Ich habe als Jugendlicher einen alten Lehrer kennen gelernt, der mein Interesse geweckt hat (ich habe also mein Interesse erkannt). Aus diesem Erkennen erwuchs das Bedürfnis, Pilze selber sammeln zu können - ich bekam also einen diesbezüglichen Willen. - Daraus hat sich entwickelt, dass ich durch diesen entflammten Willen immer mehr Pilze kennen gelernt habe.Rembremerding hat geschrieben:man muss doch erst den Willen haben, Pilze zu kennen.
Ohne den alten Lehrer wäre ich nie auf diese Idee gekommen - und wenn heute jemand zu meinem Nachbarn käme und ihn vorwurfsvoll fragen würde, warum er nie Pilze sammeln wollte, würde dieser sagen: "Bin ich nie drauf gekommen - mein Hobby ist Grillen". - Und wenn der nächste käme und sagen würde: "Closs, Du bist gerettet, weil Du Dich für Pilze "mit freiem Willen" "entschieden", und Du, Nachbar, bist verloren, weil Du Dich "mit freiem Willen" "entschieden" hast für Grillen", würde der den Arsch voll kriegen.
Wenn das Bedürfnis nicht geweckt ist, erkennen zu wollen, wird man nur unter Zwang erkennen. - Aber das Wecken von Bedürfnis (!!) muss da sein.Rembremerding hat geschrieben: Ich argumentiere, man kann nicht erkennen, wenn man nicht will.
Wenn jetzt der Nächste kommt und sagt: "Ja - wir haben Dir doch von Jesus erzählt - Du kannst Dich nicht rausreden, ihn nicht zu kennen", dann ist das nicht ausreichend, sondern eine billige Absicherung für die eigenen Ideologie. - Denn es geht nicht um formale Mitteilung, sondern um Bedürfnis- Weckung beim anderen ("Ou - ich will auch so sein - ich spüre ein Bedürfnis - das klingt so, dass es in mir etwas trifft, was ich spüre").
In diesem Sinne wird bei geschätzten 90% der Menschen NICHTS geweckt, wenn der eine was von Buddha und der andere etwas von Jesus und der dritte etwas von Esoterik und der vierte etwas von Wellness und der fünfte etwas von Mohamed erzählt. - Das ist so, als würde ich Dich interessieren wollen für die Kafka-Rezeption von Goethe unter besonderer Berücksichtigung hegelscher Dialektik in marxistischer Prägung. - Interessiert keine Sau. - Also WILLST Du nicht - weil Du nichts erkennst (in diesem speziellen Fall mit gutem Grund

Da bist Du sehr optimistisch. Man wird seine "Wut" nach heutigem Jargon eher als positive Energie verstehen, um gesetzte Ziele ("Erfinde Dich selbst" - das Leitmotiv des Existentialismus) "selbstverwirklichend" zu erfüllen. - Wenn er trotz Wut seine Ziele nicht erreicht, wird er sich als Loser verstehen und von seinem Umfeld auch als solcher verstanden werden.kamille hat geschrieben:Es wird wütend und weiß, das da etwas ist, das seine Willensverwirklichung verhindert.
Das ist jetzt begrifflich schwierig. - Ich kenne viele Christen, die eine Begierde nach Gott haben (meine ich durchaus positiv) - wie willst Du das SUBJEKTIV (!) unterscheiden von einer Begierde nach Pornos? - Wohlgemerkt: SUBJEKTIV - dass es objektiv etwas anderes ist, ist klar.kamille hat geschrieben:Der Wille wird also von einer starken Begierde dominiert
Das ist auch irgendwie richtig und gleichzeitig irgendwie verschoben. - Jesus hat sich seinen Willen aufgrund seiner Erkenntnis aufheben lassen von und in Gott - also seinen Willen nicht zerstört, sondern veredelt in Gott. - Das war aber eben NICHT Ausdruck blinden Gehorsams, sondern erkennenden Gehorsams.kamille hat geschrieben:Aber es gibt auch den Weg des Gehorsams , den Jesus gegangen ist und der beweist auch, dass es einen freien Willen geben muß.
Der Wille ist eine KRaft, die dadurch aktiviert wird, dass der Mensch aus Gott heraustritt und als eigene Instanz zu Gott hin ("gut") oder von Gott weg ("böse") agiert. - Es ist dabei vollkommen wurscht, ob er "absichtlich" so oder so agiert - allein das Phänomen des "gesenkten Blicks" (Kain) oder des Blicks nach oben ist entscheidend.kamille hat geschrieben:Der freie Wille muß demnach eine Kraft sein, die vom Geist ausgeht, also von Gott kommt, und dem Menschen zur Verfügung gestellt wird.
Das sind solche Schlagwörter.kamille hat geschrieben:Dieser Wille, der ja vorher ein Teil des göttlichen Willens war, rebelliert nun, weil er sich gedemütigt fühlt
Erst mal rebelliert er nicht, sondern ist erst mal mit sich allein - so wie A+E nach dem Fall merken: "Huch - ich bin ja ab sofort eine eigene, da von Gott getrennte Instanz". Dass es später zu Rebellion kommen kann (Turm zu Babel - "Nichts wäre nunmehr ihnen zu steil" - Buber Gen. 11,6), hat etwas mit der Entwicklung der Eigen-Erkenntnis zu tun - die sich erst mal überschätzt (auch heute noch).
"Gedemütigt" ist auch so ein Wort, das belastet ist, weil das so klingt, als würde Gott den Menschen für irgend welches Sado-Maso-Zeugs missbrauchen. - Bei Buber steht nüchtern phänomenologisch "beugen". - Gott "beugt" den Menschen, dem "nichts zu steil" wird - so wie ein Pilot den zu steilen Steigflug abbricht, damit das Flugzeug (hier die menschliche Existenz) nicht abschmiert.
Absolute Zustimmung: Aber nicht durch "Strafe", sondern durch "Erkennen": "Ich-merke-dass-ich-es-nicht-alleine-schaffen-kann. - Ich-begebe-mich-unter-den-Schutz-Gottes".kamille hat geschrieben:Durch die Demut verliert der Wille seine Herrschaftlichkeit und ordnet sich wieder unter den Gotteswillen.
Also Ergebnis von Erkenntnis gibt es "freien Willen" schon - als Werkzeug, nachdem geistig im Grunde schon alles gelaufen ist. - "Ich-will-morgen-wieder-hier-auf-dem-Forum-schreiben-weil-ich-zu-erkennen-glaube-dass-es-einen-Sinn-hat" - das kann man als "freie Willensentscheidung" bezeichnen - aber dann ist es auch eine "freie Willensentscheidung", wenn man aufs Klo geht.kamille hat geschrieben:Aber gerade du schreibst doch andauernd , das es keinen freien Willen und freie Willensentscheidung gäbe.
Immerhin wäre es aus meiner Sicht der Normalfall. - Schau Dir unsere Gesellschaft an.kamille hat geschrieben:Sicher urteilt das Ego falsch indem es mit seinem Willen weiterkommen will statt mit Erkenntnis. Aber das ist keine Eigenschaft des Willens, sondern ein lichtloses Empfinden.
Wenn man rein "innerbetrieblich" unter Christen sprechen würde, wäre das Thema wahrscheinlich, warum der Wille oft nicht in der Lage ist, Erkanntes umzusetzen - das wäre aber ein ganz anderes Thema, weil wir dann ja schon auf Basis der Erkenntnis reden würden. Das ist aber absoluter Luxus und nicht normal.
Die Sprachwahl ist hier aus meiner Sicht irreführend. - Es ist in meinem Jargon eine Bitte an Gott, etwas an einem zu tun, was man aus eigener Erkenntnis als notwendig ansieht: "Gib mir die Kraft, das umzusetzen, was ich erkenne, aber nicht kann". - Mir ist der Begriff "freie Willensentscheidung" einfach zu martialisch und ego-zentriert - das klingt so wie:kamille hat geschrieben:Genau das ist eine freie Willensentscheidung.
"I C H habe im Glanze meiner Existenz eigenhändig, in vollster Souveränität und mit Krone auf dem Haupt heute entschieden, dass ich mir meinen Ego-Willen abnehmen lasse, um frei zu werden für Gott". - Fällt Dir dasselbe auf wie mir?