SilverBullet hat geschrieben: Und was, wenn man gar nicht aus den Körper-/Weltzusammenhängen aussteigen kann (genau diese Ansicht vertrete ich) und dann nur so tut, als würde man für eine „übergeordnete Macht“ sprechen?
Ich würde sagen, dass ist mindestens „einen ganzen Millimeter“ schlechter.
Absolut valider Einwand. Wie kann man von einer "überweltlichen" oder "außerweltlichen" Macht überzeugt sein, wenn der Mensch schon allein durch seinen Körper und seine Hirnstruktur in der Welt absolut verhaftet ist? Wie sollten wir so etwas überhaupt wahrnehmen?
Selbst so etwas scheinbar einfaches wie eine Sinneswahrnehmung ist ja in höchstem Maße subjektiv, weil unser Hirn heftig filtert und ergänzt bevor irgendetwas im Bewusstsein ankommt (siehe optische Täuschungen; Das Phänomen, dass wir nachts im Wald leicht in jedem Schatten ein wildes Tier sehen; oder auch akustische Täuschungen:
https://www.youtube.com/watch?v=vNbX8Ed3RL0 )
Dazu kommt noch, dass selbst unsere Erinnerungen, die ja stark unser Selbstbild prägen, mitnichten "Filmclips" aus der Vergangenheit sind, sondern formbar und flüchtig.
https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 38624.html
Wie kann man angesichts dessen überhaupt von der Existenz eine allgemeinen, objektiven Wahrheit ausgehen? Geschweige denn davon, dass ausgerechnet man selbst sie gefunden hat...
Ich halte es, was die Existenz des Göttlichen betrifft, mit Pi.
Aus dem Buch "Schiffbruch mit Tiger", wurde als "Life of Pi" verfilmt (ich habe nur das Buch gelesen, aber der Film soll ganz gut sein)
Grob gesagt geht es darum: Ein Junge überlebt einen Schiffbruch, wobei er sich das Rettungsboot mit einem Tiger (aus dem Zoo seines Vaters) teilen muss und viele z.T. fantastische Abenteuer erlebt.
Nach seiner Rettung gibt es zwei Versionen seiner Geschichte: Die eine ist, dass er sich den Tiger und das alles nur eingebildet hat um so seine Erlebnisse zu verarbeiten. Schließlich war er in einer traumatischen Situation.
Die andere Version nimmt den Tiger als wahr an.
Beweisen lässt sich keine, denn der Tiger ist sofort im mexikanischen Dschungel verschwunden als das Rettungsboot endlich eine Küste erreichte.
Am Ende Buches, in der Rahmenhandlung, fragt der inzwischen erwachsene Pi seinen Gesprächspartner, welche der beiden Geschichten ihm besser gefalle. "Die mit dem Tiger" ist die Antwort. Pi darauf: "Und ebenso ist es mit Gott"
Für mich bedeutet das: Ich kann die Existenz meiner Götter nicht beweisen, ich will es auch gar nicht. Es ist mir vollkommen klar, dass vielleicht alles nur Einbildung ist. Dennoch bin ich gläubig und vertraue meiner individuellen Gotteserfahrung. Mein Glaube macht mein Leben reicher, schöner und hoffnungsvoller. Er hat mir sogar schon einmal das Leben gerettet. Und er liefert mir den Ansporn, Gutes zu tun und gerecht zu handeln.
Ist Religion ein Produkt der menschlichen, welt-verhafteten Natur? Ein Produkt unsere Fantasie, unserer Lust an Geschichten und unserer steten Suche nach Erklärungen und Kausalitäten? Schon möglich, aber dann ist sie auch vollkommen weltlich und "normal". Und wenn wir unsere menschliche Natur wiederum als Produkt göttlicher Schöpfung verstehen? Ein Schöpfer, der uns in einer Weise schuf, die uns zur Suche nach ihm veranlasst?
... Huhn und Ei ...
liebe Grüße
Mirjam