Markus-Evangelium

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Andreas
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#91 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Andreas » Do 17. Aug 2017, 12:51

Hemul hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:... besser du setzt mich auf deine Ignorierliste, wenn dir dein Leben lieb ist, denn ich bin kein guter Umgang für dich
.
Bist Du denn ein Abtrünniger der ZJ? :roll:
Nö, aber die ZJ besuchten mich nach einigen Gesprächen nicht mehr. Vermutlich stehe ich da auf einer schwarzen Liste der Unbelehrbaren. Das will schon was heißen. :clap:

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fin
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#92 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von fin » Do 17. Aug 2017, 13:03

-- Sprengkraft --

Liebe Foristen, ich meine, wir sollten den Fingerzeig von Andreas nicht einfach unter den Teppich kehren und seine Aufzeige sorgfältiger betrachten ....

Andreas hat geschrieben:Jedes mal steht da "erets" = Land.
Die Einheitsübersetzung springt da willkürlich hin und her: (...)

Allein In den ersten drei Kapiteln der Bibel Gen 1-3 wird "erets" = "Land" stattdessen mit "Erde" ins Deutsche übersetzt:
25 mal in der Luther 84
15 mal in der Einheitsübersetzung 80
25 mal in der Zürcher 2007
25 mal in der Elberfelder 2006
19 mal in der Buber (davon zwei mal "Erdland")

Dafür wird "adamah" statt mit Acker, Erdboden sehr oft mit "Land" übersetzt. Wir werden von unseren hochdotierten, historisch-kritisch ausgebildeten "Übersetzern" an der Nase rumgeführt. Was nutzen die besten Grundtexte, wenn in den deutschen Übersetzungen die reine Willkür theologischer Deutungshoheit herrscht?

Das scheint mir ein berechtigter Einwand und eine gute Fährte. Sie führt uns vermutlich nicht in die neue Zentrale der ZJ ;) , aber zugehörige Fragen ermöglichen dem redlichen Pfadfinder möglicherweise einen wahren Weg durch das Dickicht biblischer Geschichte ...

Andreas hat geschrieben:
closs hat geschrieben:(...)
Du verstehst allerdings unter "geistiger Auslegung" immer christliche Auslegung - genauer deine eigenwillige Auslegung von Christentum! Tatsächlich gibt es aber zwei ganz unterschiedliche "geistliche" Auslegungen, denn kein Jude versteht den Tanach von Christus her.
Dieser Hinweis an dr. closs liest sich zwar wie eine Verallgemeinerung, die man allein durch den Nazarener entkräften könnte, schließlich war er Jude und Christus in einer Person, dennoch scheint mir der Verweis von Andreas, nämlich jüdische Genese und Selbstverständnis, ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für weitere Überlegungen.

Siehe hierzu meinen letzten Beitrag, auch wenn selbiger vielleicht in die entgegengesetze Richtung zielt (nämlich als Beleg für eine historische Ausnahmeerscheinung) zumal die abrahamitische Geschichte und dessen Belange kein fiktives Pflänzlein darstellt, sondern eine reale Größe, wie der invasive 'Götterbaum', der nicht nur in Berlin heimisch geworden ist :idea:

fin hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
fin hat geschrieben: Du scheinst Hauptmann Kornelius nicht zu berücksichtigen ;)
Nun, lieber fin, diese Geschichte hört sich schon sehr nach einer Erzählung an, die nachträglich die heftige Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus glätten und einebnen soll. Ausgerechnet Petrus ist hier der Protagonist, der letztlich der Aufnahme des Kornelius in die (eigentlich juden-)christliche Gemeinde zustimmt.

Er stimmt ihr nicht nur zu, sondern führt es auch selbst aus und besiegelte damit jene Grundfrage, ob die Lehre Jesu eine rein jüdische Angelegenheit bleiben sollte oder nicht. Folgerichtig wurde Petrus auserkoren, um jenen bedeutsamen Präzedenzfall für die Heiden zu schaffen! Das Argument der nachträglichen Einfügung könnte man immer einwenden. Warum aber sollten ausgerechnet Juden ein Interesse daran gehabt haben, ihr religiöses tradiertes Selbsverständnis um eine messianische Gestalt zu erweitern, die sich verrückterweise um die Aufnahme anderer Nationen kümmert?!

Das ergibt - gerade im Hinblick auf das klassische Judentum - wenig Sinn, wie die jüdische Geschichte und der heutige Staat Israel in aller Deutlichkeit zeigen! Es muß also eine äußerst starke Kraft präsent gewesen sein, der es tatsächlich gelang, jene inzestuöse & indoktrinierte Gemeinschaft so aufzurütteln, daß in ihr nicht nur ein neuer Keim lebendig werden konnte, sondern auch eine entsprechende Spreng- und Spannkraft, über das ideologisierte Judentum hinauszuwachsen und Verbindungen einzugehen, die für einen klassischen Juden eigentlich undenkbar waren/sind!

Wie denkt ihr darüber?
(Bitte nicht nur stupide Wiederholungen eigener Glaubensätze)

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#93 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Rembremerding » Do 17. Aug 2017, 13:45

closs hat geschrieben:Weiß einer von Euch etwas über folgende Stelle? -
Mk. 11,17 Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: "Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Nationen"?
Die Synoptiker behandeln diese Szene knapp. Warum, berichtet uns Johannes: Jesus sagte auch das Wort vom Niederreißen des Tempels und den Aufbau in drei Tagen. Das war für die Juden Verspottung und Gotteslästerung, später wurde es auch zum Anklagepunkt gegen Jesus.
Der Mt-Urtext und das Mk wird mit Mk 11:17 geendet haben, weil man in der frühen Phase der Entstehung des Urtextes noch die Hoffnung hegte, ganz Israel zu Jesus zu bekehren und nichts Anstößiges gegen die Juden ins Evangelium einbringen wollte. Das weitere bei Mt ist aus einer späteren Niederlegungs-Phase, als dieses Ziel der Bekehrung nicht mehr erreicht werden konnte und man gegen die Angriffe der Juden apologetisch-polemisch auftreten musste. So kurz der Befund im historisch-literalen Kontext.

Der Text muss natürlich ebenso im gesamt-biblischen Kontext gelesen werden, weshalb man hier eigentlich noch weiter ausholen müsste, als ich hier kurz darlege:
Jesus tätigte in der Szene keinen Angriff auf dem Tempel an sich. Der Münzwechsel und das Angebot an Opfertieren fand im Vorhof der Heiden von jüdischen Behörden legitimiert statt. Aber Jesus sah den Missbrauch darin, denn dieser Vorhof war im Tempelbau nicht dafür angelegt. Jesus brachte gegen eine korrupte Praxis das Gottesrecht wieder zur Geltung. Die Tempelbehörde war sich dieser Grauzone bewusst, nur so ist der Umstand erklärbar, dass bei der Tempelreinigung weder eine bereitstehende römische Kohorte von der Burg Antonia ausrücken musste noch die Autoritäten dagegen einschritten. Sie fragten Jesus nur, mit welcher Vollmacht er dies tut.

Nach dem Akt der Reinigung heilte Jesus, er setzte Gottes Güte wieder in den Tempel, und "lehrte Jesus". Diese Lehre steht in 11:17. Hier verschmelzen Jer 7:11 und Jes 56:7, in dem angekündigt ist, dass alle Völker einmal im Tempel den Herrn als den einen Gott anbeten werden. In der Tempelstruktur ist der Vorhof der Heiden der dafür vorgesehene Raum. Jer 7:11 zeigt im Kontext auf, dass ein Tempel, der zur Räuberhöhle geworden ist, von Gott nicht mehr geschützt wird, es ist eine Warnung. Der Falschzeuge im Mk 14:58 liegt deshalb falsch, weil nicht Jesus den Tempel zerstören wird, sondern jene, die ihn zu einer Räuberhöhle machten. In Joh 2:19 wird das geforderte Zeichen von Jesus als sein Kreuz und seine Auferstehung erwähnt, beide legitimieren ihn den rechten Kult wieder herstellen zu können, in seinem Leib als Tempel, der nicht mehr von Menschenhand gebaut ist. Die Kreuzigung Jesu ist das Abbrechen des alten Tempels. Nun beginnt eine neue Weise Gott zu verehren, "in Geist und Wahrheit" (Joh 4:23).

Was tat Jesus also hier als prophetische Zeichenhandlung im Vorhof der Heiden? Entsprechend der Erwartung aus Jesaja sollte dieser Vorhof nun von Jesus und damit Gott geheiligt sein, indem er gereinigt wird von Räubern, auch aus dem Haus Israel. Ebenso werden nun Blinde und Lahme zur Heilung hineingenommen. Nun kann der Vorhof zur Anbetung Gottes durch die Heiden dienen. Jesu Tat ist Vorbereitung der baldigen Hinwendung der Heiden zum Gott Israels. In einer Veränderung des Tempels kann immer die Veränderung der heilsgeschichtlichen Situation abgelesen werden. Jesu Aktion kündigte die Hinzunahme der Heidenvölker an. Gerade Markus stellte also, im Unterschied zu Lukas oder Matthäus, die missionarische Thematik in den Vordergrund, denn in diesen Vorhof durfte jeder, er wurde vom eigentlichen Tempel mit steinernen Schranken abgetrennt mit Schildern, die besagten, dass ab hier nur Juden weiter durften. Dass es solche Schranken gab, und zu was sie dienten, ist historisch belegt und archäologisch wurden sie samt Inschrift bereits aufgefunden.
Nicht umsonst spricht Jesus nun im Fortlauf (Mk 11:20-26) vom Glauben. Ab jetzt, nach der Heiligung des Vorhofs der Heiden, haben auch sie Anteil an der Vollmacht des Gebets.

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Andreas
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#94 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Andreas » Do 17. Aug 2017, 14:00


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#95 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von closs » Do 17. Aug 2017, 14:04

Andreas hat geschrieben: Was nutzen die besten Grundtexte, wenn in den deutschen Übersetzungen die reine Willkür theologischer Deutungshoheit herrscht?
Zustimmung - Beispiele dafür gibt es viele.

Andreas hat geschrieben: Du verstehst allerdings unter "geistiger Auslegung" immer christliche Auslegung - genauer deine eigenwillige Auslegung von Christentum!
Das wäre ein erhebliches Missverständnis.

Andreas hat geschrieben: Tatsächlich gibt es aber zwei ganz unterschiedliche "geistliche" Auslegungen, denn kein Jude versteht den Tanach von Christus her. Wie du selbst immer wieder betonst, weiß niemand wirklich "was der Fall wäre", was authentisch zu Gott wäre.
Es gibt sogar mehr als zwei "geistliche" Auslegungen. - Auch ein spirituell gut bestückter Imam oder der Dalai Lama können das - Voraussetzung: Sie müssen WIRKLICH geistig behuft sein.

Andreas hat geschrieben:Was dir in Bezug auf Gott "geistlich" logisch und schlüssig erscheint, ist nur eine Variante von vielen, die nicht besser oder wahrer - und schon gar nicht "der Fall ist".
Richtig - es ist EINE Variante unter nicht allzuvielen anderen Varianten - zu diesen Varianten auf Augenhöhe gehören aber eben NICHT un-geistige Sichtweisen, die es ja zuhauf gibt. - WELCHE dieser Varianten die authentischste ist zu dem, was "ist" ("Wahrheit") wissen wir natürlich nicht - das heisst aber nicht, dass alle gleich wahr sind.

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#96 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von closs » Do 17. Aug 2017, 14:11

Rembremerding hat geschrieben:Nicht umsonst spricht Jesus nun im Fortlauf (Mk 11:20-26) vom Glauben. Ab jetzt, nach der Heiligung des Vorhofs der Heiden, haben auch sie Anteil an der Vollmacht des Gebets.
Sehr interessante Ausführungen, die mir die geistige Vernetzung innerhalb der Bibel zu dieser Frage nahegebracht hat. - Meine eigentliche Frage scheint damit beantwortet zu sein: "Bethaus für alle Nationen" bezieht sich nicht nur auf die Stämme Israels, sondern auf ALLE Nationen/Kulturen/Völker der Welt. - Stimmst Du zu?

Würdest Du zustimmen, dass mit Gen. 18,18 "Wird doch Abraham gewißlich zu einer großen und mächtigen Nation werden, und sollen doch in ihm gesegnet werden alle Nationen der Erde!" vom Gedanken her dasselbe gemeint ist?

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#97 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Rembremerding » Do 17. Aug 2017, 16:40

closs hat geschrieben:Sehr interessante Ausführungen, die mir die geistige Vernetzung innerhalb der Bibel zu dieser Frage nahegebracht hat. - Meine eigentliche Frage scheint damit beantwortet zu sein: "Bethaus für alle Nationen" bezieht sich nicht nur auf die Stämme Israels, sondern auf ALLE Nationen/Kulturen/Völker der Welt. - Stimmst Du zu?
Ja, aber so einfach ist es nicht.
Hierzu ist vielleicht diese Passage erhellend (Joh 12:20-30):
Auch einige Griechen waren anwesend - sie gehörten zu den Pilgern, die beim Fest Gott anbeten wollten.
Sie traten an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: Herr, wir möchten Jesus sehen.
Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus.
Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.
Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.
Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.
Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen.
Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen.
Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet.
Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch.
Nebenbei: Johannes lässt durch Apostel Heiden zu Jesus führen, damit sie ihn sehen.
Warum lässt Johannes Jesus hier so anscheinend ausweichend antworten? Es hat natürlich einen tiefen Sinn.
"Griechen" sind Heiden und sie wollen den Gott Israels anbeten. Als Jesus von den Aposteln erfuhr, dass Heiden den Menschensohn sehen wollen, antwortet er darauf, dass dieser dadurch verherrlicht wird. Warum? Weil Jesus sein Leben für die Heiden gibt. Das Kreuz und die Auferstehung verherrlichen den Namen Gottes, sein Wesen, die Liebe. Jesus selbst wusste dies, die Antwort Gottes ist für uns "Griechen" bestimmt: Folge Jesus nach!

Nun sagte er dies inmitten von Juden, deren Reaktion darauf war ablehnend, denn für sie musste der Menschensohn (Messias) in Ewigkeit bleiben. Auch, dass Heiden zu Gottes Volk gehören könnten, war für sie unverständlich, nun kommen wir zu:
Gen. 18,18 "Wird doch Abraham gewißlich zu einer großen und mächtigen Nation werden, und sollen doch in ihm gesegnet werden alle Nationen der Erde!"
Der Text ist eng verbunden mit der Geschichte von Lots Errettung und den drei Engeln.
An dieser Stelle erklärt die Thora nicht nur, weshalb (d.h. zu welchem Zweck) Gott Abraham auserwählt hat – auserwählt dazu, ein Volk zu werden, das ein Segen für andere Völker sein wird -, sondern sie erklärt auch, wie das geschehen wird – indem er nämlich SEINE KINDER lehrt (die es ihre Kinder lehren werden), ZEDAKA u'MISCHPAT (Gutes, Recht und Gerechigkeit tun) (siehe 18:19 "Denn ich habe ihn dazu auserwählt, dass er seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm aufträgt, den Weg des Herrn einzuhalten und zu tun, was gut und recht ist, damit der Herr seine Zusagen an Abraham erfüllen kann".). Dieses Volk, charakterisiert durch eine Gemeinschaft von "Zedaka & Mischpat", wird Gottes vorbildliches Volk sein.
Gott will, dass Abrahams Volk durch gutes Beispiel verhindern wird, dass je wieder solche verworfenen Städte entstehen, wie Sodom. Isaak ist der Sohn, durch den diese Überlieferung weitergegeben wird, und daher ist es nicht ohne Bedeutung, dass dieselben Engel, die Sodom zerstören sollen, zunächst "den Samen ausstreuen" müssen für die Verhütung künftiger Städte wie Sodom.
Die Juden verstehen sich also als auserwähltes Volk zum Beispiel für andere Völker. Das Markante dabei ist, dass Sodom gerade deswegen zerstört wird, weil sie in ihren Reihen und der Stadt "keine Gäste zulassen" und damit nicht Gutes und Gerechtigkeit tun. So kann man aber Gott erkennen, weil er dasselbe tut. In der Folgezeit tat Israel dies aber nicht, deshalb:
Seht, es kommen Tage - Spruch des Herrn -, da werde ich für David einen gerechten Spross erwecken. Er wird als König herrschen und weise handeln, für Recht und Gerechtigkeit wird er sorgen im Land. (Jer 23:5)

Wenn man den Stammbaum Jesu bei Mt betrachtet, dann geht er auf Abraham zurück. Mit ihm beginnt die Verheißung, dass Gott Segen (textlich genauer: der erbittet werden soll und kann) sein wird für die Völker durch seine Nachkommen (Gottes Volk). Jesus sagt selbst: "das Heil kommt von den Juden".
Deshalb geht er zuerst zu den Juden, um zu verkündigen, dass nun die Zeit für den Messias erfüllt ist. Von den Nachkommen Abrahams wird durch die Universalität Jesu nun lt. Gen 18:18 das Heil auf alle Völker der Erde ausgeweitet, Abrahams Same ist nun Segen für alle.
Dieser Stammbaum ist ganz auf David ausgelegt, Jesus ist der "Sohn Davids". So wird der Stammbaum zu einem "Christkönig-Evangelium". Deshalb ist Jesu Reinigung des Tempels im Vorhof der Heiden ein wichtiges Zeichen.

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#98 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von closs » Do 17. Aug 2017, 18:47

Rembremerding hat geschrieben:Der Text ist eng verbunden mit der Geschichte von Lots Errettung und den drei Engeln.
Natürlich - das ist der Anlass. - Aber oft ist es doch so, dass das konkrete Handlungs-Umfeld lediglich Einbettung für eine universale Aussage ist (zumindest lese ich so die Bibel). - Demnach hieße dies:

"Ihr habt mir mit dem Lot-Geschehen einen Anlass gegeben, eine universale Aussage zu machen, die da heißt: 'Aus Abraham wird eine (geistige) Nation (= jüdische Nation), die die Blaupause ist für alle anderen Nationen der Erde (= Heiden)' ". - Würdest Du dem zustimmen?

Rembremerding hat geschrieben:Dieser Stammbaum ist ganz auf David ausgelegt, Jesus ist der "Sohn Davids". So wird der Stammbaum zu einem "Christkönig-Evangelium". Deshalb ist Jesu Reinigung des Tempels im Vorhof der Heiden ein wichtiges Zeichen.
Geistig stimme ich Dir zu - rein historisch vermute ich, dass die historisch-kritische Exegese recht hat, wenn sie sagt, es gibt keinen naturalen Stammbaum über Maria, der zu David führt.

Ich würde es vielmehr folgendermaßen (wie Du?) verstehen:
Jesu ist geistig der 'gerechte Sproß Davids', was von Israel nicht anerkannt wird, weshalb 'alle Nationen der Welt' nicht in Israel gesegnet werden, sondern in dem Juden Jesus - Jesus vertritt also sozusagen Israel heilsgeschichtliche Vorsehung übergangsweise. Umgekehrt: Israel verläßt mit seiner Ablehnung Jesu seinen eigenen heilsgeschichtlichen Pfad. - Würdest Du dem zustimmen?

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Thaddäus
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#99 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Thaddäus » Do 17. Aug 2017, 20:04

Rembremerding hat geschrieben: [...]
Was tat Jesus also hier als prophetische Zeichenhandlung im Vorhof der Heiden? Entsprechend der Erwartung aus Jesaja sollte dieser Vorhof nun von Jesus und damit Gott geheiligt sein, indem er gereinigt wird von Räubern, auch aus dem Haus Israel. Ebenso werden nun Blinde und Lahme zur Heilung hineingenommen. Nun kann der Vorhof zur Anbetung Gottes durch die Heiden dienen. Jesu Tat ist Vorbereitung der baldigen Hinwendung der Heiden zum Gott Israels. In einer Veränderung des Tempels kann immer die Veränderung der heilsgeschichtlichen Situation abgelesen werden. Jesu Aktion kündigte die Hinzunahme der Heidenvölker an. Gerade Markus stellte also, im Unterschied zu Lukas oder Matthäus, die missionarische Thematik in den Vordergrund, denn in diesen Vorhof durfte jeder, er wurde vom eigentlichen Tempel mit steinernen Schranken abgetrennt mit Schildern, die besagten, dass ab hier nur Juden weiter durften. Dass es solche Schranken gab, und zu was sie dienten, ist historisch belegt und archäologisch wurden sie samt Inschrift bereits aufgefunden.
Nicht umsonst spricht Jesus nun im Fortlauf (Mk 11:20-26) vom Glauben. Ab jetzt, nach der Heiligung des Vorhofs der Heiden, haben auch sie Anteil an der Vollmacht des Gebets.
Entschuldige Rembremerding, dass ich deinen Beitrag hier als Negativbeispiel anführen muss, aber diese Art der Auslegung ist exakt die, die man als seriöser Theologe unbedingt vermeiden sollte. Denn darin findet sich eine geradezu entfesselte und wild spekulierende theologische Phantasie, die durch die historisch-kritische Analyse des Textes nicht gestützt wird. Sie ist auch ein Paradebeispiel für die grundsätzlich den Text korrumpierende Herangehensweise von clossens favorisierter, kanonisch-heilsgeschichtliche Auslegung, die unbedingt ein ganz bestimmtes Ergebnis nahelegen möchte.

Fraglos verknüpft Markus Jesu Tempelreinigung mit der Öffnung des Kultus für die Heiden. Dies steht ja auch deutlich im Text, da Mk. explizit vom "Bethaus für alle Völker" spricht. Die Frage ist, ob Jesus selbst seine Tempelreinigung so verstanden wissen wollte. Das hat er aller Wahrscheinlichkeit nämlich nicht!

Die Historizität der Tempelreinigung ist umstritten. Für ihre Historizität spricht, dass sie einzigartig ist in ihrer Missachtung jüdischer Gesetze und jüdischen Anstands. Die relativ aggressive Tempelreinigungsaktion Jesu stellte zweifelsohne einen erheblichen Affront dar gegen den jüdischen Kultus und jüdische Gebräuche. Wenn diese Aktion also vermutlich historisch war, muss man sie sich freilich wesentlich "kleiner" vorstellen als sie bei Mk. und vor allem Joh. geschildert wird. Sie kann nicht soviel Aufsehen erregt haben, dass sich die äußerst strenge und permanent patrouillierende jüdische "Tempelpolizei" genötigt sah, einzugreifen, denn von einem solchen Eingreifen wird nichts berichtet. Dass Jesus den Tempelvorhof von Opfertierverkäufern und Geldwechslern "säuberte", ist keineswegs ein Beleg dafür, dass er sozusagen Platz für die Anbetung der Heiden schaffen wollte ("Nun kann der Vorhof zur Anbetung Gottes durch die Heiden dienen."), sondern er säubert diesen Bereich des Tempels deshalb, weil eben genau dort die Opfertierverkäufer und Geldwechsler ihren Geschäften nachgingen. In den anderen Tempelbezirken gab es nichts zu säubern. Jesu Aktion richtet sich gegen das Geschäftliche des jüdischen Kultus, ganz gewiss soll sie aber nicht "Platz für die Anbetung durch Heiden" schaffen und schon gar nicht will sie so eine Heidenmission rechtfertigen.

Die historisch-kritische Befundlage ist eindeutig: Jesu Tempelreinigung hat höchstwahrscheinlich einen historischen Kern, der Evangelist verknüpft die jesuanische Zeichenhandlung "der Reinigung des Kultus von Geschäftemacherei" aber mit dem Aspekt der Heidenmission, die zur Zeit des Markus längst historischer Fakt ist und nachträglich gerechtfertigt werden soll. Die Rede Jesu vom "Bethaus für alle Völker" ist mit Sicherheit nicht historisch und widerspricht auch seiner eindeutigen Aussage, sich ausschließlich zu den "Schafen des Hauses Israels" gesandt zu sehen, - einem tatsächlich authentischen Jesuswort.

Gerade dann, wenn du mit deiner Auslegung recht hättest, ergibt sich ein direkter Widerspruch in Jesu Aussagen und Handeln.
Zuerst spricht Jesus davon, ausschließlich zu den Schafen des Hauses Israels gesandt zu sein, dann aber soll er eine prophetische Zeichenhandlung begehen, die den Tempel für die Anbetung durch Heidenchristen öffnet?
Wenn Jesus zu seiner Lebenszeit irgendetwas gesagt oder getan hätte, das eindeutig für eine Heidenmission gesprochen hätte, hätte es den Konflikt des Petrus, der als Jünger Jesu dessen Reden und Handeln aus erster Hand kannte mit Paulus nie gegeben! Petrus und die Jerusalemer Urgemeinde haben aber ausschließlich Judenmission betrieben und eine Heidenmission dezidiert abgelehnt. Sollen sie das etwas gegen den erklärten Willen jesu getan haben?
Paulus, der Jesus nie persönlich kennengelernt hat, setzt dennoch die Heidenmission durch, und der Evangelist Markus muss seine historische Realität, dass nämlich Heiden längst getauft werden und in christlichen Gemeinden aktiv sind, irgendwie mit dem, was Jesus in den ihn vorlegenden Überlieferungen sagt und tut in Einklang bringen.
Dies alles spricht eindeutig dafür, dass schon Mk. die Tempelreinigung erzählerisch um den Aspekt des "Bethauses für alle Völker" ausgeschmückt hat.

Der Widerspruch zwischen Jesu authentischer Aussage, nur zu den Schafen des Hauses Israels gesandt zu sein und deiner Auslegung der Tempelreinigung lässt sich auch nicht harmonisieren, z.B. indem man annimmt, Jesus habe seine Meinung einfach geändert. Wäre dies der Fall gewesen, könnte man von diesem eklatanten Sinneswandel Jesu in den Schriften des NT lesen, weil er viel zu bedeutsam gewesen wäre, um verschwiegen zu werden. Dieser Sinneswandel hätte ja ganz erhebliche Konsequenzen gehabt und hätte nur mit einer Erklärung Jesu zu diesem seinen Sinneswandel von der Juden- zur Heidenmission Akzeptanz finden können. Allein die Tatsache aber, dass es die heftige Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus zur Frage der Heidenmission historisch-faktisch gab und sie bezeugt ist, beweist schon, dass du mit deiner obigen Auslegung nicht recht haben kannst. Hättest du nämlich recht, hätte es die Auseinandersetzung nicht gegeben, da ja klar gewesen wäre, dass Jesus eine Heidenmission befürwortet hätte.

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#100 Re: Markus-Evangelium

Beitrag von Rembremerding » Do 17. Aug 2017, 21:12

closs hat geschrieben:Aber oft ist es doch so, dass das konkrete Handlungs-Umfeld lediglich Einbettung für eine universale Aussage ist (zumindest lese ich so die Bibel). - Demnach hieße dies:

"Ihr habt mir mit dem Lot-Geschehen einen Anlass gegeben, eine universale Aussage zu machen, die da heißt: 'Aus Abraham wird eine (geistige) Nation (= jüdische Nation), die die Blaupause ist für alle anderen Nationen der Erde (= Heiden)' ". - Würdest Du dem zustimmen?
Viele Texte der Bibel sprechen aus einem konkreten (manchmal tatsächlich historischen) Anlass heraus sowohl in die Situation als auch in eine "Meta-Ebene". Also Zustimmung.
Geistig stimme ich Dir zu - rein historisch vermute ich, dass die historisch-kritische Exegese recht hat, wenn sie sagt, es gibt keinen naturalen Stammbaum über Maria, der zu David führt.
Hier sind wir an dem Punkt, wo es nichts nützt Textschnippselchen zu sezieren, als ob man isoliert einen Frosch vor sich liegen hat, um das Wozu, wo hinein und letztlich den Sinn zu erkennen. Alle Teile eines Motors zu kennen und beschreiben zu können, lässt noch niemand mit einem Auto von A nach B gelangen. Es gilt immer einen größeren Zusammenhang zu betrachten.
Der Text kam wohl in der Zeit um der Steinigung des Stephanus zum Urevangelium, als es darum ging die Angriffe der Juden, Jesus sei nicht der Messias, apologetisch zu widerlegen. Es wurde also nun eine weitere Überlieferungstradition in den Text aufgenommen. Es ging tatsächlich um die Legitimation Jesu als Messias. Dabei war es sogar hinderlich, dass allgemein bekannt war, dass es sich um eine Jungfrauengeburt handelte, denn dies wird in der jüdischen Tradition nicht vom Messias berichtet. Dies zu verschweigen wäre sogar dienlicher gewesen, man tat es aber nicht, was für die Authentizität der Überlieferung spricht. Und dass es sich um eine Dreiteilung von 14 Generationen handelt, Heiden im Stammbaum genannt werden und die Buchstabensumme DAVID ergibt, unterstreicht nur die vorrangige Aussage des Textes: Jesus ist ein Sohn Davids, der Messias. Für einen gelehrten Juden auch zur damaligen Zeit war die Textkomposition und der Inhalt (z.B. die Namen, Gliederung) weitaus konkreter, fordernder, zwingender, erschütternder, als ein bloß naturaler Stammbaum.
Ich würde es vielmehr folgendermaßen (wie Du?) verstehen:
Jesu ist geistig der 'gerechte Sproß Davids', was von Israel nicht anerkannt wird, weshalb 'alle Nationen der Welt' nicht in Israel gesegnet werden, sondern in dem Juden Jesus - Jesus vertritt also sozusagen Israel heilsgeschichtliche Vorsehung übergangsweise. Umgekehrt: Israel verläßt mit seiner Ablehnung Jesu seinen eigenen heilsgeschichtlichen Pfad. - Würdest Du dem zustimmen?
Jesus ist schon tatsächlich, nicht nur geistig, ein Sohn Davids. Er ist Jude und Nachkomme der Verheißungslinie. Viele Textstellen der Bibel weisen darauf hin. Israel hat eigentlich seinen heilsgeschichtlichen Pfad nicht verlassen, so sagt es uns jedenfalls Paulus:
Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst für klug haltet: Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vollzahl der Nationen hineingekommen sein wird; Rö 11:25
Sowohl die verstockten, als auch die bekehrten Juden tragen also ihren wichtigen Teil zum heilsgeschichtlichen Pfad bei.
Durch die ganze Bibel zieht sich der Faden eines heiligen Restes und einer Verheißungslinie.

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