Moral in der Fundamental-Theologie

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closs
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#111 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 23:08

sven23 hat geschrieben:Wenn es supranaturalistische Phänomene gäbe, gäbe es sie unabhängig davon, ob jemand sie ausschließt oder nicht.
Exakt. - Realität ist unabhängig von menschlicher Einschätzung dazu.

sven23 hat geschrieben:ansonsten könnten auch die übernatürlichen Dinge innerhalb der Bibel nicht "gehen".
Aber sie gehen aus naturalistischer Sicht gar nicht, weil der Naturalismus sagt: "So was geht nicht". ;)

Anton B. hat geschrieben:Die einzige Begründungsargumentation für Naturwissenschaft zieht die Sache vom Schwanz her auf und begründet deshalb auch nichts "fundiert".
So weit nachvollziehbar. - Deshalb betone ich doch ständig, dass die Eigengesetzlichkeit der ET überhaupt nichts mit der Frage zu tun hat, ob es eine Fügung dahinter/darüber gibt - die Eigengesetzlichkeit der ET ist deshalb voll umfänglich gewahrt.

Zudem sprechen wir hier nicht von Naturwissenschaft, sondern von einer Disziplin innerhalb der Philologie. - Und da hängt eine Interpretation sehr wohl davon ab, welche Annahmen man unterlegt. - Die Aussage von Thaddäus ist diesbezüglich unrichtig, dass die HKM auf die selben Interpretationen käme, wenn sie auf Basis der Annahme "Jesus ist göttlichen Wesens" arbeiten würde.

Und da ist sie es nicht tut (was ausdrücklich KEIN Vorwurf ist - sie kann es gar nicht), müssen ihre Interpretationen darauf beruhen, dass Jesus irgendein Mensch war, dem dieses oder jenes von diesem oder jenem zugesprochen wird. - Man muss nur den Gedankenversuch vornehmen, dass Jesus göttlichen Wesens war: Dann würde man NICHT interpretieren, dass er selber eine Naherwartung hatte - allerdings könnte man nachweisen, dass manche Schreiber und viele Urchristen dies tatsächlich gemeint haben.

Man muss unterscheiden lernen, welche Aussage prämisse-basiert ist und welche nicht.

closs
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#112 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 23:15

Savonlinna hat geschrieben:Warum schreibst Du dann das Gegenteil von dem, was Du auch schreiben könntest?
Ist mir wirklich nicht bewusst - für mich ist es eine Aussagen-Linie.

Savonlinna hat geschrieben:Hättest Du hingegen das geschrieben, was Du oben nach Deiner Aussage alternativ auch hättest schreiben können, hättest Du ja kein Argument mehr gegen meine Aussage.
Inhaltlich würde ich genauso widersprechen, wenn ich Grund dazu sehe. - Ich bin wirklich kein Ad-hominem-Typ - sonst hätte ich mich schon einige Male hier herzhaft daneben benehmen können - Gründe gäbe es zuhauf.

sven23 hat geschrieben:Immerhin wurde Gott ein paar Tausend Jahre lang benötigt, um die Welt die erklären.
Das ist auch heute noch nötig.

sven23 hat geschrieben:quasi als Ersatz für naturwissenschaftliche Erklärungen.
Die gab es halt noch nicht. - Und da wurde auch Käse verzapft. - Aber die Tatsache, dass die Naturwissenschaft "technische" Abläufe der Natur inzwischen erklären kann (das gilt auch für Neurowissenschaften), ist doch keine Konkurrenz für die philosophische/geistige Erklärung der Welt - und umgekehrt.

Der gelegentlich zu hörende Satz, wachsendes naturwissenschaftliches Wissen würde eine "Bedrohung" für Gott sein, ist in sich vollkommen verquer - das beißt sich überhaupt nicht.

Anton B.
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#113 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von Anton B. » Fr 25. Mär 2016, 23:56

closs hat geschrieben:Zudem sprechen wir hier nicht von Naturwissenschaft, sondern von einer Disziplin innerhalb der Philologie. - Und da hängt eine Interpretation sehr wohl davon ab, welche Annahmen man unterlegt.
Wenn aber diese Disziplin zu abweichenden Aussagen gemessen an denen anderer Disziplinen kommt -- vorausgesetzt, die Aussagen sind vergleichbar -- dann haben wir ein Problem: Wegen der geforderten Konsistenz des Wissens über alle Disziplinen innerhalb der Wissenschaften hinweg. Und wenn auch nicht mt genau diesen Worten, hatte Thadddäus darauf auch hingewiesen.

closs hat geschrieben:Man muss unterscheiden lernen, welche Aussage prämisse-basiert ist und welche nicht.
Wenn man mit "man" closs meint, ja. Mir persönlich reicht es, die verschiedenen Systeme zu verstehen. Auch und gerade, wie sie miteinander interagieren. Und da ist, auch wenn ich die Kuhn'sche Wortwahl sonst vermeide, die Erkennung gerade der Aussagen wichtig, die "inkommensurabel" zueinander sind. Und wenn man nicht mehr vergleicht, was nicht zu vergleichen ist, wird manches sehr viel einfacher im Leben.

Aber das ist ja nur meine persönliche Meinung.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#114 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von closs » Sa 26. Mär 2016, 00:42

Anton B. hat geschrieben:dann haben wir ein Problem: Wegen der geforderten Konsistenz des Wissens über alle Disziplinen innerhalb der Wissenschaften hinweg.
Diese Forderung ist innerhalb der Bibel-Exegese nicht einlösbar, es sei denn man geht von den selben Voraussetzungen aus - und die gibt es gelegentlich nicht.

Ich wiederhole gerne noch einmal das Beispiel, dass die wissenschaftliche Beurteilung Jesu anhand der Bibel-Quellen deutlich unterschiedlich ist, ob man Jesus als "Sohn Gottes"/"von Gottes Wesen" versteht oder als beliebiger Wanderprediger. - Und wenn man wissenschaftlich ergebnisoffen sein will, muss man beide in Betracht ziehen - denn da beide Versionen nicht falsifizierbar sind, müssen beide als möglich gelten.

Anton B. hat geschrieben:Mir persönlich reicht es, die verschiedenen Systeme zu verstehen.
Aber Systeme SIND doch prämisse-basiert - wenn Du Systeme erkennst, erkennst doch auch deren Prämissen, wenn Du genau hinguckst.

Anton B.
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#115 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von Anton B. » Sa 26. Mär 2016, 01:25

closs hat geschrieben:Ich wiederhole gerne noch einmal das Beispiel, dass die wissenschaftliche Beurteilung Jesu anhand der Bibel-Quellen deutlich unterschiedlich ist, ob man Jesus als "Sohn Gottes"/"von Gottes Wesen" versteht oder als beliebiger Wanderprediger. - Und wenn man wissenschaftlich ergebnisoffen sein will, muss man beide in Betracht ziehen - denn da beide Versionen nicht falsifizierbar sind, müssen beide als möglich gelten.
Das mag zwar "ergebnisoffen" sein, ist aber nicht "wissenschaftlich". "Übernatürlichkeit", und dazu zähle ich "Jesus als Sohn Gottes", kann eben nicht -- Du hattest es doch selber erkannt -- in wissenschaftliche Theorien eingebracht werden. Was man wissenschaftlich allenfalls kann, ist durchdenken, was sein würde, falls Jesus so betrachtet wird. Daraus ergibt sich aber kein gültiges wissenschaftliches Modell zur Beschreibung "unserer Welt".

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Mir persönlich reicht es, die verschiedenen Systeme zu verstehen.
Aber Systeme SIND doch prämisse-basiert - wenn Du Systeme erkennst, erkennst doch auch deren Prämissen, wenn Du genau hinguckst.
Da habe ich mich nicht eindeutig genug ausgedrückt: Ich meine "System" als "funktionales Ganzes", das aus Einzelelementen zusammengesetzt ist und in dem sich durch die Interaktion der Einzelelemente ganz neue Eigenschaften ergeben. Eigenschaften, die sich aus der isolierten Betrachtung der Einzelelemente nicht ableiten lassen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#116 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von closs » Sa 26. Mär 2016, 01:41

Anton B. hat geschrieben:Was man wissenschaftlich allenfalls kann, ist durchdenken, was sein würde, falls Jesus so betrachtet wird.
Das meine ich damit: Wie wären Text-/Quellen-/etc-Erkenntnisse zu interpretieren, wenn Jesus göttlichen Wesens wäre?

Anton B. hat geschrieben: Daraus ergibt sich aber kein gültiges wissenschaftliches Modell zur Beschreibung "unserer Welt".
Dann kann Wissenschaft nur Türsteher zu geistigen, also biblischen Fragestellungen sein und darf nur im allerengsten Raum seine Beobachtungen interpretieren. - So kenne ich es übrigens aus meiner Studienzeit: Historisch-kritische Arbeit als Erleuchtung der Peripherie um ein geistiges Werk (egal ob "Faust" oder "Bibel").

Nur: Damit scheint man sich heute nicht mehr begnügen zu wollen.

Anton B. hat geschrieben: Ich meine "System" als "funktionales Ganzes", das aus Einzelelementen zusammengesetzt ist und in dem sich durch die Interaktion der Einzelelemente ganz neue Eigenschaften ergeben.
Ja - aber ist die Art der Sytem-Bildung nicht abhängig von der Intention/der Weltanschauung des Forschenden geprägt? - Meinst Du, ein solches System würde sich ergebnisoffen von alleine und automatisch aus vielen Detail-Erkenntnissen der Wissenschaft ergeben?

Ich glaube es nicht, weil es eher die Regel ist, dass A-priori-Parameter in Gestalt von Interessen und Weltanschauungen normativ wirken. - Nicht vollkommen chaotisch, aber in gehöriger Gestaltungs-Bandbreite. - Naturwissenschaft ist (abgesehen von Medizin) davon vermutlich ausgeschlossen - das müsstest Du überprüfen. - Aber in Geisteswissenschaften/Philosophie-Wissenschaften und Theologie ist dies Alltag.

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#117 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von sven23 » Sa 26. Mär 2016, 07:37

closs hat geschrieben:Die gab es halt noch nicht. - Und da wurde auch Käse verzapft.
Natürlich wurde über Jahrtausende Käse verzapft und ohne die Fortschritte in der Wissenschaft würde er noch heute verzapft.


closs hat geschrieben: - Aber die Tatsache, dass die Naturwissenschaft "technische" Abläufe der Natur inzwischen erklären kann (das gilt auch für Neurowissenschaften), ist doch keine Konkurrenz für die philosophische/geistige Erklärung der Welt - und umgekehrt.

Der gelegentlich zu hörende Satz, wachsendes naturwissenschaftliches Wissen würde eine "Bedrohung" für Gott sein, ist in sich vollkommen verquer - das beißt sich überhaupt nicht.
So ganz von der Hand zu weisen ist diese Bedrohung nicht, wenn man sich die evangelikale Szene anschaut mit ihrem wissenschaftsfeindlichen Weltbild. Das hat seine Ursachen.
Was du ansprichst, ist letzlich der infinite Regress. Gott als Ursache von allem, der jedes Atom des Universums kontrolliert. Das dies aber nie nachprüfbar sein wird, ist es eigentlich irrelevant.
Abseits dieses unendlichen Regresses kennen wir keine Phänomene, die einer supranaturalistischen Erklärung bedürfen. Das sagt schon eine Menge aus.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#118 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von closs » Sa 26. Mär 2016, 10:21

sven23 hat geschrieben:Natürlich wurde über Jahrtausende Käse verzapft und ohne die Fortschritte in der Wissenschaft würde er noch heute verzapft.
Unbenommen - die HKM hat manchen Unsinn entlarvt.

sven23 hat geschrieben:Das dies aber nie nachprüfbar sein wird, ist es eigentlich irrelevant.
Das ist ein anthropozentristisches und gleichzeitig irrsinniges Argument. - Dann müsste übrigens auch die Annahme irrelevant sein, dass Jesus nur ein Mensch war - auch das ist nicht falsifizierbar.

sven23 hat geschrieben:Abseits dieses unendlichen Regresses kennen wir keine Phänomene, die einer supranaturalistischen Erklärung bedürfen.
In der naturalistischen Welt natürlich nicht.

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#119 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von Pluto » Sa 26. Mär 2016, 10:28

closs hat geschrieben:Dann müsste übrigens auch die Annahme irrelevant sein, dass Jesus nur ein Mensch war - auch das ist nicht falsifizierbar.
In der Tat.
Jesus war vermutlich ein Mensch der vor 2000 Jahren gelebt hat.
Was man mehr daraus machen will/kann, das zeigt uns der Glaube.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#120 Re: Moral in der Fundamental-Theologie

Beitrag von sven23 » Sa 26. Mär 2016, 10:39

closs hat geschrieben:Dann müsste übrigens auch die Annahme irrelevant sein, dass Jesus nur ein Mensch war - auch das ist nicht falsifizierbar..
Es ist die Annahme mit der höchsten Wahrscheinlichkeit und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Warum sollte es zu irgendeinem Zeitpunkt supranaturalistische Phänomene gegeben haben und heute nicht mehr? Doch wohl nur, weil sie sich wegen zeitlicher Distanz jeglicher Überprüfung entziehen können.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Abseits dieses unendlichen Regresses kennen wir keine Phänomene, die einer supranaturalistischen Erklärung bedürfen.
In der naturalistischen Welt natürlich nicht.
Jesus lebte aber in einer naturalistischen Welt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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