closs hat geschrieben:Münek hat geschrieben:Die Plausibilität bezieht sich nach meiner Vorstellung auf die Einsicht/das Verständnis eines "Durchschnittsmenschen".
Das ist immerhin ein Ansatz. - So - und jetzt vergleiche mal den Durchschnittsmenschen von heute mit dem Durchschnittsmenschen von vor 500 Jahren. - Dann war doch damals anderes plausibel, nicht wahr?
Plausibilität einer Erklärung, eines Gedankengangs oder einer Argumentation bedeutet, dass die Erklärung in sich logisch widerspruchsfrei, also konsistent ist und sie muss auch rational-vernünftig für prinzipiell jedes vernünftige Wesen nachvollziehbar sein. Da der Mensch immer schon ein vernunftbegabtes Wesen ist, gilt und greift das Plausibilitätsprinzip bereits solange, wie Menschen überhaupt argumentieren und erklären.
Was damit noch nicht garantiert ist, ist die Korrektheit der Prämissen, von denen aus argumentiert und erklärt wird. Diese Prämissen sind zumeist keine bewussten Setzungen, sondern vielmehr Annahmen, die sich aus dem Welt-Bild ergeben, welches wiederum keine Welt-Anschauung ist, denn während ein Weltbild kollektiv unbewusst vorhanden ist, wird eine Weltanschauung bewusst gewählt. In einem Welt-Bild, also dem Bild, welches man sich von der Welt macht, wächst man auf bzw. wächst man hinein und es bedeutet einen grundsätzlichen Erklärungshintergrund, der von den allermeisten Menschen eines historischen Kulturkreises geteilt wird. Eine Weltanschauung dagegen, ist bereits ein reflektierter, bewusst theoretischer Zugang zur Welt, den man wählen oder verwerfen kann. Das Weltbild, in das man hineingeboren wird, ist unmittelbar abhängig vom Wissensstand eines Kulturkeises und also auch vom Stand der wissenschaftlichen Forschung und Erkenntnisse. Alle Ideologien z.B. sind Weltanschauungen, aber keine Weltbilder.
Wenn man z.B. glaubt, man lebe in einer Welt, die bevölkert ist von Göttern, Dämonen, Engeln und sonstigen Geistwesen, dann ist man in dieses Weltbild hineingeboren und darin aufgewachsen innerhalb eines Kulturkreises, der auch ein Mikro-Kulturkreis sein kann, wie z.B. eine moderne Sekte, die solches lehrt und dieses Weltbild an die in dieser Sekte lebenden Kinder weitervermittelt. Innerhalb dieses Weltbildes ist es durchaus plausibel, z.B. epileptische Anfälle so zu erklären, dass ein Gott oder ein Dämon von einem Menschen Besitz ergreift. Innerhalb eines solchen Weltbildes ist das also eine logische Erklärung. Logisch ist es auch, dass nicht jeder beliebige Gott oder Dämon von einem Menschen Besitz ergreifen kann, sondern nur solche, die in Menschen fahren
können, während das andere Götter und Dämonen nicht können, weil sie für ganz andere Dinge zuständig sind usw.
Wächst man in einer Kultur auf, in der die Wissenschaften bereits erfunden sind und ein bestimmtes wissenschaftlich fundiertes Wissen über die Funktionsweise des Gehirns und neurologische Zusammenhänge existieren, dann wird dieses Wissen in diesem Kulturkreis auch vermittelt und man weiß, dass epileptische Anfälle eben nicht durch Götter oder Dämonen ausgelöst werden, die in Menschen fahren, sondern durch ein unkontrolliertes, kaskadisches Feuern von Neuronen im Gehirn, welches zu Krampfanfällen führt. Dieses Wissen ist durch wissenschaftliche Verfahrensweisen auch beleg- und beweisbar. Es ist also nicht etwa so, dass beide Erklärungen irgendwie gleichberechtigt wären, weil sie beide ja Welt-Bildern entspringen, in die man hineingewachsen ist. Vielmehr ist die eine Erklärung schlicht und einfach falsch und die andere Erklärung ist richtig. Deshalb spielt es eine ganz erhebliche Rolle, auf welchem Stand wissenschaftlicher Entwicklung ein Kulturkreis tatsächlich steht und welcher wissenschaftlich aktuelle Erkenntnisstand in einem Kulturkreis real vorliegt. Wissenschaftlicher Fortschritt ist also maßgeblich für die Korrektheit eines Welt-Bildes.
Zu glauben, der Gott Vulcan löse Vulkanausbrüche aus, ist eine plausible Erklärung, innerhalb eines antiken Weltbildes, welches von übernatürlichen Kräften ausgeht, die in der Natur wirken und in der dieser Gott Vulcan genau hierfür zuständig ist. Aber diese Erklärung ist falsch. Richtig ist eine ganz andere Erklärung, die aber erst dann vorliegt, wenn die geologische Wissenschaft erfunden ist, die eine wesentlich plausiblere, natürliche Erklärung bereitstellt, die auch beweisbar ist. Genau das bedeutet wissenschaftlicher Fortschritt.