Alles Teufelszeug? II

Pluto
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#1361 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Pluto » Sa 16. Apr 2016, 10:42

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da bedarf es aber keinerlei Setzungen, sondern nur die Gabe der Beobachtung (von Experten).
Denkfehler.
Ganz sicher NICHT!

closs hat geschrieben:Philosophische Experten können Dir dann nämlich sagen, dass bereits diese Beobachtung auf der Setzung beruht, dass ihr Gegenstand (hier: "Körper") nicht nur Vorstellung, sondern "echt" ist.
Dann hast du vielleicht die Philosophen falsch verstanden.
Die Wahrnehmung allein genügt um Modelle von die Welt zu erstellen, und diese anhand von Beobachtung zu überprüfen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:In welchem dieser beiden Hirnhälften residiert nun der Geist?
Wenn beide zu bewusstem Denken fähig sind, in beiden. - Mit unterschiedlichen Filtern.
Stelle Dir Wasser vor, das sequentiell über zwei Siebe läuft - trennt man die Siebe, läuft ein Teil des Wassers parallel über Sieb 1 und Sieb 2.
Was für Filter gibt es denn im Gehirn?

closs hat geschrieben:Es kann sogar umgekehrt sein, dass sich verschiedene Geiste ein Sieb teilen müssen - das wären dann multiple Persönlichkeiten.
Falsche Metapher. Wir reden nicht von gespaltenen Persönlichkeiten. Parallel gespaltene Persönlichkeiten kommen in der Psychiatrie nicht vor.
Dort handelt es sich um die Vorstellung, dass man erst die eine und dann die andere Person ist (s. Dr. Jeckyl und Mr. Hyde).
Bei durchtrenntem Corpus callosum handelt es sich aber um zwei gleichzeitig existierende Bewusstseins-Zustände in den jeweiligen Hirnhälften.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1362 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 16. Apr 2016, 10:56

sven23 hat geschrieben:Es geht aber nicht nur um das, was das Umfeld von Jesus geglaubt hat, sondern der Protagonist selber, der ja die Ursache des Hypes um den Glauben an das zeitlich nahe Gottesreich war. Und da sprechen die Quellen eine ziemlich eindeutige Sprache.
Und genau das ist der Denkfehler.

Natürlich haben einige Textverfasser und vor allem viele Urchristen gemeint, dass Jesus zu ihren Erlebenszeiten mit Glanz und Gloria zurückkommen würde als WELTLICHE Macht. - Das lag in der Luft der Zeit - die Essener hattest Du meines Wissens schon erwähnt. - Und natürlich hat man es deshalb gemeint, weil man es auf Jesu Aussagen zurückgeführt hat ("Hat er doch selber gesagt"). - Insofern ist es logisch, dass diese Quellen sagen: "Jesus hatte selbst eine Naherwartung in diesem Sinne" - schließlich hat man ihn so verstanden.

Warum hat man ihn so verstanden? Weil man alttestamentarisch, also "haptisch" gepolt war: Jahwe ist Souverän des weltlichen Staates Israel, Zeichen für dessen Mitgliedschaft ist die ÄUSSERE Beschneidung, das Reich Gottes ist ein materiell vorstellbares Reich, etc.

Dem nun stellt Jesus das geistige Reich gegenüber - nicht nur das geistige Reich im Dasein ("Das Gottesreich ist nahe"), sondern auch das endgültige Himmelreich, das zwar in materiellen Chiffren beschrieben wird, aber gleichzeitig unter dem Satz steht "Gott ist Geist". - Die innere Beschneidung ersetzt die äußere Beschneidung, etc.

Das wurde in der Regel zur Lebenszeit Jesu ("Und sie verstanden ihn nicht"/"Jesus schwieg und ging") NICHT so verstanden - dieser Paradigmenwechsel von dem, was später "AT" nannte, in das, was man später "NT" nannte, war für die Menschen damals bis auf Ausnahmen nicht nachvollziehbar. - Und jetzt kommt's: Es wurde erst nach und nach begriffen und hat sich nach und nach schriftlich niedergeschlagen: "Ach so - sooooo hat er es gemeint. - Wir begreifen langsam".

Natürlich ist diese meine Interpretation (die im übrigen nach wie vor die vorherrschende innerhalb der Theologie ist) nur DANN möglich, wenn man von Jesus als Messias ausgeht - und ist dann auch mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit historisch richtig. - Ist Jesus NICHT der Messias, sondern irgendein x-beliebiger Wanderprediger, der danach künstlich hochgepuscht wurde, ist die gängige (also "Eure") HKM-Interpretation mit höchster Wahrscheinlichkeit richtig.

Nun kann man aber nicht nachweisen, ob Jesus der Messias ist. Was schließen wir daraus? - Wir MÜSSEN daraus schließen, dass die Texte unterschiedlich auszulegen sind (bei GLEICHER Quellen-Lage), ob Jesus der Messias ist oder nicht. - Das ist keine weltanschauliche Aussage, sondern aus obigen Gründen eine wissenschaftlich zwingende Aussage - oder nicht?

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#1363 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 16. Apr 2016, 11:03

Pluto hat geschrieben:Die Wahrnehmung allein genügt um Modelle von die Welt zu erstellen, und diese anhand von Beobachtung zu überprüfen.
Das ist die Grundlage des kritischen Rationalismus/der Wissenschaft. - Aber genau diese Grundlage ist doch genau das Thema. - Du steigst wieder einen Schritt zu spät ein - in anderen Worten: Wenn man an "Deiner" Stelle einsteigt, hast Du komplett recht.

Pluto hat geschrieben:Was für Filter gibt es denn im Gehirn?
Das war der Versuch, Deine Frage bildhaft zu beantworten.

Davon abgesehen: Untersuchungen von Savants haben gezeigt, dass es eine der Hauptaufgabe des Gehirns ist, Eingehendes zu sortieren und nach besonderen Kriterien zu sortieren und nur diese Auswahl an den "Gehirn-Besitzer" weiterzugeben. - In anderen Worten: Savants leiden unter der Krankheit, nicht "sieben" zu können - man fliegt mit ihnen eine Stunde lang über New York und sie können Dir danach von jedem Haus sagen, wieviele Fenster es hatte - als Beispiel. - Das ist eine Krankheit.

Pluto hat geschrieben:Wir reden nicht von gespaltenen Persönlichkeiten.
Korrekt - ich wollte nur noch eins draufsetzen.

Pluto hat geschrieben:Bei durchtrenntem Corpus callosum handelt es sich aber um zwei gleichzeitig existierende Bewusstseins-Zustände in den jeweiligen Hirnhälften.
Ja - da wird Unterschiedliches derselben Person repräsentiert. - Das war schon so gemeint, dass da zwei Filter plötzlich nebeneinander steht übereinander stehen. (Ich interpretiere jetzt ausschließlich auf Basis Deiner Ausführungen)

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sven23
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#1364 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Sa 16. Apr 2016, 11:25

closs hat geschrieben: Natürlich haben einige Textverfasser und vor allem viele Urchristen gemeint, dass Jesus zu ihren Erlebenszeiten mit Glanz und Gloria zurückkommen würde als WELTLICHE Macht. - Das lag in der Luft der Zeit - die Essener hattest Du meines Wissens schon erwähnt. - Und natürlich hat man es deshalb gemeint, weil man es auf Jesu Aussagen zurückgeführt hat ("Hat er doch selber gesagt"). - Insofern ist es logisch, dass diese Quellen sagen: "Jesus hatte selbst eine Naherwartung in diesem Sinne" - schließlich hat man ihn so verstanden.
Einige Textverfasser ist gut. Wir haben nur die 4 Evangelisten und Paulus und diese gingen zunächst von dem zeitlich nahen Gottesreich aus, so wie Jesus es selbst verkündet hat. (Wenn die Quellen richtig überliefert sind).
Sollten aber schon diese Quellen falsch überliefert sein, kann man auch den Rest vergessen. Dann ist vermutlich alles nur Legendenbildung.
In der Forschung geht man aber gerade deshalb von authentischer Überlieferung aus, weil sie sich schon bei Abfassung der Schriften als falsch erwiesen hatten.

closs hat geschrieben: Das wurde in der Regel zur Lebenszeit Jesu ("Und sie verstanden ihn nicht"/"Jesus schwieg und ging") NICHT so verstanden - dieser Paradigmenwechsel von dem, was später "AT" nannte, in das, was man später "NT" nannte, war für die Menschen damals bis auf Ausnahmen nicht nachvollziehbar. - Und jetzt kommt's: Es wurde erst nach und nach begriffen und hat sich nach und nach schriftlich niedergeschlagen: "Ach so - sooooo hat er es gemeint. - Wir begreifen langsam".
Sie "verstanden ihn nicht" wird nirgendwo im Zusammenhang mit der Naherwartung genannt, insofern ist es unzulässig, hier eine Verbindung willkürlich herzustellen.
Der vielzitierte Paradigmenwechsel bestand in der Thoraverschärfung (bis auf Ausnahmen), wie bei anderen jüdischen Sekten auch.
"Ich aber sage euch...." ist ein viel verwendete Formel.

closs hat geschrieben: Natürlich ist diese meine Interpretation (die im übrigen nach wie vor die vorherrschende innerhalb der Theologie ist) nur DANN möglich, wenn man von Jesus als Messias ausgeht -
Eben, diese Glaubensvorraussetzung begrenzt die Ergebnisoffenheit. Weil er der Messias ist, kann er sich nicht geeirrt haben. Damit ist man gezwungen, alle Stellen, die auf eine Naherwartung hinweisen, als falsche Überlieferung zu deuten und nur jene späteren Stellen, die in die Ferne weisen, als authentisch anzunehmen.
Ich denke, auch einem Laien ist auf den ersten Blick klar, dass diese Vorgehensweise in der seriösen Forschung nichts zu suchen hat.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1365 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 16. Apr 2016, 11:33

sven23 hat geschrieben:Sollten aber schon diese Quellen falsch überliefert sein
Das glaube ich nicht mal - es liegt nicht an einer Falschüberlieferung, sondern WARUM drinsteht, was drinsteht.

sven23 hat geschrieben:Sie "verstanden ihn nicht" wird nirgendwo im Zusammenhang mit der Naherwartung genannt
Es ist ein General-Motiv seit dem AT, das nicht jedes Mal wiederholt werden muss.

sven23 hat geschrieben:Der vielzitierte Paradigmenwechsel bestand in der Thoraverschärfung
Röm. 2,13ff IST eine Thora-Verschärfung - nämlich dass nicht die äußere, sondern die innere Thora zählt. Die messianische NT-Übersetzung wählt "Thora" als Wort für "das Gesetz".

sven23 hat geschrieben:Eben, diese Glaubensvorraussetzung begrenzt die Ergebnisoffenheit.
Aber umgekehrt doch genauso. - Wenn man Jesus nur danach interpretiert, dass er NICHT der Messias ist, ist man auch nicht ergebnisoffen. - Deshalb würde ich BEIDES machen:
a) Exegese unter der Setzung: Jesus ist NICHT Messias.
b) Exegese unter der Setzung: Jesus ist Messias.
Es kann doch nicht an Zeitnot liegen, es nicht so zu tun. :devil: - DAS wäre Ergebnisoffenheit.

sven23 hat geschrieben:Damit ist man gezwungen, alle Stellen, die auf eine Naherwartung hinweisen, als falsche Überlieferung zu deuten und nur jene späteren Stellen, die in die Ferne weisen, als authentisch anzunehmen.
Was der Schlüssel sein KANN, aber nicht muss (denn sicherlich wurde später auch fleißig gefälscht). - Deshalb: Verschiedene Möglichkeiten durchspielen - wegen der Ergebnisoffenheit.

sven23 hat geschrieben:Ich denke, auch einem Laien ist auf den ersten Blick klar, dass diese Vorgehensweise in der seriösen Forschung nichts zu suchen hat.
So wie Du es darstellst, hast Du recht. - So wie ich es darstelle, ist es ein wissenschaftliches Muss.

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#1366 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Sa 16. Apr 2016, 11:36

closs hat geschrieben: Davon abgesehen: Untersuchungen von Savants haben gezeigt, dass es eine der Hauptaufgabe des Gehirns ist, Eingehendes zu sortieren und nach besonderen Kriterien zu sortieren und nur diese Auswahl an den "Gehirn-Besitzer" weiterzugeben. - In anderen Worten: Savants leiden unter der Krankheit, nicht "sieben" zu können - man fliegt mit ihnen eine Stunde lang über New York und sie können Dir danach von jedem Haus sagen, wieviele Fenster es hatte - als Beispiel. - Das ist eine Krankheit.
Diese Fähigkeiten beschränken sich aber meist auf ein bestimmtes Gebiet, weshalb man von Inselbegabung spricht. Und sie geht meist auf Kosten anderer Fähigkeiten, die unterentwickelt sind.
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#1367 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Pluto » Sa 16. Apr 2016, 11:52

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Wahrnehmung allein genügt um Modelle von die Welt zu erstellen, und diese anhand von Beobachtung zu überprüfen.
Das ist die Grundlage des kritischen Rationalismus/der Wissenschaft. - Aber genau diese Grundlage ist doch genau das Thema. - Du steigst wieder einen Schritt zu spät ein
Egal wo man "einsteigt", es gibt es keinerlei Notwendigkeit für irgendwelche Setzungen. Du bist meiner Meinung nach viel zu sehr auf die Notwendigkeit von Setzungen fixiert. Das mag in der spirituellen Welt notwendig sein, aber ganz sicher nicht in der Naturwissenschaft.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was für Filter gibt es denn im Gehirn?
Das war der Versuch, Deine Frage bildhaft zu beantworten.
Also keinen Filter. :P

closs hat geschrieben:Davon abgesehen: Untersuchungen von Savants haben gezeigt, dass es eine der Hauptaufgabe des Gehirns ist, Eingehendes zu sortieren und nach besonderen Kriterien zu sortieren und nur diese Auswahl an den "Gehirn-Besitzer" weiterzugeben.
Savants haben im Vergleich zu "normalen" Menschen eine Störung des Gehirns.
Alles was wir wahrnehmen erzeugt Empfindungen, die im Gehirn "kartografiert" werden. Diese wiederum erzeugen Gefühle, die uns bewusst werden als Wahrnehmungen des Selbst.

closs hat geschrieben:Savants leiden unter der Krankheit, nicht "sieben" zu können
Doch. Auch der Savant setzt Prioritäten im Gehirn, nur setzt er sie anders als "normale" Menschen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Bei durchtrenntem Corpus callosum handelt es sich aber um zwei gleichzeitig existierende Bewusstseins-Zustände in den jeweiligen Hirnhälften.
Ja - da wird Unterschiedliches derselben Person repräsentiert.
Nein. Zum Teil wird gar nichts repräsentiert. Z.B. ist Sprache für die rechte Gehirnhälfte unverständlich.
closs hat geschrieben:Das war schon so gemeint, dass da zwei Filter plötzlich nebeneinander steht übereinander stehen. (Ich interpretiere jetzt ausschließlich auf Basis Deiner Ausführungen)
Nochmal: Du redest von Filtern die es gar nicht gibt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1368 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Sa 16. Apr 2016, 11:55

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sollten aber schon diese Quellen falsch überliefert sein
Das glaube ich nicht mal - es liegt nicht an einer Falschüberlieferung, sondern WARUM drinsteht, was drinsteht.
Warum es drinsteht ist doch klar: Jesus war ein religiöser Eiferer/Fanatiker?, der sich an die Unzufriedenen und Benachteiligten der Gesellschaft wandte. Und diesen mußte er ein Ziel vorgeben, das für sie erreichbar war. Und dieses Ziel war das zeitlich nahe Gottesreich, das unmittelbar bevorstand.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie "verstanden ihn nicht" wird nirgendwo im Zusammenhang mit der Naherwartung genannt
Es ist ein General-Motiv seit dem AT, das nicht jedes Mal wiederholt werden muss.
Doch, muß es, sonst könnte man davon ausgehen, dass niemand irgendwas verstanden hat. Und das ist absurd. So kann kein Sektenführer eine Anhängerschaft um sich sammeln, es sein denn, er täuscht seine Anhängerschaft absichtlich. Das glaube ich aber nicht. Religiöse Eiferer zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie von dem eigenen Glauben sehr überzeugt sind.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der vielzitierte Paradigmenwechsel bestand in der Thoraverschärfung
Röm. 2,13ff IST eine Thora-Verschärfung - nämlich dass nicht die äußere, sondern die innere Thora zählt. Die messianische NT-Übersetzung wählt "Thora" als Wort für "das Gesetz".
Das ist eine in der Theologie bekannte Formel: nicht die wortwörtliche Befolgung von Gesetzen ist maßgebend, sondern die Intention/Geist des Gesetzes. Jesus bringt dafür ja einige Gleichnisse, die das aufzeigen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, diese Glaubensvorraussetzung begrenzt die Ergebnisoffenheit.
Aber umgekehrt doch genauso. - Wenn man Jesus nur danach interpretiert, dass er NICHT der Messias ist, ist man auch nicht ergebnisoffen. - Deshalb würde ich BEIDES machen:
a) Exegese unter der Setzung: Jesus ist NICHT Messias.
b) Exegese unter der Setzung: Jesus ist Messias.
Es kann doch nicht an Zeitnot liegen, es nicht so zu tun. :devil: - DAS wäre Ergebnisoffenheit.
.
Im Falle der Naherwartung ist das gar nicht nötig. Die HKM befasst sich mit den Quellen. Und die sind nun mal, wie sie sind. Ob Jesus eine rein literarische Figur ist oder eine reale, spielt keine Rolle. Die Textquellen werden beurteilt und nach diesen Quellen geht man in der Forschung davon aus, dass Jesus an das zeitlich nahe Gottesreich glaubte. Übrigens genau so wie sein Vorbild Johannes der Täufer.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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SilverBullet
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#1369 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von SilverBullet » Sa 16. Apr 2016, 13:12

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: aber dann musst du zwischen absichtlicher und unabsichtlicher Vorstellung unterscheiden, denn genau hierin liegt der Knackpunkt.
In der Frage, ob etwas Wahrgenommenes nur Vorstellung ist oder "echt", spielt das aber keine Rolle!?!?!
Doch, denn es liegt offensichtlich eine Festlegung vor, die wir nicht ändern können, die aber sehr gut funktioniert.

Das bedeutet „das Pendel schlägt zu einer Seite aus“ und es muss schon einen sehr starken Anlass geben, die andere Seite zu favorisieren – zu diesem „Anlass“ scheinst du keinerlei Ideen zu haben.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:die überragende Mehrzahl an Wirklichkeitszusammenhängen ist in sich korrekt und bietet keinen Anlass zum Zweifel am Wirklichkeitsstatus
Woher willst Du wissen, ob "Wirklichkeit" nur vorgestellt oder auch "echt" ist? - Das Ablesen einer Messreihe oder das Beobachten des Sonnenuntergangs, nicht einmal meine Antwort auf Deinen Post, sagt etwas darüber aus, ob dies alles nur vorgestellt oder auch "echt" ist.
Bevor ich mich zum Affen mache und an etwas zweifle, worauf ich von Natur aus festgelegt bin (Wachstum/Baurat), was tadellos funktioniert und was ich nicht im Geringsten abändern kann, möchte ich gerne zuerst einen stichhaltigen Anlass hören…

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wirklichkeitsidentifikation
"Wirklichkeitsidentifikation" sagt nichts darüber aus, ob Du nur in Deiner Vorstellung etwas als wirklich identifizierst oder in "echt". - Das ist doch gerade der Punkt von Descartes: Die Res cogitans weiss prinzipiell NICHT, ob die Res extensa "wirklich" sind oder nicht - deshalb muss man es setzen (und tut es auch, weil es geistig mehr als naheliegend ist).
Descartes liegt falsch, denn wir „setzen“ nicht, sondern wir sind festgelegt.
(ohne diese Festlegung könnte sich kein neugeborener Mensch entwickeln)

Warum gestehst du dieser Festlegung nicht die Bedeutung zu, die ihr gebührt?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:die Realisierung einer Weltsimulation, in der all die Zusammenhänge gelten, die wir jeden Tag erleben, wäre aus unserer Sicht unüberschaubar kompliziert und kann nicht nachvollzogen werden (man bedenke: um ein System zu simulieren, benötigt man eine „Beschreibung“, die viel umfangreicher ausfällt, als das, was man beschreiben möchte)
Das ist korrekt, zählt aber dann nicht, wenn man Gott so definiert, dass es von ihm aus kein Problem wäre (Allmacht/Allwissen/Überzeitlichkeit). - Für Menschen wäre es nicht machbar - natürlich richtig.
Siehst du, du allein stehst im Mittelpunkt und suchst Ausreden für die Verwendung der Frage „Gott“ als Antwort.

Du baust dabei eine kontinuierliche Reihe aus Fragezeichen auf und möchtest, dass andere Menschen dies als eine „umfassenden Antwort“ betrachten. Das wird nicht funktionieren.

Die einzelnen Extremattribute sind widerlegt, ihre Kombination ist widerlegt (Stichwort: Theodizee).

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Welchen Grund hast du, dieser Idee zu folgen?
Weil es genug spirituelle/philosophische Gründe dafür gibt.
Erstaunlich, dass du immer wieder mit Inhaltsleere argumentieren möchtest.

Wenn dir auch nur ein Grund eingefallen wäre, dann hättest du ihn hier und jetzt geliefert.
Fehlanzeige => kein Grund bzw. nur emotionale Wunschvorstellung.

Zitat-closs: „im Übrigen löst man mit Gott ("Omega-Punkt") auch den infiniten Regress

Interessant, man „löst“ also ein „Zusammenhangsproblem“, von dem man nicht weiss, ob es sinnvoll ist, mit einer Frage, der man lustigerweise einen Namen gegeben hat.
(das wird bestimmt ein 100-Punkte-Wurf :-))

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das „Ich“ ist ein Bedeutungszusammenhang, der auf den aktiven Körper gerichtet ist.
In zweiter Linie. - In erster Linie ist die Res cogitans eine Größe, die auch ohne Materie funktioniert.
„Res cogitans“ ist nichts anderes als ein Fragezeichen.
Dass du schon wieder von „Grösse ohne Materie“ sprichst, zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

Der aktive Körper ist für jeden von uns eindeutig vorhanden. Sämtliche Organe arbeiten im Sinne des Körpers zusammen, also auch das Gehirn – wo siehst du da ein Problem?

Zitat-closs: „Wie sonst sollte man menschliche Identität nach dem leiblichen Tod interpretieren können?

Wie bitte, was möchtest du interpretieren können?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Genau, das ist der aktive Körper
Nein - das ist die Res cogitans - die in einer materiellen Wirklichkeitswelt des Körpers bedarf, um sich in der materiellen Welt zu äußern.
Wie beim Schöpfungsverdacht, gibt es dafür keine Anhaltspunkte.

Dass der Körper mit seinen Funktionen (auch Gehirnaktivität) auf sich selbst abzielt, ist die beste und direkteste Erklärung - das passt und funktioniert bei allen Organen einwandfrei.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Erst wenn man seine „Ich“-Aussagen auf das Gesamtlebewesen bezieht, was er explizit nicht macht, ergibt sich eine Korrektheit.
Descartes macht KEINE Fehlschlüsse, weil er Deiner Setzung, das "ICH" beziehe sich notwendig auf das (materielle) Gesamtlebewesen, nicht folgt.
Beispiel:
„Ich bin männlich“
„Ich bin 2m gross“
„Ich trage einen blauen Anzug mit einem roten Umhang“
„Ich habe das grosse ‚S’ als Zeichen auf meiner Brust“

Wenn du tatsächlich der Meinung bist, dass das „Ich“ nicht für das Gesamtlebewesen steht, dann hat die „unsichtbare Denk-Instanz“ aber verblüffende Ähnlichkeit mit „Superman“ :-)
Es ist dann geradezu ein immenser Glücksfall, dass die richtige „unsichtbare Denk-Instanz“ im „Superman“-Körper steckt – es hätte ja auch die „Goofy“-Denk-Instanz sein können. :-)

Descartes macht sozusagen nichts anderes als Fehlschlüsse – und zwar religiös motiviert.

closs
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#1370 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 16. Apr 2016, 13:44

Pluto hat geschrieben: Das mag in der spirituellen Welt notwendig sein, aber ganz sicher nicht in der Naturwissenschaft.
Natürlich ist es in der Naturwissenschaft nicht notwendig - weil sie erst danach einsteigt. - Das sagt doch sogar Popper, wenn er betont, seine Methodik beziehe sich auf das, was man gemeinhin als "Realität" versteht:
"Der Kritische Rationalismus übernimmt die im Alltagsverstand selbstverständliche Überzeugung, dass es die Welt wirklich gibt, und dass sie vom menschlichen Erkenntnis­vermögen unabhängig ist" (wik).
Popper lässt sich also erst gar nicht auf onotologische Fragen davor ein - und weiss ganz bestimmt, warum er das so tut. :) - Sehr klug!!

Pluto hat geschrieben:Savants haben im Vergleich zu "normalen" Menschen eine Störung des Gehirns.
Eben - diese Störung kann sich beziehen auf einen "Filter-Defekt". Man behält dann alles, was man aufnimmt.

Pluto hat geschrieben: Zum Teil wird gar nichts repräsentiert.
Wie kannst Du dann von "Bewusstsein" sprechen?

Pluto hat geschrieben: Du redest von Filtern die es gar nicht gibt.
Da kann ich nur auf Neurowissenschafler verweisen, die Dir bestätigen werden, dass es eine der Hauptaufgaben des Gehirns ist, die Flut eingehender Impressionen für das Bewusstsein zu selektieren und zu qualifizieren, damit das Bewusstsein nicht überfordert durchdreht. - Meines Wissens ist dies nicht strittig.

sven23 hat geschrieben: Und sie geht meist auf Kosten anderer Fähigkeiten, die unterentwickelt sind.
Ja - klar.

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