Abtreibungsverbot unethisch?

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closs
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#131 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von closs » So 23. Aug 2015, 22:20

Savonlinna hat geschrieben:Was ja nicht harmoniert mit der Aussage, dass Abtreiben "eine schwere Sünde" sei. Wer das Wort "Sünde" durchgehen lässt - es zur Not, nur damit das Wort weiter existieren darf, umdeutet -, unterstützt dieses ideologische System.
Da sind wir uns de facto einig, weil die gängige Konnotation des Wortes "Sünde" tatsächlich ideologisch ist. - Deshalb mein erfolgloser Ausflug in den Ursinn dieses Wortes, bevor es zur heutige Rezeption kam.

Savonlinna hat geschrieben:Kannst Du in etwa nachvollziehen, warum ich meine, dass Du abzuwiegeln suchst?
In etwa ja, soweit Du es auf das ideologische Moment des Katholizismus beziehst. - Dem setze ich entgegen, dass die mir bekannten katholischen Schwangerschaftsberater nach eigenen Aussagen überhaupt nicht religiös, geschweige denn ideologisch daherkommen, wenn sie beraten.

Savonlinna hat geschrieben:Systeme sind, in meinen Augen, dazu da, zu scheitern
LEtztlich meine ich das auch. - Andererseits gibt es kein menschliches Denken ohne dahinter stehendes System.

Savonlinna hat geschrieben: Wer von dem Gegensatz "gut und böse" redet, der ist schon gefangen in weltanschaulichem Denken.
OK - wäre "was ihm geschadet hat und was ihm genützt hat" besser?

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Savonlinna
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#132 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Aug 2015, 23:20

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Was ja nicht harmoniert mit der Aussage, dass Abtreiben "eine schwere Sünde" sei. Wer das Wort "Sünde" durchgehen lässt - es zur Not, nur damit das Wort weiter existieren darf, umdeutet -, unterstützt dieses ideologische System.
Da sind wir uns de facto einig, weil die gängige Konnotation des Wortes "Sünde" tatsächlich ideologisch ist. - Deshalb mein erfolgloser Ausflug in den Ursinn dieses Wortes, bevor es zur heutige Rezeption kam.
Solche Ausflüge machen in meinen Augen keinen Sinn in unserem Zusammenhang hier, da ja der heutige Sinn gemeint ist, auch schon im Mittelalter so gemeint war.
All den vielen geschädigten Kindern und Jugendlichen, die teilweise in die Psychiatrie mussten, sich alleine nicht mehr helfen konnten, weil man ihnen den Sündengedanken eingebohrt hat - kann man nicht helfen, indem man ihnen das Wort uminterpretiert. Denn es war von den Eltern genauso gemeint, wie es bei ihnen angekommen ist.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Kannst Du in etwa nachvollziehen, warum ich meine, dass Du abzuwiegeln suchst?
In etwa ja, soweit Du es auf das ideologische Moment des Katholizismus beziehst. - Dem setze ich entgegen, dass die mir bekannten katholischen Schwangerschaftsberater nach eigenen Aussagen überhaupt nicht religiös, geschweige denn ideologisch daherkommen, wenn sie beraten.
Es reicht, wenn es fünfzig Prozent sind, die unter "schwerer Sünde" genau das verstehen, was das Wort sagt und unterschwellig das bei der Beratung übertragen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Systeme sind, in meinen Augen, dazu da, zu scheitern
LEtztlich meine ich das auch. - Andererseits gibt es kein menschliches Denken ohne dahinter stehendes System.
Das ist grundfalsch, closs. Nur die wenigsten Menschen bauen sich ein ideologisches System zusammen, rationalistisch und lückenlos, um sich und anderen damit die Welt zu erklären.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wer von dem Gegensatz "gut und böse" redet, der ist schon gefangen in weltanschaulichem Denken.
OK - wäre "was ihm geschadet hat und was ihm genützt hat" besser?
Mein Verstehen ist da wirklich anders. Es wird nicht besser, wenn man die Begriffe austauscht.
Aber es würde zu lange dauern, wenn ich das erklären würde - ich habe es ja auch schon öfter versucht - und dabei sorgfältig differenziere, was unbedingt notwendig ist bei so einem heiklen Thema.
Es kommt eben immer darauf an: schädlich für wen? böse für wen? Hier eben müsste ich jetzt langatmig unterscheiden, damit es nicht falsch wird.
Aber für mich gibt es nur einen einzigen Grundantrieb im Menschen, und nicht zwei, die sich bekämpfen.
Das habe ich an mir selber beobachtet, auch an anderen Menschen.

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Savonlinna
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#133 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Aug 2015, 23:23

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Die Sintflut ist doch nicht historisch!
Das wissen wir beide, aber viele halten sie für historisch und vor allem für berechtigt!
Es waren nicht die anderen, die das geschrieben haben, sondern Du. Du verbreitest ein solches Gottesbild, weil Du so die Bibel verstehst.

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#134 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Pluto » So 23. Aug 2015, 23:47

Rembremerding hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Oder politische: Wenn ein Land meint, es müsse mehr Nachkommen haben, kann sie dieses Interesse als ethisches Interesse verkleiden. - Wie gesagt: Verschiedene Gründe.
Das funktioniert auch in die andere Richtung. Eine atheistische Ideologie sieht Abtreibung als Präventiv- oder Strafmaßnahme. Dazu:

“Noch immer finden in China Zwangsabtreibungen statt...
Das stimmt.
Und auf der anderen Seite steht die rkK mit ihrem Kondomverbot.
Wäre es nicht wesentlich besser, jedem Menschen (vor allem der Mutter), die Entscheidung (innerhalb der Gesetze) selbst zu überlassen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#135 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von closs » Mo 24. Aug 2015, 00:12

Savonlinna hat geschrieben:Solche Ausflüge machen in meinen Augen keinen Sinn in unserem Zusammenhang hier, da ja der heutige Sinn gemeint ist, auch schon im Mittelalter so gemeint war.
Das vermute ich leider auch - in meinen Augen inakzeptabel.

Savonlinna hat geschrieben:All den vielen geschädigten Kindern und Jugendlichen, die teilweise in die Psychiatrie mussten, sich alleine nicht mehr helfen konnten, weil man ihnen den Sündengedanken eingebohrt hat - kann man nicht helfen, indem man ihnen das Wort uminterpretiert.
Da stimme ich Dir ausdrücklich zu - aber hier passiert dasselbe wie bei jeder Rezeption: Der Ursinn wird verändert oder gar verfälscht.

Savonlinna hat geschrieben:Es reicht, wenn es fünfzig Prozent sind, die unter "schwerer Sünde" genau das verstehen, was das Wort sagt und unterschwellig das bei der Beratung übertragen.
Meine diesbezügliche Erfahrungen sind natürlich nicht repräsentativ, aber wirklich eindeutig anders. - Die Berater, die ich kenne, outen sich nicht einmal als Christen (obwohl ersichtlich ist, dass die Beratungsstelle christlicher-seits bezahlt wird). - Es geht mehr um das "Spüre in Dich hinein, was Dein Innerstes sagt und tu es".

Savonlinna hat geschrieben:Das ist grundfalsch
Da sind wir unterschiedlicher Meinung - allerdings ergänze ich, dass ich mit "System" nicht nur bewusst selbst-gemachte Systeme verstehe, sondern auch unbewusste Systeme ("Formatierungen") meine.

Nenne mir eine Denkweise, die keine nicht-falsifizierbare Prämisse ("System") hat, auf der sie beruht.

Savonlinna hat geschrieben:Es kommt eben immer darauf an: schädlich für wen?
In diesem Fall ausschließlich für die potentielle Mutter.

Savonlinna hat geschrieben:Aber für mich gibt es nur einen einzigen Grundantrieb im Menschen
Welcher da wäre? - Selbsterhaltung?

Pluto hat geschrieben:Wäre es nicht wesentlich besser, jedem Menschen (vor allem der Mutter), die Entscheidung (innerhalb der Gesetze) selbst zu überlassen?
Christlich gesehen hat sie diese Entscheidungs-Gewalt.

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#136 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Savonlinna » Mo 24. Aug 2015, 00:49

closs hat geschrieben:aber hier passiert dasselbe wie bei jeder Rezeption: Der Ursinn wird verändert oder gar verfälscht.
Es gibt keinen URSINN. Sprache ist lebendig, es gibt immer nur den aktuellen Sinn.
Jeder Begriff ist Teil einer sprachlichen Einheit. Ändert sich die Semantik eines Wortes, dann ist das Teil der Gesamtbegrifflichkeit einer Sprache.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das ist grundfalsch
Da sind wir unterschiedlicher Meinung - allerdings ergänze ich, dass ich mit "System" nicht nur bewusst selbst-gemachte Systeme verstehe, sondern auch unbewusste Systeme ("Formatierungen") meine.
Es gibt auch keine unbewussten SYSTEME. System ist notgedrungen rein rational, wenn nicht gar rationalistisch.
Der Mensch funktioniert nicht nach Systemen. Das Unterbewusste ist selbstverständlich vorhanden, das sein Handeln steuert.
Vieleicht ist die Begriffsbildung "unbewusste Struktur" ein bisschen weniger rationalistisch, dann können wir uns darauf vielleicht einigen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es kommt eben immer darauf an: schädlich für wen?
In diesem Fall ausschließlich für die potentielle Mutter.
Missverständnis. Ich meinte: Wer ist es, der etwas als "schädlich" bezeichnet? Wer hat da die Oberhoheit.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber für mich gibt es nur einen einzigen Grundantrieb im Menschen
Welcher da wäre? - Selbsterhaltung?
Nee. Aber ich sagte schon: ich müsste eine Riesenabhandlung darüber schreiben, um alle mir denkbaren Missverständnisse verbal auszuschließen.

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#137 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Hemul » Mo 24. Aug 2015, 00:52

Pluto hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Oder politische: Wenn ein Land meint, es müsse mehr Nachkommen haben, kann sie dieses Interesse als ethisches Interesse verkleiden. - Wie gesagt: Verschiedene Gründe.
Das funktioniert auch in die andere Richtung. Eine atheistische Ideologie sieht Abtreibung als Präventiv- oder Strafmaßnahme. Dazu:
“Noch immer finden in China Zwangsabtreibungen statt...
Das stimmt.
Und auf der anderen Seite steht die rkK mit ihrem Kondomverbot.

Seit wann interessierst Du Dich für die rkK Kirche? :roll:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

closs
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#138 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von closs » Mo 24. Aug 2015, 01:06

Savonlinna hat geschrieben:Es gibt keinen URSINN. Sprache ist lebendig, es gibt immer nur den aktuellen Sinn.
Das widerspricht sich doch nicht. - Aber jetzt verstehe ich das Problem.

Savonlinna hat geschrieben:Ändert sich die Semantik eines Wortes, dann ist das Teil der Gesamtbegrifflichkeit einer Sprache.
Ja, natürlich - das würde ich nie in Zweifel ziehen.

Savonlinna hat geschrieben: System ist notgedrungen rein rational, wenn nicht gar rationalistisch.
Verstehe, wie Du es meinst. - Unter "System" verstehe ich, dass hinter eine subjektiven Denkweise Prämissen stehen, die bewusste oder unbewusste Grundlage der Denkweise sind.

Vielleicht ist mein Begriff "System" dafür falsch gewählt - ich übernehme gerne einen anderen Begriff dafür. wenn diese Definition damit semantisch besser rüberkommt.

Savonlinna hat geschrieben:Vieleicht ist die Begriffsbildung "unbewusste Struktur" ein bisschen weniger rationalistisch, dann können wir uns darauf vielleicht einigen.
Klingt nicht schlecht - so lange damit der deduktive Charakter rüberkommt.

Savonlinna hat geschrieben:Wer hat da die Oberhoheit.
Auf lange Sicht die Erkenntnis des Betroffenen - das ist vollkommen ausreichend.

Savonlinna hat geschrieben: ich müsste eine Riesenabhandlung darüber schreiben, um alle mir denkbaren Missverständnisse verbal auszuschließen.
MEIN Begriff dafür wäre (außer dem Selbsterhaltungstrieb) die Erkenntnis.

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#139 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Savonlinna » Mo 24. Aug 2015, 01:12

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Vieleicht ist die Begriffsbildung "unbewusste Struktur" ein bisschen weniger rationalistisch, dann können wir uns darauf vielleicht einigen.
Klingt nicht schlecht - so lange damit der deduktive Charakter rüberkommt.
Um Himmels Willen!
Dann bleib lieber bei "System", und wir haben eine ehrliche Differenz zwischen uns beiden.
Wenn Du jetzt auch noch das Unbewusste anderer Leute deduktiv ableiten willst, dann -

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wer hat da die Oberhoheit.
Auf lange Sicht die Erkenntnis des Betroffenen - das ist vollkommen ausreichend.
Dann wäre tatsächlich die Setzung, es gäbe das Böse im Gegensatz zum Guten, hinfällig. Da ich das anders sehe, braucht man also keine Ideologie in diesem Punkt.

Rembremerding
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#140 Re: Abtreibungsverbot unethisch?

Beitrag von Rembremerding » Mo 24. Aug 2015, 06:29

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es gibt keinen URSINN. Sprache ist lebendig, es gibt immer nur den aktuellen Sinn.
Das widerspricht sich doch nicht. - Aber jetzt verstehe ich das Problem.

Ich erlaube mir hier mein altbekanntes Steckenpferd herauszuholen und darauf hinzuweisen, dass dieser ständige Fluss von Sprache und Begriffen samt ihren Inhalten bei gerade antiken Schreibern bekannt war. Deshalb verwendeten sie oftmals Bilder, Symbole, Gleichnisse, die eine tiefere, unterbewusste Ebene im Menschen ansprachen. Diese Bilder behielten so ihre Allgemeingültigkeit über Raum und Zeit hinweg. Überliefert sind sie uns auch in Sagen und Legenden, manchmal ebenso in Mythologien.
Auch heute noch entstehen Legenden, die an diese Bilder anknüpfen, denn sie sind ja im Menschen angelegt (Beispiel: "Dolchstoßlegende", der Kreis für Harmonie und das Ganze, "auf Herz und Nieren prüfen", "etwas über die Leber laufen" etc.). Etwa Tolkien und C.S. Lewis spielten mit dieser Symbolhaftigkeit in ihren Werken. Bei Harry Potter ist es stümperhaft auch vorhanden (da hat sich die Autorin etwas schlampig informiert, aber immerhin).

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