Ich glaube nicht an die Schuld

Rund um Bibel und Glaube
Munro
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#111 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von Munro » Mi 28. Feb 2018, 12:23

Pluto hat geschrieben:Das muss man natürlich in einem christlich geprägten Forum, wie diesem etwas präzisieren. :)

Also konkret...
Ich glaube nicht an die Erbschuld des Einzelnen, und auch nicht an die Kollektivschuld der Menschheit.

Ich glaube aber an die Verantwortung jedes Einzelnen für sein Handeln, und so für seine Taten. Wenn man es so sehen will, dann gibt es sowohl Deliktfähigkeit als Schuld im Sinne von Verantwortung, aber nicht im Sinne von einer Kollektivschuld von Geburt an!

Daran glaube ich auch nicht!
Schon als Kind hat mich der Gedanke empört, dass es da so was wie die Erbsünde geben sollte!
Jean Paul Getty:
Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, aber nicht die Schürfrechte.

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Opa Klaus
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#112 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von Opa Klaus » Mi 28. Feb 2018, 20:20

Der Begriff "Schuld" betrifft eine versäumte Pflicht oder auch
die Ursache für ein Verhalten, für einen Vorgang;
er betrifft auch die Ursache von Fehlverhalten gegenüber einem geforderten "Wohlverhalten".
Zu allem sind Maßstäbe erforderlich.
Wer nicht an Schuld glaubt, sieht auch keine Pflicht, keine Maßstäbe für ein Wohl-/Fehlverhalten.

Gläubige lesen aus der Bibel viele Pflichten, sogar Forderungen heraus.
Damit lesen sie einen gewissen Druck und Freiheitseinschränkung heraus.
Daraus ergeben sich Konflikte zwischen zwei Willensrichtungen.

Tatsächlich will die Bibel doch nur eine Art Gebrauchsanleitung für ein langes glückliches Leben inkl. Auferstehungschance sein: Spr 14,12 Da ist ein Weg, der einem Menschen gerade erscheint, aber zuletzt sind es Wege des Todes.
Leider wird die Bibel oft als Grundlage für Machtgier missbraucht.
Die über tausend Seiten de Bibel enthalten nur wenige versteckte Botschaften von Gott als Generalschlüssel zur Beantwortung einiger wichtiger Lebensfragen. Wer diese Schlüssel findet, stellt fest, dass sie sehr gut passen.
Wohltätig ist des Geistes macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht. Wer die Vernunft ausschaltet, findet im Dunkeln den Schalter zum Wiedereinschalten nicht mehr. http://www.prueter.eu

Novas
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#113 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von Novas » Mi 28. Feb 2018, 23:57

Munro hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das muss man natürlich in einem christlich geprägten Forum, wie diesem etwas präzisieren. :)

Also konkret...
Ich glaube nicht an die Erbschuld des Einzelnen, und auch nicht an die Kollektivschuld der Menschheit.

Ich glaube aber an die Verantwortung jedes Einzelnen für sein Handeln, und so für seine Taten. Wenn man es so sehen will, dann gibt es sowohl Deliktfähigkeit als Schuld im Sinne von Verantwortung, aber nicht im Sinne von einer Kollektivschuld von Geburt an!

Daran glaube ich auch nicht!
Schon als Kind hat mich der Gedanke empört, dass es da so was wie die Erbsünde geben sollte!

Das ist auch nicht die authentische christliche Lehre. Hier ein Text darüber: Orthodox Christians don’t believe in Original Sin but rather Ancestral Sin und hier ein Podcast Ancestral Sin and Salvation die Lehre der Erbschuld gibt es so nur im westlichen Christentum und geht auf Augustinus zurück. Da müsste man sich mal genauer anschauen, wie er darauf kam, denn das hat sicher biografische Gründe.

closs
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#114 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von closs » Do 1. Mär 2018, 00:12

Novalis hat geschrieben:die Lehre der Erbschuld gibt es so nur im westlichen Christentum und geht auf Augustinus zurück.
Das Problem bei dieser Frage liegt in der Definition von "Schuld": Versteht man "Schuld" als "Ich habe etwas gemacht, was ich hätte vermeiden können" oder als "Schuld hat nichts damit zu tun, ob ich es hätte vermeiden können".

Im letzteren - und wie ich meine christlichen Sinn - ist "Schuld" ein wichtiger Begriff - aber wie soll das jemand verstehen, wenn in unserer Sprache "Schuld" ganz anders definiert ist. - Anders gesagt: Im heutigen, säkularen Sinn ist "Erbschuld" Quatsch - im fundamental-theologischen Sinn ist er wahr.

Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass die Kirchengeschichte zeigt, wie sehr man "Schuld" im fundamentalen und heutigen Sinn vermanscht hat, um Gewalt über die Menschen zu bekommen. - Das führt bis heute dazu, dass auch unter Theologen dieser Begriff sehr unterschiedlich gedeutet wird - was wiederum mit den unterschiedlichen Auffassungen darüber zu tun hat, ob Adam "etwas gemacht hat, was er hätte vermeiden können" oder eben NICHT.

Mit anderen Worten: Dieses Thema ist ein dickes Brett.

Munro
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#115 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von Munro » Do 1. Mär 2018, 02:50

Novalis hat geschrieben: die Lehre der Erbschuld gibt es so nur im westlichen Christentum und geht auf Augustinus zurück. Da müsste man sich mal genauer anschauen, wie er darauf kam, denn das hat sicher biografische Gründe.

Aha, jener Augustinus hat also diesen Unsinn mit der "Erbsünde" erfunden.
Das sieht ihm ähnlich!
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Janina
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#116 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von Janina » Do 1. Mär 2018, 07:00

closs hat geschrieben:Versteht man "Schuld" als "Ich habe etwas gemacht, was ich hätte vermeiden können"
Oder unterlassen, was ich hätte tun müssen.

closs hat geschrieben:Im letzteren - und wie ich meine christlichen Sinn - ist "Schuld" ein wichtiger Begriff - aber wie soll das jemand verstehen, wenn in unserer Sprache "Schuld" ganz anders definiert ist.
Ja!
Selbst "Schulden" bekommst du nicht zwingend vererbt.
Vielleicht gibt es "Erblast". Familienkulturbedingtes Fehlverhalten, das man einfach nicht loswird, obwohl man es doch besser machen wollte als die Vorfahren, und in dem Bestreben in genau den selben Trott driftet. Wie frei ist unser Wille wirklich?

closs
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#117 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von closs » Do 1. Mär 2018, 07:37

Janina hat geschrieben:Wie frei ist unser Wille wirklich?
Hier kommt aus meiner Sicht die prägnante Antwort von Arthur Schopenhauer (1788 – 1860): „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“

Insofern ist unsere heutige Willens- und Meinungs-Gesellschaft eine Tragikomödie - man macht sich was vor. - Natürlich ist die Alternative NICHT, nichts zu wollen, sondern alles mit sich machen zu lassen - aber man sollte schon wissen, in welch kleinem Rahmen man wollen kann.

Janina hat geschrieben: Familienkulturbedingtes Fehlverhalten, das man einfach nicht loswird, obwohl man es doch besser machen wollte als die Vorfahren, und in dem Bestreben in genau den selben Trott driftet.
Das werden viele auf der Sozialisations-Ebene begründen - was sicherlich zum Teil richtig ist. - Andererseits glaube ich ebenfalls, dass das, was biblisch als "Fluch über Generationen" bezeichnet wird, kompatibel sein kann mit dem, was sich hinter dem weiten Begriff der Epigenetik verbirgt.

Darüber habe ich im letzten November mal mit einem (forschenden) Neurologen gesprochen, der dies genauso sieht - immer unter dem Vorbehalt, dass man in Sachen Epigenetik sehr wenig weiß. - Er hat bspw. ausdrücklich bekräftigt, dass die 8-jährige Kriegs- und Gefangenschafts-Zeit meines Vaters nicht nur sozial, sondern auch epigenetisch auf mich übertragen wurde - in welcher Art auch immer.

"Wille" ist vermutlich das, was jeder in einem sanften Gewässer oder reißenden Fluss tun kann: Im 90°-Winkel nach rechts oder links schwimmen - ist ja schon mal was.

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Ska'ara
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#118 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von Ska'ara » Do 1. Mär 2018, 08:41

closs hat geschrieben:Das werden viele auf der Sozialisations-Ebene begründen - was sicherlich zum Teil richtig ist. - Andererseits glaube ich ebenfalls, dass das, was biblisch als "Fluch über Generationen" bezeichnet wird, kompatibel sein kann mit dem, was sich hinter dem weiten Begriff der Epigenetik verbirgt.

Darüber habe ich im letzten November mal mit einem (forschenden) Neurologen gesprochen, der dies genauso sieht - immer unter dem Vorbehalt, dass man in Sachen Epigenetik sehr wenig weiß. - Er hat bspw. ausdrücklich bekräftigt, dass die 8-jährige Kriegs- und Gefangenschafts-Zeit meines Vaters nicht nur sozial, sondern auch epigenetisch auf mich übertragen wurde - in welcher Art auch immer.
Wir sind nicht Gefangene unserer Anlagen, auch wenn die Gene an- und ausgeschaltet werden können (Epigenetik). Wir können dann durch bestimmte Erlebnisse Veranlagungen in uns spüren, aber wir müssen sie nicht ausleben. Wir können mit unseren Erlebnissen/Erfahrungen und Fähigkeiten alles wieder verändern, wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen. Mit Schuld setzen uns nicht gern auseinander, ist aber auch wieder etwas, dass wir möglicherweise epigenetisch weitergeben könnten, da starke Gefühle wie Angst etc. zu weiteren Verhaltensmustern führen kann, die Fehler begünstigen. Der Veranlagung nachzugeben, ist oft leichter als sie zu überschreiben. Das ist der freie Wille, es zu versuchen.

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#119 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von closs » Do 1. Mär 2018, 09:24

Ska'ara hat geschrieben:Wir können mit unseren Erlebnissen/Erfahrungen und Fähigkeiten alles wieder verändern, wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen.
Wir wissen doch gar nicht, womit wir uns NICHT bewusst auseinandersetzen. - Trotzdem: Natürlich tun wir einiges bewusst - aber wir sollten uns nicht einbilden, dass wir das, was uns ausmacht, im Griff haben können.

Ska'ara hat geschrieben:Der Veranlagung nachzugeben, ist oft leichter als sie zu überschreiben. Das ist der freie Wille, es zu versuchen.
Schon richtig. Aber was geht dem Willen voraus? Doch Bedürfnis - oder nicht? - Konkret:

Man muss zum Zahnarzt. "Will" man das? Nein. - Warum tut man es trotzdem? Weil man das Bedürfnis hat, etwas zu tun, von dem man erkennt, dass es gut ist, es zu tun. - Mit anderen Worten: Aus meiner Sicht ist "Wille" nicht mehr als das Instrument der Erkenntnis.

Was aber ist, wenn ich NICHT erkenne, dass es nicht gut ist, wenn ich am Tag eine Flasche Whiskey trinke? - Oder NICHT erkenne, dass meine berufliche Karriere nicht das eigentlich Wichtige ist? - Oder NICHT erkenne, dass es vollkommen egal ist, ob ich mit einem Dacia oder einem Rolls Royce unterwegs bin?

Insofern verstehe ich unter "Schuld" im christlich-fundamentalen Sinne die Unfähigkeit des Menschen, immer "gut" zu erkennen. - Das hat nichts zu tun mit "Ich habe etwas ausgefressen".

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Janina
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#120 Re: Ich glaube nicht an die Schuld

Beitrag von Janina » Do 1. Mär 2018, 09:39

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Wie frei ist unser Wille wirklich?
Hier kommt aus meiner Sicht die prägnante Antwort von Arthur Schopenhauer (1788 – 1860): „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“
Das mag wohl stimmen. Und wenn wir tun könnnen was wir wollen, dann fühlen wir uns frei. Wir haben also genau genommen im besten Fall Handlungsfreiheit. Willensfreiheit ist lediglich ein falsches Wort. Allerdings gibt es eine Willensbildung oder Meinungsbildung. Dazu trage ich vorher so viel wie möglich an Informationen zusammen. Im Idealfall bilden diese Informationen in Verbindung mit meiner Grundeinstellung (die ich mir wiederum nicht frei aussuchen kann, weil die schon gegeben ist) dann die Grundlage für meine Meinungs- und damit Willensfindung. Also brauchen wir zuerst Informationsfreiheit zwecks "freier" Willensbildung, und dann "Handlungsfreiheit zwecks "freier" Willensausführung.

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben: Familienkulturbedingtes Fehlverhalten, das man einfach nicht loswird, obwohl man es doch besser machen wollte als die Vorfahren, und in dem Bestreben in genau den selben Trott driftet.
Das werden viele auf der Sozialisations-Ebene begründen - was sicherlich zum Teil richtig ist.
Ja, vermutlich.

closs hat geschrieben:Andererseits glaube ich ebenfalls, dass das, was biblisch als "Fluch über Generationen" bezeichnet wird, kompatibel sein kann mit dem, was sich hinter dem weiten Begriff der Epigenetik verbirgt.
Ich denke, dass die biblischen Autoren lediglich den Effekt beschrieben haben, ohne was von Sozialisation oder Epigenetik zu verstehen.

closs hat geschrieben:Insofern verstehe ich unter "Schuld" im christlich-fundamentalen Sinne die Unfähigkeit des Menschen, immer "gut" zu erkennen. - Das hat nichts zu tun mit "Ich habe etwas ausgefressen".
Dann ist das aber eine blöde Wortwahl.
Denn genug Menschen verstehen genau DAS darunter. EIn dauerhaftes schlechtes Grundgewissen ohne Anlass.

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