Ruth hat geschrieben: ↑Mo 9. Mai 2022, 14:35
Ich denke auch, dass Gott ohne Dogmen gefunden werden kann. Aber wahrscheinlich nicht jeder Mensch findet Gott dann auch. In einer Welt, wo es auf "Beweise" ankommt, ist es schwieriger, als dort wo man außerirdisches Geschehen grundsätzlich für möglich hält. Und selbst dort, wo man mit außerirdischen Energien und Impulsen rechnet, scheinen die "Götter" ja ziemlich zahlreich und merkwürdig zu sein. Sicher ist es da schwierig, den Weg zu finden, der tatsächlich zu Gott führt. Jeder Mensch wird von äußeren Einflüssen geprägt. besonders von solchen, die aus dem eigenen Umfeld/Familie kommen. Ich denke, dabei gibt es vieles, was auch die Wahrnehmung von Gottes Spuren schwierig machen können.
Erst einmal ist es ganz natürlicher Vorgang, dass man aus Erfahrenem Zusammenhänge und logische Strukturen bildet und das diese letztlich - wenn es komplexer wird zu "Dogmen" führen, die auch lehrreich sein können. Zu Lehraussagen gewordene Erfahrungen werden zum Austausch zwischen Menschen wichtig und nützlich. Den Begriff "Dogmen" verstehe ich jedoch strenger wie gerade beschrieben. Dogmen sind unanfechtbare Behauptungen religiöser Institutionen (denen naturgemäß das Rechthaben teil ihrer kollektiven Identität ist, weil sie sich durch diese Dogmen von der Konkurrenz unterscheiden. Und entsprechend vehement werden sie auch vertreten. Die Vermittlung von (unmittelbarer) Gotteserfahrung steht da gar nicht im Fokus. Und wenn Du die ersten zehn Dogmen nennst, die Dir in den Sinn kommen, wird es wohl so sein, dass alle zehn auch nicht Beweise ersetzen. Im Gegenteil, wenn ich einen Beweis habe, brauche ich kein Dogma mehr, da gibt es kein Dogma mehr.
Religiöse Erfahrungen sehe ich in einem Bereich, in dem ich erst einmal völlig ohne Beweise dastehe. Das ist - vermeintlich - eine Steillvorlage für diejenigen, die aus einer "Wissenschaftlichen Haltung" heraus diesen Bereich grundsätzlich ablehnen. Wobei das wissenschaftstheoretisch sogar naiv ist. Denn: wenn etwas nicht bewiesen werden kann, kann daraus nicht geschlussfolgert werden, dass es nicht existiert. Man kann nur konstatieren, dass es nicht streng wissenschaftlich ist. Ich kann z.B. nicht beweisen, welche Gedanken und Gefühle ich habe - aber ich lebe ständig damit und ohne jegliches Problem. Die Schlussfolgerung, dass Gedanken und Gefühle nicht da sind, weil ich sie nicht beweisen kann, ist sogar für jeden einsichtig abstrus. Man kann es schade finden, aber es gibt Bereiche, die wissenschaftlichen Aussagen nicht zugänglich sind. Das sagt aber nicht aus, dass es deswegen Quatsch ist.
Gotteserfahrung ist in einem sehr persönlichen Bereich, den man mit vorgeschriebenen Dogmen nicht hilft. Hilfreich wären hier eher "Methoden". Also was fördert das göttliche Erfahren? Also eine Art "Psychologie religiösen Erfahrens, spirtuellen Erfahrens". Bei den drei Buchreligionen (Überbetonung schriftlicher Überlieferung mit Dogmatisierung, also nicht wirklich hinterfragbar machender Kernaussagen), ist das schlicht in einer Außenseiternische dieser Religionen (z.B. Mystiker bei den Christen, Sufis im Islam, etc.) Absolut nicht zentral. Leider. Und das Interessante ist dann auch, dass die "Gotteserfahrungen" auf einmal 1:1 sich innerhalb der Dogmen bewegen. Schlicht weil die dogmatischen Vorstellungen die Erfahrungen formen (und damit verfälschen). Bei den bei uns eher verachteten Religionen Buddhismus und Hinduismus ist es (außer im naiven Volksglauben dort) anders. Der Buddhismus z.B. lässt Buddha selbst dazu auffordern selbst IHN zu hinterfragen. Es ist eher eine Ansammlung spiritueller Techniken mit einem eigenen hochabstrakten Fachvokabular als eine Religion (im engeren Sinn). Im Hinduismus ist das Yoga der Weg. Also Methode eng angelehnt an persönlicher Erfahrung.
Nur als ein paar Stichwortartige Gedanken zu der sehr komplexen Thematik.
Und darum könnte ich mir vorstellen, dass Gott auch die verschiedenen Religionen nutzt und vielleicht auch prägt, damit Menschen, die ihn suchen, die Möglichkeit haben, ihn auch zu finden. So eben auch mit Jesus. Ich halte es für einen Fehler, alles vom Tisch zu wischen, wenn man merkt, dass die Grundlage, die man erlernt hat, verschwindet. Vielleicht sollte man eher nach Dingen suchen, was einem selbst die Augen für die Spuren Gottes geöffnet hat. Und daran anknüpfen - so wie es Paulus mit "dem unbekannten Gott" tat.
Eine provozierende Frage: warum braucht Gott Religionen um mit Menschen zu kommunizieren? Er kann ja auch direkt und benötigt gar keinen "Mittler". M.E. ist man zumindest eine Zeitlang besser beraten, Gott nicht zu suchen, sondern den Filter wegzumachen, der ihn verschwinden lässt: also alle Dogmen und Vorstellungen die wir für so richtig erachten. Also uns "leer" machen von allem. Ein leeres Gefäß kann gefüllt werden, kein volles. Religionen stellen ein volles Gefäß hin.
Je mehr man darauf besteht, zu beweisen, dass altbekanntes Gedankengut falsch sei, desto mehr besteht auch die Gefahr, einen nach Gott suchenden Menschen, zum gänzlichen Unglauben zu animieren,
Ich kenne es vor allem von von Religionen Enttäuschten (ich gehöre ja auch dazu). Da hat man anfangs eine Phase die sehr aggressiv ist und direkt auf die Zerstörung falscher Dogmen zielt. Später wird man dann (in der Regel) "harmonischer" und versucht auch bei den Religionen mit größerer innerer Gelassenheit sowohl das Gute und auch das Böse zu sehen.
Ich selbst argumentiere gerne z.B. gegen ganz "Bibeltreue" und es verblüfft mich immer wieder mit welchen phantasievollen Gebilden da so einiges hochgehalten wird und auch so hochgehalten werden muss. Aber das ist wie ein Hobby für mich (und manchmal schon zwanghaft). Das ist die Ebene der Dogmen, der Religionen. MIttlerweile empfinde ich auch das als "Gottesferne". Denn der eigentliche Weg ist spiritueller Natur und entzieht sich diesen Diskussionen. Ja, und mit den Diskussionen darüber lenke ich mich von dem ab was schwerer ist als Argumente auszutauschen: in sich zu gehen und sich wirklich zu "leeren".
Ich bin mir sicher, Du wirst vieles davon gut nachvollziehen können, Ruth.