“sven23“ hat geschrieben:<<<
Richtig, er ist der eigentliche "Erfinder" des Christentums so daß man eigentlich vom Paulinismus sprechen könnte.
Ich sehe es viel kritischer, denn wenn Texte vom Inhalt her derart eigenartig sind und ich zusätzlich auch noch auf die Spur komme, dass die damalige Zeit wohl ganz anders war (-> „Flavius Josephus“), dann gehe ich nicht her und trenne das Sonderbare vom vielleicht Normalen ab, sondern dann stufe ich den gesamten Text als zweifelhaft ein.
„Paulus“ ist für mich eine literarische Figur und die Legende, dass es sich bei dieser Textsammlung um Texte handelt, die von/über diese Figur handeln, muss sich erst durch etwas anderes zeigen, als durch die Legende.
Genau hier liegt das grundsätzliche Problem:
Die wenigen historischen Daten und die wenigen eigenartigen Quellen („Flavius Josephus“ ist auch nicht so ganz Hasenrein) werden vollständig durch den Schleier der Legende verwaltet.
Deutlich wird dies z.B. am Begriff „Urchristentum“.
Ich habe den Eindruck, jeder Christus-Anhänger wird automatisch zum „Jesus“-Christus-Anhänger gemacht und so wird ein „Eiferer“ (Zelot!), der Christus-Anhänger nachjagt, zu einem „Verfolger des Urchristentums“.
Das Problem ist aber, dass "Christus" lediglich „Messias“ bedeutet und es in der damaligen Zeit rauf und runter „Messiasse“ gab – jede dieser fanatischen Gruppen hat ihren „Gesetzeslehrer“, ihren „Messias“. Sogar im letzten Aufstand der Juden gegen ROM, immerhin ca. im Jahr 135 n.Chr. ging es wohl um eine Führergestallt mit messianischen Ansprüchen.
Kaiser „Nero“ soll die „Urchristen“ verfolgt haben.
Nimmt man aber die durchgeknallte Zeloten-Zeit (immerhin 6 n.Chr. mit einer gewissen Volkszählung als Ausgangspunkt) als Grundlage für Christus-Anhänger, ihre lustige Idee des „Abstechens von Nicht-Rechtgläubigen und ROM-Sympathisanten“ sowie die Zuspitzung zum römisch-jüdischen Krieg, dann wird plötzlich was ganz anderes draus und die Quellen von „Tacitus“ und von „Sueton“, zielen gar nicht auf ein „Jesus“-Christentum ab, sondern auf marodende Banden mit unterschiedlichen Anführern.
Auch die Figur „Paulus“ soll die „Urchristen“ verfolgt haben.
Ein „Eiferer“ („Zelot“) hat zur damaligen Zeit wohl aber eher alles mit seinem Messerchen angeschmachtet, was nicht bei Drei auf den Bäumen war.
In der Folge dieser Christen-Deutung soll wohl einfach alles das „Urchristentum“ gewesen sein, was irgendwie verfolgt wurde – eine sehr preisgünstige Lösung.
Das riecht sehr nach einem viel späteren Rückblick auf Texte, die man nicht mehr richtig verstanden hat (oder dies gar nicht vorhatte), aber unter einen Hut bringen wollte, also hat man einfach „einen Hut“ darüber gestülpt.
Man darf auch die traumatische Lage von den jüdischen Kriegsverlierern nicht vergessen, deren Messias-Fanatismus und Tempelphantasie in Schutt und Asche lagen.
Das geht locker als Motivation für das Ausrufen einer „neuen Religionslegende“ durch.
Insgesamt wird der römisch-jüdische Krieg, mit den Ausgangspunkten Herodes-Familien-Clan und römische Volkszählung samt Judäa-Ausbeutung, viel zu wenig in die Betrachtung mit eingezogen.
Man muss sich das mal vorstellen:
Im gesamten neuen Testament wird die Zelotenbewegung wohl nur über die Bezeichnung „Simon der Zelot“ und als „Vergangenheit des Paulus“ präsentiert, also einmal ohne Hintergrund und ein anderes Mal als „Christenjagt“ dargestellt – beides ist vollständig unpassend für eine Geschichte, die in der damaligen Zeit spielen soll.
Wieso werden „die Wundertaten eines Jesus“ bewundert, wenn sich gleichzeitig über viele Messiasse (samt Gruppen) eine Zuspitzung bis hin zur totalen Vernichtung der Judenreligion in Judäa ergibt?
Hier liegt eine eigenartig „treudoofe Blindheit“ vor, für die es irgendwo ein Motiv geben muss – vom Fingerspitzengefühl her sind tatsächliche Ereignisse eher zu schwach für so eine „Meisterleistung“ – irgendwie scheint hier „Wunsch der Vater der Legende“ zu sein.
“sven23“ hat geschrieben:So weit ich mich erinnere, konnten in den Qumran-Texten über 500 verschiedene Autoren identifiziert werden. Es gab also einen Markt für "religious Fantasy", der bedient werden wollte.
Der Markt war derart da, dass wohl 6 n.Chr. die Zelotenbewegung gegründet wurde.
Die Motivlage für diesen Markt, war die gesellschaftlich/religiöse Lage:
1.
Ein Volk sieht sich als auserwählt und im Bunde mit dem Schöpfer der Welt. Sie sind „sein Volk“.
2.
Das Volk wird regiert von ROM-freundlichen Griechenjuden (-> Herodes-Clan) und hasst diese Anführer
3.
ROM dirigiert die Landesverwaltung und die Ausbeutung dieses durchaus reichen Landstriches.
4.
ROM verlangt die Anbetung des Kaisers innerhalb der Religionsstätten
Das ist der Markt für eine fanatische Zuspitzung und genauso war es wohl.
Das ist aus meiner Sicht kein Markt für Herz/Schmerz-Themen.
Diese Leute wollen zuschlagen und sich befreien.
“sven23“ hat geschrieben:Über Jesus gab es 60 Evangelien, die Diderot zu folgender Bemerkung veranlaßte.
Diese „Jesus“-Texte waren (soviel ich weiss) kein Bestandteil der Qumran-Texte.
Aus meiner Sicht:
Die Zeit der Evangelien-Texte startet wohl erst später, sogar erst nach dem Krieg (und der Zerstörung des Tempels).
Für die Zeit vor dem Krieg haben sich die „Experten“ das Phantom der „mündlichen Erzählung“ einfallen lassen.
Im Hinblick auf die „Kindlichkeit und Albernheit“ von Evangelien-Texten sehe ich den Markt
vor dem Krieg als vollständig ungeeignet an.
Nach dem Krieg (vermutlich bereits regional nach dem Judäa-Krieg mit dem Fall Jerusalems, samt gegenseitigem Abschlachten und Zerrstörung des Tempels) müsste sich der Markt verändert haben.
Das Messias-Konzept war als Unfug entlarvt, das Allerheiligste im Tempel (wohl einfach nur Luft hinter einem Vorhang) war in Rauch aufgegangen und nirgendwo haben Engel oder irgendwelche Kräfte „von oben“ brausend („like the wind“) eingegriffen.
Eine Standardreaktion innerhalb von Religion (wenn die Faktenlage eng wird) ist die Verlagerung der Behauptungen in Bereiche, die (scheinbar) nicht geprüft werden können.
Ein jenseitiges Reich, das ein Messias verkündet hat, auf dessen Friedensbotschaft „vor dem Krieg“ niemand hören wollte und der für die Erlösung der „Gläubigen“ gestorben sein soll (finden und befragen kann man ihn so auch nicht mehr) ist so ein Verlagerungskonzept, denn die Strömungen vor dem Krieg drehten sich wohl eher nicht um jenseitige Reiche (wenn auch die Idee bereits in Griechenland und im Judentum bei den „Essenern“ vorhanden gewesen sein soll).
Ein desillusioniert besiegter „Gläubiger“ dessen Lebenskonzept in Schutt und Asche liegt, dürfte sehr empfänglich für einen derartigen „Ausweg“ gewesen sein.
Anstatt in durchgeknalltem gegenseitigen Abschlachten, wäre so ein Messias glorreich durch Wunder, also „Göttlichkeit“ aufgefallen und sein Sterben würde ein Opfer darstellen.
Ausserdem hat dieser Messias ja schon „davor“ von Frieden und Liebe gesprochen, zwei Konzepte die den desillusionierten Flüchtlingen „wunderschön“ und sinnvoll vorgekommen sein dürften.
Den Markt für sämtliche Evangelien würde ich also eher
nach dem Krieg ansiedeln.
“sven23“ hat geschrieben:Na ja, von den 13 Paulusbriefen, die in den Kirchen verlesen werden, gelten in der Forschung nur 7 als "echt", d. h. zumindest, vom selben Autor stammend.
Das Wort „Forschung“ ist hier eher fraglich, denn es handelt sich nur um eine grobschlächtige Datierung aus der Legende heraus.
Solche „Forscher“ halten auch die Qumran-Texte für wertvoll für die Zeit des Urchristentums, auch wenn sie gar keine Hinweise auf das Urchristentum enthalten
Die „gläubigen Forscher“ sind schon eine ganz eigene Nummer.