Du meinst, was es mit dem Menschen tut, der einen anderen Menschen tötet? Ja, in der Tat. Das gehört mit zur einsatzvorbereitenden Ausbildung, die man vor jedem Auslandeinsatz durchlaufen muss. Dass man im Einsatz besonderen Belastungen ausgesetzt ist, Dinge sieht und in Situationen kommt, mit denen man sich nicht auseinandersetzen will, dann aber muss, ist schließlich keine Außergewöhnlichkeit. Es gibt schon im Voraus, sogar schon bevor man eingestellt wird, Gespräche mit Psychologen, die einen auch ganz gezielt auf dieses Thema lenken, einem aufzeigen was passieren kann und könnte und hinterfragen, ob und wie man sich in bestimmten Situationen verhalten würde und warum. Gleichzeitig wird aber auch dafür sensibilisiert, was mit einem selbst dabei und danach passieren kann und was für langfristige Auswirkungen das hat - Stichwort PTBS - und im selben Zuge darauf verwiesen, wem man sich nach seinem Einsatz in solchen Fällen anvertrauen kann, bzw., wo man Hilfe bekommt, wenn man selbst merkt, dass man daran kaputt geht. So stumpf, wie man es ihnen oft unterstellt, sind Soldaten nicht (mehr).barbara hat geschrieben:Aber man muss nicht jeden Tag auf Pappkameraden schießen.
Wird bei euch als Teil der Ausbildung darüber gesprochen, was das Töten von Menschen mit einem Menschen tut?
Ja, das ist richtig. Trotzdem ist es nicht möglich, Wehrdienstleistende bis zu einem gewissen Ausbildungsniveau in den Einsatz zu schicken. Das ist erst ab dem 16. Dienstmonat möglich, wenn man es stark verdichtet vielleicht schon ab dem 12. Dienstmonat. Davor macht es keinen Sinn, weil der Soldat einfach noch nicht fertig ausgebildet ist und eine Gefahr für andere und sich selbst darstellen würde. Im Verteidigungsfall wäre das natürlich nochmal eine andere Sache, dass Deutschland seine Mauern verteidigen muss ist aber in nächster Zeit nicht absehbar.barbara hat geschrieben:Während des kalten Krieges musste der Wehrdienstleistende wirklich damit rechnen, im Ernstfall ausrücken zu müssen. Heute ist das - Gott sei dank - aber nicht mehr so.
Wenn ich mir den Zustand der Welt ansehe: bete drum, dass es so bleibt. Kriegsgeschrei scheint im Moment ja grad wieder sehr in zu sein, nicht zuletzt in den Medien, die im Fall Ukraine/Putin nach Konsequenz, harten Händen und allem möglichen andern Unsinn schreien, die Idioten.
Aus militärhistorischer Sicht betrachtet trotzdem fragwürdig. Wir haben nicht mehr die großen stehenden Heere der früheren Jahrhunderte, wo Menschenmassen in Schützenreihen aufeinander schossen und die Unteroffiziere hinten dran standen und sich um die kümmerten, die ausbüchsen wollten. Wir haben kleine, mobilisierte Trupps von Spezialisten, die selbstständig und flexibel agieren. Erstens ist dadurch das Risiko des Desertierens an sich bereits recht gering, da das Ausbildungsniveau entsprechend hoch ist und es sich um keine Wehrdienstleistenden handelt, die erst seit ein paar Monaten ein Gewehr tragen. Zweitens würde man es unter Umständen gar nicht gleich bemerken, wenn sich im Orts- und Häuserkampf ein Teamkollege aus dem Staub macht.barbara hat geschrieben:Nur eine Anmerkung am Rande: bei der Bundeswehr wird niemand als Feigling erschossen. Wir sind nicht mehr im 19. Jahrhundert.
Sobald wieder ernsthaft Krieg ist, werden auch wieder ernsthaft Deserteure erschossen werden. Wie in allen Kriegen. Das hat nichts mit dem Jahrhundert zu tun, sondern mit der globalen politischen Situation eines Landes. Ich nehm an, du hast den Clauswitz gelesen und weisst, dass du ein Soldat ein Werkzeug der Politik bist?

Wie man später nach Aufgreifen des Deserteurs mit ihm verfahren würde, wäre natürlich eine andere Sache, allerdings ist die Todesstrafe bei uns sowohl zivil- wie auch wehrrechtlich nicht konform. Ich stimme dir allerdings zu, dass Menschen sich in Extrem-Situationen auch extrem verhalten können. Prinzipiell sage ich aber trotzdem, dass wir im Regelfall keine Fahnenflüchtigen erschießen.
Bitte keine Aussagen aus dem Kontext reißen!barbara hat geschrieben:Der Einsatz von Drohnen dient dem Schutz von Menschenleben. So ironisch das jetzt für viele auch klingen mag.
nein, Drohnen werden dazu benutzt, um Menschen zu töten. Und wie du sicher weisst, oft auch Zivilisten, Unbeteiligte, Leute, die überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun haben. alles andere ist eine Rationalisierung.
Cratz3r hat geschrieben:Wenn wir wirklich nur vor dem Bildschirm sitzend Angst und Schrecken verbreiten wollten, dann würden wir lediglich die Artillerie und ein paar Sicherungstruppen zu deren Schutz in den Einsatz schicken. Und dann alles wegbomben was uns nicht ins Bild passt. Tun wir aber nicht.
Drohnen sind ein Fortschritt. Würden wir uns wie in den letzten Jahrhunderten nur auf die Artillerie verlassen, dann würden wir viel mehr Zivilisten, Unbeteiligte, Leute, die überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun haben, töten. Drohnen wurden nicht eingeführt, um uns das Leben leichter zu machen (dazu reicht eine Panzerhaubhitze oder ein Flieger mit einer Bombe), sondern um die Schäden an Unbeteiligten zu verringern.Cratz3r hat geschrieben:Drohnen werden hingegen eingeführt, um gezielter handeln zu können. Auf Basis von Echtzeit-Informationen kann man viel genauer Entscheidungen treffen und diese im Zweifelsfall auch in letzter Sekunde wieder revidieren - einfach, weil man nicht nur seine Karte mit einem roten Kreuz hat, sondern sieht, was bekämpft werden soll.
Dir ist mit Sicherheit die Bombardierung bei Kunduz durch Oberst Klein 2009 ein Begriff? Das ist ein sehr komplexer Fall, in dem es auch viele unschuldige Tote gab, er hatte aber auch gewisse Gründe um zu handeln. Mir geht es hier jetzt gar nicht um die Schuldfrage oder eine Debatte ob die Entscheidung richtig war. Aber stell dir doch mal vor, wie die Situation ausgesehen hätte, wenn er damals Kampfdrohnen zur Verfügung gehabt hätte. Nur als kleiner Gedankenanstoß...
So war das in der Tat einmal. Heute befinden wir uns aber fast ausschließlich in nicht-linearen Konflikten. Das bedeutet, der Feind ist (zum Beispiel in Afghanistan, dem Irak oder im Gaza-Streifen) quasi überall und versteckt sich zwischen Zivilisten, greift aus dem Hinterhalt an und kämpft mittels irrationaler Kräfte. Oft kämpft er auch gar nicht selbst, sondern hinterlässt nur explosive Überraschungen. Die Zeiten, in denen zwei Fronten sich gegenüber standen und gegeneinander kämpften, sind vorbei (was unsere Jungs in Afghanistan leider auch erst schmerzhaft lernen mussten). Der Feind hat in diesen Fällen nicht mal mehr einen Ehrenkodex. Beispielsweise ist im Kriegsrecht festgeschrieben, dass Fahrzeuge mit der Markierung rotes Kreuz auf weißem Grund, also Sanitätsfahrzeuge, nicht beschossen werden dürfen. In Afghanistan war jedoch die Erfahrung, dass diese Fahrzeuge fast schon Zielscheiben waren und gezielt als erste angegriffen wurden. Deshalb werden die Markierungen nun in Auslandeinsätzen entfernt. Genau so ist es mit dem Verbot von Folter. Mit der bewussten Inkaufnahme von zivilen Opfern, beispielsweise durch Selbstmordattentate. Da werden Sprengkörper in alten Cola-Dosen versteckt und Autorahmen ausgehöhlt und mit Flüssigsprengstoff gefüllt. Der Feind hat keinen Kodex sondern kämpft feige und mit schmierigen Methoden. Er ist vom klassischen Denken "Mann gegen Mann" schon lange weg gekommen, und wenn wir uns nicht selbst aufopfern bzw. ebensoviele unschuldige Opfer inkaufnehmen wollen, dann müssen auch wir in einem gewissen Rahmen davon abweichen - zum Beispiel durch Drohnen.barbara hat geschrieben:Gehört es nicht zum militärischen Ehrenkodex, dass ein Soldat, der einen andern umbringt, sich wenigstens so sehr selbst in Gefahr bringt, dass auch er im Falle eines Falles umgebracht werden könnte? Dass es eine gewisse Gleichheit der Chancen gibt?
Wir werden nicht darauf ausgebildet, Zivilisten "abzuknallen" oder unterzählige Gegner zu massakrieren. Es gibt das Kriegsrecht. An dieses sind wir gebunden. Nach diesem ist das Morden an sich ausgeschlossen. Natürlich gibt es immer negativ-Beispiele und Ausreißer. Aber das sind Einzelfälle von Individuen. Zu unterstellen, wir würden in andere Länder gehen und von vornherein gewisse Dinge beabsichtigen bzw. tun, ist eine schwere Anschuldigung. Gerade die Deutschen sind in Kriegseinsätzen immer noch überaus zurückhaltend, hauptsächlich auch wegen ihrer Vergangenheit. Dass bei anderen Armeen, besonders dem amerikanischen Militär, immer wieder Dinge passieren, die nicht passieren dürfen, ist mir bewusst. Von der Bundeswehr ist mir jedoch kein einziger solcher Fall bekannt.barbara hat geschrieben:Die Verwendung dieses Begriffs ist reine Polemik, im besten Falle eine aus Unwissenheit erwachsene grobe sprachliche Ungenauigkeit.
Mord ist im juristischen Sinne wie folgt definiert:
Wie man an der Ukraine sieht, oder an Syrien, oder an irgend einem andern der zahlreichen stattfindenden Kriege, dauert es nicht lang in den Krieg hinein, bis Morden ein Problem wird. Gerade bei Vietnam ist das gut dokumentiert.
Es mag ja in der Tat Menschen geben, die den Spagat schaffen; die als Soldaten töten können, und das im vollen Bewusstsein dessen, was sie tun, und ihren Frieden damit finden.
Meist ist die Wahl militärischer Führung allerdings: man muss, wie du sagst, eine Parallelgesellschaft schaffen und Reflexe konditionieren, udn womöglihc auch noch durch gewisse Formen von Konsum so nachhelfen, sodass der Soldat nicht denkt und auch nicht fühlt, was er da tut; oder man kriegt entfesselte Killer. Siehe zB Odessa 2014.