Parusieverzögerung II

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Savonlinna
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#911 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Di 2. Jun 2015, 10:44

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Für Dich ist dein "System" ein gedeckter Scheck
Eigentlich ist das nicht meine Aussage. - Meine Aussage ist, dass Existenz für sich spricht und über unserer zufälligen Wahrnehmung von Existenz steht.
In einem gewissen Sinn gebe ich Dir Recht:
Wenn Mensch A Mensch B völlig falsch beurteilt, bleibt Mensch B, was er ist. Das, was er ist, bleibt, unabhängig von dem, wie ich ihn missverstehe.

Aber, und hier unterscheiden wir uns: Es gibt kein „Richtig Beurteilen“.
Auch idealiter nicht.

Du behauptest aber, dass es das gibt, belegst es zur Not mit der Bibel – aber mein Weg ist der der Wissenschaft.
Schon darum ist das mein Weg, weil mit Deiner Behauptung eine Möglichkeit AUSGESCHLOSSEN wird: dass die Wahrheit gerade darin liegen könnte, dass Einzelindividuuen in sich nicht abgeschlossen sind, sondern miteinander, einander beeinflussend, verbunden sind.

Dennoch halte ich es für extrem wichtig, die „Unverletzbarkeit“ des Individuums zu verteidigen, und die wird mit Deiner Gottesvorstellung unterstützt. Alles habe seinen Eigenwert, darf nicht instrumentalisiert werden, darf nicht nach Belieben verändert werden.

Philosophisch gesehen aber wird das nicht dadurch eingeschränkt, dass einiges oder gar vieles, was ein Individuum in dessen Eigenauslegung als individuell versteht, kollektiv sein kann und durch diese Erkenntnis sich auch als Individuum verändert.
Das heißt, das, was wir als „Individuum“ verstehen, ist ein flüssiger Begriff, der Inhalt verändert sich ständig.
Philosophisch gesehen muss dieser Flüssigkeit der Inhalte von Begrffen sprachlich Rechnung getragen werden.

Das bedeutet andererseits aber AUCH nicht, dass das Wort „Phänomen“, das Du öfter benutzt und das ich letztlich auch für sehr zentral halte, nicht eine wichtige Rolle spielt.
Jedes Phänomen ist, was es ist. Ich habe es als das, was es ist, zu respektieren.
Wenn ein uralter Mann am Kaffeetisch viele Figuren wahrnimmt, die um ihn herumstehen, dann ist das, wie es ist. Was es „bedeutet“, weiß ich ja nicht. Welchen Sinn es in seinem Alter macht, auch nicht.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Di 2. Jun 2015, 11:16, insgesamt 1-mal geändert.

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Zeus
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#912 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Zeus » Di 2. Jun 2015, 11:05

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Meine Ahnung hatte mich also nicht getäuscht, als ich schrieb: closses Eisegese [alias "weite Zusammenhänge"] dürfte man nicht unbedingt explizit in der Bibel finden, womit sich dann Google zwangsläufig als unnütz erweist.
Wir müssen aufpassen, dass unsere Gesellschaft nicht noch mehr zur Kleinkind-Gesellschaft wird.
Aber Jesus selbst soll doch gesagt haben. "Wahrlich, ich sage euch: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen." (Matthäus 18.3). Somit wäre unsere Gesellschaft doch auf dem richtigen Weg. Gelle?
closs hat geschrieben:Man konsumiert, egal ob Rinder-MAcs oder professorale Bibel-Auslegungen, hat aber zur Bibel ein inneres Verhältnis wie Milka zu Kühen.
Wenn das richtig verstehe, dann glaubt der liebe closs, in der Lage zu sein, dank seines "inneren Verhältnisses" zur Bibel, professioneller Bibelauslegung fähig zu sein.
Lieber closs, worauf gründet sich dein "inneres Verhältnis" zur Sammlung von Märchen, Mythen, Sagen und Geschichten eines halb-nomadischen Kleintier-züchtenden relativ ignoranten, Bronze-zeitlichen in Palästina sein Unwesen treibenden - Lieblingsbeschäftigung: Nachbarstämme zu überfallen, zu plündern und zu morden, meistens auf Befehl des gerechten Gottes Jahwe - unbedeutenden Stammes ?
Zeus hat geschrieben: Wenn der Mensch ein Sünder ist, aber eben auch das Ebenbild Gottes: Müsste dann nicht auch Gott ein Sünder sein?
closs hat geschrieben: Von wem auch immer dieser Satz stammt: Das sind genau diese Sätze, die meine obige Aussage bestätigen.
Die Frage entbehrt nicht einer gewissen Logik. Oder?
Kannst du sie beantworten?
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#913 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Di 2. Jun 2015, 11:33

Savonlinna hat geschrieben:Aber, und hier unterscheiden wir uns: Es gibt kein „Richtig Beurteilen“.
Da sind wir uns EINIG - das ist doch meine Rede seit 1848. - Aus Sicht des Menschen und dessen Wahrnehmung gibt es KEINE Garantie auf "richtig beurteilen" - insofern gibt es eine (ob heideggersche oder nicht) "ontologische Differenz" zwischen "dem, was es ist" und "dem, was wir meinen, dass es ist". - Genau das ist meine Kernaussage.

Das "Aber" besteht darin, dass "das, was wir meinen" (Subjekt) wenig oder viel mit "dem, was ist" (Objekt) zu tun haben kann. Hilfreich zur Qualifizierung eigener Wahrnehmung sind Wahrnehmungs-Systeme (also ALLE Systeme) - die Naturwissenschaft ist das dafür intersubjektiv geeignetste System(in Bezug auf das, was sie system-definiert erreichen kann). - Hilfreich ist subjektiv das, was einem als innere Klarheit erscheint - aber eben nicht intersubjektiv.

Savonlinna hat geschrieben:Du behauptest aber, dass es das gibt, belegst es zur Not mit der Bibel
Richtig - man vermutet/behauptet/glaubt etwas aus innerer Klarheit und sucht nach Resonanz in vorliegenden SChriften oder menschlichen Erfahrungen anderer. Man erhält Belege, aber keinen Nachweis.

Savonlinna hat geschrieben: aber mein Weg ist der der Wissenschaft.
Genau das verstehe ich aus Deinem Mund NICHT. - Welche Rolle spiel Wissenschaft in Deinem Denken des Panta Rhei?

Savonlinna hat geschrieben:Das heißt, das, was wir als „Individuum“ verstehen, ist ein flüssiger Begriff, der Inhalt verändert sich ständig.
Einverstanden - aber das, was "flüssig" ist, ist nicht der unverwechselbare Kern des "Ich rufe Dich bei Deinem Namen". - Erklärung: Ein Kafka-Freund hat mir mal Kafka so erklärt: Man stelle sich einen See vor, der weder Zufluss noch Abfluss hat und immer gleich "ist". - Bei jedem Wetter, jeder Jahreszeit, jedem Licht sieht dieser See anders aus - das "Flüssige" ist die Betrachtung/Wahrnehmung/Selbst-Wahrnehmung/die unterschiedlichen Wellenspiele unter unterschiedlichen Bedingungen. - Da ich kein Kafka-Kenner bin, reiche ich die Frage weiter, ob Du diesem Kafka-Freund zustimmen würdest.

Savonlinna hat geschrieben:Philosophisch gesehen muss diese Flüssigkeit der Inhalte von Begrfffen sprachlich Rechnung getragen werden.
Auch einverstanden - man hat ja nichts anderes als das, was sich wechselhaft zeigt.

Savonlinna hat geschrieben:Das bedeutet andererseits aber AUCH nicht, dass das Wort „Phänomen“, das Du öfter benutzt und das ich letztlich auch für sehr zentral halte, nicht eine wichtige Rolle spielt.
Das "Phänomen" wäre aus meiner Sicht die Konstante, die als solche nicht erkannt werden kann, da ihre Wurzel außerhalb unserer Wahrnehmung ist.

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#914 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Di 2. Jun 2015, 11:38

Zeus hat geschrieben: Somit wäre unsere Gesellschaft doch auf dem richtigen Weg. Gelle?
Rückkehr zu Kindlichkeit und Infantilisierung im Nadelstreifen sind verschiedene Dinge. - Lies mal im Feuilleton der letzten ZEIT nach - da ist ein toller Artikel zu unserer Infantilisierung (hat mich angeregt, es hier anzubringen).

Zeus hat geschrieben:Wenn das richtig verstehe, dann glaubt der liebe closs, in der Lage zu sein, dank seines "inneren Verhältnisses" zur Bibel, professioneller Bibelauslegung fähig zu sein.
Nein - nicht professionell - aber substantiell.

Zeus hat geschrieben:Die Frage entbehrt nicht einer gewissen Logik. Oder? Kannst du sie beantworten?
SEHR leicht. - Wenn sich das Ebenbild von den Idealen seines Ursprungs entfernt und deshalb "sündig" genannt wird, werden damit nicht die Ideale sündig.

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Savonlinna
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#915 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Di 2. Jun 2015, 12:23

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber, und hier unterscheiden wir uns: Es gibt kein „Richtig Beurteilen“.
Da sind wir uns EINIG - das ist doch meine Rede seit 1848. - Aus Sicht des Menschen und dessen Wahrnehmung gibt es KEINE Garantie auf "richtig beurteilen" - insofern gibt es eine (ob heideggersche oder nicht) "ontologische Differenz" zwischen "dem, was es ist" und "dem, was wir meinen, dass es ist". - Genau das ist meine Kernaussage.
Du "bestätigst" mich erneut, indem Du meine Aussage in Deinem Sinne verfälschst.
Wo habe ich geschrieben "aus Sicht des Menschen"?

closs hat geschrieben: Das "Aber" besteht darin, dass "das, was wir meinen" (Subjekt) wenig oder viel mit "dem, was ist" (Objekt) zu tun haben kann.
Du redest jetzt wieder so, als hätte ich nicht ein einziges Wort geschrieben.
Eigentlich hatte ich gehofft, nun - vor Deinem Urlaub - eine Synthese zwischen unseren Aussagen gefunden zu haben, aber Du wiederholst Deine Überzeugung unverändert wie seit 1848. Null lernfähig. Null reflexionsfähig.
Sorry wegen meiner Enttäuschung.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du behauptest aber, dass es das gibt, belegst es zur Not mit der Bibel
Richtig - man vermutet/behauptet/glaubt etwas aus innerer Klarheit und sucht nach Resonanz in vorliegenden SChriften oder menschlichen Erfahrungen anderer. Man erhält Belege, aber keinen Nachweis.
Deine "innere Klarheit" ist ein Selbstbetrug. Du selber bist das deutlichste Beispiel dafür, dass menschlich Subjektives nicht abstreifbar ist.
Aber das scheint so zwanghaft und triebhaft bei Dir zu sein, dass Selbstreflexion für Dich offenbar nicht möglich ist.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: aber mein Weg ist der der Wissenschaft.
Genau das verstehe ich aus Deinem Mund NICHT. - Welche Rolle spiel Wissenschaft in Deinem Denken des Panta Rhei?
Die Wissenschaft muss dem Rechnung tragen, dass es keine "festen Begriffe" gibt. Dass Begriffe analysierbar auf ihre semantischen Merkmale hin sind und dass diese nicht objektivierbar sind.
Das tut die Wissenschaft ja auch. Nur Du glaubst noch wie im Mittelalter an nicht-menschliche Begriffe.
Damit hast Du Dich aus wissenschaftlichem Denken herauskatapultiert, denn keine Wissenschaft heute ignoriert die Tatsache, dass sprachliche Systeme menschengemacht sind.

Das trifft auch auf Deine Aussagen zu. Und vor allem auf Deine. Da wird Glaube zur unkritischen Zwangsüberzeung, dass die eigene Subjektivität nicht-menschlich sei.
Aber ist eben auch eine Erkenntnis, durch die ich durch muss. Selbst wenn ich so enttäuscht bin.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das heißt, das, was wir als „Individuum“ verstehen, ist ein flüssiger Begriff, der Inhalt verändert sich ständig.
Einverstanden - aber das, was "flüssig" ist, ist nicht der unverwechselbare Kern des "Ich rufe Dich bei Deinem Namen". - Erklärung: Ein Kafka-Freund hat mir mal Kafka so erklärt: Man stelle sich einen See vor, der weder Zufluss noch Abfluss hat und immer gleich "ist". - Bei jedem Wetter, jeder Jahreszeit, jedem Licht sieht dieser See anders aus - das "Flüssige" ist die Betrachtung/Wahrnehmung/Selbst-Wahrnehmung/die unterschiedlichen Wellenspiele unter unterschiedlichen Bedingungen. - Da ich kein Kafka-Kenner bin, reiche ich die Frage weiter, ob Du diesem Kafka-Freund zustimmen würdest.
Ich habe so eine Aussage von Kafka noch nicht vorgefunden.
Aber die Aussage ist grundfalsch, weil "See" nur ein Wort ist. Nur das Wort macht einen See zum See.

Gute Reise, closs. Ich mag Dich trotzdem.

Pluto
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#916 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Pluto » Di 2. Jun 2015, 12:26

Savonlinna hat geschrieben:Wenn ein uralter Mann am Kaffeetisch viele Figuren wahrnimmt, die um ihn herumstehen, dann ist das, wie es ist. Was es „bedeutet“, weiß ich ja nicht. Welchen Sinn es in seinem Alter macht, auch nicht.
"wahrnimmt" ist her möglicherweise das falsche Wort. Er glaubt diese Figuren wahrzunehmen, ist vielleicht treffender (es sei denn die Figuren sind intersubjektiv feststellbar).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#917 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Di 2. Jun 2015, 12:29

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wenn ein uralter Mann am Kaffeetisch viele Figuren wahrnimmt, die um ihn herumstehen, dann ist das, wie es ist. Was es „bedeutet“, weiß ich ja nicht. Welchen Sinn es in seinem Alter macht, auch nicht.
"wahrnimmt" ist her möglicherweise das falsche Wort. Er glaubt diese Figuren wahrzunehmen, ist vielleicht treffender (es sei denn die Figuren sind intersubjektiv feststellbar).
Ich darf doch anderer Meinung sein als Du, Pluto?
Er nimmt sie wahr, aus. Punkt.

Pluto
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#918 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Pluto » Di 2. Jun 2015, 12:32

Savonlinna hat geschrieben:Ich darf doch anderer Meinung sein als Du, Pluto?
Selbstverständlich darfst du eine andere Meinung vertreten...
Savonlinna hat geschrieben:Er nimmt sie wahr, aus. Punkt.
...selbst wenn sie sich bei genauerer Betrachtung als falsch herausstellt. :P
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#919 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Di 2. Jun 2015, 12:48

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich darf doch anderer Meinung sein als Du, Pluto?
Selbstverständlich darfst du eine andere Meinung vertreten...
Savonlinna hat geschrieben:Er nimmt sie wahr, aus. Punkt.
...selbst wenn sie sich bei genauerer Betrachtung als falsch herausstellt. :P
Wir wollen doch nicht im Ernst streiten wegen Deiner Einteilung in "wahr" und "falsch"?

Dieses Spielchen hast Du mit closs über Jahre gespielt, wie es scheint. "Du siehst das falsch". "Du musst so denken, weil du Naturalist bist". "Nein, du siehst das falsch." Und das über Monate oder Jahre, in ewig gleichem Ablauf.
Und keiner scheint dessen je müde geworden zu sein.
Ich bin dessen jetzt schon müde.

Samantha

#920 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Samantha » Di 2. Jun 2015, 12:50

Es gibt keine eigene Meinung, nur die Meinung der Wissenschaft oder die Meinung Gottes - soweit sie sich unterscheiden. Alles andere hat sich dieser Meinung unterzuordnen und gilt als falsch. Irgendwie versucht der Mensch immer gleichgeschaltet zu sein - alles andere verursacht Streit.

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