Exegese - Segen oder Fluch?

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#11 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von closs » Fr 31. Jul 2015, 09:29

Münek hat geschrieben:Berger vermengt unzulässigerweise Glaube mit historischer Wissenschaft.
Das tut der heutige atheistische HKM-Mainstream auch - es stehen hier Weltanschauung gegen Weltanschauung.

Solange ein Wissenschaftler strenge wissenschaftliche Arbeit von eigener Weltanschauung trennen kann, ist es gut. - Diesbezüglich scheint mir Berger weiter zu sein als Augstein (und die Theologen, auf die er sich beruft).

Überhaupt sollte immer offensichtlicher werden, dass "Exegese" relativ wenig mit der Bibel und relativ viel mit den Weltanschauungen der Exegeten zu tun hat. - Die Bibel wird als Objekt genutzt, um subjektive Weltanschauungen zu belegen. - Das war übrigens schon immer so und ist auch bei den HKM-Theologen nicht anders.

R.F.
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#12 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von R.F. » Fr 31. Jul 2015, 22:25

Münek hat geschrieben: - - -
Berger vermengt unzulässigerweise Glaube mit historischer Wissenschaft. Wer sich einen solch groben
Schnitzer erlaubt, offenbart nach meiner Auffassung seine Inkompetenz.

Dieser "wackere" Theologe weiß im Übrigen selbst, dass er in seiner Außenseiter-Position von seinen Fach-
kollegen eher belächelt wird.
Woran liegt’s? Die Aussagen der Schrift sind weitgehend eindeutig, aber unerträglich. Da muss man Zweifel säen.

Ich wundere mich immer wieder, wie wenig sich an der Bibel Interessierte selbst an die Arbeit machen und die Schrift ohne geistige Klimmzüge lesen. Das tun übrigens auch Theologen. Deren Kommentare scheinen aber nur wenigen Mitwirkenden in den Foren bekannt zu sein.

Und zu den historischen Schriften der Bibel: Geschichtswerke enthalten genügend Anhaltspunkte für berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit der vereinbarten Chronologie...

Die Motive von gefälliger Exegese sind leicht auszumachen. Auch der Klaus Berger fürchtet sich, diese deutlicher zu benennen...

Münek hat geschrieben: Unter der Überschrift "Hat Jesus sich in seinem Termin geirrt?" äußerte sich der Theologe wie folgt:

" In dieser Gegenwart Gottes gelten nicht Uhr und Tag noch Jahr oder Jahrtausend. Nur eines gilt: Das Reich
Gottes hat schon begonnen... Der Countdown läuft in die Ewigkeit Gottes hinein. Dieses und nichts anderes
ist die Botschaft Jesu: dass wir geradezu hineingerissen werden in das Heranbrausen Gottes, dessen Thron
und Angesicht ganz nahe sind."


Das ist ein Zitat aus dem Buch "Jesus Menschensohn" von Rudolf Augstein. Augstein merkt nicht ohne Grund
süffisant an:

"Gott braust heran und sitzt auf dem Thron, bei Berger ist kein Ding unmöglich."

Tja, der liebe Berger ist schon ein "komischer Heiliger".
Würdest Du, lieber Heinz, etwas präzesieren, wer was gesagt hat...Kann aber auch sein, dass ich auf der Leitung stehe...

closs
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#13 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von closs » Fr 31. Jul 2015, 23:21

halman hat geschrieben:Exegese - Segen oder Fluch?
Um den Thread mal auf Basis des bisher Gesagten aufzunehmen:

Aus meiner Sicht ist Exegese ein Segen, weil nur durch Trial and Error (= Heilsgeschichte) geistige Entwicklung möglich ist - konkret an unserem Beispiel:

Die "positivistische Hermeneutik" hat ihre Zeit gehabt und auf reiner Sachebene Fortschritte gebracht (Quellen/Sprache/etc.) - somit wird keine "fromme" Exegese mehr postulieren können, dass etwa die uns vorliegenden Abschriften aus der Hand der Evangelisten stammen. - Das ist gut.

Weiterhin hat sich gezeigt, dass "positivistische Hermeneutik" nicht in der Lage sein kann, geistige Exegese zu betreiben - die Klarheit darüber ist ebenfalls ein Fortschritt.

Und so tritt die Exegese nun in eine nächste Phase, die bereits in den 70ger Jahre (siehe: Festschrift/Braun) benannt wurde, in Berger heute einen starken Fürsprecher hat und (mindestens) innerhalb der katholischen Universitäten bereits durch Benedikt installiert wurde. - Auch hierbei wird es wieder Fehler geben - und dann wird eben die nächste Phase kommen. - Per aspera ad astra.

Eins scheint allerdings auch klar zu sein: Exegese scheint nicht für "das Volk" geeignet zu sein, weil sie eher Spielball verschiedener weltanschaulicher Kräfte ist (wertfrei gemeint). - Da der positive Hermeneutiker, da der Christlich-Spirituelle, da der Sekten-Apodiktische - alle drei werden versuchen, Lehrstühle zu besetzen, um sich den Anspruch der Wissenschaftlichkeit zu sichern.

Es handelt sich hier weniger um ein Erkenntnis-Wettbewerb als um einen Macht-Kampf.

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#14 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von Münek » Sa 1. Aug 2015, 03:11

R.F. hat geschrieben:Würdest Du, lieber Heinz, etwas präzesieren, wer was gesagt hat...Kann aber auch sein, dass ich auf der Leitung stehe...

Erwin, Du stehst auf der Leitung.

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#15 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von Münek » Sa 1. Aug 2015, 04:09

closs hat geschrieben:Es handelt sich hier weniger um ein Erkenntnis-Wettbewerb als um einen Macht-Kampf.

Völliger Blödsinn. Es geht hier weder um einen Erkenntnis-Wettbewerb noch handelt sich hier um einen "Machtkampf".

Gegen wen sollten die an den theologischen Fakultäten forschenden und lehrenden Theologen in einen Wettbewerb treten wollen oder gar "kämpfen"? :o Wo und wer ist denn hier der Feind? :o Die Arena ist leer. Es ist doch stattdessen vielmehr so, dass vielen Gläubigen die Er-
gebnisse
der unvoreingenommen forschenden Neutestamentler aus ideologischen Gründen "gehörig gegen den Strich gehen".

In meinen Ohren klingt das so: "Die Theologen können ja die Bibel erforschen, aber wehe, wehe sie kommen zu Ergebnissen, die meinem Glauben widersprechen. Dann fehlt ihnen der "geistige Durchblick." ;)

Wer für unbedingte historische Ehrlichkeit und Wahrheit ist - und diese Wahrheit deckt sich eben oft nicht mit der von der Kirche dogmatisch propagierten "Glaubenswahrheit" - , sieht in der theologisch-wissenschaftlichen Forschung keinen "antichristlichen Feind", sondern vernünftige Aufklärung. Andere, mehr Unbedarfte, möchten zu gern die neutestamentliche Forschung zu einer "Hilfswissenschaft" degradieren - die sich gefälligst den Dogmen unterzuordnen hat. Dass diese dann ihren wissenschaftlichen Status verlöre, kratzt sie nicht.

Die Wissenschaft als Magd der Theologie - jaja, so hätten sie es gern. :lol: :lol: Aber diese frommen Wünsche sind realitätsfremd und werden sich nicht erfüllen....Die historisch-kritische Wissenschaft steht wie ein "Fels in der Brandung" im Meer der Glaubensgewissheiten!

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sven23
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#16 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von sven23 » Sa 1. Aug 2015, 08:27

closs hat geschrieben: Das tut der heutige atheistische HKM-Mainstream auch - es stehen hier Weltanschauung gegen Weltanschauung.
Ich glaube, da bist du gründlich auf dem Holzweg. Du läßt völlig außer Acht, daß es viele Theologen gibt, die an einem Gottesglauben festhalten, aber die biblische Jesusfigur auf Grund der Erkenntnisse, die die HKM gebracht hat, äußerst kritisch sehen. Diese Skepsis ist imo auch angebracht.
Auch die Kirche hat schon sehr früh erkannt, daß der biblische Jesus nur mit Glaubensdogmen aufrecht zu erhalten ist. Diese Dogmen hat sie über Jahrhunderte mit Klauen und Zähnen verteidigt. Wehe dem, der Zweifel äußerte.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#17 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von closs » Sa 1. Aug 2015, 10:52

Münek hat geschrieben: Es geht hier weder um einen Erkenntnis-Wettbewerb
Das tut es immer - Wissenschaft ist immer ein Wettbeweb um Erkenntnis.

Münek hat geschrieben: noch handelt sich hier um einen "Machtkampf".
Doch - das kannst Du an den verschiedenen exegetischen Strömungen ablesen.

Münek hat geschrieben:Gegen wen sollten die an den theologischen Fakultäten forschenden und lehrenden Theologen in einen Wettbewerb treten wollen oder gar "kämpfen"?
Es ist ein Kampf untereinander - ein Kubitza und ein Berger stehen in einem Kampf um die "richtige" Exegese.

Münek hat geschrieben:sieht in der theologisch-wissenschaftlichen Forschung keinen "antichristlichen Feind", sondern vernünftige Aufklärung.
Diesen Satz würde sowohl Kubitza als auch Berger unterschreiben.

Münek hat geschrieben:Andere, mehr Unbedarfte, möchten zu gern die neutestamentliche Forschung zu einer "Hilfswissenschaft" degradieren
Nicht die NT-Forschung, sondern die HKM. - Mechaniker eines Formel-1-Teams sind unverzichtbar (= HKM), sitzen aber nicht im Cockpit (= Theologie). - HKM ist nicht DIE Theologie, sondern ein Bestandteil der Theologie.

Das geistig "Unbedarfte" scheint darin zu liegen, dass man zwischen Schrauben und Fahren nicht mehr unterscheidet.

Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Wissenschaft steht wie ein "Fels in der Brandung" im Meer der Glaubensgewissheiten!
Nein - nicht im Meer, sondern auf dem Land.

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#18 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von closs » Sa 1. Aug 2015, 10:59

sven23 hat geschrieben: Du läßt völlig außer Acht, daß es viele Theologen gibt, die an einem Gottesglauben festhalten, aber die biblische Jesusfigur auf Grund der Erkenntnisse, die die HKM gebracht hat, äußerst kritisch sehen.
Wenn man die HKM in der vorgetragenen Form zur Basis des Jesus-Verständnisses macht, kommt man ins Stolpern - das ist richtig. - Dein Theissen-Zitat im anderen Thread, das ich als "bitter" bis "katastrophal" bezeichnet habe, zeigt jedoch, dass man Beobachtung und Schlussfolgerungen daraus trennen muss - denn wie wir gesehen haben, könnte man aus HKM-Beobachtungen exakt auf das Gegenteil schließen.

sven23 hat geschrieben:Auch die Kirche hat schon sehr früh erkannt, daß der biblische Jesus nur mit Glaubensdogmen aufrecht zu erhalten ist.
Da ist schon was dran (wobei - nebenbei - der Begriff "Dogma" nicht nur Kampfbegriff ist, sondern tatsächlich etwas zu bedeuten hat). - Es ist deshalb was dran, weil es keinen historisch vernünftig darstellbaren Jesus gibt (es sei denn, man ideologisiert die HKM mit genauso weitreichenden wie zweifelhaften SChlussfolgerungen).

sven23 hat geschrieben:Wehe dem, der Zweifel äußerte.
Das ist heute nicht zutrefffend. - Innerhalb der christlichen Theologie wird durchaus kontrovers diskutiert.

R.F.
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#19 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von R.F. » Sa 1. Aug 2015, 12:12

Münek hat geschrieben: - - -
Gegen wen sollten die an den theologischen Fakultäten forschenden und lehrenden Theologen in einen Wettbewerb treten wollen oder gar "kämpfen"? :o Wo und wer ist denn hier der Feind? :o Die Arena ist leer. Es ist doch stattdessen vielmehr so, dass vielen Gläubigen die Er-
gebnisse
der unvoreingenommen forschenden Neutestamentler aus ideologischen Gründen "gehörig gegen den Strich gehen".

In meinen Ohren klingt das so: "Die Theologen können ja die Bibel erforschen, aber wehe, wehe sie kommen zu Ergebnissen, die meinem Glauben widersprechen. Dann fehlt ihnen der "geistige Durchblick." ;)
- - -
Auch Leute wie Berger stehen auf der selben Seite wie die überwältigende Mehrheit der Theologen. Es sind lediglich Nuancen, die Berger und Gleichgesinnte von den Vertretern der historisch-kritischen “Theologie” unterscheiden. Eine wirkliche Autorität, die sich gegen das System stellt, ist zur Zeit noch nicht sichtbar.

Sind die historischen Kenntnisse der meisten Naturwissenschaftler erbärmlich, sind die der heutigen Theologen kaum besser. Die meisten unter ihnen sind zu einer Analyse der Zeitsituation nicht in der Lage, vielleicht aus Feigheit auch nicht willens...

Die historisch-kritische Theologie hat sich völlig verrannt. Das aber stört die Mächtigen und Reichen nicht im geringsten. Übrigens wünschen mindestens 90 % der Christen, dass das Gegenwärtige noch um die fünf Milliarden Jahre bestehen möge...

Der Gegenschlag kommt überraschend, Vorboten sind allerdings schon geraume Zeit auszumachen. Vielleicht mal etwas mehr die Nachrichten verfolgen, lieber Heinz, historische Vergleiche anstellen, und dazu - wenn’s auch noch so weh tut -, mal die Vorhersagen etwas näher in Augenschein zu nehmen.

R.F.
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#20 Re: Exegese - Segen oder Fluch?

Beitrag von R.F. » Sa 1. Aug 2015, 12:23

closs hat geschrieben: - - -
sven23 hat geschrieben:Wehe dem, der Zweifel äußerte.
Das ist heute nicht zutrefffend. - Innerhalb der christlichen Theologie wird durchaus kontrovers diskutiert.
Ja, meist über belanglose Details.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Schriften wurden noch während des ersten Jahrhunderts gesät, später kam die “Aufklärung”. Kaum ein Theologe nimmt die Schrift eins zu eins. Die Fähigkeiten der Menschen, alles zu zerreden, ist unerschöpflich.

Natürlich kann nicht alles öffentlich in Abrede gestellt werden, was die Schrift sagt. Von irgendwas muss die Theologie ja leben...

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