Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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Ska'ara
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#221 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Do 15. Sep 2016, 19:30

sven23 hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben:Ist die Naherwartung ein so einfaches Thema und schon klar definiert?
Ziemlich sicher, weil es in der Forschung einen großen Konsens darüber gibt.
Man muß auch bedenken, dass es nicht irgendwelche Wald- und Wiesen Theologen sind, die diese Ansicht vertreten, sondern theologische Schwergewichte wie Bultmann, Rahner, Küng, Theissen usw.
Damit setzen diese Theologen Gott schwergewichtig außer Kraft.


Theissen fasst in seinem Werk "Der historische Jesus- Ein Lehrbuch", das sich zu einem Standardwerk etabliert hat, den Stand der Forschung zusammen und schreibt zur Naherwartung:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Damit gibt er den Stand der Forschung wieder.
Wie kann sich der Sohn Gottes irren?

JackSparrow
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#222 Re: Theodizee

Beitrag von JackSparrow » Do 15. Sep 2016, 19:37

Ska'ara hat geschrieben:Wie kann sich der Sohn Gottes irren?
Der kann alles. Er ist ja allmächtig.

closs
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#223 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Do 15. Sep 2016, 19:38

sven23 hat geschrieben:Theissen fasst in seinem Werk "Der historische Jesus- Ein Lehrbuch", das sich zu einem Standardwerk etabliert hat, den Stand der Forschung zusammen und schreibt zur Naherwartung:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Damit gibt er den Stand der Forschung wieder.
Dazu musst Du aber das von Dir eingestellte Vorwort von Theißen im Auge haben, in dem er sinngemäß sagt, dass jegliche seiner Aussagen im Rahmen des methodischen Korridors der HKM stattfindet - er meint also:

"Wenn sich die von mir vertretene Methodik in dieser Frage als wirklichkeits-kompatibel herausstellen sollte, gilt: 'Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.' “

sven23 hat geschrieben:Das ist bekannt, gilt aber nicht für die in der historisch-kritischen Forschung arbeitenden Theologen
Das ist möglich - weil die HKM ein eigenes Segment innerhalb der Theologie ist. - Der mir am häufigsten vorkommende Typus ist:

"Würde ich ausschließlich nach den Regeln der HKM denken, würde bei mir dasselbe rauskommen - aber da ich auch andere Methoden zur Beurteilung von Wirklichkeit kenne, glaube ich nicht daran".

sven23 hat geschrieben: sondern für die Glaubensdogmatiker
Es ist eine Urban Legend, dass HKM-ler wirklichkeits-näher arbeiten würden als die anderen theologischen Disziplinen. Das ist Propaganda des Zeitgeistes.

sven23 hat geschrieben: und eine große Zahl von Mitläufern
Die gibt es überall - zur Zeit sicherlich auf kritisch-rationalistischer Seite mehr als auf hermeneutischer - einfach, weil "das Kritische" mehr en vogue ist.

sven23 hat geschrieben:Was ein Mensch, der vor 2000 Jahren gelebt hat, "wirklich gedacht" hat entzieht sich jeder seriösen Untersuchung.
Man kann sehr wohl rekonstruieren, wie Jesus wirklich gedacht hat, WENN er "Gottes Sohn"/Gott war. - So wie man rekonstruieren kann, wie Jesus gedacht hat, wenn er nichts als ein Wanderprediger war. - Die (Voraus-) Setzung macht die Schlussfolgerung - die jeweils wissenschaftliche Begründung zwischen Setzung und Schlussfolgerung ist Routine für Profis.

sven23 hat geschrieben:Im Gegensatz dazu hinterfragt die Forschung die Quellen kritisch.
Nicht "im Gegensatz", sondern "auch" - nur halt von einer anderen Perspektive aus. - Auch die anderen theologischen Disziplinen sind "kritisch" - was glaubst Du, wie viele kontroverse Diskussionen in den Glaubens-Gremien stattfinden, bis am Ende ein Dogma beschlossen wird? Das ist ähnlich wie beim Bundesverfassungsgericht - erst wird gestritten, dann wird nach außen EINE Stimme, nämlich die Entscheidung, verkündet.

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Ska'ara
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#224 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Do 15. Sep 2016, 20:32

JackSparrow hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben:Wie kann sich der Sohn Gottes irren?
Der kann alles. Er ist ja allmächtig.
Ein Jesus, der zum Geisteskranken erklärt werden soll, und das von Theologen und ja ... dir. Ein Irrtum bezüglich Gott und Jesus passt nicht, und wenn dies weiter propagiert wird, müsste ja jeder Gläubiger ein Spinner sein und jeder Theologe nur am Forschen, damit diese Geisteskrankheit geheilt werden kann. Der Forscher ist damit furchtbar mächtig, mehr als sein Gott.

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sven23
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#225 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Do 15. Sep 2016, 20:33

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Theissen fasst in seinem Werk "Der historische Jesus- Ein Lehrbuch", das sich zu einem Standardwerk etabliert hat, den Stand der Forschung zusammen und schreibt zur Naherwartung:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Damit gibt er den Stand der Forschung wieder.
Dazu musst Du aber das von Dir eingestellte Vorwort von Theißen im Auge haben, in dem er sinngemäß sagt, dass jegliche seiner Aussagen im Rahmen des methodischen Korridors der HKM stattfindet - er meint also:

"Wenn sich die von mir vertretene Methodik in dieser Frage als wirklichkeits-kompatibel herausstellen sollte, gilt: 'Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.' “
Nein, Theißen verwies darauf, dass dies der gegenwärtige Stand der Forschung ist auf Basis der uns heute zur Verfügung stehenden Quellen.
Nun kann closs natürlich hoffen, es mögen irgendwann neue Quellen auftauchen, die alles auf den Kopf stellen, aber danach sieht es derzeit nicht aus. Wir müssen uns mit den vorhandenen Quellen begnügen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: sondern für die Glaubensdogmatiker
Es ist eine Urban Legend, dass HKM-ler wirklichkeits-näher arbeiten würden als die anderen theologischen Disziplinen. Das ist Propaganda des Zeitgeistes.
Nee, das ist üblicher wissenschafltlicher Vorgehensweise geschuldet. Siehe dazu den Link von Aaron Schat.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was ein Mensch, der vor 2000 Jahren gelebt hat, "wirklich gedacht" hat entzieht sich jeder seriösen Untersuchung.
Man kann sehr wohl rekonstruieren, wie Jesus wirklich gedacht hat, WENN er "Gottes Sohn"/Gott war. - So wie man rekonstruieren kann, wie Jesus gedacht hat, wenn er nichts als ein Wanderprediger war. - Die (Voraus-) Setzung macht die Schlussfolgerung - die jeweils wissenschaftliche Begründung zwischen Setzung und Schlussfolgerung ist Routine für Profis.
Was ein Mensch vor 2000 Jahren gedacht hat, läßt sich nicht mehr rekonstruieren, zumal er selbst nichts Schriftliches hinterlassen hat. Die Leistung der Forschung besteht darin, dass sie möchlicherweise authentisches von später nachgeschobenen legendenhaften Geschichten unterscheidet. Kanoniker wollen und können das gar nicht. Sie beschweren sich höchstens, wenn von Seiten der Forschung keine Bestätigung ihres Glaubenskonstrukt kommt.




sven23 hat geschrieben:Im Gegensatz dazu hinterfragt die Forschung die Quellen kritisch.
Nicht "im Gegensatz", sondern "auch" - nur halt von einer anderen Perspektive aus. -.[/quote]
Natürlich, aus einer kritischen Perspektive, im Gegensatz zu einer glaubensdogmatischen, verklärenden Perpektive.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#226 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Do 15. Sep 2016, 20:37

Ska'ara hat geschrieben:
Theissen fasst in seinem Werk "Der historische Jesus- Ein Lehrbuch", das sich zu einem Standardwerk etabliert hat, den Stand der Forschung zusammen und schreibt zur Naherwartung:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Damit gibt er den Stand der Forschung wieder.
Wie kann sich der Sohn Gottes irren?
Genau das ist die zu stellende Frage.
Kanoniker sagen: Jesus ist wie in der Bibel beschrieben der Sohn Gottes, folglich kann er sich nicht irren. Die Bibel hat Recht, weil die Bibel recht hat. So bewegt man sich in zirkelreferenten Schlüssen.
Es ist klar, dass eine wissenschaftlich arbeitende Forschung so nicht vorgehen kann.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Ska'ara
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#227 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Do 15. Sep 2016, 21:06

sven23 hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben: Wie kann sich der Sohn Gottes irren?
Genau das ist die zu stellende Frage.
Kanoniker sagen: Jesus ist wie in der Bibel beschrieben der Sohn Gottes, folglich kann er sich nicht irren. Die Bibel hat Recht, weil die Bibel recht hat. So bewegt man sich in zirkelreferenten Schlüssen.
Es ist klar, dass eine wissenschaftlich arbeitende Forschung so nicht vorgehen kann.
Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes ist, dann ist die Bibel falsch, und somit haben sich die Theologen ihre Fragen beantwortet und können sich einen neuen Job suchen.

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Münek
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#228 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Do 15. Sep 2016, 21:56

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:In ihrer Auffassung, dass die Jungfrauengeburt nicht biologisch, sondern theologisch zu verstehen sei, sah diese Theologin sich durch Aussagen der Theologen Karl Rahner und Joseph Ratzinger bestätigt
So ist es ohnehin gemeint - Biologisches ist nur Chiffre für geistige Inhalte.
So ist es eben nicht gemeint. Wäre es so gemeint, hätte man Ranke-Heinemann nicht die Lehrbefugnis entzogen.

Für die katholische Kirche blieb Maria vor, während und nach der Geburt Jesu körperlich unversehrt (immerwährende Jungfrauschaft).

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist KEIN biologisches, sondern ein ontologisches Faktum
Genau so - das habe ich damit gemeint.
Aha - nun muss ich Dir aber leider sagen, dass Ratzinger seine Sätze in seinem Buch "Die Tochter Zion - Betrachtungen über den Marienglauben der Kirche" korrigiert hat.

In Neuauflagen von "Einführung in das Christentum" blieben sie jedoch völlig unverändert. Der Dominikaner Willehad Paul Eckert (1926-2005) entgegnete Ranke-Heinemann in der besagten Fernsehsendung: "Was Ratzinger und Rahner sagen ist falsch. Sie dürfen sich nicht auf sie be-
rufen."
Zuletzt geändert von Münek am Do 15. Sep 2016, 23:13, insgesamt 1-mal geändert.

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#229 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Do 15. Sep 2016, 23:03

sven23 hat geschrieben:Nun kann closs natürlich hoffen, es mögen irgendwann neue Quellen auftauchen, die alles auf den Kopf stellen, aber danach sieht es derzeit nicht aus.
Das ist auch komplett unerheblich. - Für Theißen möchte ich annehmen (und so habe ich ihn verstanden), dass der weiss, dass bei GLEICHER Quellenlage die HKM zu anderen Auslegungen kommt wie andere Auslegungs-Methoden - und er halt für die HKM spricht.

sven23 hat geschrieben: Siehe dazu den Link von Aaron Schat.
Lies mal Anton im "Teufelszeug"-Thread - er ist aus meiner Sicht so nah dran, dass es keine Probleme zwischen unterschiedlichen methodischen Ansätzen zum Verständnis der Bibel geben muss.

sven23 hat geschrieben:Was ein Mensch vor 2000 Jahren gedacht hat, läßt sich nicht mehr rekonstruieren
Korrekt - und deshalb kann man nicht sagen "Jesus hatte eine Naherwartung". - Im Grunde müsste man jedem HKM-ler zurufen: "Lasst doch Jesus aus dem Spiel und kümmert Euch um Rezeptions-Geschichte - da seid Ihr daheim"

sven23 hat geschrieben:Natürlich, aus einer kritischen Perspektive, im Gegensatz zu einer glaubensdogmatischen, verklärenden Perpektive.
Das Wort "kritisch" steht inzwischen immer mehr für "Ich weiß zwar nicht, worum es geht, aber ich kann Ungereimtheiten nachweisen". - Dieser Begriff ist durch seine ständige Missverwendung fertig.

sven23 hat geschrieben:Es ist klar, dass eine wissenschaftlich arbeitende Forschung so nicht vorgehen kann.
Eine historisch-kritische Forschung kann das nicht- richtig. - Sie sagt: "Ich nehme jetzt mal den anderen Ansatz, dass Jesus NICHT "Gottes Sohn"/Gott war und gucke, was dann raus kommt. - Danach können wir vergleichen (so läuft es oft in der theologischen Praxis - das sind alles erwachsene Leute).

Münek hat geschrieben:Für die katholische Kirche blieb Maria vor, während und nach der Geburt Jesu körperlich unversehrt (immerwährende Jungfrauschaft).
Ja - das habe ich verstanden. Aber das ist doch kein Widerspruch zu dem, was ich sage.

Closs hat geschrieben:Biologisches ist nur Chiffre für geistige Inhalte.
Damit ist dann seitens der RKK gemeint: "Wir sehen einen geistigen Fakt, der sich in der immerwährenden Jungfernschaft Marias gleichnishaft abbildet". - Warum das nötig sein sollte, weiß ich (noch) nicht - aber ich verstehe den Kontext.

Wer also gegen dieses Dogma ist, ist gegen diesen geistigen Kontext (welcher immer das auch ist - ich weiss es nicht, Ranke-H. müsste es als Professorin wissen). - Rein pragmatisch ("Warum soll sie nach der Geburt nicht andere Kinder gekriegt haben? Ist doch naheliegend") kann man es nicht klären - historisch-kritisch eh nicht.

Münek hat geschrieben:Dir wird nicht bekannt sein, dass Ratzinger seine Sätze in seinem Buch "Die Tochter Zion - Betrachtungen über den Marienglauben der Kirche" korrigiert hat.
In welche Richtung? - Es macht keine Sinn, wenn Jesus als "Gottes Sohn" kein ontologisches Faktum ist.

"Ontologisches Faktum" steht über allem - sei es per geistiger Offenbarung oder per historischer/biologischer Offenbarung. - Ratzinger will vermutlich damit sagen, dass "biologisches Faktum" nichts wert ist, wenn es nicht gleichzeitig ontologisches Faktum ist.

Kannst Du mir seine Korrektur mal einstellen? (Ich habe eine Vermutung)

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#230 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Do 15. Sep 2016, 23:35

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Für die katholische Kirche blieb Maria vor, während und nach der Geburt Jesu körperlich unversehrt (immerwährende Jungfrauschaft).
Ja - das habe ich verstanden. Aber das ist doch kein Widerspruch zu dem, was ich sage.
Selbstverständlich ist es ein Widerspruch zu dem, was Du gesagt hast.

Closs hat geschrieben:Biologisches ist nur Chiffre für geistige Inhalte.
Damit ist dann seitens der RKK gemeint: "Wir sehen einen geistigen Fakt, der sich in der immerwährenden Jungfernschaft Marias gleichnishaft abbildet".[/quote]

Nein - bei diesem Dogma geht es um keinen "geistigen Fakt", sondern ausschließlich um Biologie und Anatomie.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dir wird nicht bekannt sein, dass Ratzinger seine Sätze in seinem Buch "Die Tochter Zion - Betrachtungen über den Marienglauben der Kirche" korrigiert hat.
In welche Richtung? - Es macht keine Sinn, wenn Jesus als "Gottes Sohn" kein ontologisches Faktum ist.
Ich vermute, dass Ratzinger zur biologischen Unversehrtheit der Jungfrau zurückgekehrt ist. Das Buch steht mir nicht zur Verfügung.

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