand, der durch religiöse Zwänge in einem gesetzlichen Korsett gefangen war nach dem Ablegen der Religion und der Hinwendung zum Atheistentum stark ausschweifend und zügellos.
Also fehlt die Moral doch bei Atheisten. Das würde aber heißen: je mehr sich von der Religion entfernen, desto mehr "Freiheit" wird ausgelebt und Moral ... adé...


Pluto hat geschrieben:Für mich ist das ein Grund mehr, mich an das wissenschaftlich empirisch Feststellbare zu halten, denn nur diese führt meines Erachtens zu Wissen
:oops: — oder ist das schon wieder ideologisch gedacht?
Solange man noch in der Lage ist, dies zu hinterfragen, wohl nicht.

Pluto
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#315 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von Pluto » Mo 8. Jun 2015, 10:26

Samantha hat geschrieben:Die Menschen vor über 2000 Jahren waren recht barbarisch, und Du meinst, sie kannten Nächstenliebe?
Ja. Davon bin ich überzeugt.
Man muss da unterschieden zwischen das "wir" und die "Fremden". Von Fremden ging schon immer in der Menschengeschichte Gefahr aus. Es gab auch schon vor über 10'000 Jahren Banden von abenteuerlustigen Leuten, die durch die Wälder zogen und raubten und mordeten, aber unter einander haben sie sich gegenseitig gekümmert.
Dass diese Art der Nächstenliebe (Altruismus) bis hin zur Aufopferung für das Wohl der Gruppe ist viel älter als die Menschheit, ist sie doch auch unter vielen höher entwickelten Tieren zu beobachten.

Samantha hat geschrieben:Also fehlt die Moral doch bei Atheisten. Das würde aber heißen: je mehr sich von der Religion entfernen, desto mehr "Freiheit" wird ausgelebt und Moral ... adé...
Nee. (Begründung siehe oben).
Mein persönliche Erfahrung zeigte mir das Gegenteil.

Ich war viele Jahre lang, mehr oder weniger gläubig - zuletzt war ich das was man als "Feiertagschrist" bezeichnet. Weihnachten, Ostern und zu Hochzeiten und Taufen ging man wegen dem schlechten Gewissen in die Kirche...
An dem Tag wo ich mich entschloss den Glauben abzulegen, empfand ich so was wie eine Erlösung: der ganze aufgestaute Druck der Religion fiel wie eine schwere Last von mir ab.

Samantha hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Für mich ist das ein Grund mehr, mich an das wissenschaftlich empirisch Feststellbare zu halten, denn nur diese führt meines Erachtens zu Wissen
:oops: — oder ist das schon wieder ideologisch gedacht?
Solange man noch in der Lage ist, dies zu hinterfragen, wohl nicht.
Na... da bin ich fein raus. :mrgreen: :P
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#316 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von ThomasM » Mo 8. Jun 2015, 10:48

Samantha hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Oft wird jemand, der durch religiöse Zwänge in einem gesetzlichen Korsett gefangen war nach dem Ablegen der Religion und der Hinwendung zum Atheistentum stark ausschweifend und zügellos.
Also fehlt die Moral doch bei Atheisten. Das würde aber heißen: je mehr sich von der Religion entfernen, desto mehr "Freiheit" wird ausgelebt und Moral ... adé...
So ist das zu extrem ausgedrückt.
Genauso, wie nicht in jeder Ausübung oder Erziehung innerhalb religiöser Rahmenbedingungen ein gesetzliches Korsett entsteht, ist auch die Reaktion darauf nicht immer gleich.

Meine Aussage bezieht sich insbesondere auf die Beobachtung von Kindern aus sehr strengen Elternhäusern, wo dogmatisch und extreme Gesetzlichkeit gelebt wurde.
Werden hier die Kinder in die freie Welt entlassen, ergibt sich häufig eine Gegenreaktion, einfach aus dem Bedürfnis, diese Zwänge der Kindheit abnzulegen. Das sind die Situationen, in denen die Religion als Last und das Ablegen derselben als Befreiung empfunden wird.

Gott sei Dank sind gesetzliche Elternhäuser zunehmend selten geworden.

Diese Reaktionen sind übrigens auch gesellschaftlich zu beobachten.
So ist die Freizügigkeit der 70er eine Rektion auf die Prüderie und Verklemmtheit der 50er und 60er gewesen. Wenn man heute Aufnahmen sieht, wie die Mode oder auch Sportbekleidung damals war, dann wundert man sich.
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ThomasM
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#317 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von ThomasM » Mo 8. Jun 2015, 10:51

Pluto hat geschrieben: Für mich ist das ein Grund mehr, mich an das wissenschaftlich empirisch Feststellbare zu halten, denn nur diese führt meines Erachtens zu Wissen
:oops: — oder ist das schon wieder ideologisch gedacht?
Auch ein solches Denken kann zu einer Ideologie werden. Ich sehe dich hier zwar nicht als Vertreter, aber auch hier im Forum finden sich Protagonisten derselben.

Der Weg zur Idelogie ist allerdings manchmal beinahe unmerkbar. Bei dir beobachte ich, dass deine Fähigkeit, von anderen Standpunkten her zu denken, nicht besonders gut ausgeprägt ist. Verlernst du, die Welt auch aus den Augen anderer zu sehen, dann ist die Ideologie nur noch ein kleiner Schritt entfernt.
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Samantha

#318 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von Samantha » Mo 8. Jun 2015, 11:26

Pluto hat geschrieben:Von Fremden ging schon immer in der Menschengeschichte Gefahr aus. Es gab auch schon vor über 10'000 Jahren Banden von abenteuerlustigen Leuten, die durch die Wälder zogen und raubten und mordeten, aber unter einander haben sie sich gegenseitig gekümmert.
Dass diese Art der Nächstenliebe (Altruismus) bis hin zur Aufopferung für das Wohl der Gruppe ist viel älter als die Menschheit, ist sie doch auch unter vielen höher entwickelten Tieren zu beobachten.
Ja, aber die Nächstenliebe, wie sie Jesus propagierte, auch seine Feinde zu lieben, war sicherlich neu.


Pluto hat geschrieben:An dem Tag wo ich mich entschloss den Glauben abzulegen, empfand ich so was wie eine Erlösung: der ganze aufgestaute Druck der Religion fiel wie eine schwere Last von mir ab.
Dieses Gefühl kenne ich, da ich in einem mehr oder wenig strengen religiösen Umfeld groß geworden bin.


ThomasM hat geschrieben:Meine Aussage bezieht sich insbesondere auf die Beobachtung von Kindern aus sehr strengen Elternhäusern, wo dogmatisch und extreme Gesetzlichkeit gelebt wurde.
Werden hier die Kinder in die freie Welt entlassen, ergibt sich häufig eine Gegenreaktion, einfach aus dem Bedürfnis, diese Zwänge der Kindheit abnzulegen. Das sind die Situationen, in denen die Religion als Last und das Ablegen derselben als Befreiung empfunden wird.
Genauso erging es mir: weg mit dem unmenschlichen Korsett, das nur zwingt, aber nichts erklärt oder versteht.

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Savonlinna
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#319 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von Savonlinna » Mo 8. Jun 2015, 11:39

ThomasM hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Also die, die schon als Atheist beleidigt haben, tun das dann auch als Christ. Und umgekehrt.
Ob man als Christ menschenfeindlich wird oder als Atheist menschenfeindlich wird, hängt also nach meiner Beobachtung von den jeweiligen charakterlichen Voraussetzungen ab und nicht von der Weltanschauung.
Ich würde diese Beobachtung nicht bestreiten, ich halte sie nur für unvollständig.
So, aus dem Kontext gerissen, klingt meine Aussage auch ein wenig verfälscht.
Ich habe nur von einigen Christen und Atheisten gesprochen: das untenstehende Zitat kam von mir zuerst, und da sprach ich von "mitunter" und "manchmal".

ThomasM hat geschrieben:Es gibt nämlich durchaus das Phänomen, dass jemand durch den Wechsel des Weltbildes sein Verhalten ändert.
Ja, das schon. Das Verhalten ändert sich völlig, in den von mir beobachteten Fällen. Aber entscheidende Charakterzüge nicht.
Allerdings muss natürlich auch das differenzierter betrachtet werden. Denn Menschen verändern sich im Laufe ihres Lebens durchaus auch in ihrem Charakter - ganz unabhängig davon, ob sie sich erst Christ und dann Atheist nennen oder umgekehrt.
Ob der GRUNDcharakter enthalten bleibt - die Grundfragen, mitsamt ihrem dialektischen Hin und Her -, das weiß ich nicht genau. Ich glaube allerdings eher, ja.

ThomasM hat geschrieben:Oft wird jemand, der durch religiöse Zwänge in einem gesetzlichen Korsett gefangen war nach dem Ablegen der Religion und der Hinwendung zum Atheistentum stark ausschweifend und zügellos.
In dem Falle muss das Bedürfnis danach aber schon vorher vorhanden gewesen sein.
Darum sprach ich auch nicht von "Verhalten", sondern von "Charakter", und auch wenn mein Begriff nicht sonderlich toll ist, so meine ich damit das, was an Grundproblematik und Grundbedürfnis in einem Menschen angelegt ist - seine "Tiefenstruktur" sozusagen, seine Grundspannung, die Pole, zwischen denen er sich bewegt.

Aber ich halte es dennoch für möglich, dass ein Mensch, der fanatisch entweder seine Religion oder seinen Atheismus verteidigt, von diesem Fanatismus abkommt.
"Fanatismus" gehört letzten Endes auch nicht zur "Grundposition" oder zum "Grundbedürfnis" eines Menschen - aber ein unleidenschaftlicher Mensch wird möglicherweise nie fanatisch werden können. Umgekehrt kann aber die Leidenschaftlichkeit im Laufe des Lebens "gebrochen" werden, und dann hört sie auf oder sinkt zumindest ab. Und dann ist es mit dem Fanatismus ebenfalls Schluss.

ThomasM hat geschrieben:Wenn dann noch die folgende Beobachtung hinzukommt
Savonlinna hat geschrieben: Ich schrieb schon mal irgendwo, dass atheistisch gewordene Menschen mitunter strikt gegen den Krieg sind, strikt das Töten auf dem Schlachtfeld als Morden bezeichnen.
Christen hingegen eiern da manchmal rum, weil sie sich von der Bibel nicht lösen können und meinen, auf dem Schlachtfeld wird nicht gemordet, sondern "nur" getötet.
Und es gibt das Umgekehrte. Christen schließen sich der Friedensbewegung an, während Atheisten die Friedensbewegung für falsch halten.
muss man wohl zugeben, dass es zwei Phänomene gibt:
- die des persönlichen Weltbildes
- die des kulturell entwickelten Weltbildes

Beide Formen von Weltbildern beeinflussen sich stark, sind aber letztlich nicht deckungsgleich. Das kulturell entwickelte Weltbild stellt ja auch "nur" eine statistische Meinungsverteilung der entsprechenden Gesellschaft und Zeit dar. Statisik heißt dann, dass dies nur ein Mittelwert ist, wobei die persönlichen Weltbilder einer entsprechend großen Standardabweichung unterliegen.

So kann das kulturell entwickelte Weltbild z.B. eine humanistische Form annehmen und dadurch entstanden sein, dass die Mehrheit der Menschen aus christlichen Wurzeln eine enstsprechende Ausrichtung entwickeln, es aber genügend atheistisch eingestellte Menschen gibt, so dass gesellschaftlich das Weltbild von dem religiösen Beiwerk entkleidet wird. Das kulturelle Weltbild hat dann wiederum auch Auswirkungen auf atheistisch eingestellte Menschen hat, die den Humanismus übernehmen, ohne die christlichen Hintergründe gut zu heißen. Religiös eingestellte Menschen ergänzen das dann mit ihren religiösen Hintergründen sozusagen als Begründung.
Es kann sein, wie Du sagst (wenn ich das überhaupt richtig verstanden habe).

Auf jeden Fall sehe ich ein kulturell entwickeltes Weltbild niemals einpolig - es enthält immer zwei Pole, in dem oben genannten Beispiel Befürwortung von Gewalt in bestimmten Fällen, und Befürwortung der Gewaltlosigkeit.
Beide Pole können religiös begründet werden und können anthropologisch begründet werden - beides im weiten Sinne.
In dieses Angebot hinein wird ein Indivduum geboren, und irgendwann wählt es aus, erweiternd vielleicht, und das wird dann zum persönlichen Weltbild.

Und dann hängt es wieder von dem Individuum ab, wie stark es kollektive Überzeugungen - seien sie religiöser, seien sie anthropologischer Natur - für das persönliche Weltbild übernimmt oder eben gerade nicht.

Jetzt weiß ich nicht, ob ich nicht genau dasselbe gesagt habe wie Du, aber zumindest hätte ich es dann anders gesagt. :oops:

ThomasM
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#320 Re: Ohne Gott keine Moral?

Beitrag von ThomasM » Mo 8. Jun 2015, 12:32

Ich glaube, du hast im wesentlichen unterstrichen, was ich auch sagen wollte. Im Detail mag es Unterschiede geben.
Savonlinna hat geschrieben: Auf jeden Fall sehe ich ein kulturell entwickeltes Weltbild niemals einpolig - es enthält immer zwei Pole, in dem oben genannten Beispiel Befürwortung von Gewalt in bestimmten Fällen, und Befürwortung der Gewaltlosigkeit.
Vielleicht kann man ein kulturelles Weltbild tatsächlich an solchen Polen charakterisieren (da bin ich allerdings nicht ganz so sicher).
Weitere Beispiele sind Einstellungen zu anderen Menschen (Rassegedanken versus Gleichheit aller) oder die Einstellung zur Kultur als solchen (Leitkultur versus Multikulti) usw.

Allerdings gibt es auch das Phännomen der Denk-Dogmen, die einfach einen Grundsatz darstellen, über die man in seiner Zeit einfach nicht hinwegkommt.
Beispiele wären hier die Sklaverei im Altertum (es war absolut selbstverständlich, Sklaven zu haben und Sklaven zu machen. Es ginbg niemals um die Frage, dass Sklaverei etwas Böses wäre, höchsten ob man seine Sklaven gut behandeln solle) oder die Stellung der Frau in vielen Gesellschaften (es war absolut undenkbar, eine Frau als gleichberechtigt anzusehen, es wurde höchstens darüber diskutiert, wei zufrieden ein Mann seine Frau machen solle).

Solche Denk-Dogmen sind dann aus späterer Zeit schwer nachzuvollziehen, durch die Überwindung der Dogmen ist wiederum die Vorstellungsfähigkeit, wie Menschen damit gelebt haben, sehr schwer geworden.
Ein Beispiel wäre die empörte Ablehnung z.B. der paulinischen Hausformeln als Frauenfreundlich.

Besonders schwer ist es auch, solche Denk-Dogmen an sich selbst überhaupt zu erkennen. Denn ein Denk-Dogma zu erkennen ist schon der halbe Weg zu dessen Überwindung.
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