Markus-Evangelium

Themen des Neuen Testaments
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Halman
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#211 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Halman » Mo 21. Aug 2017, 23:56

Warum wird in meinem Philosophie-Fachbuch die Begriffsanalyse VOR der Aussagenlogik behandelt? Ganz einfach: Weil ohne Klarheit und Konsens darüber, was die Begriffe bedeuten, keine Aussagenlogik klar definierbar ist.

Was bedeutet der Begriff Wahrheit? Früher dachte ich, dass Wahrheit alles bezeichnet, was tatsächlich IST, verstand diesen Begriff also ontologisch. Da war ich aber im Irrtum. Meines Wissens ist es wahr, dass der Begriff Wahrheit Aussagen meint, die mit der Wirklichkeit überein stimmen. Demnach wäre das, was ontisch ist, nicht wahr oder falsch, sondern eben ontisch.

Können wir denn überhaupt bestimmen, was wahr ist? Dies würde voraussetzen, dass wir imstande sind, zu bestimmen, ob eine Aussage über die Wirklichkeit zutreffend ist. Ich denke, dies ist die Frage, um die es closs geht.
Wie gut oder wie schlecht wir es können, hängt wohl ganz vom Fall ab. Wenn es z.B. um historische Aussagen geht, so ist es sicher einfacher, im Fall von Martin Luther festzustellen, ob eine Aussage historisch wahr oder falsch ist (also ob die Aussage mit dem historischen Luther-Befund übereinstimmt), also im Fall von Jesus.

An dieser Stelle schlage ich vor, sich genauer über den Unterschied zwischen Meinungen und Wissen klar zu werden, da es um Meinungen und Wissensansprüche darüber geht, was wahr und was falsch ist. Wissen wir wirklich, ob Jesus eine Naherwartung hatte? Wie verteidige ich meinen Wissensanspruch? (Die Frage könnte auch mit dem Begriff Fernerwartung Was gestellt werden.) Was ist Wissen?
Wir alle haben Meinungen zu Begriffen und Themen. Ich behaupte, dass nur ein Teil der Meinungen auf bestmögliche oder gar ideale Weise erlangt wurde und daher zurecht als Wissen bezeichnet werden kann. Diesbezüglich verweise ich auf das Buchzitat (unten) in meinem hier verlinken Beitrag.

Und nun zur Pilatus-Frage: Was ist Wahrheit? Wann wissen wir, dass Aussagen mit der Wirklichkeit übereinstimmen? Wann ist unser Wissen hinreichend, um von Wahrheit sprechen zu dürfen? Schon bei Meinungen?

Diese Fragen sollen einfach zum Nachdenken anregen. ;)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#212 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von closs » Di 22. Aug 2017, 00:16

Pluto hat geschrieben:Das hättest du wohl gern. Die Welt funktioniert nicht so wischiwaschi. Entweder oder — Zustimmung oder Widerspruch?
Zustimmung auf Basis eines Glaubensentscheids (Descartes) - also ja.

Pluto hat geschrieben:Nein. Weil Gott keine Spuren hinterlässt.
Stimmt doch gar nicht. - Was Du meinst: Alles, was naturwissenschaftlich erklärbar ist, kann keine Spur Gottes sein.

Pluto hat geschrieben:Methode ist ein Werkzeug; Wissen ist gewonnene Erkenntnis.
Im Rahmen der Werkzeug-Reichweite.

Pluto hat geschrieben:Das sind Perspektiven derselben Objekte.
Das sind Perspektive AUF dieselben Objekte - aber verschiedene Perspektiven des Beobachters.

Pluto hat geschrieben:Geistige Fragen, bzw System sind keine Objekte wie Erde und Mond.
Im Sinne von "Beobachter" (Subjekt) und "Beobachtetes" (Objekt) ist das durchaus der Fall.

Halman hat geschrieben:Warum wird in meinem Philosophie-Fachbuch die Begriffsanalyse VOR der Aussagenlogik behandelt? Ganz einfach: Weil ohne Klarheit und Konsens darüber, was die Begriffe bedeuten, keine Aussagenlogik klar definierbar ist.
Richtig - haben wir auch schon versucht - mit dem Ergebnis, dass es von Polysemen wimmelt.

Halman hat geschrieben:Was bedeutet der Begriff Wahrheit? Früher dachte ich, dass Wahrheit alles bezeichnet, was tatsächlich IST, verstand diesen Begriff also ontologisch. Da war ich aber im Irrtum. Meines Wissens ist es wahr, dass der Begriff Wahrheit Aussagen meint, die mit der Wirklichkeit überein stimmen. Demnach wäre das, was ontisch ist, nicht wahr oder falsch, sondern eben ontisch.
Ich verstehe Dich - so ähnlich sagt es auch Thaddäus. - Ein rein sprachliches Problem, das lösbar ist. Aber:

Es führt irgendwann zum Satz "Es gibt keine Wahrheit", weil man dann auch "Wirklichkeit" (unterschiedlich) definieren müsste/würde, so dass der Bezug dann so unsicher ist, dass nichts mehr Klares übrigbleibt. - Deshalb mein Vorschlag: Man sollte aus Wahrnehmungs-Sicht immer "für-wahr-halten" sagen - nur: Ob sich das durchsetzt?

Halman hat geschrieben:Können wir denn überhaupt bestimmen, was wahr ist? Dies würde voraussetzen, dass wir imstande sind, zu bestimmen, ob eine Aussage über die Wirklichkeit zutreffend ist. Ich denke, dies ist die Frage, um die es closs geht.
Richtig - und dann steht am Ende: Wir können nur "für-wahr-halten". - Die Tatsache, dass eine Methodik objektiv arbeitet, ändert daran nichts, weil Methodik nur "methodische ERgebnisse" erbringen kann, also nur bedingt urteilen kann.

Halman hat geschrieben:Was ist Wissen?
Wenn ich unseren sehr diziplinieren Mitforisten und Wissenschaftler Anton richtig verstanden habe, ist "Wissen" nur als Ergebnis im Rahmen eines methodischen Ansatzes möglich - in diesem Sinne ist es auch "Wissen", wenn mein Ansatz lautet "Es gibt Gott als Entität", wenn man sagt, dass deshalb Schöpfung aus Gott kommt: Man "weiß" es im Sinne seines vorher genannten Denk-Systems (egal ob man dieses System per Methodik-Werkzeug oder per Glaubensentscheid definiert). - Also. "Wissen" ist ein "regionaler" und kein "universaler" Begriff (kann aber Universales betreffen).

Halman hat geschrieben:Diese Fragen sollen einfach zum Nachdenken anregen.
Ist geglückt.

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Andreas
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#213 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Andreas » Di 22. Aug 2017, 01:24

Ein paar Gedanken dazu - Brainstorming ohne Anspruch auf Korrektheit.

Der Mensch ist das Maß aller Dinge, weil nur er Dinge bemisst. Die Dinge bemessen sich nicht, nach menschlichen Kriterien von gut oder böse, wahr oder falsch, Sein oder Nicht-Sein. Sie sind SINNFREI. Der Mensch denkt - ein Stein nicht. Der Mensch setzt sich in Beziehung zu etwas. Ein Stein nicht. Das "Sein" ist ein anthropomorpher Begriff, weil der Mensch sein "Sein" bewusst erlebt - das tut ein Stein nicht. Für den Stein ist es irrelevant ob er existiert oder nicht.

Ob ein bestimmter Stein irgendwo durch die Weiten des Alls taumelt oder einem Menschen auf den Kopf fällt, macht nicht den geringsten Unterschied - aus "Sicht" des Steines, weil er keine Sicht hat.
Der Mensch hat eine Sicht. Und das ist die einzige Sicht, die dem Menschen bekannt und nachvollziehbar ist. Die Sicht eines Huhnes ist dem Menschen nicht nachvollziehbar. Die Sicht eines anderen Menschen ist nicht erlebbar. Man kann sich über Sprache verständigen - aber das ist nicht dasselbe, wie etwas zu erleben. Das Sein des persönlichen Erlebens ist absolut einzigartig - so gesehen ist jeder Mensch in seiner persönllichen Welt.

"Intersubjektivität" ist nur ein Wort - aber kein kollektives Erleben des Seins, weil nur das Ich das Erleben des individuellen Seins kennt. Wir ist nur ein Wort. Wir kann nicht sein Sein erleben.

"Ich" kann einen Stein wahrnehmen bzw. erleben. "Wir" können das nicht. Ich kann mich mit dir über den Stein austauschen, aber das ist immer nur ein sprachlicher Vergleich von zwei Ich-Erlebnissen die nie deckungsgleich sind.

Außerdem erlebt sich der Mensch nicht nur auf der Ebene seines Ich. Das Unterbewusstsein ist die Eigentliche Instanz des Erlebens. Das Ich kommentiert in gewisser Weise nur mit Sprache lediglich das, was etwas anderes (die Sinne) erlebt haben. Neben dem Ich gibt es noch die Gefühlswelt des Menschen, die ebenfalls kommentiert, was erlebt wird - aber mit nonverbalen Mitteln. Das sprechende Ich ist der Letzte in der Kette der Informationsverarbeitung. Die Vernunft transzendiert sich in gewisser Weise von dem Erleben, abstrahiert sich von sich selbst und kann so methodisch logisch nach-denken und voraus-denken - und somit auch in gewisser Weise aus der Zeit und aus der Welt treten. Die Phantasie ist eine Form dieser Abkoppelung von Raum und Zeit, die innerhalb von Raum und Zeit stattfindet. Die Phantasie ist wahr, kombiniert Wahres (erlebtes Sein) in neuen Zusammenhängen und kann so auch schöpferisch werden und neues generieren, dass dann wiederum vom Ich oder einem anderen Ich wahrgenommen werden kann.

Ideen sind Wahrheiten des Ich, die immer nur in Ichen wahrgenommen werden können - aber an sich kein Sein haben. Gott ist eine Idee, wird aber dadurch nicht zu einem denkenden, fühlenden Sein weil Ich mir das so denke. Eine Möglichkeit ist kein Sein oder Nicht-Sein, sondern nur eine Idee des Ich. Die Idee ist als Idee wahr erlebbar. Das wofür die Idee steht ist nur eine ich-gedankliche Möglichkeit die nicht bedeutet, dass der Inhalt der Idee ein Sein hätte das sich selbst erleben könnte.

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Münek
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#214 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Münek » Di 22. Aug 2017, 02:13

closs hat geschrieben:Es führt irgendwann zum Satz "Es gibt keine Wahrheit", weil man dann auch "Wirklichkeit" (unterschiedlich) definieren müsste/würde, so dass der Bezug dann so unsicher ist, dass nichts mehr Klares übrigbleibt.
Ach Gottchen - im Alltag interessiert das doch keine Sau. Mit dieser Unsicherheit und Unklarheit wird die Welt - soweit sie davon überhaupt Kenntnis nimmt, was ich bezweifle - locker fertig werden.- :)

closs hat geschrieben:Deshalb mein Vorschlag: Man sollte aus Wahrnehmungs-Sicht immer "für-wahr-halten" sagen - nur: Ob sich das durchsetzt?
Nur wenn Du mit gutem Beispiel vorangehst. Dazu gehören auch: KEINE verstümmelte Zitate, unbelegte Behauptungen, keine Ausflüchte und Herumeiereien mangels Argumenten.

Das wäre schon mal was.

Es wäre auch sicher nicht verkehrt, den hypothetischen Glaubens-Standpunkt aufzugeben, hinter "dem, was der Fall ist" (Deine Lieblings-Floskel), verberge sich der "liebe Gott", der dreifaltige Gott der Christenheit - der eine seiner drei Falten blutig opfern musste, um die Menschheit von ihren Sünden (paradiesische Erbsünde) zu erlösen.

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#215 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von 2Lena » Di 22. Aug 2017, 04:34

Halman hat geschrieben:Meines Wissens ist es wahr, dass der Begriff Wahrheit Aussagen meint, die mit der Wirklichkeit überein stimmen.
Du kommst einer guten Definition sehr nahe!
Das "Wahre" an der Bibel sind die "inneren Inhalte". Es sind die Texte die sich aus dem Mehrfachsinn ergeben. Bis heute sind die Propheten, um ein Beispiel zu nennen - "wahr".
Es sind Regeln des Lebens.

Wahr, im Sinne von geschichtlich, ist die Aussage damals. Wahr wurde sie mit der Erfüllung der Menschwerdung Jesu (weshalb so viele Propheten im NT zitiert sind, aber längst nicht alle Stellen haben sie gebracht). Wahr sind sie erneut in heutiger Zeit - wie auch das Markusevangelium "aktueller" als alles ist.
Das kommt vielleicht mal als Buch heraus.

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Thaddäus
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#216 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Thaddäus » Di 22. Aug 2017, 08:21

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es gibt genau eine Wahrheit, die aber nur von Perspektiven "beleuchtet" werden kann, von denen man nie weiß, wie authentisch sie zu dieser Wahrheit sind" stellt einen direkten Widerspruch dar.
Weil Du "Wahrheit" anthropozentrierst - damit habe ich nicht gerechnet.
Wenn man mit jemandem philosophisch diskutiert, closs, bedarf es eines Minimums an rationaler Einsicht, sonst geht das nicht. Deshalb habe ich an anderer Stelle aufgehört mit dir zu diskutieren. Wenn du hier weiter diskutieren möchtest, fordere ich dich also dazu auf, dieses Minimum an Nachdenken und Einsicht in deinen Antworten aufzubringen. Deine obige Antwort weist dieses Minimum nämlich nicht auf.

ICH anthropozentriere nicht.
DU hast die obige ontologische These hier gepostet.
DU bist ein Mensch.
Also stammt die obige ontologische These von einem Menschen, nämlich von dir.
Wenn hier also jemand anthropozentriert, dann allenfalls DU aufgrund der Tatsache, dass DU, ein Mensch, es bist, der die obige Bestimmung von Wahrheit äußert.
Nach wie vor ist deine obige ontologische Aussage unmittelbar widersprüchlich.

closs hat geschrieben: Wenn ich von "Wahrheit" spreche, meine ich damit das "Wahr-Sein".
Wahr-Sein und Wahrheit sind bedeutungsidentisch. Es gibt keinen semantischen Unterschied.
Ob eine Aussage wahr ist, muss (irgendwie) festgestellt werden können, sonst gibt es die postulierte Wahrheit nicht.
Du schließt mit deiner obigen ontologischen Aussage selbst aus, dass die eine Wahrheit, von der du sprichst, festgestellt werden könnte, denn Wahrheit ist, nach deiner eigenen Defintion, immer perspektivenabhängig und keine Perspektive kann die eine Wahrheit erkennen und bestimmen. Und deshalb kann es die von dir postulierte eine Wahrheit deiner eigenen Bestimmung nach nicht geben.

closs hat geschrieben: Es "ist wahr", dass Thaddäus gelegentlich in München arbeitet - es "ist (wahrscheinlich) nicht-wahr", dass Thaddäus gelegentlich in Timbuktu arbeitet. - "Wahr-Sein" hat also ausschließlich mit Eigenschaften des Objekts zu tun - will heißen: Auch wenn Du das einzige denkende Wesen im Universum wärest, wäre es ein "Wahr-Sein", dass Du in München arbeitest, denn Du arbeitest dort WIRKLICH gelegentlich. - Es wäre nicht erst dann wahr, wenn jemand eine Aussage darüber macht.
Dass Thaddäus gelegentlich in München arbeitet, ist zunächst nur eine Behauptung von mir (Thaddäus), die ich hier GEÄUßERT habe und damit ist es eine AUSSAGE von mir (bzw. von dir oben).
Ob diese AUSSAGE tatsächlich WAHR ist und dieser AUSSAGE eine Realität entspricht, weißt du nicht.

Es gibt aber Verfahren (= Methoden!), diese Aussage so zu überprüfen, dass du (und alle anderen) die Behauptung, ich arbeite gerade in München, für wahr halten. Oder falsch, wenn diese Überprüfung nicht gelingt. Nur ein Foto von mir vor dem Friedensengel als Beweis zu posten, wird nicht ausreichen, denn das könnte gefälscht sein. Wenn man mich aber in München besucht und mich als Person dort antrifft und ich belegen kann, dass ich tatsächlich Thaddäus bin, dann werden die meisten mit diesem EMPIRISCHEN Nachweis zufrieden sein und die Aussage als wahr ansehen. Dieser Nachweis wird aber aus einer empirischen Perspektive erbracht.

Da nach deiner eigenen Defintion grundsätzlich keine Perspektive die Wahrheit vollständig erfassen kann, kann DICH, lieber closs, auch ein Besuch in München, bei dem du Thaddäus tatsächlich physisch antriffst, von ihrer Anwesenheit in München und der Wahrheit der obigen Behauptung, Thaddäus arbeite gerade in München, NICHT überzeugen.
Deshalb vertrittst du einen radikalskeptischen Perspektivismus. Der schließt aus, dass du die Wahrheit von irgendeiner Aussage tatsächlich überprüfen kannst und macht deine Aussage, es gäbe nur eine Wahrheit, widersprüchlich.

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#217 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Pluto » Di 22. Aug 2017, 09:55

2Lena hat geschrieben:Das "Wahre" an der Bibel sind die "inneren Inhalte".
Das ist eine Behauptung die sowohl wahr als auch falsch sein kann. Wie willst du das überprüfen?

2Lena hat geschrieben:Wahr, im Sinne von geschichtlich, ist die Aussage damals.
Nicht unbedingt.
Ich vermute vielmehr, die damaligen Schreiber der Bibel waren mehr daran interessiert, mit einer guten Geschichtte Eindruck auf Leser und Hörer zu machen, als dass sie an der Verkündung der Wahrheit interessiert waren.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#218 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von 2Lena » Di 22. Aug 2017, 11:58

Das "Wahre" an der Bibel sind die "inneren Inhalte".
Pluto: Das ist eine Behauptung die sowohl wahr als auch falsch sein kann. Wie willst du das überprüfen?
Bei jedem Vers!

Nimm z.B. "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr ..."
Der Vergleich geht nicht wörtlich, er ist allegorisch. Dazu "bedeutet" gamal (Kamel) sowohl entscheiden als auch entwöhnen. Bei dem einfachen Gleichnis überlegst du, wer wohl reich ist. Bei den anderen Auflösungen kommst du "auf den Punkt". Alles "Gepäck" ist abgeladen, du weißt dann die Entscheidungen und worauf es ankommt.

Die malerische Seite: Math. 16.3 und des Morgens sprechet ihr: Es wird heute Ungewitter sein, denn der Himmel ist rot und trübe. Ihr Heuchler! Des Himmels Gestalt könnet ihr urteilen; könnet ihr denn nicht auch die Zeichen dieser Zeit urteilen?

Auslegung:
Man rennt offene Türen ein, sobald ein Wunsch vorhanden ist.
Wenn es gewünscht wird -sehen sie es vollkommen (und prüfen etwa nicht? wollen nur ..) Da wird es stürmisch, da wird es trüb. Der Scherz kommt zustande, da boker, Morgen genausogut biker, kritisieren heißt oder besuchen. Der ganze Satz ist gespickt voll solcher "Scherze".

closs
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#219 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von closs » Di 22. Aug 2017, 12:06

Münek hat geschrieben:Ach Gottchen - im Alltag interessiert das doch keine Sau. Mit dieser Unsicherheit und Unklarheit wird die Welt - soweit sie davon überhaupt Kenntnis nimmt, was ich bezweifle - locker fertig werden.-
Pragmatisch gebe ich Dir recht - hier geht es um philosophische Fragen. - Meinst Du, ich dekliniere im Alltag Dinge philosophisch durch, wenn ich in die Oper, ins Festzelt, ins Bett oder aufs Klo gehe?

Oder noch einen Schritt weiter: Es wäre am Besten, wenn die Menschen (zumindestens die meisten) einfach nicht philosophieren würden - dann müsste man nämlich nicht mit-philosophieren, weil zu Vieles korrigiert werden muss.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du hier weiter diskutieren möchtest, fordere ich dich also dazu auf, dieses Minimum an Nachdenken und Einsicht in deinen Antworten aufzubringen. Deine obige Antwort weist dieses Minimum nämlich nicht auf.
Das kannst Du nicht beurteilen - bei aller Zurückhaltung: Du trägst gelegentlich nicht-souveräne Einschätzungen sehr selbstbewusst vor.

Der Satz " Es gibt genau eine Wahrheit, die aber nur von Perspektiven "beleuchtet" werden kann, von denen man nie weiß, wie authentisch sie zu dieser Wahrheit sind" ist in meinem Wortverständnis von Wahrheit ("das ontisch Zutreffende") nach wie vor richtig. - Dein anthropozierendes Wortverständnis ("das menschliche Verständnis in Bezug auf das ontisch Zutreffende") ist ebenfalls nachvollziehbar, aber halt was ganz anderes.

Bei Deinem Wortverständnis stört mich, dass dann der Satz "Es gibt keine Wahrheit" die zwingende Folge ist - denn wie sollte der Mensch mit seiner Wahrnehmung die Differenz zwischen "dem, was ist" und "dem, wie er es wahrnimmt", aufheben können? - Geht nicht.

Thaddäus hat geschrieben:ICH anthropozentriere nicht.
Doch.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn hier also jemand anthropozentriert, dann allenfalls DU aufgrund der Tatsache, dass DU, ein Mensch, es bist, der die obige Bestimmung von Wahrheit äußert.
Nein - auch hier ein semantisches Problem:
1) Wenn man so wie Du definiert, ist JEDE Aussage des Menschen anthropozentriert - das bringt nix.
2) Die von mir gemeinte Ebene ist, ob man einen Begriff als wahrnehmungs-abhängig (anthropzentrisch) definiert oder nicht.

Hier bist DU anthropozentrisch, weil Du "Wahrheit" als Wahrnehmungsgröße definierst: "Wahrheit beschreibt die Übereinstimmung von Wahrnehmung mit Realität". - Verstanden, kann man prinzipiell machen. - Nur: Woher will man wissen, was "Realität" ist? - Man muss doch wissen, was "Realität" ist, um überhaupt zum Ergebnis kommen zu können, dass Wahrnehmung damit übereinstimmt.

ICH dagegen bin hier NICHT anthropozentrisch, weil ich "Wahrheit" nicht als Wahrnehmungs-, sondern als Seins-Größe definiere ("Wahr-Sein"): "Die Eiche ist ein Wahr-Sein, dem ich mich mit meiner Wahrnehmung nähern kann" - übrigens auch in Teilbereichen. - "Die Rinde der Eiche ist grün-grau" kann wahr sein, obwohl ich damit nicht das gesamte Wahr-Wesen der Eiche erfasse.

Thaddäus hat geschrieben:Nach wie vor ist deine obige ontologische Aussage unmittelbar widersprüchlich.
Aber Du erkennst doch hoffentlich, dass dies ausschließlich eine Frage der Wort-Definition ist - Du sagst doch selber, dass die Eiche an sich unveränderlich ist.

Thaddäus hat geschrieben:Ob eine Aussage wahr ist, muss (irgendwie) festgestellt werden können, sonst gibt es die postulierte Wahrheit nicht.
Das meine ich mit "anthropozierend". - Zu Ende gedacht muss dann das Ergebnis sein: ""Es gibt keine Wahrheit". - Das kann man sprachlich vereinbaren - ich halte es jedoch für nicht gut, weil dann die Konnotation im allgemeinen Verständnis lautet: "Eine Eiche ist an sich keine Entität".

Das wäre wieder einmal der typische Fall, dass man sich philosophisch auf etwas einigt, was "draußen" ganz anders verstanden wird - man sollte solche Einigungen nur dann treffen, wenn sichergestellt werden kann, dass sie sich nicht mit allgemeinem Sprachgebrauch vermischen.

Thaddäus hat geschrieben:Und deshalb kann es die von dir postulierte eine Wahrheit deiner eigenen Bestimmung nach nicht geben.
Halten wir fest: Wenn wir Thaddäus' Begriffs-Verwendung zugrundelegen, gilt der Satz "Es gibt keine Wahrheit" - einverstanden.

Thaddäus hat geschrieben:Es gibt aber Verfahren (= Methoden!), diese Aussage so zu überprüfen, dass du (und alle anderen) die Behauptung, ich arbeite gerade in München, für wahr halten.
So billig kommst Du mir nicht davon - wenn schon, denn schon. - Willst Du einem denkenden Menschen ernsthaft zumuten zu akzeptieren, man könne den begriffs-definitorisch erzwungenen Satz "Es gibt keine Wahrheit" durch Methodik des Menschen aushebeln?

Du versuchst, "Wahrheit" als reine Wahrnehmungs-Größe zu verstehen (das ist prinzipiell akzeptabel, aber mit obigen Folgen verknüpft) und versuchst im nächsten Schritt, dea-ex-machina-mäßig eine billige Lösung für schwerwiegende Konsequenzen anzubieten - die Methodik. Das ist aus meiner Sicht philosophisch nicht satisfaktionsfähig - da muss erheblich tiefer gebohrt werden.

Thaddäus hat geschrieben:Dieser Nachweis wird aber aus einer empirischen Perspektive erbracht.
q.e.d. ---- Das habe ich befürchtet - Du versuchst, schwerwiegende philosophsche Probleme mit dem Begriff "Empirie" zu lösen - nochmals: Das ist extrem billig.

Wenn heute ein Pilatus fragt "Was ist Wahrheit?", fragt er nicht nach Wahrnehmungs-Methoden, dies herauszufinden, sondern er meint es ontisch: "Was IST eigentlich Wahrheit?"/"Was ist das, was wahr ist". - Wenn ein Christ sagt "Gott ist die Wahrheit" meint er damit NICHT, dass Gott etwas methodisch-perfekt herausfindet, sondern er meint es ontisch.

Es gibt hier also unterschiedliche Verständnisse zur Definition von "Wahrheit" - ich habe Dein Verständnis inzwischen verstanden - versuche das Gleiche umgekehrt zu tun und messe zukünftig Aussagen von anderen nicht am Maßstabg Deiner Definitionen. - Das KANNST Du - Du bist intelligent genug dafür.

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#220 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Pluto » Di 22. Aug 2017, 12:08

2Lena hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
2Lena hat geschrieben:Das "Wahre" an der Bibel sind die "inneren Inhalte".
Das ist eine Behauptung die sowohl wahr als auch falsch sein kann. Wie willst du das überprüfen?
Bei jedem Vers!

Nimm z.B. "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr ..."

Der Vergleich geht nicht wörtlich, er ist allegorisch. Dazu "bedeutet" gamal (Kamel) sowohl entscheiden als auch entwöhnen. Bei dem einfachen Gleichnis überlegst du, wer wohl reich ist. Bei den anderen Auflösungen kommst du "auf den Punkt". Alles "Gepäck" ist abgeladen, du weißt dann die Entscheidungen und worauf es ankommt.
Selbst dazu gibt es widersprüchliche Meinungen...
"Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." So oder so ähnlich steht es seit Jahrhunderten in den Übersetzungen der Bibel. Im Urtext steht aber etwas ganz anderes. Bei dem „Kamel“ in den Evangelien nach Matthäus und Markus handelt es sich um einen simplen Übersetzungsfehler.
Im aramäischen Urtext ist von „gamta“, einem Tau oder Seil, die Rede. Dieses Wort verwechselte vor mehr als tausend Jahren ein Kollege von uns mit dem Wort „gamla“, der Bezeichnung für „Kamel“.
[Quelle]

2Lena hat geschrieben:Die malerische Seite: Math. 16.3 und des Morgens sprechet ihr: Es wird heute Ungewitter sein, denn der Himmel ist rot und trübe. Ihr Heuchler! Des Himmels Gestalt könnet ihr urteilen; könnet ihr denn nicht auch die Zeichen dieser Zeit urteilen?

Auslegung:
Man rennt offene Türen ein, sobald ein Wunsch vorhanden ist.
Wenn es gewünscht wird -sehen sie es vollkommen (und prüfen etwa nicht? wollen nur ..) Da wird es stürmisch, da wird es trüb. Der Scherz kommt zustande, da boker, Morgen genausogut biker, kritisieren heißt oder besuchen. Der ganze Satz ist gespickt voll solcher "Scherze".
Ja. Es ist alles Auslegungssache. Aber es muss nicht der Wahrheit entsprechen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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