Roland hat geschrieben:Josephus starb um 100 n.Chr., seine letzten Werke erschienen 96 und du hast Recht: Sie befassen sich mit dem, was "ihm wichtig war". Und wichitg war ihm das Judentum. Auf dem noch jungen Christentum lag sicher nicht sein Hauptfokus. Aber er erwähnt es und deshalb ist Flavius Josephus eine wichtige außerbiblische Quelle für das Christentum.
"Flavius Josephus" soll wohl den Text zum "Jüdischen Krieg" um 76 n.Chr. geschrieben haben, also in ziemlicher Nähe zum Krieg und lange vor seinen letzten Werken in denen irgendwo das ominöse "Testimonium" auftritt.
Im Text von 76 stehen aber bereits all die Konzepte rund um den Messias-Kult einschliesslich die Auslöser, die auch in heutigen Christentum-Texten stehen.
Im Text von 76 kommen Personen mit dem Namen "Jesus" vor, aber nicht "der Jesus" des Christentums.
Im Text von 76 kommt eine sehr detaillierte Beschreibung der "Essener" vor, die, wenn man den Text zum ersten Mal liest, eine komische Ähnlichkeit zur "Jesus-Botschaft" aufweisen.
Zusammen mit einem friedlichen Verhalten über den Krieg hinweg, hätte es "Flavius Josephus" geradezu in die Welt hinausschreien müssen, dass es da "ein Urchristentum" gibt, eine jüdische Bewegung, die "alles besser gemacht hat"
-> Fehlanzeige.
Erst ca. 20 Jahre später, in einem seiner letzten Werke ("jüdische Altertümer"), das sich auch "nur" mit dem Judentum beschäftigt, tauchen dann plötzlich "zwei Zeilen" auf, in denen der (vermutliche) ROM-Propagandist irgendwie beeindruckt/begeistert von "dem aussergewöhnlichen Messias" zu sein scheint und zwar z.B. als er über massive Eingriffe von "Pontius Pilatus" auf das Judentum schreibt.
Selbst wenn man beide Augen zudrückt und sagt "er hat diese Zeilen tatsächlich selbst hineingeschrieben", dann liegt immer noch der Unterschied zu 76 vor.
"Flavius Josephus" würde ja dann gar nicht gewusst haben, dass es nur einen, "den friedlichen Messias" gegeben hat.
Er würde dem römischen Publikum quasi genau das Detail vorenthalten haben, das sie Jahrhunderte später als Basis ihrer Staatsstrategie angesehen haben.
Sorry, nö!
=> Wenn man sich den Aufwand der Römer im "jüdischen Krieg" vor Augen führt, dann wird sehr schnell deutlich, dass sie eine Friedensbewegung sofort taktisch günstig genutzt hätten.
=> Sie haben es ja anscheinend Jahrhunderte („Konzil von Nicäa“) später aus dem "historischen Nichts" heraus gemacht - definitiv um den Konfliktaufwand klein zu halten.
Roland hat geschrieben:Auch hier ist meine Bemerkung der Versuch einer Erklärung, warum es keine Original-Handschriften mehr gibt. Es waren für die ersten Christen unruhige Zeiten. Von den ersten Verfolgungen wird ja bereits in der Apostelgeschichte berichtet. Stephanus wurde vom "Hohen Rat" der Juden verurteilt und gesteinigt.
Wieso sollte dies KEINE Geschichte rund um einen "normalen" jüdischen Führerstreit sein, bei dem es um das "richtige Verhalten vor Gott" und anschliessendem Abschlachten ging?
Wieso war es ein "Urchrist"?
Bei „Stephanus“ fehlt wohl tatsächlich das Auftreten der Bezeichnung "Jesus Christus" - "aber das macht ja nichts, denn man hat sich ja bereits für die Legende der "Urchristen" entschieden, also war "Stephanus" einfach einer, der für das Urchristentum gestorben ist".
Die sogenannte "Forschung" (HKM) macht dann einfach mal aus "der Gerechte" ganz klar "Jesus Christus". Nun beinhaltet aber dummerweise das jüdische Konzept "Messias" den Anführer des "Reichs der Gerechtigkeit", also "den Gerechten".
D.h. wenn es diesen "Stephanus" tatsächlich gegeben haben sollte, dann war er wohl Anhänger irgendeines Messias - mehr nicht -> deshalb noch kein "Urchristentum".
Laut "Flavius Josephus" wurde damals mannigfaltig getötet, wenn man offen seinen "Alternativ-Glauben" vertrat - deshalb waren die Opfer aber noch lange nicht "Urchristen".
Es gibt anscheinend eine lustige christliche Tradition, alles was damals (benachteiligt) herumgehüpft sein soll, als "Urchristen" anzusehen.
Roland hat geschrieben:Die Tatsache, dass es nur Handschriften aus der Zeit nach dem jüdischen Krieg gibt, heißt nicht, dass vorher nicht geschrieben wurde.
Du baust "historische Szenen" entlang der Legende auf, mehr nicht - dir fehlt sowohl "das Urchristentum", als auch die darin stattfindende "Schreibaktion".
Roland hat geschrieben:Schau mal >hier < unter Punkt 3. "Alte nicht-Christliche Quellen ". Hier werden Aussagen von Cornelius Tacitus (3.1) und Plinius dem Jüngeren (3.4) zitiert, die von den ersten Christen sprechen.
Wir stehen immer noch vor demselben Problem:
Römer bezeichnen eine Gruppe als "Christianer", wobei "Messias" römisch lateinisiert als "Christus" bezeichnet wird.
=> Wieso soll hier "das Urchristentum" gemeint sein, wenn es doch in dieser Zeit umfangreich gewalttätige Anhänger von Messiassen gab?
Schau dir mal an, was "Tacitus" über "die Christen" aussagt und erinnere dich an die Beschreibung von "Flavius Josephus" über die Messias(Christus)-Anhänger - wer ist dann hier gemeint?
Doch wohl eher Mörder und Messerstecher.
Von
"Eusebius von Caesarea" (260..340 n.Chr.) wird wohl gesagt, dass er "mangels anderer zeitgenössischer Quellen" auf die Texte von "Flavius Josephus" zurückgegriffen hat, wobei er vor allem auf "die innere Konzeption SEINES Werkes" achtete und nur das aufgenommen hat, was "in SEIN Bild passte".
=> Wenn du hier genau hinschaust, dann wird die religiöse Verklärung langsam greifbar.
(Interessant ist, dass diese Figur in der Zeit um das "Konzil von Nicäa" liegt und das "Eusebius" sogar einer von drei Berichterstattern über "Nicäa" war)
Offensichtlich gab es also bereits damals keine wirklichen Quellen und bereits rund um 300 n.Chr. später lebten diese Leute "in der Legende" und haben dementsprechend "historische Szenen" entworfen.
Dieser "Eusebius von Caesarea" ist übrigens auch die "Quelle" für die Beschreibung einiger "Kirchenväter" (in seiner "Kirchengeschichte") - evtl. sitzt hier ein entscheidender "Knotenpunkt für das Design des späteren Christentums".
Der Autor könnte hier genau der Faktor sein, damit Religionsanführer in eine "kontinuierliche Abfolge" gerückt werden, so dass "Einheit" entsteht.
Dass die einzelnen, nach dem Krieg übriggebliebenen, vertrieben und verstreuten Messias-Gruppen von der Gewalt abschwörten, kann unabhängig entstanden sein (ganz einfach wegen dem Kriegsschock), aber dafür dass daraus eine "Einheit" gestrickt wird ("Christentum"), müsste die Idee durch wenige Hände gegangen sein, die dann vielleicht als eine Art "Forschungsergebnis" von der "Einheit" berichten -> und fortan waren es alle "Brüder und Schwestern" mit einheitlicher Wurzel ("Spinat enthält viel Eisen").
"Eusebius von Caesarea" wusste auch viel über "Christenverfolgungen" zu berichten und sah die von "Flavius Josephus" beschriebenen Ereignisse als "Strafe Gottes für die Juden" an.
Woher er Informationen über "die Christenverfolgungen" gehabt haben will, ist mir nicht ganz klar, zumal "Flavius Josephus" doch die einzige wirkliche Quelle sein soll.
Vielleicht liegt hier eine Sonderbarkeit vor, bei der ein "Forscher" dieselben Gruppen zweimal deutet, weil er keinen Einblick in die eigene Vergangenheit hat und sie auf Basis einer Legende konstruiert.
Wieviele solcher zentralen "Deutungsfiguren" werden benötigt, damit es Jahrhunderte nach den "legendären Zeiten" zu "einheitlichen Grundlagen" kommt?
Selbst heute, wenn wir keinen Zugang zu Geschichts- und Weltinformationen hätten, würden wir uns lediglich lokal ausgestaltete Märchen über alte Zeiten erzählen.
In so einem Umfeld ist man unweigerlich den "Fachleuten" ausgeliefert, die von ihrer "Forschungsarbeit" berichten. In einem hierarchisch organisierten Gefüge wie den "Glaubensgruppen" wird nicht viel benötigt, dass ein Austausch über "Grundlagen" erfolgt, die man bereitwillig annimmt, zumal sie ja schon irgendwie zum eigenen Konzept passen und so kann aus den "Erben der fanatisch gewaltbereiten Messias-Anhänger" die "durch Frieden, Liebe und viel Opfer erlösten Messias-Anhänger" werden.
Interessant ist auch der Konflikt auf dem "Konzil von Nicäa" über die Göttlichkeit der "Jesus"-Figur. Die Fraktion, die "den Messias" nicht für göttlich ansehen wollte, folgte im Grunde den von "Flavius Josephus" beschriebenen gewaltorientierten Messias-Anhängern
(denn bei denen ging es um ein weltliches Reich), während diese aber nun von den ("neuen") friedensorientierten Gott-Messias-Anhängern verfolgt und bekämpft wurden.
Daran erkennt man, dass es auch nach dem "jüdischen Krieg" um das gleiche gefährliche Konzept geht, das letztlich in den immer gleichen Streit- und Vernichtungsszenen endet - das Friedenskonzept ist eher nur übergestülpt und funktioniert nicht.
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Um das ganze Rätsel auf den Punkt zu bringen:
• Gab es ein „Urchristentum“?
• Gab es zu den Juden und den Eiferern („Zeloten“) noch eine dritte Partei (unsichtbar wie ein Phantom) oder sind „die Christen“ einfach nur die Erben der vertriebenen und geschlagenen „Zeloten“?
• Gab es neben der klar nachvollziehbaren
zelotischen Motivation einer Religionsabspaltung noch eine weitere Abspaltungsaktivität (ausgerechnet in derselben Zeit, in derselben Umgebung, in derselben Weise, mit denselben Ausgangspunkten und mit demselben Resultat einer Vernichtung)?