Alles Teufelszeug? VII

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Münek
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#1501 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mo 18. Dez 2017, 16:12

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Sagen wir es mal so: Wunder als Durchbrechungen der Naturgesetze wurden bisher NICHT dingfest registriert.
Es sind immer singuläre, nicht wiederholbare Ereignisse.
Steht nicht geschrieben, bei Gott ist kein Ding unmöglich? Also könnte er jedes Wunder wiederholen.

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich bitte Dich. Selbstbeschränkung und Verabsolutierung schließen sich aus.
Natürlich nicht. Man kann die Beschränkung auf ausschließlich naturgesetzliche Vorgänge verabsolutieren und zum Glaubensstandpunkt machen.
Wissenschaft verabsolutiert nichts. Ihre Ergebnisse sind jederzeit falsifizierbar.

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Ob es etwas Jenseitiges gibt, schließt die Wissenschaft nicht aus. Sie äußert sich nicht dazu, weil sie aus ihrer Sicht dazu nichts sagen kann.
Doch, siehe das gestrige Zitat von Bultmann.
Ich sprach von Wissenschaft. Als tiefgläubiger Christ schloss Bultmann die Existenz Gottes natürlich nicht aus. Bei den überlieferten Wundergeschichten stellte er sich allerdings quer, weil er meinte, Gott hätte solche Spielchen nicht nötig.

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Geschichtswissenschaft ist nicht ideologisch motiviert. Ihr geht es um Geschichte, nicht darum, überlieferte Glaubenszeugnisse auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen..
So sollte es sein. Die HKM dagegen ist rein naturalistische Exegese.
Richtig - sie ist als wissenschaftliche Diziplin keine spirituell-transzendente (geistliche) Exegese.

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Denn über die Frage ob der beschriebene Gott exitiert, kann Wissenschaft nicht befinden.
Ich kann Dich beruhigen - das kann und macht sie nicht.
Wenn's so wäre, bräuchten wir nicht zu diskutieren.
Es ist aber so. Ich kenne keine Wissenschaft, die sich mit der Frage der Existenz des Bibelgottes aus ihrer Sicht auseinandersetzt.

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Das Desinteresse zeigt sich u.a. darin, dass Paulus die Botschaft Jesu nicht weiterführt. Das Wort "Gottesreich", das im Zentrum der Predigt Jeus stand, kommt meines Wissens in den paulinischen Briefen nur einmal vor.
Paulus beschränkte sich eben nicht nur auf ein kleines Verslein (wie die HKM) sondern hatte die gesamte Botschaft Jesu zum Reich Gottes im Blick.
Nein - Paulus predigte ein anderes, ein Christusevangelium. Jesus hat sich aber nicht selbst verkündigt, sonders das Reich Gottes und dessen Nahesein.

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Das macht nichts. Wissenschaftliche Exegese ist schließlich keine Glaubensveranstaltung.
Doch. Das sagen die HKMler explizit. Sie gehen von ideologisch gefärbten Grundannahmen aus.
Nein - Wissenschaft macht sowas nicht.

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Doch göttliches Eingreifen wird ausgeschlossen:
Blödsinn - es wird weder ein- noch ausgeschlossen. Hier nimmt Wissenschaft eine agnostische Haltung ein - und äußert sich zur Gottesexistenz weder pro noch contra.
Nach dem Doppelpunkt folgte in meinem Posting das Bultmann-Zitat, dass eindeutig das Gegenteil aussagt, von dem, was du sagst.
Nein - siehe meine obige Erklärung.

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Münek
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#1502 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mo 18. Dez 2017, 16:22

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Das hat mit Textbefunden nichts zu tun sondern mit Textfälschung. Das gesamte NT sagt unisono etwas anderes!
Du entwickelst dich immer mehr zu einem Klaus Berger im Westentaschenformat. :lol:
Es muss sich ja schließlich für ihn lohnen, Bergers Buch "Die Bibelfälscher" gekauft zu haben. Jetzt kann er kritiklos aus dem Vollen schöpfen. :)

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sven23
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#1503 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von sven23 » Mo 18. Dez 2017, 16:59

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, es geht darum, dass man wissenschaftlich sauber alle Aspekte berücksichtigt
Das tut man doch - aber dann muss man sie auch bewerten.
Das tut man eben nicht, wenn man die eindeutigen Stellen für die Nahwartung ignoriert und die späteren Umdeutungen hin zur Parusieverzögerung als die authentischen verkaufen will. So gehts nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann diese Ergebnisse nicht einfach dadurch aushebeln, indem eine eine Glaubenshermeneutik vorschaltet
Andersrum: Man stellt Dinge voraussetzungsfrei fest ("alle Aspekte berücksichtigen") und bewertet sie DANN auf Basis der eigenen Hermeneutik.
Nix andersrum, setzungsfreie Exegese gibt es bei Kanonikern nicht.
Und mit deinem ewigen Hermeneutik-Fetischismus drehst du dich ständig im Kreis. Was dabei rauskommt, sieht man am Kurzzeitkreationismus.
Ein Geologe, der tagsüber wissenschaftlich arbeitet, soll nach Feierabend Kurzzeitkreationist sein können, wenn er nach Feierabend in die entsprechende Hermeneutik wechselt. Das hält Hermeneutik-closs für "normal". :roll:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1504 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Mo 18. Dez 2017, 18:02

sven23 hat geschrieben:Das tut man eben nicht, wenn man die eindeutigen Stellen für die Nahwartung ignoriert und die späteren Umdeutungen hin zur Parusieverzögerung als die authentischen verkaufen will.
Man kennt alle Stellen und bewertet im gesamten Kontext und unter der Prämisse, dass Jesus göttlich ist. - "Feststellen" und "bewerten" sind zwei verschiedene DInge.

Von Deinen damals präsentierten ca. 12 oder 14 Bibelstellen, waren ZWEI, die eindeutig in Deine Interpretations-Richtung gingen - alle anderen waren problemlos anders zu verstehen. - So ähnlich geht es der kirchlichen Theologie möglicherweise auch.

sven23 hat geschrieben:Nix andersrum, setzungsfreie Exegese gibt es bei Kanonikern nicht.
Bei der HKM ebenso wenig, wenn man damit den interpretativen Teil damit meint.

sven23 hat geschrieben:Und mit deinem ewigen Hermeneutik-Fetischismus drehst du dich ständig im Kreis. Was dabei rauskommt, sieht man am Kurzzeitkreationismus.
ICH drehe mich nicht im Kreis. :) - Und warum Du das Kurzzeitskreationismus-Beispiel ständig bringst, verstehe ich eh nicht. - Du tust gerade so, als sei jede Hermeneutik gleich gut.

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Andreas
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#1505 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Andreas » Mo 18. Dez 2017, 18:27

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Seriöse Geschichtswissenschaft untersucht Tatsachen, keine "historischen Möglichkeiten", schon gar nicht solche transzendenter Art.
Das soll sie auch nicht - Du verstehst entweder absichtlich oder ideologisch verbohrt nicht, um was es geht. - Nochmal (zum wievielten Mal eigentlich?): Die HKM soll NICHT Transzendentes untersuchen. :lol: - Won mir hast Du das gewiss nicht.

Es geht (zum wievielten Mal eigentlich?) um die Interpretation dessen, was man an vermuteten (!) Tatsachen ermittelt. - Und Interpretation ist IMMER hermeneutisch - man kann es naturalistisch, transzendent, konfessionell, etc. tun. - Entweder diese Interpretationen sind NIE wissenschaftlich oder IMMER wissenschaftlich - aber nicht ideologisch nur im eigenen weltanschaulichen Willkürfall.

Jetzt stellen wir mal klar, dass Münek da goldrichtig mit seiner Aussage liegt.
Richtig ist: Seriöse Geschichtswissenschaft untersucht wirklich Tatsachen. Diese Tatsachen sind das Material, welches sie vorliegen hat, wie Dokumente, Filme, Fotos, archäologisches Material, Aussagen von Zeugen usw.
Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Daten wird ein Geschichtsmodell rekonstruiert, das den zu erforschenden Ereignissen möglichst nahe kommt. Bei der Rekonstruktion ist es am besten, ergebnisoffen zu arbeiten nicht irgendwelchen Vermutungen hinterher zu forschen. Die Daten sollen möglichst für sich selbst sprechen und das Modell soll allgemein verständlich sein - nicht nur einer bestimmten Gruppe von Menschen.

Genau so arbeitet die HKM, siehe mein eingestelltes Zitat von Becker:
Exegese ("Auslegung") bedeutet in diesem Sinne nicht mehr als ein methodengeleitetes - und das heißt methodisch kontrolliertes, allgemein nachvollziehbares und insofern möglichst "objektives" - genaues Lesen eines Textes, das zu seinem Verstehen hinführen soll.
Gemeint ist immer nur der Text, und nicht etwa Gott oder die Göttllichkeit Jesu. Wenn man den Text richtig versteht, versteht man auch die Inhalte des Textes besser: Ein Ergebnis der HKM ist beispielsweise, dass der Schluss des Markusevangeliums eine spätere Anfügung ist, und ebenso auch "dem Sohn Gottes" in:
Mk 1,1 hat geschrieben:Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.
Warum? Weil beides in den ältesten verfügbaren Handschriften fehlt, in späteren aber vorhanden ist. Daran ändert sich ja nichts, wenn man an Gott glaubt oder nicht an Gott glaubt, oder ob man die Göttlichkeit Jesu vermutet oder nicht vermutet. Das Jesus göttlich zu verstehen sei, ist doch eh die Intention des Markusevangeliums. Das zweifelt doch niemand an.

Ich habe jetzt, ebenso wie zur Zeit meiner Kritik deines Satzes sehr wohl den Kontext beachtet und bleibe bei meiner Kritik.
Manchmal frage ich mich, ob das noch Deutsch ist, was du da schreibst. "Tatsachen auf Vermutungsbasis" ist der Gleiche Quatsch und es ist völlig gleichgültig, worauf sich das bezieht oder in welchem Kontext du das schreibst - das sind dann halt eben keine Tatsachen sondern Spekulationen oder einfach nur Vermutungen.

Leicht vermittelbares Deutsch wäre: "Das sind keine Tatsachen sondern lediglich Vermutungen." Das versteht nicht nur wer will, sondern jeder. Falsch ist diese deine Aussage in diesem Kontext aber trotzdem, wie ich jetzt hoffentlich verständlich dargelegt habe.

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Münek
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#1506 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mo 18. Dez 2017, 20:58

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das tut man eben nicht, wenn man die eindeutigen Stellen für die Nahwartung ignoriert und die späteren Umdeutungen hin zur Parusieverzögerung als die authentischen verkaufen will.
Man kennt alle Stellen und bewertet im gesamten Kontext und unter der Prämisse, dass Jesus göttlich ist.
Das ist falsch. Berger stützt seine vom exegetischen Konsens abweichende Auffassung auf eine einzige Textstelle und lässt alle
anderen Bibelstellen unter den Tisch fallen. Ein unwissenschaftliches wie unredliches Vorgehen. Ratzinger geht einer inhaltli-
chen Auseinandersetzung mit den Exegeten aus dem Weg und setzt nassforsch Jesus mit dem Reich Gottes gleich. Dieser Auf-
fassung widerspricht wiederum Klaus Berger vehement.


So sieht es aus und nicht anders.

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#1507 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Mo 18. Dez 2017, 21:31

Andreas hat geschrieben:Seriöse Geschichtswissenschaft untersucht wirklich Tatsachen. Diese Tatsachen sind das Material, welches sie vorliegen hat, wie Dokumente, Filme, Fotos, archäologisches Material, Aussagen von Zeugen usw.
Soweit richtig - aber das tut die gesamte Theologie. - Soweit trennt sich da noch nichts.

Andreas hat geschrieben:Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Daten wird ein Geschichtsmodell rekonstruiert, das den zu erforschenden Ereignissen möglichst nahe kommt.
Es wird aufgrund einer Methodik rekonstruiert, die geeignet ist oder nicht - das, was als Ergebnis rauskommt, sind im besten Fall "Tatsachen", aber nicht unbedingt, da man nie weiß, ob der eigenen hermeneutische Ansatz (dazu gehört auch die MEthodik) wirklich der richtige ist.

Andreas hat geschrieben:Genau so arbeitet die HKM, siehe mein eingestelltes Zitat von Becker:

Exegese ("Auslegung") bedeutet in diesem Sinne nicht mehr als ein methodengeleitetes - und das heißt methodisch kontrolliertes, allgemein nachvollziehbares und insofern möglichst "objektives" - genaues Lesen eines Textes, das zu seinem Verstehen hinführen soll.
Absolut richtig und echt nicht neu.

Andreas hat geschrieben:Gemeint ist immer nur der Text, und nicht etwa Gott oder die Göttllichkeit Jesu. Wenn man den Text richtig versteht, versteht man auch die Inhalte des Textes besser
Zunächst ebenfalls richtig, aber hier fängt es schon an mit: Wie will man wissen, OB man den Text richtig versteht?

Andreas hat geschrieben: Mk 1,1 hat geschrieben:
Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.

Warum? Weil beides in den ältesten verfügbaren Handschriften fehlt, in späteren aber vorhanden ist.
Das klingt plausibel, muss aber noch lange nicht wahr sein - man hat keine Garantie. - Da muss nur ein neues Textfragment auftauchen, das alles umwirft. - Will heißen: Natürlich arbeitet die HKM gut, hat aber nie die Garantie, dass das, was sie als "Tatsachen" versteht, auch welche sind.

Davon abgesehen und der eigentliche Punkt: Wenn es INTERPRETATIV wird ("Wie hat Jesus diese Aussage gemeint?") nützt das historisch-kritische Instrumentarium nur sehr bedingt. - Denn ist ein ganz erheblicher Unterschied, ob man Jesus als göttlich oder nur als Mensch versteht. - Plattes Beispiel: Wenn Jesus sagt "Ich bin die Wahrheit", ist er ein Fall für die Klappsmühle, wenn er nur Mensch ist, spricht aber wahr, wenn er göttlich ist. - Solches lässt sich aber historisch-kritisch nicht unterscheiden.

Andreas hat geschrieben: "Tatsachen auf Vermutungsbasis" ist der Gleiche Quatsch
Gut - dann sage Du mir, wie Du es gerne verstehen würdest, wenn man "Tatsachen" sagt, aber nur "Vermutungen" hat. - Davon abgesehen: Ich unterstelle Dir, dass Du von Anfang an weißt, worum es geht.

Andreas hat geschrieben:Leicht vermittelbares Deutsch wäre: "Das sind keine Tatsachen sondern lediglich Vermutungen."
Naja - ich habe halt sinngemäß gesagt "Deine Tatsachen sind nur vermutete Tatsachen" -------- also möglicherweise, aber nicht sicher Tatsachen.

Andreas hat geschrieben:Falsch ist diese deine Aussage in diesem Kontext aber trotzdem, wie ich jetzt hoffentlich verständlich dargelegt habe.
Deine Hoffnung trügt, wenn ich daraus lesen soll, dass Münek zu Recht von "Tatsachen" gesprochen hat. - Denn wenn man das durchgehen lässt, landen wir bei Thaddäus, die gemeint hat, Jesu Naherwartung (im Sinne von Sven, Münek, Thaddäus) sei eine "Tatsache" - und als das wird sie eben nur vermutet, weil eine Interpretations-Grundlage dafür geschaffen wird, die sehr anfechtbar ist.

Der Begriff "Tatsachen" wäre aus meiner Sicht anwendbar auf das, was ich regelmäßig als "Sachergebnisse" bezeichne - ein Beispiel hast Du genannt: "Frühere Quelle fehlt der Satz, danach ist er drin". - Die Tatsache besteht darin, dass eben dieses unmittelbar und ohne jegliche Interpretation nachweisbar ist - es ist ein Faktum. - Aber jede Interpretation daraus ist keine Tatsache mehr.

Und wenn wir hier unsere Streitpunkte angucken, sind es NIE die Sachergebnissen, sondern immer die Interpretationen derselben, weil Interpretationen nun mal nicht ohne hermeneutische Grundlagen des Interpretierenden gehen - da sind wir ganz weit weg von "Tatsachen" - da kann man nur hermeneutisch vermuten, was Tatsache ist und was nicht. - Sobald Geisteswissenschaft (also auch Geschichtswissenschaft) interpretiert, sind wir auf einer Glaubensebene.

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#1508 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Mo 18. Dez 2017, 21:35

Münek hat geschrieben:Das ist falsch. Berger stützt seine vom exegetischen Konsens abweichende Auffassung auf eine einzige Textstelle und lässt alle
anderen Bibelstellen unter den Tisch fallen. Ein unwissenschaftliches wie unredliches Vorgehen. Ratzinger geht einer inhaltli-
chen Auseinandersetzung mit den Exegeten aus dem Weg und setzt nassforsch Jesus mit dem Reich Gottes gleich. Dieser Auf-
fassung widerspricht wiederum Klaus Berger vehement.
Dass die beiden sich inner-theologisch bei geistigen Fragen streiten, ist nicht von Belang für die HKM. - Und dass Berger sozusagen den Großteil der Bibel weglässt, um sozusagen "seine Religion" darauf zu begründen, kannst Du Dir abschminken - das ist ganz, ganz, ganz sicher um Dimensionen komplizierter und vernetzter, als Du es darstellst.

Und so haben wir das wirklich auffällig oft erscheinende Bild wieder einmal bestätigt: Man unterstellt jemandem unredlich vereinfacht und verplattet ein Verhalten, und nennt dann denjenigen, dem man es unterstellt, als unredlich, weil er so sei, wie man ihm unredlich unterstellt.

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#1509 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Andreas » Mo 18. Dez 2017, 23:31

closs hat geschrieben:Soweit richtig - aber das tut die gesamte Theologie. - Soweit trennt sich da noch nichts.
Ganz brüchiges Eis. Es ist eine historische Tatsache, dass die Bibel mit den Worten "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;" beginnt. Es ist wiederum eine historische Tatsache, das Paulus im Römerbrief schreibt:
Röm 1,19-20 hat geschrieben:Denn was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbar; Gott hat es ihnen offenbart.
Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit. Daher sind sie unentschuldbar.
Es ist aber auch eine historische Tatsache, dass man gerade das nicht mit der Vernunft erkennen kann - selbst dann nicht, wenn man wie du oder ich an Gott glaubt. Dass Materie aus Geist ist, ist nicht mehr als (d)eine Vermutung aber eben keine durch Tatsachen gestützte. Es lassen sich unzählige Beispiele dieser Art anführen, wo die Theologie zu Schlüssen kommt, die nicht auf untersuchten Tatsachen beruhen, sondern durch Tatsachen längst widerlegt wurden, und die Theologie sich weigert das zu akzeptieren. Vermutungen die auf Vermutungen auf Vermutungen aufbauen. Also diese Aussage von dir ist mehr als brüchig.
closs hat geschrieben:Es wird aufgrund einer Methodik rekonstruiert, die geeignet ist oder nicht - das, was als Ergebnis rauskommt, sind im besten Fall "Tatsachen", aber nicht unbedingt, da man nie weiß, ob der eigenen hermeneutische Ansatz (dazu gehört auch die MEthodik) wirklich der richtige ist.
Du hast es immer noch nicht verstanden. Da kommen keine Tatsachen raus, sondern vernünftige Modelle. Was an der Sichtung, Katalogisierung, Datierung und dem Vergleichen von tatsächlich vorhandenen Handschriften ist denn nicht eine geeignete Methode? Was kann an diesem Ansatz den hermeneutisch falsch sein?
closs hat geschrieben:Absolut richtig und echt nicht neu.
Ist nicht neu. Neu wäre wenn du das mal dauerhaft verstehen würdest, und nicht 5 Posts später wieder irgendwas behauptest, dass dem diametral widerspricht.
closs hat geschrieben:Da muss nur ein neues Textfragment auftauchen, das alles umwirft. - Will heißen: Natürlich arbeitet die HKM gut, hat aber nie die Garantie, dass das, was sie als "Tatsachen" versteht, auch welche sind.
Dein Argument ist leider nur eine Vermutung. Diese "neue Textfragment" könnte eine Tatsache sein, wenn es irgendwo rumliegt, aber ebenso gut kann es sein, dass es keine Tatsache ist, wenn es nirgendwo rumliegt. Vielleicht liegt es jetzt tatsächlich rum, wird aber nie gefunden oder ist dann, wenn man dort gräbt schon vermodert. Jetzt ist es eine Vermutung und nichts was man vernünftigerweise in Betracht zu ziehen hat. Falls dieses "neue Textfragment" tatsächlich gefunden würde, würde das natürlich von der HKM berücksichtigt werden. Und wieder unterstellt du der HKM dass sie "Tatsachen" schafft, was sie nicht tut. Sie untersucht Tatsachen und schafft Modelle, nicht mehr und nicht weniger.

Beispiele:
"Die Frage, wie der Pentateuch seine heutige Form erhalten hat, ist in der Forschung seit einiger Zeit außerordentlich umstritten; ein allgemein akzeptiertes Modell ist gegenwärtig nicht in Sicht."
"Ein von R. Rendtorff und E. Blum formuliertes Modell geht davon aus, dass es keine Quellen innerhalb des Pentateuchs gibt."
"Bei allen Modellen bleiben durch die biblischen Texte vorgegebene Probleme offen, die jeweils die Argumentation anderer Thesen stützen."
"Zur Frage, wie es im Lande Kanaan zur Bildung Israels gekommen ist, gibt es konkurrierende Erklärungsmodelle. Eine ältere, besonders in den USA formulierte Vorstellung (sog. archäologisches Modell) möchte am Bild einer kriegerischen Landnahme festhalten, da tatsächlich in verschiedenen kanaanäischen Städten Zerstörungsspuren aus der fraglichen Zeit festzustellen sind. Dagegen geht das territorialgeschichtliche Modell davon aus ..."
"Dieses Erklärungsmodell wird inzwischen als nicht mehr tragfähig angesehen, weil festgestellt werden musste, dass es mehr als einen zentralen Kultort gab."
"Unter dem Eindruck archäologischer und ethnologischer Forschungen und soziologischer Modelle sind neue Hypothesen formuliert worden."
"An anderen Stellen wird mit dem Modell der Typologie zwischen Altem und Neuem Testament gearbeitet ..."
"Die in der wissenschaftlichen Literatur formulierten Modelle können nie Ersatz für das eigene Denken sein oder bruchlos für die eigene Existenz übernommen werden."
"Die historischen Hintergründe des Konflikts bleiben aufgrund der Kürze des Briefes für uns weitgehend im Dunkeln. Keines der in der Forschung diskutierten Erklärungsmodelle vermag restlos zu überzeugen."
"Gleiches gilt für die Vermutung, daß auch in den großen Reden des joh. Jesus eine Quelle benutzt worden sei, die Sprüche und Reden Jesu enthalten habe. Diese Quelle atme ganz und gar den Geist der gnostischen Religion in der Umgebung des Urchristentums. Der Joh.evangelist habe sie aufgenommen, um zugleich ihre gnostische Tendenz in seinem Sinne christlich zu korrigieren. Es handelt sich hier methodisch um das gleiche Modell, mit dem auch bei der Hypothese einer Wunderquelle gearbeitet wird: Nur ist es hier ein gnostisches Offenbarungs- und Erlösungsverständnis, das man im Joh-Text zu finden meint, das der Ausleger selbst kritisch beurteilt, dessen Kritik er aber literarkritisch dem Joh.evangelisten überläßt, d.h. denjenigen Aussagen im joh. Text, die der Exeget bejaht im Gegensatz zu denen, die ihm unannehmbar scheinen."

So liest sich das in Fachliteratur, aber du liest halt lieber Münek & Co. und was diese dir als "Konsens" und als "Tatsachen" verkaufen wollen.
closs hat geschrieben:Plattes Beispiel: Wenn Jesus sagt "Ich bin die Wahrheit", ist er ein Fall für die Klappsmühle, wenn er nur Mensch ist, spricht aber wahr, wenn er göttlich ist. - Solches lässt sich aber historisch-kritisch nicht unterscheiden.
Und deswegen wird die HKM weder das eine noch das andere als Tatsache formulieren - oder einen ganz schlechten Job gemacht haben. Außerdem korrigiert sich die HKM laufend, was man zum Beispiel an der Vielzahl der Pentateuchmodelle nachvollziehen kann, die im Laufe der Zeit entstanden und verworfen worden sind. Das ist wissenschaftlich - die Wahrheit ist der Wissenschaft unerreichbares Ideal, von dem sie weiß, es nicht erreichen zu können. Das ist auch nicht neu.

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#1510 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Di 19. Dez 2017, 00:22

Andreas hat geschrieben:Es ist eine historische Tatsache, dass die Bibel mit den Worten "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;" beginnt.
Ja.

Andreas hat geschrieben:Es ist wiederum eine historische Tatsache, das Paulus im Römerbrief schreibt: ...
Ja (wenn man beiseite lässt, dass es EIN Paulus ist, also nicht der Apostel sein muss).

Andreas hat geschrieben:Es ist aber auch eine historische Tatsache, dass man gerade das nicht mit der Vernunft erkennen kann
Bereits hier wrid es schwierig:
1) Was hat das mit "historisch" zu tun - ist es nicht eine reine Interpretation?
2) Was ist "Vernunft"? Eine anthropogene oder eine universelle Größe. - Anthropogen ist es NICHT vernünftig, universell ist es vernünftig.

Andreas hat geschrieben:Dass Materie aus Geist ist, ist nicht mehr als (d)eine Vermutung aber eben keine durch Tatsachen gestützte.
Was ist "Tatsache"? - Das, was man anthropogen dafür hält, oder "das, was der Fall ist". - Spielen wir weiter:

Ist Gott "unvernüftig" und "keine Tatsache"? - Anthropogen ist dieses Ergebnis möglich - universell ist dieses Ergebnis NICHT möglich, wenn es Gott als Entität gibt.

Andreas hat geschrieben:Vermutungen die auf Vermutungen auf Vermutungen aufbauen.
Plausibilitäten, die auf den Glauben an die Existenz Gottes als Entität beruhen. - Aber richtig: Naturalistisch nicht nachweisbar und somit "Spekulation" im geistigen Sinne des Mittelalters.

Andreas hat geschrieben:Was kann an diesem Ansatz den hermeneutisch falsch sein?
An dieser Hermeneutik ist in sich nichts falsch - im Gegenteil: Ich halte sie für eine ausgefuchste Sache (positiv gemeint) - daran liegt es nicht. - Es liegt nur an der Frage, WAS man WELCHER Hermeneutik zumuten/zugestehen kann.

Würdest Du einem (biologischen) Kurzzeit-Kreationisten-Hermeneutiker naturwissenschaftliche Entscheidungen zumuten/zugestehen? Ich nicht. - Würdest Du einem Fundamental-Theologen Datierungen einer Quelle/spätere Hinzufügungen zu einer Quelle zumuten/zugestehen? Ich nicht. - Würdest Du einem HKM-Hermeneutiker Entscheidungen zu geistigen Fragen der Bibel ("Wie dachte Jesus historisch als göttliche Person?") zumuten/zugestehen? Ich nicht. - Ist deshalb die HKM-Hermeneutik schlecht? Nein.

Andreas hat geschrieben:Neu wäre wenn du das mal dauerhaft verstehen würdest, und nicht 5 Posts später wieder irgendwas behauptest, dass dem diametral widerspricht.
Nee - da läuft irgendwas anderes schief.

Andreas hat geschrieben:Dein Argument ist leider nur eine Vermutung.
So wie ich es formuliert habe, ist es eine "Wenn-dann-Aussage", um zu zeigen, wie fragil momentane Tatsachen (kann es das überhaupt geben?) sind.

Andreas hat geschrieben:So liest sich das in Fachliteratur, aber du liest halt lieber Münek & Co.
Ja - das ist in der Tat Fachliteratur, wie ich sie von der HKM erwarte. - Aber schau mal diese Fachliteratur durch und melde Dich freundlicherweise, wenn Du dort EINE Aussage findest, die Jesu historisches Denken ("Was hat er vor 2000 Jahren tatsächlich gedacht?") findest. - Meine Behauptung: Das dürfte bei der HKM nicht zu finden sein - und das wäre auch gut so.

Das Problem bei Münek & Co ist deren Anspruch, mit ihrer Weltanschauung die HKM im redlichen Sinn zu vertreten, UND auch noch HKM in diesem Sinn als Benchmarker theologischer Interpretation ("Es ist eine Tatsache, dass Jesus eine Naherwartung in unserem Sinn hatte") zu verstehen sei. - Das diskreditiert die Theologie.

Andreas hat geschrieben:Und deswegen wird die HKM weder das eine noch das andere als Tatsache formulieren - oder einen ganz schlechten Job gemacht haben. Außerdem korrigiert sich die HKM laufend, was man zum Beispiel an der Vielzahl der Pentateuchmodelle nachvollziehen kann, die im Laufe der Zeit entstanden und verworfen worden sind. Das ist wissenschaftlich - die Wahrheit ist der Wissenschaft unerreichbares Ideal, von dem sie weiß, es nicht erreichen zu können. Das ist auch nicht neu.
Absolut einverstanden - das entspricht meinem Wissenschafts-Verständnis.

Allerdings gibt es hier schon wieder ein Problem: Denn man wird Dir allseits zustimmen mit Sätzen wie "Die HKM urteilt nie entgültig", aber weiterhin an ideologischen Grundmustern festhalten.

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