Allversöhnung

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Zeus
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#511 Re: Allversöhnung

Beitrag von Zeus » Mi 16. Okt 2013, 02:57

Zeus hat geschrieben: [...]Das Gefühl, sich schuldig zu fühlen, ist den Kelten/Germanen/Slaven und anderen sogenannten Heiden erst durch die christliche Missionierung "eingeredet" worden. Schließlich musste man einen plausiblen Grund angeben, weshalb JC am Kreuz sterben musste.
barbara hat geschrieben:ja, vorher hatten diese Völker ganz unbekümmert alle Nachbarn versklavt, getötet und gefoltert, als Menschenopfer den Göttern dargebracht - waren ja keine Blutsverwandten, war ja völlig legitim. Kein Grund für Schuldgefühle. jaja die gute alte Zeit. :silent:

Naqual hat geschrieben:Ein gutes Argument. :D
Schuldgefühle sind sicher umfassend durch alle Zeiten gegeben gewesen, unabhängig auch von der Kultur.
Wobei das Besondere am Christentum schon ist, dass auf einmal JEDER Schuldgefühle haben muss, quasi schon durch Abstammung durch Adam und Eva, im theoretischen Extremfall sogar ohne eigenes Zutun, es sei denn man wäre durch eine Jungfrau geboren. Und Schuldgefühle müsse man schon haben, wenn man nicht wie Gott vollkommen und perfekt ist.
Also jeder hat zwingend Bedarf an der Gnade Gottes und diese könne nur einer vermitteln, Jesus am Kreuz und mittelbar durch die (eine) Kirche. Marktwirtschaftlich ausgedrückt ist dies angebotsseitig die Monopolisierung des Wassers des Lebens bei einem Nachfragemarkt, der wirklich jeden umfasst. Politisch wurde das dann auch mit Macht, Strafrecht und Militär umgesetzt, bis wir einen Kontinent Europa hatten, in dem es nur noch eine einzige einflussreiche Religion gab.
Wobei dies aus meiner Sicht der Verrat an den Ursprüngen der christlichen Religion war (die von Anfang an von divergierenden Gruppen getragen wurde und nicht die romantische Festigkeit der Geistführung innehatte wie die verklärte Darstellung von Kirchengeschichte mutmaßen lässt).
Werter Naqal!
:thumbup: Meine volle Zustimmung. Das hast du sehr schön gesagt!
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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Demian
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#512 Re: Allversöhnung

Beitrag von Demian » Mi 16. Okt 2013, 04:50

Naqual hat geschrieben:Erfinder der Satisfaktionstheorie in ihrer ursprünglichen Fassung, nachdem Gottvater dem Teufel mit dem Kreuzestod ein Lösegeld bezahlt. Heute haben wir eine modifizierte Fassung, nachder nicht mehr der Teufel das Lösegeld bekommt, aber offen bleibt, wem das Lösegeld nützt - außer man unterstellt dem Vater ein grausiges Gemüt)[/size]

Richtig - zumal die Satisfaktionstheorie von einem dualistischen Standpunkt ausgeht. D.h. es wird eine grundsätzliche Trennung zwischen Gott, Welt und Mensch postuliert, die erst durch die geistige Vermittlung des Kreuzestodes überwunden - und der Mensch dadurch erlöst - werde. Man kann regelrecht von einer Theologie der Zerrissenheit sprechen, die zu einer radikalen Vereinseitigung und Monopolisierung des Christusdenkens führte - bis eben Erlösung
nur noch christlich für möglich gehalten wird.

In sich schlüssig ist dieser Gedankengang nur, wenn man die vielen anderen spirituellen Wege ausklammert, die man nicht weniger als eine rechtmäßige „Offenbarung der Seele“ bezeichnen kann, die sich je nach Zeit, Ort und Person unterschiedlich ( aber für den Menschen innerlich notwendig ) realisiert hat.

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#513 Re: Allversöhnung

Beitrag von closs » Mi 16. Okt 2013, 09:01

Demian hat geschrieben:Richtig - zumal die Satisfaktionstheorie von einem dualistischen Standpunkt ausgeht.
Dass Gott per Opfer Satisfaktion habe wolle und dabei mit gerunzelter Stirn auf seinem Thron sitzt, um zu warten, bis Jesus ihm (!) sich als Opfer bringt, scheint mir auch ein Grundirrtum zu sein.

Wenn aber die Trennung zwischen Gott und Mensch als Dualismus verstanden wird, besteht die Gefahr, dass der Begriff "Dualismus" klammheimlich auch auf einen Leib-Geist-Dualismus übertragen wird. - Hier droht Begriffsverwirrung: Denn ein Ganzes kann getrennt und trotzdem monistisch fundiert sein.

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Demian
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#514 Re: Allversöhnung

Beitrag von Demian » Mi 16. Okt 2013, 09:37

closs hat geschrieben: Dass Gott per Opfer Satisfaktion habe wolle und dabei mit gerunzelter Stirn auf seinem Thron sitzt, um zu warten, bis Jesus ihm (!) sich als Opfer bringt, scheint mir auch ein Grundirrtum zu sein.

In einer monotheistischen Weltanschauung, würde der Entrücktheit Gottes eine gleichwertige Gegenwart in der Schöpfung entsprechen. Jesus Leben könnten wir dann als umfassende Meditation ( Bhakti ) dieser All-Einheit begreifen. Interessant finde ich da den Ansatz von Ramanuja:

In der Ontologie vertritt Ramanuja hinsichtlich der Wirklichkeit der Einzeldinge eine gemäßigte Position. Im Gegensatz zu Shankara lehrt er nicht, Gott sei die einzige, absolut einheitliche und alles umfassende Realität und die Vielheit in der Welt eine bloße Illusion (maya). Er hält die einzelnen Lebewesen und die unbelebten Dinge für Formen Gottes. Diese Formen sind für ihn nicht bloßer Schein, sondern er billigt ihnen ein eigenes, reales Sein zu. Dieses Sein ist allerdings vom Sein Gottes untrennbar. Ramanuja akzeptiert somit wirkliche Unterschiede (vishesha) zwischen real existierenden Entitäten, jedoch ohne ihnen ein separates Dasein in der Weise zuzusprechen, wie es im Dualismus geschieht. Daher kann er eine individuelle Unsterblichkeit der Einzelseelen lehren und zugleich an dem monistischen Gedanken festhalten, dass deren Wesen mit demjenigen Gottes übereinstimmt und sie insofern „Teile“ von ihm sind (tat tvam asi). Mit dieser differenzierten Position begründet er seinen Theismus, dem zufolge die Einzelwesen nicht absolut mit Gott zu identifizieren sind, sondern ewige Partner der als Person aufgefassten Gottheit sind. Wären sie im Sinne des Advaita mit Gott als der einzigen Wirklichkeit absolut identisch, so wäre alle Gottesliebe reine Selbstliebe, was für Ramanuja nicht akzeptabel ist.

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#515 Re: Allversöhnung

Beitrag von closs » Mi 16. Okt 2013, 12:44

Demian hat geschrieben:In einer monotheistischen Weltanschauung, würde der Entrücktheit Gottes eine gleichwertige Gegenwart in der Schöpfung entsprechen.
Ja - das passt eigentlich zum Wesen der Trinität: Jesus als authentische Ableitung (Selbst-Offenbarung) Gottes im Dasein. - Ableitung heißt AUCH, dass in der abgeleiteten Dimension von Jesus nicht alles gewusst wird, was in der ableitenden Dimension gewusst wird. - Damit erübrigen sich Diskussionen, ob Jesus etwa gewusst hätte, was die Physik heute weiß - es wäre dann nicht nötig.

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Naqual
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#516 Re: Allversöhnung

Beitrag von Naqual » Do 17. Okt 2013, 11:23

lovetrail hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Aus meiner Sicht hat die spätchristliche Dogmatik mit Bischof Anselm den ursprünglichen Gedanken auf den Kopf gestellt.
Hi Naqual, ich muss zugeben, dass ich hierbei noch nicht ganz durchblicke.
Hi Lovetrail,
Es ist ein kompliziertes Thema und ich würde auch nicht beanspruchen, dass ich systematisch die verschiedenen Auffassungen und ihre Entwicklungen wüsste. Mehr fragmentarische Kenntnisse, diese aber vertieft.

Was mir wichtig erscheint, ist, dass Jesus Christus Ausdruck der Liebe Gottes ist.
Das ist beim Kreuz eigentlich für alle Seiten unbestritten (sofern Christen). Der kritische Punkt bei der Interpretation des Kreuzestodes ist die Rolle des himmlischen Vaters. Also wozu braucht er ein "stellvertretendes Opfer", wenn man das Ereignis mit diesem deutet? Hierauf gibt es keine (vernünftige) Antwort.

Er ist die Gnadengabe. So wie in Adam alle sterben, werden in Christus alle lebendig gemacht. (1.Kor.15,22)
Bereits wie man diesen Satz interpretiert, kann man vortrefflich streiten.
Ich lese den Satz z.B. so, dass Paulus mit Christus nicht die historische Person meint (für diese hat er sich in all seinen Schriften gar nicht interessiert, außer in Bezug auf Tod und Auferstehung), sondern einen Bewusstseinszustand (siehe Anmerkung weiter unten):
Wenn jemand in Christus ist, denkt und fühlt er wie Christus. Die Alternative ist der Bewusstseinszustand des Adam.
Entsprechend komme ich bei dem Vers zu ganz anderen Schlüssen.
Christus ließ Gottvater durch sich (Jesus) wirken. So wie wir dies tun, haftet uns das "Lebendigmachende" an.

Man könnte Jesus auch mit einem Musikidol vergleichen. (in sehr begrenztem Sinne)
Ein Sänger gibt seinen Geist, seine Seele seinen Körper der Menge hin und diese wird von ihm begeistert und beseelt (im Idealfall). Da springt etwas über, wenn sich jemand so hingibt für andere und dabei von Gott gehalten wird. Dann werden plötzlich alle die ihn hören und an seinen Lippen hängen vom selben Geist gehalten...
Ja, genau. :D

Wie es nun durch eine Übertretung für alle Menschen zur Verdammnis kam, so auch durch eine Gerechtigkeit für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens. Denn wie durch des einen Menschen Ungehorsam die vielen in die Stellung von Sündern versetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten versetzt werden. (Röm.5,18-19)
Auch hier sehe ich keinen Bezug zur Stellvertretung. "Ungehorsam" ist der "Adams-Bewusstseinszustand", durch diesen kommt die Trennung von Gott in einem. In Christus geschieht wieder die Hinwendung zu Gott, wenn man sich innerlich sich des "Christus" befleißigt.



Anmerkung:
Den Begriff Bewusstseinszustand gab es damals nicht, so dass er umschrieben werden musste - überhaupt ist es beim Bibellesen oft sinnvoll sich zu vergegenwärtigen, dass die Leute in der Antike viel konkreter, erheblich weniger abstrakt gedacht haben wie wir heute. So wurden in der Regel abstrakte Sachverhalte konkret beschrieben. Das Problem bei der Exegese kommt dann, wenn man es heute konkret deutet, aber es einen abstrakten Sachverhalt meinte.
Evangelikale Christen z.B. neigen sehr stark dazu, alles konkret zu deuten sogar bis dahin, dass etwas nur ein Gleichnis ist, wenn auch in der Bibel explizit genannt ist, dass ein Gleichnis folgt. Weil sie das Konkrete so gut zu verstehen meinen, sind sie dann auch oft verblüfft, wenn "klare Aussagen" auf einmal mit einer ganz anderen Bedeutung verstanden werden können.

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lovetrail
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#517 Re: Allversöhnung

Beitrag von lovetrail » Do 17. Okt 2013, 18:46

Hallo Naqual!
Naqual hat geschrieben: Der kritische Punkt bei der Interpretation des Kreuzestodes ist die Rolle des himmlischen Vaters. Also wozu braucht er ein "stellvertretendes Opfer", wenn man das Ereignis mit diesem deutet? Hierauf gibt es keine (vernünftige) Antwort.
Wenn man sich die "Versöhnungsverse" ansieht, dann geht es eigentlich nicht darum, dass der Vater versöhnt wird sondern die Welt, also alles was auf Erden und im Himmel ist:
Denn es gefiel [Gott], in ihm alle Fülle wohnen zu lassen und durch ihn alles mit sich selbst zu versöhnen, indem er Frieden machte durch das Blut seines Kreuzes — durch ihn, sowohl was auf Erden als auch was im Himmel ist. Auch euch, die ihr einst entfremdet und feindlich gesinnt wart in den bösen Werken, hat er jetzt versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unverklagbar darzustellen vor seinem Angesicht, (Kol. 1,19-22; Schlachter)
Das alles aber [kommt] von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Jesus Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat; weil nämlich Gott in Christus war und die Welt mit sich selbst versöhnte, indem er ihnen ihre Sünden nicht anrechnete und das Wort der Versöhnung in uns legte. (2.Kor.5,18-19; Schlachter)
Der Vater bleibt im Wesen eigentlich immer gleich. Es ist der Mensch in seiner Entfremdung und Rebellion, welcher versöhnt werden soll.

Naqual hat geschrieben: Wenn jemand in Christus ist, denkt und fühlt er wie Christus. Die Alternative ist der Bewusstseinszustand des Adam.
Entsprechend komme ich bei dem Vers zu ganz anderen Schlüssen.
Christus ließ Gottvater durch sich (Jesus) wirken. So wie wir dies tun, haftet uns das "Lebendigmachende" an.
Ich denke, man kann es so verstehen. Das was du Bewusstsein nennst, nennt die Bibel "Geist".
Und obendrein geht es sogar von Christus aus. Sein Geist bewirkt auch den Glauben und die Lebendig-Machung. Alles eine Frage der Zeit.

Naqual hat geschrieben:Auch hier sehe ich keinen Bezug zur Stellvertretung. "Ungehorsam" ist der "Adams-Bewusstseinszustand", durch diesen kommt die Trennung von Gott in einem. In Christus geschieht wieder die Hinwendung zu Gott, wenn man sich innerlich sich des "Christus" befleißigt.
Ja, wobei ich auch hier sagen würde, dass sich der Christus immer schon vorher uns zugewandt hat, sobald wir ihn suchen.


Anmerkung:
Den Begriff Bewusstseinszustand gab es damals nicht, so dass er umschrieben werden musste -
zB auch als "Erneuerung des Sinnes"
Das Problem bei der Exegese kommt dann, wenn man es heute konkret deutet, aber es einen abstrakten Sachverhalt meinte.
Das habe ich auch schon festgestellt.

lg lovetrail
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#518 Re: Die Versöhnung

Beitrag von Lena » Do 17. Okt 2013, 20:23

Danke für's Uebersetzen Lovetrail.

lovetrail hat geschrieben: Ist denn die menschliche Liebe grösser als die Liebe Gottes?

Das habe ich mich schon gefragt und als unmöglich erkannt.

Wenn Du wüsstest wie froh ich wäre, die Allversöhnung wäre wahr.

Lieben Gruss
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Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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#519 Re: Die Versöhnung

Beitrag von lovetrail » Do 17. Okt 2013, 20:42

Lena hat geschrieben:Danke für's Uebersetzen Lovetrail.
Gerne :-)

Ich kann auch was auf deutsch empfehlen:
http://www.come2god.de/2009/03/14/fehle ... ng-fuhren/
Auf dieser Webseite (Ausblicke vom Kreuz) gibt es jede Menge erbaulicher Artikel von Leuten welche die AV glauben können.



Darum wartet auf mich, spricht der Herr, bis zu dem Tag, da ich mich aufmache, um Beute zu machen! Denn mein Ratschluß ist es, Heidenvölker zu versammeln, Königreiche zusammenzubringen, um über sie meinen Grimm auszugießen, die ganze Glut meines Zornes; denn durch das Feuer meines Eifers soll die ganze Erde verzehrt werden. Dann aber will ich den Völkern andere, reine Lippen geben, daß sie alle den Namen des Herrn anrufen und ihm einträchtig dienen. (Zephania 3,8-9; Schlachter)


lg lovetrail
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#520 Re: Die Versöhnung

Beitrag von Lena » Do 17. Okt 2013, 21:44

lovetrail hat geschrieben: Ich kann auch was auf deutsch empfehlen:
http://www.come2god.de/2009/03/14/fehle ... ng-fuhren/
Auf dieser Webseite (Ausblicke vom Kreuz) gibt es jede Menge erbaulicher Artikel von Leuten welche die AV glauben können.

Danke. Ich lese mich gerne da mal rein.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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