Von einer Jungfrau geboren?

SilverBullet
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#91 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von SilverBullet » Mo 11. Jan 2016, 22:21

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit für das tatsächliche Entdecken einer unsichtbaren Vollkommenheit?
Diese Frage ist zunächst ontologisch vollkommen irrelevant, weil das Sein von etwas nicht davon abhängt, wie oder ob wir es mit welcher Wahrscheinlichkeit nach UNSEREN Maßstäben wahrnehmen können.
Wieder machst du es dir zu einfach.

Hier geht es nicht darum, irgendeine Existenz einzuschätzen, hier geht es um eine Existenz, die in einem konkreten Verhältnis zu Wahrnehmungssystemen stehen soll.
Es bräuchte keinerlei Religionen, wenn es um eine „losgelöste Existenzvermutung“ ginge.

Ich wiederhole:
Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit für das tatsächliche Entdecken einer unsichtbaren Vollkommenheit, die hinter einem schlechten Wahrnehmungszugang stehen soll, wenn gleichzeitig festgelegt werden muss, dass das Entdecken gar nicht möglich sein kann?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Qualitätsunterschiede ergeben sich nur aus der Bestätigung.
Für die Wahrnehmung, nicht aber für "Sein"/"Realität".
Da trifft es sich doch prima, dass wir Wahrnehmungssysteme sind – somit sind die Qualitätsunterschiede für uns relevant.

Genau das würde ein „Designer“ berücksichtigen.

Ist es somit vernünftig hinter einem „qualitativ erbärmlichen Zugangsverdacht“ einen „vollkommenen Schöpfer“ anzunehmen?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Was unterscheidet diesen Vorgang von einer Beschäftigungstherapie, die das Ziel hat, den Wunsch nach „Korrektheit der anfänglichen Suggestion“ aufrecht zu erhalten?
Formal möglicherweise nichts - den Unterschied macht das Objekt der Wahrnehmung
D.h. ein Wahrnehmungssystem kann in seiner vermuteten „entscheidenden Lebenszeit“ nicht herausfinden, ob es einer reinen Scharlatanerie folgt oder nicht.

Wie weit weg ist diese Situation von Scharlatanerie?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Welchen Sinn macht dieses „Problem“, wenn man gleichzeitig keine Ahnung haben kann, von der unsichtbaren Vollkommenheit schwärmen und sich „ihr“ gegenüber „günstig positionieren“ soll?
Der Sinn liegt im Objekt der Wahrnehmung (hier: "Gott").
Mit der Unerreichbarkeitsfestlegung ist doch damit festgelegt, dass dieser Sinn für Wahrnehmungssysteme nicht festgestellt werden kann -> maximale Unvollkommenheit.

Für mich sieht es so aus, dass Wahrnehmungssysteme aus Unwissenheit heraus ein Kartenhaus, als Selbstbegründung erschaffen haben, das für sie selbst vollständig untauglich ist, weil sie den Sinn darin gar nicht feststellen können.

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Janina
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#92 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Janina » Mo 11. Jan 2016, 22:35

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Den gibt es sogar heute noch, zumindest in primitiven Kulturen.
Ich bin wahrlich nicht moralin-sauer: Aber verstehen tue ich fundamental-theologisch die Bedeutung der Jungfräulichkeit schon (allerdings gilt das auch für den Mann).
Dann versteh doch lieber mal, wie man den Mist los wird.

closs
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#93 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Mo 11. Jan 2016, 23:04

SilverBullet hat geschrieben:Hier geht es nicht darum, irgendeine Existenz einzuschätzen, hier geht es um eine Existenz, die in einem konkreten Verhältnis zu Wahrnehmungssystemen stehen soll.
Es geht um zweierlei:
1) Ist die Wahrnehmungs-Qualität der Maßstab für die "Sein"/"Realität"-Qualität.
Die Antwort lautet ontologisch NEIN. - Denn "Sein"/"Realität" ist eine von der Wahrnehmung unabhängige Kategorie (Wo kämen wir hin, wenn etwas nur in dem Maße sein kann, wie es qualitätiv wahrgenommen wird?)

2) Wie kann "Sein"/"Wahrnehmung" zu Wahrnehmung stehen?
Da hat natürlich die Naturwissenschaft methodisch die Nase vorne (muss ich nicht weiter ausführen, da klar). - Das ist aber nicht deswegen so, weil sich die "geistige Fraktion" keine Mühe gibt, sondern weil "Gott" (also das Objekt) in einer anderen "Welt" ist als der Mensch (als dem Subjekt). - Folge davon ist, dass "Gott" mit Mitteln intersubjektiv funktionierender Methoden nicht wahrgenommen werden kann?

Wie macht man es dann? - "Hermeneutik" war bereits eine Antwort - Dein Einwand, dass damit auch "Kopf-Kino" thematisiert werden kann, ist korrekt. - Ändert aber nichts daran, dass "Gott" mehr als "Kopf-Kino" sein kann. - Wir stehen also vor der Situation, dass "Gott" genauso real sein kann wie der Saturn, aber nicht intersubjektiv nachweisbar ist.

Behelfsweise kann man nun neben der Hermeneutik noch Logik und persönliches Empfinden ("geistiger Instinkt") anführen - man muss es sogar, gäbe es diesen "geistigen Instinkt"nicht im Menschen über alle Kulturen und Zeiten - und gäbe es nicht hochkomplexe logische Ausführungen (bis mindestens Gödel), die die Existenz Gottes plausibel erscheinen lassen. - Aber "Nachweis" im Sinne des kritischen Rationalismus ist dies alles natürlich nicht. - Trotzdem ändert sich nichts an der Feststellung, dass "sein"/"Realität" und Wahrnehmung kategorial voneinander unabhängige Größen sind.

SilverBullet hat geschrieben:Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit für das tatsächliche Entdecken einer unsichtbaren Vollkommenheit
Gemessen an logischen Erwägungen und persönlichem Empfinden ist sie hoch - gemessen am kritischen Rationalismus ist sie niedrig (Nicht-Falsifizierbares = irrelevant). - Woran misst Du?

SilverBullet hat geschrieben:Da trifft es sich doch prima, dass wir Wahrnehmungssysteme sind – somit sind die Qualitätsunterschiede für uns relevant.
RELEVANT sind die Qualitätsunterschiede des "Seins"/der "Realität" selbstverständlich (wobei die Ausdrucksweise irrig ist - bei "Sein"/"Realität" gibt es nur binär "1" oder "0". - Das hat aber nichts mit unserer Wahrnehmung zu tun.

SilverBullet hat geschrieben:Ist es somit vernünftig hinter einem „qualitativ erbärmlichen Zugangsverdacht“ einen „vollkommenen Schöpfer“ anzunehmen?
Ja. - Weil der Gag ja gerade darin besteht, dass das Vollkommene "nicht von dieser Welt" ist, also im Dasein nicht "daheim" ist.

SilverBullet hat geschrieben:D.h. ein Wahrnehmungssystem kann in seiner vermuteten „entscheidenden Lebenszeit“ nicht herausfinden, ob es einer reinen Scharlatanerie folgt oder nicht.
De facto können es viele - aber sie sehen es als Gnade und nicht als Verdienst. - Nachweisen kann es niemand.

SilverBullet hat geschrieben:Wie weit weg ist diese Situation von Scharlatanerie?
Sehr weit weg - man muss nur wissen, WARUM es so ist.

SilverBullet hat geschrieben:Für mich sieht es so aus, dass Wahrnehmungssysteme aus Unwissenheit heraus ein Kartenhaus als Selbstbegründung erschaffen haben
Das gibt es durchaus auch - an äußeren Mustern ist es nicht unterscheidbar.

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Münek
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#94 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Münek » Mo 11. Jan 2016, 23:13

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Doch, es sagt uns, dass es außer der menschlichen Sicht keine andere gibt, von der wir jemals wissen könnten. Also ist deine Ausage, es handele sich nur um "Daseins-Sicht", unsinnig, denn es gibt ja keine andere.
Schon wieder schließt Du aus der Tatsache, dass wir etwas nicht wissen können, dass es es deshalb auch nicht gibt. - Das ist ein grandioser Fehlschluss.

Nee, das hat Thaddäus daraus überhaupt nicht geschlossen. Das unterstellst Du ihr jetzt einfach.

Natürlich werden Dinge existieren, die wir nicht wahrnehmen oder nicht wahrnehmen können. Das ist eine Binsenwahrheit, die niemand ernsthaft in Zweifel ziehen dürfte. Nur was bringt eine solche Erkenntnis?!

Wenn Du von "Daseins-Sicht" sprichst, implizierst Du, dass es daneben noch eine "Seins-Sicht" gibt. Möglicherweise existiert eine solche; man sollte nichts ausschließen. Nur: Als Mensch kannst Du eine solche nicht haben. Insofern brauchst Du nicht von "Daseins-Sicht" zu sprechen, denn eine andere besitzt Du ja nicht. "Sicht": ja, "Dasein": Kannst Du streichen.

Wenn Du über Gott sprichst und ihn mit allerlei Eigenschaften ausstattest, solltest Du Dir immer im Klaren darüber sein, dass Du Dich im Land der Illusionen, Wünsche und Spekulationen befindest, weil Du nicht wissen kannst, ob es Gott gibt und ob er darüberhinaus über die Eigenschaften verfügt, die Du so gern an ihm sähst. Du kommst aus diesem Dilemma auch nicht heraus, wenn Du argumentierst, dass es diesen speziellen Gott ja dennoch geben könnte.

Geben kann es alles, was Du Dir vorstellst. Dem Glauben und damit der Beliebigkeit sind keine Grenzen gesetzt.

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#95 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Mo 11. Jan 2016, 23:25

Münek hat geschrieben:Natürlich werden Dinge existieren, die wir nicht wahrnehmen oder nicht wahrnehmen können. Das ist eine Binsenwahrheit, die niemand ernsthaft in Zweifel ziehen dürfte.
Dein Wort in Kurtes Ohr.

Münek hat geschrieben:Als Mensch kannst Du eine solche nicht haben.
Korrekt.

Münek hat geschrieben:Insofern brauchst Du nicht von "Daseins-Sicht" zu sprechen, denn eine andere besitzt Du ja nicht.
Moment: ICH nicht - aber "es" gibt sie. - Und das ist eine ontologisch bedeutsame Erkenntnis.

Münek hat geschrieben:Wenn Du über Gott sprichst und ihn mit allerlei Eigenschaften ausstattest, solltest Du Dir immer im Klaren darüber sein, dass Du Dich im Land der Illusionen, Wünsche und Spekulationen befindest
Nein - das funzt sehr viel differenzierter. - Meinst Du, all die Philosophen haben LSD genommen und dann ihre Halluzinationen niedergeschrieben?

Es gibt logische, ontologische, dialektische Gründe und vor allem Gründe des persönlichen Empfindens, die die Existenz von "etwas" über uns nahelegen. - Damit haben sich christliche Köpfe seit spätestens Augustinus (Boethius vorher war auch sehr gut) in philosophischer, mystischer und scholastischer Art und Weise viel Mühe gegeben haben - und diese Leute waren geistig eher Einsteins als Clossens oder Müneks.

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#96 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Zeus » Mo 11. Jan 2016, 23:39

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn Du über Gott sprichst und ihn mit allerlei Eigenschaften ausstattest, solltest Du Dir immer im Klaren darüber sein, dass Du Dich im Land der Illusionen, Wünsche und Spekulationen befindest
Nein - das funzt sehr viel differenzierter. - Meinst Du, all die Philosophen haben LSD genommen und dann ihre Halluzinationen niedergeschrieben?

Es gibt logische, ontologische, dialektische Gründe und vor allem Gründe des persönlichen Empfindens, die die Existenz von "etwas" über uns nahelegen. - Damit haben sich christliche Köpfe seit spätestens Augustinus (Boethius vorher war auch sehr gut) in philosophischer, mystischer und scholastischer Art und Weise viel Mühe gegeben haben - und diese Leute waren geistig eher Einsteins als Clossens oder Müneks.
Und zu welchen handfesten Ergebnissen, was die ontologische Differenz betrifft, sind all die Philosophen gekommen?
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#97 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 12. Jan 2016, 00:03

Zeus hat geschrieben:nd zu welchen handfesten Ergebnissen, was die ontologische Differenz betrifft, sind all die Philosophen gekommen?
Mindestens haben sie gemerkt, dass menschliche Wahrnehmung nicht das Maß von "Sein"/"Realität" ist.

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Thaddäus
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#98 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Thaddäus » Di 12. Jan 2016, 00:34

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Und zu welchen handfesten Ergebnissen, was die ontologische Differenz betrifft, sind all die Philosophen gekommen?
Mindestens haben sie gemerkt, dass menschliche Wahrnehmung nicht das Maß von "Sein"/"Realität" ist.
Die ontologische Differenz bezeichnet bei Heidegger lediglich den Unterschied zwischen Sein und Seiendem, nicht aber das Ahnen eines Gottes.
Du machst hier wiederum den Fehler closs, zu denken, die bloße gedankliche Möglichkeit der Annahme eines Geistwesen/Gottes bedeutete bereits, irgendetwas über die bloße Möglichkeit hinaus von ihm wissen zu können.
Bereits Platon erkannte, dass wir keinerlei positive Aussagen über so etwas wie einen Gott treffen können, allenfalls negative, also allenfalls Aussagen darüber, was er nicht ist. Das hat später in der Philosophie und Theologie zur Ausbildung einer negativen Theologie geführt, - die aber natürlich kaum als Theologie gelten kann.

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#99 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Thaddäus » Di 12. Jan 2016, 00:58

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn wir etwas grundsätzlich nicht wissen können, weil es unser menschliches Erkenntnisvermögen grundsätzlich übersteigt, dann erübrigt sich jede Spekulation darüber, was wir von diesem "Etwas" wissen könnten
Warum? Du kannst doch etwas zum Teil erkennen. - Wenn Du einen Eisberg siehst, von dem 90% unter Wasser ist, siehst Du doch trotzdem 10%.
Tipp: du solltest meine Sätze nicht nur lesen, sondern wenigstens auch 30 sec. über sie nachdenken.
Es handelt sich hier um einen Bedingungssatz und logisch um eine Implikation:
Wenn wir etwas grundsätzlich nicht wissen können
= Einschränkende Bedingung: Wir können von "etwas" (z.B. wie es ist, ein Gott zu sein) grundsätzlich nichts wissen.

Begründungssatz:
... weil es unser menschliches Erkenntnisvermögen grundsätzlich übersteigt

dann (und jetzt folgt der schlussfolgernde Hintersatz):
... erübrigt sich jede Spekulation darüber, was wir von diesem "Etwas" wissen könnten
= erübrigt sich also jede Spekulation über dieses Etwas, denn - und das ist ja gerade die einschränkende Bedingung des Vordersatzes - wir können über dieses Etwas nichts wissen!
Wie willst du denn etwas über Etwas wissen, wenn wir darüber nichts wissen können?

Und du antwortest mit: "Warum? Du kannst doch etwas zum Teil erkennen."
Nein! Genau das können wir eben nicht, wenn vorher die Feststellung getroffen wurde, dass wir etwas grundsätzlich nicht erkennen können! Dann können wir dieses Etwas auch nicht "zum Teil" erkennen. Wir können es überhaupt nicht erkennen (sondern allenfalls die Annahme der Möglichkeit dieses Etwas machen, was aber keine brauchbare Annahme ist)! Du kannst auch annehmen, dass alle menschlichen Gedanken von unsichtbaren und immateriellen riesigen roten ameisenartigen und göttlichen Wesen in der Nähe von Apha Centauri gesteuert werden, die man aber, wenn man hinfliegen würde, nicht auffinden könnte, da sie ja unsichtbar und immateriell sind. Annehmen kann man alles. Trotzdem wäre diese Annahme nur die Eintrittskarte in die geschlossene Abteilung einer Psychiatrie - und zwar zurecht.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Das ist keine Onotologie, das ist Logik.
Meine Aussage (die eine andere war als die, auf die Du geantwortet hast) war aber eine ontologische - hier nochmal zur Klärung in anderen Worten: "Die Tatsache, dass wir von etwas nichts wissen, bedeutet nicht, dass es das für uns Ungewusste nicht gibt".
Wenn wir von etwas nur annehmen können, dass es die Möglichkeit gibt, dass es existiert, - wir aber nichts über die bloße Annahme seiner Möglichkeit hinaus wissen können, dann WISSEN WIR NICHTS DAVON und es gibt auch keine Möglichkeit, dass wir jemals darüber etwas wissen könnten, denn es übersteigt (wie Gott per Definition) unser menschliches Erkenntnisvermögen. Und unser Erkenntnisvermögen ist das, was die Grundlage dafür ist, dass wir etwas WISSEN können. Und WISSEN von etwas zu haben bedeutet, wahre Aussagen über SACHVERHALTE machen zu können, also TATSACHEN erkennen zu können.

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#100 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 12. Jan 2016, 01:20

Thaddäus hat geschrieben:Die ontologische Differenz bezeichnet bei Heidegger lediglich den Unterschied zwischen Sein und Seiendem, nicht aber das Ahnen eines Gottes.
Als er "Sein und Zeit" geschrieben hat, hat er es wohl existentialistisch gemeint (also "horizontal" auf der Daseins-Ebene) - mir ist bei späten Werken aufgefallen (die ich allerdings NICHT genug kenne, dass er seine frühen Erkenntnisse auch "vertikal" ins Transzendente verstanden hat - haben alte Leute so an sich, wenn die Gruf näher kommt.

Aus meiner Sicht ist wichtig, dass beides (horizontal und vertikal) funktioniert - man kann das Motiv der Thematisierung des Seins durch das Seiende mühelos auf Gott beziehen:
„Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor." „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“

Und wie könnte man folgenden Satz NICHT "vertikal" verstehen?:
„Solange das Dasein als Seiendes ‚ist‘, hat es seine ‚Gänze‘ nie erreicht. Gewinnt es sie aber, dann wird der Gewinn zum Verlust des In-der-Welt-Seins schlechthin. Als Seiendes wird es dann nie mehr erfahrbar.“

Ich weiss nicht, wie Heidegger diesen Satz gemeint hat - aber für mich ist er eine Zusammenfassung der Konstellation "Göttlicher Holon" (Alles in Einem) versus "menschliche Dialektik". - Wenn Du mal Zeit hast: Versuche mal Heideggers Ontologie so zu lesen, als sei "Sein = Gott" und "Dasein = Mensch" - ich meine, dass es in den wesentlichen Punkten funktioniert. - NOCHMALS: Ich behaupte NICHT, dass Heidegger es so gemeint hat - aber die Substanz dafür hat er geschaffen.

Thaddäus hat geschrieben:Du machst hier wiederum den Fehler closs, zu denken, die bloße gedankliche Möglichkeit der Annahme eines Geistwesen/Gottes bedeutete bereits, irgendetwas über die bloße Möglichkeit hinaus von ihm wissen zu können.
Nach wie vor NICHT (wie oft habe ich das eigentlich schohn dementiert?) - Deswegen heisst es doch "Glaube": ein "Sehen", das nicht intersubjektiv verifizierbar ist.

Und es ist auch nicht die "bloße Annahme", sondern umgekehrt ein Empfinden des (potentiell) transzendent wahrnehmungs-fähigen Menschen, der diese Fähigkeit in Religions-Bilder fasst. - Es ist also NICHT: "Wir können das theoretisch annehmen, also füllen wir es mit irgendwas" - es ist genau umgekehrt: Wir spüren (über alle Zeiten und Kulturen) "etwas", was wir versuchen sprachlich, liturgisch, etc. zu fassen.

Thaddäus hat geschrieben:Bereits Platon erkannte, dass wir keinerlei positive Aussagen über so etwas wie einen Gott treffen können, allenfalls negative, also allenfalls Aussagen darüber, was er nicht ist.
Das sagt auch Thomas von Aquin mehrfach:
"illud est ultimum cognitionis humanae de Deo quod sciat se Deum nescire" (De potentia Dei q. 7, art. 5, ad 14)
"Die Offenbarung Gottes zeigt uns mehr, was er nicht ist als was er ist." (De anima - weiß jetzt die Stelle nicht).

Aber daraus ergibt sich ein Korridor, was noch "übrig bleibt" für Gott. - Und der ist ziemlich eng. - Außerdem dürfen bei allen intellektuellen und methodischen Bemühungen nicht vergessen: Un-intellektuelle, tiefgläubige Christen SPÜREN Gott - die brauchen solche intellektuellen Versicherungen nicht.

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