Markus-Evangelium

Themen des Neuen Testaments
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#281 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von closs » Mi 23. Aug 2017, 16:22

Pluto hat geschrieben:Das Wort suggeriert beim Hörer/Leser Gewissheit.
Das kann Gewissheit des Subjekts sein - richtig. Aber es kann natürlich objektiv grottenfalsch sein.

Bsp: Wenn Gott "ist", ist die Gewissheit des Glaubens für die Tonne. - Wenn Teleologie "ist", ist die Gewissheit keiner Teleologie für die Tonne (siehe dazu Thomas).

Pluto hat geschrieben:Warum kannst du nicht Vermutung sagen, wie es sich gehört?
Weil "Vermutung" eine Spezifizierung von "Für-wahr-Halten" ist - auch "Spekulation" ist ein "Für-wahr-Halten". - Auch naturwissenschaftliche Ergebnisse sind "Für-wahr-Halten". - Natürlich kann man diese verschiedenen Arten des "Für-wahr-Haltens" spezifizieren - meinetwegen mit
* methodisches Ergebnis
* Glaube
* Vermutung
* Spekulation

Pluto hat geschrieben:Dann kann er es erst recht nicht wissen.
Ihm geht es ausschließlich um das Verhältnis von "Sein" und "Seiendem" - ungenau übersetzt: "Realität" und "Wahrnehmung".

Pluto hat geschrieben:Empirie ist um ein Vielfaches ein stärkerer Nachweis als das "Für-wahr-halten" es jemals sein kann.
Es ist in meinem Verständnis eine qualitativ hochwertige Art des Für-wahr-Haltens - von der Sache her sind wir uns wahrscheinlich trotzdem einig - hier geht es um Definitorisches.

Pluto hat geschrieben:Das eine Tastatur auf dem Schreibtisch vor dir steht, hältst du nicht für wahr, sondern, du weißt es, weil du sie erkennst. Das nennt man Empirie.
Du "weißt" es NICHT absolut, sondern nur unter der Annahme, dass Dich Deine Sinne nicht täuschen.

Pluto hat geschrieben:Empirie ist notwendig um etwas für wahr halten zu können, ganz egal ob in der NW oder in der Philosophie.
Pragmatisch gebe ich Dir bei der Naturwissenschaft vollkommen recht. - Bei der Philosophie ist Empirie hilfreich, aber nicht die Grundlage - es sei denn, es ist eine naturalistische Philosophie.

Pluto hat geschrieben: Und wenn du es noch so gerne hättest kann es ohne empirische Bestätigung niemals Gewissheit bedeuten.
Naturwissenschaftliche Gewissheit ist aber nicht "Wahrheit", sondern immer noch "Für-wahr-Halten".

Pluto hat geschrieben:Gefährlich wird es erst, wenn man das was man glaubt, für wahr hält, denn durch den Glauben können historisch bedingte Irrtümer sowie unzulängliche Moralvorstellungen für die Zukunft festgeschrieben, also künftige Erkenntnisfortschritte zugunsten dogmatischer Borniertheit verhindert werden.
Sowas kommt ständig vor - selbstverständlich ist "Für-wahr-Halten" an sich KEIN Gütesiegel, sondern drückt nur subjektive Annäherung an oder Entfernung von "Wahrheit" aus. - Ich kann aus irgendeinem Grund "für-wahr-halten", dass meine Oma im früheren Leben ein Kaninchen in Sizilien war.

Nochmal: "Für-wahr-Halten" ist erstmal keine Qualitätsaussage, sondern dient lediglich der kategorialen Abgrenzung zu "das, was ist" - was ich halt semantisch als "Wahrheit" bezeichne. - Und dann wird verständlich, warum es zu einem "Ist" verschiedene "Für-wahr-Halten" gibt.

Pluto hat geschrieben:Bestes Beispiel ist deine Weigerung anzunehmen Jesus hätte keine Naherwartung gehabt, und das obwohl es schwarz auf weiß in den Evangelien steht (Empirie).
Das ist in vielerlei Hinsicht ein interessantes Beispiel, weil auf der anderen Seite zeigt, wie sicher sich eine Wahrnehmungs-Disziplin (hier: HKM) in ihrem "Für-wahr-Halten" halten kann, obwohl viel dafür spricht, dass sie total irrt.

Insofern wird hier besonders gut deutlich, dass man den Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" nicht als "Wahrheit" bezeichnen darf (das klingt so, als sei es alternativlos historisch wirklich), sondern als ein "Für-wahr-Halten" aus historisch-kritischer Sicht bezeichnen muss (oder wie es Theißen sagt: "methodisches ERgebnis").

Pluto hat geschrieben:Nein, solche Mauern gibt es nicht. Die Übergänge sind fließend.
Das ist sicherlich bei HKM und darauf folgender Christlicher Hermeneutik genauso (mir sind die Grenzen NICHT genau klar - auch Thaddäus hat auf Befragen nicht geantwortet).

Pluto hat geschrieben:"Für-wahr-halten" kann man mit noch so vielen verbalen Begründungen nicht zur Gewissheit machen. Dazu braucht es die Empirie.
Das ist DEINE Definition.

Pluto hat geschrieben: Seine These Seiendes sei nicht dasselbe wie Dasein, kann er mit Nichts untermauern.
Stopp: Seiendes ist nicht dasselbe wie Sein (nicht Da-Sein).

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#282 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Halman » Mi 23. Aug 2017, 16:31

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich halte dagegen, und sage, das kann die kanonische Exegese nicht begründen, sonder nur VERMUTEN.
Natürlich "begründet" sie - allerdings in einem nicht-falsifizierbaren Feld
Auch der Pastafarianismus "begründet" die Existenz seines Gottes "Fliegendes Spaghettimonster" - ebenfalls in einem nicht-falsifizierba-
ren Feld.


Man kann JEDEN Unsinn "begründen" - was zeigt, dass eine "Begründung" allein nichts über die inhaltliche Qualität einer Behauptung aussagt.
Das Fliegende Spaghettimonster wurde bewusst absurd und unbegründet postuliert. Und sellbst wenn man es begründen würde, so wäre die Qualität der Begründung nicht analog zur Begründung des Gottes, den Markus verkündet. Sowas nennt man eine falsche Äquivalenz.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#283 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Halman » Mi 23. Aug 2017, 16:34

Münek hat geschrieben:
2Lena hat geschrieben: Man muss keine "theologische und auch keine physikalische Fachkompetenz" haben, um festzustellen, dass ein Weltall nicht in sieben Tagen entsteht.
Vergiss nicht - nach christlichem Glauben ist bei Gott NICHTS UNMÖGLICH. Die Schöpfung der Welt an sechs buchstäblichen 24-Stunden-Tagen ist für ein allmächtiges Wesen ein Klacks. Und davon ging der Verfasser des ersten Schöpfungsmythos`erkennbar aus.
Nein, die Genesis-Aitiologie beschreibt mitnichten sechs buchstäblichen 24-Stunden-Tage. Dies ist lediglich eine infantile Lesart.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Tree of life
Beiträge: 3688
Registriert: Sa 8. Okt 2016, 18:23

#284 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Tree of life » Mi 23. Aug 2017, 16:41

Halman hat geschrieben: Nein, die Genesis-Aitiologie beschreibt mitnichten sechs buchstäblichen 24-Stunden-Tage. Dies ist lediglich eine infantile Lesart.
Wie soll ich das nun verstehn?
Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#285 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Pluto » Mi 23. Aug 2017, 16:49

Tree of life hat geschrieben:Wie soll ich das nun verstehn?
Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag.
Wo anders steht, "Ein Tag ist wie tausend Jahre".

Doch selbst wenn man das als Basis der Berechnung nimmt, kann es nicht stimmen, denn dann wären wir erst bei 6000 Jahren. Das ist aber wesentlich weniger als das Alter der Erde (knapp 5 Milliarden Jahre) oder das Alter des Universums (knapp 14 Milliarden Jahre). Selbst 6000 Jahre ist immer noch um Größenordnungen daneben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#286 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Halman » Mi 23. Aug 2017, 16:50

Tree of life hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Nein, die Genesis-Aitiologie beschreibt mitnichten sechs buchstäblichen 24-Stunden-Tage. Dies ist lediglich eine infantile Lesart.
Wie soll ich das nun verstehn?
Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag.
SO.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Tree of life
Beiträge: 3688
Registriert: Sa 8. Okt 2016, 18:23

#287 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Tree of life » Mi 23. Aug 2017, 17:52

Halman hat geschrieben:
Tree of life hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Nein, die Genesis-Aitiologie beschreibt mitnichten sechs buchstäblichen 24-Stunden-Tage. Dies ist lediglich eine infantile Lesart.
Wie soll ich das nun verstehn?
Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag.
SO.
Jetzt bin i genauso so gscheit wia voher.
Wenn hier steht "Es wurde Abend und es wurde Morgen", um welche Zeitspanne handelt es sich hierbei?

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#288 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Halman » Mi 23. Aug 2017, 19:07

Tree of life hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Tree of life hat geschrieben: Wie soll ich das nun verstehn?
SO.
Jetzt bin i genauso so gscheit wia voher.
Wenn hier steht "Es wurde Abend und es wurde Morgen", um welche Zeitspanne handelt es sich hierbei?
Meiner Meinung nach nicht um einen Kalendertag im Literalsinn.

Die Schöpfungs-Narration lässt sich gem. der Gattungskritik als Grundlagen-Mythos deuten und in dieser begegnet uns die biblische Symbolsprache. Daher bin ich der Auffassung, dass die Wendung, "es wurde Abend und es wurde Morgen", allegorisch zu verstehen ist.
Meiner persönlichen bescheidenen Rezeption nach ist die mosaische Prosa in der biblischen Urgeschichte z.T. eine "poetische" Prosa. So kann man durchaus einen Strophenaufbau im Text erkennen, wie an der stoischen Widerholung der Redewendungen Und Gott sprach (9 Belege in Genesis 1) sowie Und es wurde Abend, und es wurde Morgen (6 Belege in Genesis 1) ableitbar ist (bitte s. hierzu meinen Beitrag vom Fr 19. Jun 2015, 13:31).

In Psalm 90:3-5 werden die Begriffe "Morgen" und "Abend" metaphorisch auf die menschliche Lebensspanne angewandt. (bitte s. hierzu meinen Beitrag vom Do 20. Nov 2014, 15:58).
Das hebräische Wort יוֹם (jom), welches i. d. R. mit "Tag" übersetzt wird, steht übrigens auch in Gen 2:4 im singular und umfasst das gesamte "Sechs-Tage-Werk" (s. hierzu mein kurzer Beitrag vom Do 27. Feb 2014, 15:20).

Um es Dir einfacher zu machen, zitiere ich zum Abschluss aus meinem Beitrag vom Di 8. Aug 2017, 15:42:

Es gibt unterschiedliche theologische Sichtweisen zum Alter der Erde. Der fruchtbarste Ansatz besteht darin, die Passagen der Genesis zu den als literarisches Genre zu betrachten. Im Buch-Link wird ausgeführt, dass schon Augustinus, Origenes und weitere Kirchenväter Genesis 1 bildhaft deuteten.
Besonders bemerkenswert erscheint mir die Sichtweise von Basilius von Nyssa (s. bitte auch die Links im verlinkten Beitrag).
Diese spätantiken Männer waren den späteren kreationistischen Glaubensauffassungen, die "erst Mitte das 6. Jahrhunderts n. Chr." entstanden, und sich bis in die Neuzeit hielten, weit voraus.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#289 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von 2Lena » Mi 23. Aug 2017, 20:26

Tree of life hat geschrieben:Wie soll ich das nun verstehn?
Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag.
Neben Tag (jom) was gleichzeitig ein Abschnitt sein kann, hat auch "Abend" und "Morgen" weitere Bedeutungen. Bei den angedeuteten allegorischen Hinweisen mit der Naturwissenschaft gibt es noch die philosophischen Belange und die Erklärung allen Schaffens.

Notwendig ist zur Texterforschung das "mehrfache" Lesen vom Text.
Nach der Scheidung von Licht und Finsternis gibt es "Grauzonen". Es wurde "Abend". Dort folgt das Dunklerwerden. Es geht auch die Finsternis vorbei. Es wurde Morgen (gesucht, gewünscht). Abend (erev) jeweils leicht anders gesprochen, ergibt vermischt oder angenehm. Sei es, dass die Hitze des Tages vergeht oder im Lauf der Arbeit die "Süße" sich herausgestellt hat. Da ist natürlich noch weit mehr ... Wie alles angenehm und richtig geht, erklären auch die Lehren in den anderen "Tagen" mit anderen Themen.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#290 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Münek » Mi 23. Aug 2017, 20:28

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Natürlich "begründet" sie - allerdings in einem nicht-falsifizierbaren Feld
Auch der Pastafarianismus "begründet" die Existenz seines Gottes "Fliegendes Spaghettimonster" - ebenfalls in einem nicht-falsifizierba-
ren Feld.


Man kann JEDEN Unsinn "begründen" - was zeigt, dass eine "Begründung" allein nichts über die inhaltliche Qualität einer Behauptung aussagt.
Das Fliegende Spaghettimonster wurde bewusst absurd und unbegründet postuliert. Und sellbst wenn man es begründen würde, so wäre die Qualität der Begründung nicht analog zur Begründung des Gottes, den Markus verkündet. Sowas nennt man eine falsche Äquivalenz.
Du würdest bei tiefgläubigen Pastafaris nur ein müdes Lächeln hervorrufen mit Deiner Behauptung, die Begründung der Existenz eines seinen Sohn blutig opfernden Gottes JAHWE hätte MEHR QUALITÄT.

Im Gegenteil. Dieser Sühnetod-Glaube ist finsterster Aberglaube oder - wie es Bultmann ausdrückte - primitive Mythologie. Jesus hat die-
sen absurden Hokuspokus auch nie dem Volk verkündigt. Paulus hat das Evangelium Jesu des nahen Gottesreiches nicht weitergetragen, sondern sich was theologisch zurechtgebastelt.
Zuletzt geändert von Münek am Mi 23. Aug 2017, 20:33, insgesamt 1-mal geändert.

Antworten