Leben nach dem "Vorbild" Jesu Christi ?

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Salome23
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#1 Leben nach dem "Vorbild" Jesu Christi ?

Beitrag von Salome23 » So 17. Mai 2015, 11:15

Inspiriert durch eine Aussage von Novalis

Novalis hat geschrieben: Mal so gefragt: macht es Sinn Franz von Assisi gegen ....

Das Stichwort war "Franz von Assisi"...

Der hl. Franziskus lebte nach dem Vorbild Jesu Christi (sogenannte Imitatio Christi), wie er selbst sagte, das Evangelium „sine glossa“ (das heißt, ohne Hinzufügungen oder Veränderungen). Diese Lebensweise zog gleichgesinnte Gefährten an, was zur Gründung der Minderen Brüder führte, deren Orden rasch wuchs.
Quelle

Wie konnte Franz v.A. sich Jesus als Vorbild nehmen, wo Jesus ihm doch völlig unbekannt war?
Man kennt zwar die biblischen Lehren von Jesus, aber die Bibel sagt nicht viel darüber aus, wie Jesus lebte, was er so den ganzen Tag machte, wenn er nicht gerade predigte...

Ist es im Sinne Jesus, ihn zu imitieren(nachahmen/in seine Fußstapfen treten/folgen)?
Oder einfach nur ein Gefäß sein durch das Jesus "wirken" kann (Tempel des heiligen Geistes)?

Johannes der Täufer sagte:
Johannes 3,30
ER (Jesus) muss wachsen, ich aber abnehmen.

Gal 2,20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.

Wie kann "Christus" in einem selber immer mehr Gestalt annehmen?

2Lena
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#2 Re: Leben nach dem "Vorbild" Jesu Christi ?

Beitrag von 2Lena » So 17. Mai 2015, 12:08

@Salome23

Franziskus (1182-1226) lebte in einer Zeit, in der die herrschende Klasse mit viel Pomp ihre Macht erweiterte, während die Entwicklung der unteren Schichten stockte. Als Ritter nahm er an Feldzügen teil, bevor er durch Gefangenschaft, Krankheit, Visionen und Ereignisse - in seinem Leben einen anderen Weg einschlug und zum “Einsiedler” und Gründer des Bettelordens wurde.

Durch sein außerordentlich liebes Wesen kam er - bei seinem Mut, gegen alle Widerstände Gutes zu tun, sehr der italienischen Mentalität entgegen und wurde verehrt. Noch heute hängt dieser “Flair” in Assisi. Besonders an der Meerpromenade im Park, aber auch in manchen Orten im Umland spüren Feinfühlige so was wie eine “andere Welt”.

Mit seiner Bewegung war er nicht allein. Auch ein Kaufmann Valdes (spätere Waldenser wurden nach ihm genannt) verschenkte sein Vermögen. Er machte Armenspeisungen und ließ die Bibel übersetzen. Während der Speisungen lasen Frauen daraus in der Landessprache vor. Es kam zum Verbot. Die Kirche beanspruchte die “Oberhohheit”. Sie ließ die Bibeln vernichten. Trotz dem Verbot breiteten sich die Waldenser weiter in viele europäische Länder aus. Sie waren so was wie ein Vorläufer der Reformation nach dem Konzil in Konstanz.

Zwei fast gleiche Schicksale meint man zu sehen, Valdes und Franziskus gaben ihr Vermögen, ganz wie das Evangelium es offenbar fordert. Der Eine wurde zum vom Papst befürworteten Ordensgründer, der andere von der Obrigkeit verfolgt. Seine Nachfolger wurden verbrannt, gequält, verfolgt. Viele wanderten später nach Übersee aus. Es ist nicht vorzustellen, dass ausgerechnet das gute Werk einer Bibelübersetzung und deren Vorlesung verfolgt wird. Man sollte dafür die Kirche niederknüppel?

Der Fehler lag in den Wehen, die wir heute kennen, dass die übersetzte Bibel zwar das Gleiche sagt wie die erste, aber eben der Sinn dann verschraubt wurde und die inneren Inhalte nicht mitkommen. Man meint dann, Jesus fordere den Verkauf allen Vermögens. Wer soll es dem letzten abnehmen? Man meint, Jesus sagt die Familie verlassen und sie hassen. Wer soll die Kinder aufziehen? Sven23 brachte eine idiotische Liste von Irrtümern Jesu. Es ist ganz logisch, dass sie in einer “übersetzten Bibel” als Meinung so herauskommen. Nach diesem Vorbild hat Fransziskus nicht gehandelt, denn es gab ja eine “mündliche” Tradition.

Die Kirchenlehre hat die ausgelegten Texte. Nach diesen war Feinfühligkeit, Offenheit, Mut haben, Gutes tun, Recht schaffen ... so ungefähr wenigstens die Forderungen. Ein paar von den Stichworten reichen schon, um in eigener Regie und bei viel Fantasie im eigenen Umfeld “nachzueifern”.

Dass vom Betteln zu leben nicht ganz das Wahre ist, erkannten schon Generationen von Leuten. Mich wundert es, warum noch nie jemand drauf gekommen ist, die biblischen Verse etwas genauer zu untersuchen. Da würde man zu Gerechtigkeiten kommen, es mit ganz anderen Wirtschaftssystemen versuchen. Dann - wie es die Gesetze inspirieren - können mit vielen offenen Möglichkeiten und einer gesunden Menschheit und Natur wirklich paradiesische Verhältnisse kommen.

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Naqual
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#3 Re: Leben nach dem "Vorbild" Jesu Christi ?

Beitrag von Naqual » Mo 18. Mai 2015, 20:19

Salome23 hat geschrieben:... Wie konnte Franz v.A. sich Jesus als Vorbild nehmen, wo Jesus ihm doch völlig unbekannt war?...
Ist es im Sinne Jesus, ihn zu imitieren(nachahmen/in seine Fußstapfen treten/folgen)?
Oder einfach nur ein Gefäß sein durch das Jesus "wirken" kann (Tempel des heiligen Geistes)?
.....
Gal 2,20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.

Wie kann "Christus" in einem selber immer mehr Gestalt annehmen?

Franz v. A. kannte den Menschen Jesus nicht. Entsprechend gibt es nur zwei Möglichkeiten:
a) er interpretiert beim Lesen des NT ein Jesus-Modell nach dem er sich richten kann
b) Jesus wird ihm durch den Heiligen Geist wie auch immer vorgestellt.
bzw. eine Mischung von beidem.

bei a) bin ich insoweit skeptisch, weil es sehr verschiedene Modelle gibt, die man durch Deutung der Texte gewinnen kann.
Naturgemäß haben wir hier bei Gläubigen die unterschiedlichsten Vorstellungen. Gemeinsam haben diese Modelle von Jesus, dass dieser das Gute geradezu inkarniert. Je konkreter bzw. je mehr es auf Details zugeht, desto schwieriger und unterschiedlicher werden die Vorstellungen. Je mehr ein bestimmtes, vermutetes Verhalten Jesu sich auf heutige Problemlagen bezieht, umso eigenartiger werden dabei teils die Gedankengänge.

bei b) bin ich insoweit skeptisch, dass trotz des Wirkens des Heiligen Geistes, die Vorstellungen sehr weit voneinander abweichen können.
Hinzu kommt, dass es Jesus-Vorstellungen bei "reinem Geistwirken ohne Kenntnis des NT und ohne vom Christentum jemals gehört zu haben" nicht gibt auf der Welt. Anderslautende Berichte sind nicht verifizierbare "Dschungel-Geschichten".

Andererseits bin ich durchaus auch optimistisch. Wir haben ALLE mehr oder weniger Fragmenterfahrungen und -(er)kenntnisse. Da ist vieles auch richtig. Und es gibt religiöse Erfahrungen, die dem einzelnen viel bedeuten. Aber gerade dogmatisch müssten wir eigentlich sehr, sehr vorsichtig sein und bescheiden (da hilft auch der Verweis auf jahrhundertealte Dogmengeschichten der einzelnen Konfessionen nicht, auch diese verlaufen unterschiedlich).

Für mich ist Jesus das göttliche Idealbild (also man kann ihm real nur in kleinen Schritten sich annähern).
Vertreten am Kreuz: Aufgabe jeglichen Egos und Einsatz in Wort, Tat und Empathie für andere. Am Kreuz in der extremstmöglichen Form als Sinnbild der Nachfolge.
Und verglichen mit der extremen Ausdeutung sind wir alle unbeholfene Krabbelkinder.
Franz v. A. mag in vielen Belangen hier ein wenig weiter gekommen sein in seiner Lebenspraxis als vielen anderen vergönnt ist.

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Halman
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#4 Re: Leben nach dem "Vorbild" Jesu Christi ?

Beitrag von Halman » Di 19. Mai 2015, 16:25

Salome23 hat geschrieben:Inspiriert durch eine Aussage von Novalis

Novalis hat geschrieben: Mal so gefragt: macht es Sinn Franz von Assisi gegen ....

Das Stichwort war "Franz von Assisi"...

Der hl. Franziskus lebte nach dem Vorbild Jesu Christi (sogenannte Imitatio Christi), wie er selbst sagte, das Evangelium „sine glossa“ (das heißt, ohne Hinzufügungen oder Veränderungen). Diese Lebensweise zog gleichgesinnte Gefährten an, was zur Gründung der Minderen Brüder führte, deren Orden rasch wuchs.
Quelle
So wie ich dies verstehe, ist hiermit der "theolgische Jesus" gemeint, wie er in den Evangelien verkündet wird. Franz von Assisi nimmt ja explizit auf da Evangelium „sine glossa“ bezug, ohne es durch Hinzufügungen oder Veränderungen zu verfälschen.

Salome23 hat geschrieben:Wie konnte Franz v.A. sich Jesus als Vorbild nehmen, wo Jesus ihm doch völlig unbekannt war?
Man kennt zwar die biblischen Lehren von Jesus, aber die Bibel sagt nicht viel darüber aus, wie Jesus lebte, was er so den ganzen Tag machte, wenn er nicht gerade predigte...

Ist es im Sinne Jesus, ihn zu imitieren(nachahmen/in seine Fußstapfen treten/folgen)?
Oder einfach nur ein Gefäß sein durch das Jesus "wirken" kann (Tempel des heiligen Geistes)?
Der theologische Jesus war Franz von Assisi ja aus den Evangelien bekannt. Diese legen - wie Du völlig korrekt festgestellt hast - den Fokus auf Jesu Auftreten als Messias (von der Taufe bis zur Kreuzigung). Die Evangelisten verfassten keine historischen Biographien, sondern verkündeten eine religiöse Heilsbotschaft, die den Messias (Christus) zum Zentrum hat. Über seine Jahre vor seiner Taufe daher wird kaum etwas enthüllt.
Zitat aus 1. Zimmermann:
Jesu Beruf war Zimmermann. [51] Darunter verstand man damals einen Handwerker, der überhaupt mit Holz arbeitete, also nicht nur beim Bau von Häusern benötigt wurde, sondern auch Möbel und hölzerne Geräte herstellte. Der frühchristliche Schriftsteller Justinus behauptete um 150, er habe in seiner Jugend noch einen Wagen gesehen, den Jesus gebaut hatte. Jesus wäre also Zimmermann, Schreiner, Werkzeugmacher und Wagner in einer Person gewesen.
Daraus folgt aber nicht, dass man den selben Beruf ergreifen müsse. Seine Tätigkeit als Tektōn (τέκτων) spielt aus religiös-theologischer Sicht kaum eine Rolle. Es geht nicht darum, das biographische Leben von Jesus nachzuahmen, sondern sich an ihm als Christus zu orientieren - darum nennen sich seine Nachfolger ja auch Christen. Seine Lehren und sein Verhalten bilden ein Vorbild für Gottvertrauen, Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Bei der Nachfolge geht es um die theologische Botschaft, Kernstück jesuanischer Ethik bildet dabei die Bergpredigt/Feldrede.
In Mat 7:24 appellierte Jesus an seine Zuhörer (und Matthäus damit an die Leser), auf seine Worte zu hören. Dieser Appell bekommt in der "Verklärung" eine besondere Bedeutung, da GOTT dort selbst gebietet:
Zitat aus Mk 9:7:
... Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!

Salome23 hat geschrieben:Johannes der Täufer sagte:
Johannes 3,30
ER (Jesus) muss wachsen, ich aber abnehmen.
Johannes war der Vorläufer von Jesus (ähnlich wie Elia der Vorläufer von Elisa war). Er war der letzte der regulären jüdischen Propheten. Jesus aber war das Siegel der Propheten.
Johannes sah sich als Jesu Freund (sieh Kontext), der sich darüber freute, dass Jesus mit seinen Jüngern nun "zunahm", denn sie tauften in Judäa, Johannes hingegen taufte weiter in Änon, nahe Salim. Seine Aufgabe bestand darin, das Volk Israel auf den Messias vorzubereiten (s. bitte Luk 1:16-17). Es ging um Metánoia (Umkehr, Umdenken, „Sinneswandel“; oft irreführenderweise mit Buße übersetzt). Seine Rolle nahm ab, die des Messias nahm zu.

Salome23 hat geschrieben:Gal 2,20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.

Wie kann "Christus" in einem selber immer mehr Gestalt annehmen?
Indem man auf Jesus hört und sich an den theologischen Jesus, den die biblischen Evangelien verkünden, orientiert.
Du kennst vielleicht die Redewendung, dass ein Schüler wie sein Lehrer wird. Oftmals merkt man, welchen Doktorvater ein Akademiker hatte. Dabei orientiert er sich nicht an der Biographie des Mentors, sondern an dessen Lehren.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

michaelit
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#5 Re: Leben nach dem "Vorbild" Jesu Christi ?

Beitrag von michaelit » So 7. Jun 2015, 15:13

Damals galt die strenge Bibelbindung noch nicht soviel. Man konnte auch einmal fantasieren bzw von den damaligen Sehnsüchten und Wünsche ausgehen und sie über die geltenden Überlieferungen stellen. Franz steht wohl dafür das Evangelium in eigener Armut zu verkündigen damit der Arme sich angesprochen fühlt und nicht schon wieder nur die Wohlstandsbürger und die Reichen. Gerade deswegen wurde er ja auch verfolgt, aber noch mehr die Waldenser die 2Lena angeführt hat. Franz konnte sich wohl retten weil er Protektionen hatte bzw nicht radikal war und keinen Herrschaftswechsel wollte. Das wollte eben die Waldenser.

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